Portrait von Ellen White
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Kapitel 1: Gott mit uns
Kapitel 1: Gott mit uns
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Auf der Grundlage von Matthäus 1; Lukas 1. DM.7 Teilen

„Man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: ‚Gott mit uns‘.“ Matthäus 1,23. „Die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes“ strahlte „in dem Angesicht Jesu Christi“. 2.Korinther 4,6. Von Ewigkeit an war der Herr Jesus eins mit dem Vater. Er war „das Ebenbild Gottes“ (2.Korinther 4,4) in Größe und Majestät, „der Abglanz seiner Herrlichkeit“. Hebräer 1,3. Er kam auf die Erde, um diesen Ruhm zu festigen, und in diese von Sünde belastete Welt, um das Licht der Liebe Gottes zu offenbaren — um „Gott mit uns“ zu sein. Deshalb wurde auch von Ihm geweissagt: „Man wird Ihm den Namen Immanuel geben.“ Matthäus 1,23. DM.7.1 Teilen

Indem Er kam, um mitten unter uns zu wohnen, wollte Jesus das Wesen Gottes den Menschen und den Engeln bekannt machen. Er war das Wort Gottes, durch Ihn wurden Gottes Gedanken lebendig. In Seinem hohepriesterlichen Gebet sagte Jesus: „Ich habe ihnen deinen Namen verkündet: Der HERR, der HERR, der starke Gott, der barmherzig und gnädig ist, langsam zum Zorn und von großer Gnade und Treue (2.Mose 34,6) ..., damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.“ Johannes 17,26. Diese Offenbarung wurde jedoch nicht nur Seinen Kindern hier auf Erden gegeben — unsere kleine Welt ist auch das Lehrbuch für das ganze Weltall. Gottes wunderbares Ziel der Gnade, das Geheimnis seiner erlösenden Liebe ist das Thema, das „auch die Engel gelüstet zu schauen“ (1.Petrus 1,12), und sie werden sich damit die ganze Ewigkeit hindurch beschäftigen. Die Erlösten wie auch die ungefallenen Wesen werden wegen dem Kreuz Christi selbst immer weiter studieren und darüber sogar Lieder singen. Dann werden sie erkennen, dass die Herrlichkeit, die von Jesus ausstrahlt, der Abglanz Seiner aufopfernden Liebe ist. Im Licht von Golgatha wird deutlich, dass das Gesetz der gebenden Liebe die Lebensgrundlage ist, die auf Erden und im Himmel gilt, und dass die Liebe, die „nicht das Ihre“ (1.Korinther 13,5) sucht, aus dem Herzen Gottes kommt. Und in dem, der „sanftmütig und von Herzen demütig“ (Matthäus 11,29) ist, zeigt sich die Wesensart dessen, „der in einem unzugänglichen Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann“. 1.Timotheus 6,16. Am Anfang offenbarte sich Gott in jedem Seiner Schöpfungswerke. Es war Christus, der den Himmel ausbreitete und auch der Erde sein Fundament gab. Seine Hand positionierte die Welten im Universum und formte die Blumen auf dem Feld. Von Ihm heißt es: „Der du die Berge festsetzest in deiner Kraft.“ Psalm 65,7. „Sein ist das Meer, und er hat‘s gemacht.“ Psalm 95,5. Er war es, der die Erde schön gestaltete und die Luft mit Gesang erfüllte. Und auf jedes Seiner geschaffenen Werke auf Erden, in der Luft und am Himmel, schrieb Er die Botschaft von der Liebe des Vaters. DM.7.2 Teilen

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Durch die Sünde ist das vollkommene Werk Gottes zwar beschädigt worden, die göttliche Handschrift aber blieb erhalten. Selbst heute noch erzählt die Schöpfung von der Herrlichkeit und Güte Gottes. Nichts — abgesehen von den selbstsüchtigen Menschen — lebt für sich selbst. Jeder Vogel in den Lüften, jedes Tier auf der Erde dient einem anderen Leben. Jedes Blatt im Wald, jeder einfache Grashalm erfüllt einen bestimmten Dienst. Jeder Baum und Strauch, ja, jedes Blatt gibt von jener Lebenskraft weiter, ohne die weder Mensch noch Tier leben könnte. Und auch der Mensch und das Tier wiederum tragen zum Leben von Baum, Strauch und Blatt bei. Durch ihren Duft und ihre Schönheit werden die Blumen der Welt zum Segen. Die Sonne verströmt ihr Licht und erfreut dadurch tausend Welten. Selbst der Ozean, der Ursprung aller Quellen und Flüsse, empfängt die Gewässer aus allen Ländern wieder. Doch er nimmt nur, um erneut zu geben. Die Dunstschleier, die von ihm aufsteigen, fallen als Regen wieder auf die Erde herab, um erneut Leben hervorzubringen. DM.8.1 Teilen

Die Engel der Herrlichkeit finden ihre Freude im Geben, wenn sie gefallenen, sündhaften Menschen Liebe anbieten und unermüdlich über sie wachen können. Himmlische Wesen werben um die Herzen der Menschen und bringen helles Licht in diese dunkle Welt. Durch sanftes und geduldiges Wirken beeinflussen sie das Gemüt, um verlorene Menschen in die Gemeinschaft mit Christus zu führen, die viel enger ist, als sie es sich vorstellen können. DM.8.2 Teilen

Erst wenn wir uns vom diesseitigen Denken abwenden, wird uns bewusst, dass es die Herrlichkeit Gottes ist, zu geben. Jesus sagt von sich: Ich tue „... nichts von mir selber“. Johannes 8,28. „Der lebendige Vater hat mich gesandt, und ich lebe um des Vaters willen.“ Johannes 6,57. „Ich suche nicht meine Ehre“ (Johannes 8,50), „sondern die Ehre dessen, der mich gesandt hat“. Johannes 7,18. Diese Worte weisen auf den erhabenen Grundsatz hin, der das Gesetz des Lebens für das All bedeutet. Alle Dinge, die Christus von Gott erhielt, nahm Er aber, um wieder zu geben. So ist es auch in den himmlischen Vorhöfen, und das gilt auch für Jesu Dienst an allen geschaffenen Wesen: Durch den geliebten Sohn fließt die Lebenskraft des Vaters zu allen. Über den Sohn kehrt sie als Lobpreis und als fröhlichen Dienst wieder zum Vater zurück, eine Flut der Liebe gleich, die zum erhabenen Ursprung aller Dinge zurück strömt. Durch Christus wird so der Kreislauf des Segens geschlossen, indem Er das Wesen des großen Gebers darstellt, der das Gesetz des Lebens vertritt. DM.8.3 Teilen

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Im Himmel selbst wurde dieses Gesetz übertreten. Die Sünde entsprang der Selbstsucht. Luzifer — der schirmende Cherub — wollte der Erste im Himmel sein. Er wollte die Kontrolle über die himmlischen Wesen bekommen, um sie von ihrem Schöpfer wegzuziehen und ihre Huldigung für sich selbst zu gewinnen. Deshalb stellte er Gott falsch dar und unterstellte Ihm den Wunsch nach Selbsterhöhung. So täuschte er Engel, so tat er es auch bei den Menschen. Er brachte sie dazu, an Gottes Wort zu zweifeln und Seiner Güte zu misstrauen. Weil Gott ein Gott der Gerechtigkeit und Ehrfurcht gebietender Hoheit ist, veranlasste Satan sie, Ihn für streng und unversöhnlich zu halten. So verleitete er später auch die Menschen, sich seiner Rebellion gegen Gott anzuschließen. Eine Nacht des Jammers legte sich auf die Erde. DM.9.1 Teilen

Durch das Missverstehen der Absichten Gottes fiel die Welt in Finsternis. Damit die dunklen Schatten vertrieben und die Schöpfung zu Gott zurückgeführt werden konnte, musste Satans trügerische Macht vernichtet werden. Das konnte aber nicht durch Gewalt getan werden. Die Ausübung von Gewalt ist entgegen der Herrschaft Gottes. Er erwartet nur einen Dienst aus Liebe, und die kann man jedoch weder befehlen noch durch den Einsatz von Macht oder Gewalt erzwingen. Nur durch Liebe wird Liebe geweckt. Gott zu erkennen heißt, Ihn zu lieben. Der Gegensatz Seines Charakters zum Charakter Satans musste sichtbar gemacht werden. Nur Einer im ganzen Universum konnte dies tun; nur Jesus, der die Höhe und Tiefe der Liebe Gottes kannte, konnte sie auch verkünden. Über der Dunkelheit der Erde sollte die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen voller „Heil unter ihren Flügeln“. Maleachi 3,20. DM.9.2 Teilen

Der Plan unserer Erlösung war keine nachträgliche Idee, ein Plan, der nach dem Fall Adams erst ausgearbeitet wurde. Er war vielmehr die „Offenbarung des Geheimnisses, das ewige Zeiten hindurch verschwiegen geblieben“ war. Römer 16,25. Er zeigte die Grundsätze auf, die von Ewigkeit her den Thron Gottes begründeten. Es war eine Offenlegung der Grundsätze, die von Ewigkeiten her das Fundament des Thrones Gottes war. DM.9.3 Teilen

Von Anfang an wussten Gott und Christus von der Abtrünnigkeit Satans und vom Fall des Menschen durch die täuschende Macht des Abfalls. Gott hat nicht bestimmt, dass die Sünde existieren sollte, Er hat sie aber voraus gesehen und traf Vorkehrungen, um diesem schrecklichen Notfall zu begegnen. So groß war Seine Liebe für die Welt, dass Er beschloss, Seinen eingeborenen Sohn dahinzugeben, „damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“. Johannes 3,16. DM.9.4 Teilen

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Satan hatte gesagt: „Ich will ... meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen ... und gleich sein dem Allerhöchsten“. Jesaja 14,13.14. Aber von Christus heißt es: „... der, als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein; sondern er entäußerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen.“ Philipper 2,6.7. DM.10.1 Teilen

Dies war ein freiwilliges Opfer. Jesus hätte an der Seite des Vaters bleiben und an der Herrlichkeit des Himmels und der Verehrung der Engel festhalten können. Er hätte die königliche Macht in die Hände des Vaters zurückgeben können, aber Er stieg vom Thron des Universums herab, um denen Licht zu bringen, die im Dunkeln sind, und Leben zu den Verdammten. DM.10.2 Teilen

Vor inzwischen 2000 Jahren hörte man im Himmel vom Thron Gottes her eine Stimme von Bedeutung: „Siehe, ich komme!“. „Opfer und Gaben hast du nicht gewollt; einen Leib aber hast du mir bereitet ... Siehe, ich komme — im Buch steht von mir geschrieben —, dass ich tue, Gott, deinen Willen.“ Hebräer 10,5-7. Diese Worte sind ein Hinweis auf die Erfüllung des Planes, der von Ewigkeit an verborgen war. Christus hatte vor, auf unserer Erde zu erscheinen und Mensch zu werden. Deshalb sagt Er: „Einen Leib ... hast du mir bereitet.“ Wäre Er in der Herrlichkeit erschienen, die Er beim Vater vor der Schöpfung der Welt besaß, dann hätten wir das Licht seiner Gegenwart nicht ertragen können. Damit wir Ihn anschauen konnten, ohne vernichtet zu werden, wurde Seine Herrlichkeit verhüllt. Seine Göttlichkeit war unter einem menschlichen Schleier verborgen — die unsichtbare Herrlichkeit sichtbar in menschlicher Gestalt. DM.10.3 Teilen

Dieses große Vorhaben wurde vorgeschattet durch Sinnbilder und Symbole. Der brennende Busch, in dem Christus dem Mose erschien, offenbarte Gott. Um die Gottheit darzustellen, wurde ein armseliger Busch gewählt, der anscheinend keinerlei Anziehungskraft besaß. Dieser verhüllte den Unendlichen. Der allerbarmherzige Gott verbarg seine Herrlichkeit unter einem recht bescheidenen Abbild, damit Mose Ihn schauen und trotzdem weiterleben konnte. In der Wolkensäule bei Tag und in der Feuersäule bei Nacht kommunizierte Gott mit Israel, offenbarte dem Menschen Seinen Willen und ließ ihnen Seine Gnade zuteil werden. DM.10.4 Teilen

Gottes Herrlichkeit wurde abgemildert und Seine Majestät verhüllt, damit die schwache Sehkraft des Menschen sie erblicken konnte. So sollte Christus im „nichtigen Leib“ unserer menschlichen Gestalt erscheinen. Philipper 3,21. In den Augen der Welt verfügte Er über keine Schönheit, die Ihn angenehm gemacht hätte; dennoch war Er der Fleisch gewordene Gott, das Licht des Himmels und der Erde. Seine Herrlichkeit war verhüllt und die Erhabenheit und Majestät waren verborgen, damit Er den kummervollen und versuchten Menschen recht nahe kommen könnte. DM.10.5 Teilen

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Gott befahl durch Mose den Israeliten: „Sie sollen mir ein Heiligtum machen, dass ich unter ihnen wohne“. 2. Mose 25,8 In diesem Heiligtum mitten unter Seinem Volk wollte Er wohnen. Während der ganzen beschwerlichen Wüstenwanderung war das Sinnbild seiner Gegenwart stets bei ihnen. Genauso schlug Christus seine Hütte inmitten des Lebensraumes der Menschen auf. Er wohnte neben uns, um uns mit Seinem göttlichen Wesen und Leben vertraut machen zu können. „Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Johannes 1,14. Seitdem Jesus kam, um mit uns zu wohnen, wissen wir, dass Gott mit unseren Prüfungen kennt und unseren Schmerz nachempfindet. Jeder Sohn und jede Tochter Adams kann nun verstehen, dass unser Schöpfer der Freund von Sündern ist. In jeder Lehre der Gnade, in jeder Verheißung der Freude, in jeder Tat der Liebe, in jeder göttlichen Anziehung, offenbart im Leben des Heilandes, erkennen wir den „Gott mit uns“! DM.11.1 Teilen

Satan stellt Gottes Gesetz der Liebe als eine Form der Selbstsucht dar. Er behauptet, dass es uns unmöglich sei, Seinen Vorschriften zu gehorchen. Den Fall unserer ersten Eltern mit all dem daraus resultierenden Schmerz, hängt er dem Schöpfer an und verleitet die Menschen dazu, in Gott den Urheber der Sünde, des Leides und des Todes zu sehen. Jesus enthüllt diese Täuschung. Als einer von uns sollte Er ein Beispiel des Gehorsams sein. Dafür nahm Er unsere menschliche Natur auf sich und erlebte unsere Erfahrungen. „Daher musste Er in allen Dingen seinen Brüdern gleich werden“. Hebräer 2,17. Falls wir etwas erdulden müssten, was Jesus nicht zu tragen brauchte, würde Satan dies so interpretieren, als sei die Kraft Gottes für uns nicht ausreichend, weshalb auch Jesus „? versucht ist allenthalben, gleich wie wir ...“. Hebräer 4,15. Er ertrug jede Versuchung, der auch wir ausgesetzt sind, doch benutzte Er zu seinem Vorteil keine Kraft, die nicht auch uns reichlich zur Verfügung steht. DM.11.2 Teilen

Als Mensch trat Er der Versuchung entgegen und überwand sie mit der Kraft, die Ihm von Gott gegeben wurde. Er sagte: „Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen.“ Psalm 40,9. Als Er umherzog, um Gutes zu tun und die zu heilen, welche von Satan gequält wurden, da öffnete Er den Menschen das Verständnis für das Gesetz Gottes und für Seinen Dienst. Durch Sein Leben bezeugt Er, dass es auch uns möglich ist, dem Gesetz Gottes zu gehorchen. Christus kam durch Sein Leben als Mensch der Menschheit nahe, durch Seine Göttlichkeit blieb Er mit dem Thron Gottes verbunden. Als Menschensohn gab Er uns ein Beispiel des Gehorsams, als Sohn Gottes gibt Er uns die Kraft zu gehorchen. DM.11.3 Teilen

Es war Christus, der aus dem Busch auf dem Berg Horeb zu Mose sprach, in dem Er sagte: „ICH BIN, DER ICH BIN!“ ... So sollst du zu den Kindern Israels sagen: „ICH BIN“, der hat mich zu euch gesandt. 2. Mose 3,14 Das war das Versprechen für die Befreiung Israels. Als Er nun in menschlicher Gestalt zu uns kam, erklärte Er sich als der „ICH BIN“. Das Kind in Bethlehem, der bescheidene, demütige Heiland ist Gott, „offenbart im Fleisch“. 1. Timotheus 3,16 Zu uns sagt Er: „Ich bin der gute Hirte“ (Johannes 10,11) „Ich bin das lebendige Brot“. Johannes 6,51. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Johannes 14,6. „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Matthäus 28,18. „ICH BIN“ — das ist die Zusicherung jeder Verheißung. „ICH BIN“ — habt deshalb keine Furcht. „Gott mit uns“ ist die Bürgschaft unserer Befreiung von Sünde und die Zusicherung von Kraft, dem Gesetz des Himmels gehorchen zu können. Durch die Demütigung in der Annahme der menschlichen Natur, offenbarte Christus einen Charakter, der dem des Satans entgegensteht. Aber Er stieg auf dem Weg der Demütigung noch weiter hinunter. „... und in Seiner äußeren Erscheinung als ein Mensch erfunden, erniedrigte Er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz.“ Philipper 2,8. DM.11.4 Teilen

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Wie der Hohepriester seine prächtigen Priestergewänder ablegte und im weißen Leinenkleid des einfachen Priesters seinen Dienst versah, so nahm Christus die Gestalt eines Dieners an und brachte ein Opfer dar — Er selbst der Priester und Er selbst das Opfer. „Er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf Ihm, auf dass wir Frieden hätten ...“ Jesaja 53,5. DM.12.1 Teilen

Christus wurde so behandelt, wie wir es verdient haben. Damit wollte Er erreichen, dass mit uns so umgegangen würde, wie es Ihm zusteht. Er wurde wegen unserer Sünde verdammt, an der Er keinen Anteil hatte, damit wir durch Seine Gerechtigkeit, gerecht gesprochen würden, an der wir keinen Anteil haben. Er ertrug den Tod, den wir hätten erleiden müssen, damit wir Sein Leben empfangen konnten. „Durch Seine Wunden sind wir geheilt.“ Jesaja 53,5. DM.12.2 Teilen

Durch Sein Leben und seinen Tod hat Christus sogar mehr erreicht als nur die Befreiung vom Untergang, welcher durch die Sünde verursacht wurde. Satan beabsichtigte, eine ewige Trennung zwischen Gott und Menschen zu erreichen. Aber in Christus werden wir noch enger mit Gott verbunden, als wären wir niemals gefallen. Durch die Annahme unserer Natur hat sich der Heiland selbst mit einem Band an die Menschheit gebunden, das nie wieder gelöst werden kann. Für alle Ewigkeit ist Er mit uns verbunden. „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gab.“ Joh.3,16 Er gab Ihn nicht nur, damit Er unsere Sünden tragen und für uns als Opfer sterben sollte, Er schenkte Ihn der gefallenen Menschheit. Um uns seine unwandelbare Gesinnung des Friedens zu versichern, ließ Gott Seinen eingeborenen Sohn Mensch werden, damit Er für immer in menschlicher Natur bliebe. Das ist die Zusage dafür, dass Gott Sein Wort auch erfüllen wird. „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf Seiner Schulter ...“ Jesaja 9,5. Gott hat in der Person Seines Sohnes die menschliche Natur angenommen, und dieselbe in den Himmel getragen. Es ist der Menschensohn, der Anteil hat am Thron des Universums. Als „Menschensohn“ heißt Er: „Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.“ Jesaja 9,5. Der „ICH BIN“ ist der Mittler zwischen Gott und der Menschheit und legt Seine Hände auf beide. Er, „... der da ist heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert“, schämt sich nicht, uns „Brüder zu heißen“. Hebräer 7,26; 2,11. In Christus ist die Familie auf Erden und die Familie des Himmels verbunden. Der verherrlichte Christus ist unser Bruder. Der Himmel ist eingeschlossen in die menschliche Natur, und menschliches Wesen ist eingehüllt im Herzen der unendlichen Liebe. DM.12.3 Teilen

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Gott sagt über Sein Volk: „Wie edle Steine werden sie in Seinem Land glänzen. Denn wie groß ist Seine Güte und wie groß ist Seine Huld!“ Sacharja 9,16.17. Die Erhöhung der Erlösten wird zu einem ewigen Zeugnis der Gnade Gottes werden. „In den kommenden Zeiten“ wird er „den überschwänglichen Reichtum Seiner Gnade in Güte an uns erweise[n] in Christus Jesus“, „damit jetzt den Fürstentümern und Herrschaften in den himmlischen [Regionen] durch die Gemeinde die mannigfaltige Weisheit Gottes bekannt gemacht werde, nach dem Vorsatz der Ewigkeiten, den Er gefasst hat in Christus Jesus, unserem Herrn“. Epheser 2,7; 3,10.11. Durch Christi Erlösungswerk steht Gottes Herrschaft gerechtfertigt da. Der Allmächtige wird als ein Gott der Liebe bekannt gemacht. DM.13.1 Teilen

Satans Anklagen sind widerlegt, sein Wesen entlarvt. Niemals wieder kann es zur Rebellion kommen, und nie wieder wird die Sünde Eingang in das Universum finden. Für alle Ewigkeit sind die Geschöpfe vor dem Abfall sicher. Durch die Selbstaufopferung der Liebe sind die Bewohner der Erde und des Himmels mit ihrem Schöpfer in unauflösbarer Gemeinschaft verbunden. DM.13.2 Teilen

Das Werk der Erlösung wird vollkommen sein. Dort, wo die Sünde herrschte, wird die Gnade Gottes überfließen. Die Erde selbst, die Satan als sein Eigentum beansprucht, soll nicht nur erlöst, sondern auch erhöht werden. Unsere kleine Welt, unter dem Fluch der Sünde der einzige dunkle Fleck in Gottes herrlicher Schöpfung, soll mehr als alle anderen Welten im Universum geehrt werden. Hier, wo einst der Sohn Gottes unter den Menschen wohnte, wo der König der Herrlichkeit lebte, litt und starb, soll zukünftig „das Zelt Gottes bei den Menschen“ stehen, wenn Er alles neu gemacht haben wird. „Und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Er selbst, Gott mit ihnen, wird Ihr Gott sein.“ Offenbarung 21,3. Wenn die Erlösten in der Ewigkeit im Licht des Herrn wandeln, werden sie Ihn für Sein unbeschreibliches Geschenk preisen, für Immanuel — „Gott mit uns“. DM.13.3 Teilen

Kapitel 2: Das auserwählte Volk
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Auf der Grundlage von 5.Mose 28,10; 5.Mose 4,6. DM.14 Teilen

Über tausend Jahre lang hatten die Juden darauf gewartet, dass der Heiland kommt. Auf dieses Ereignis gründeten sich ihre lebhaftesten Hoffnungen. In Liedern und der Weissagung, im Tempeldienst und im täglichen Gebet war Sein Name enthalten. Doch als Er unter ihnen erschien, erkannten sie Ihn nicht. Der Geliebte des Himmels war für sie nur „wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit“, und sie fanden nichts Schönes an Ihm, das Ihn für sie begehrenswert gemacht hätte. Jesaja 53,2. „Er kam in Sein Eigentum; und die Seinen nahmen Ihn nicht auf.“ Johannes 1,11. Trotzdem hatte Gott die Israeliten erwählt. Er hatte sie dazu berufen, die Kenntnis Seines Gesetzes, die Sinnbilder und Weissagungen, die auf den Heiland hinwiesen, unter den Menschen zu bewahren. Sein Wunsch für sie war, der Heilsbrunnen für die Welt zu sein. Was Abraham in seiner Umgebung, Joseph in Ägypten und Daniel am babylonischen Hof war, das sollten die Hebräer unter den heidnischen Völkern sein. Sie sollten den Menschen Gott offenbaren. Als der Herr Abraham berief, sagte Er: „Ich ... will dich segnen ... und du sollst ein Segen sein ... und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ 1.Mose 12,2.3. Das äußerten auch die Propheten. DM.14.1 Teilen

Selbst als Israel durch Krieg und Gefangenschaft verwüstet war, galt ihm die Verheißung: „Und der Überrest Jakobs wird inmitten vieler Völker sein wie ein Tau vom HERRN, wie Regenschauer auf das Gras, das auf niemand wartet und nicht auf Menschenkinder hofft.“ Micha 5,6. Bezüglich des Tempels in Jerusalem kündigte der Herr durch Jesaja an: „... mein Haus soll ein Bethaus für alle Völker genannt werden.“ Jesaja 56,7. Doch die Israeliten machten ihre Hoffnung auf weltliche Größe fest. Seitdem sie Kanaan betreten hatten, wichen sie von den Geboten Gottes ab und folgten heidnischen Bräuchen. Vergeblich warnte Gott sie durch Seine Propheten. Vergeblich wurden sie auch dadurch bestraft, dass heidnische Völker sie unterdrückten. DM.14.2 Teilen

Jeder Reformation folgte ein umso tieferer Abfall. Wären die Israeliten Gott treu geblieben, hätte Er sein Ziel erreichen und sie ehren und erhöhen können. Wären sie gehorsam geblieben, so hätte Er sie „über alle anderen Völker“ gesetzt, „die Er gemacht hat“, und sie wären „gelobt, gerühmt und gepriesen“ worden. 5.Mose 26,19. Mose sagt: „Alle Völker auf Erden werden sehen, dass über dir der Name des Herrn genannt ist, und werden sich vor dir fürchten.“ 5.Mose 28,10. Wenn alle Völker „diese Gebote hören“, werden sie sagen: „Ei, was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk!“ 5.Mose 4,6. Aber wegen ihrer Untreue konnte Gottes Ziel nur durch ständige Trübsal und Demütigung erreicht werden. DM.14.3 Teilen

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Sie wurden von Babylon abhängig gemacht und unter die Heiden zerstreut. Durch das Leid erneuerten viele ihren Glauben an den Bund mit Gott. Als sie ihre Harfen dort in Babel an die Weiden hängten und um den verwüsteten heiligen Tempel trauerten (Psalm 137,1-3), da leuchtete durch sie das Licht der Wahrheit. Dadurch verbreiteten sie die Erkenntnis über Gott unter die Heiden. Diese heidnischen Opferriten waren ein Zerrbild des von Gott festgelegten Opferdienstes. Viele, die es mit den heidnischen Bräuchen ernst nahmen, erfuhren durch die Juden, was die von Gott vorgeschriebenen Opfer bedeuteten und nahmen im Glauben die Verheißung auf einen Erlöser an. DM.15.1 Teilen

Viele der Verbannten erlitten Verfolgung oder verloren ihr Leben, weil sie sich weigerten, den Sabbat aufzugeben und heidnische Feste zu feiern. Als die Götzendiener angestachelt wurden, die Wahrheit zu vernichten, stellte der Herr Seine Diener vor Herrscher und Könige, damit diese und deren Untertanen die Wahrheit erhalten mögen. Immer wieder wurden die größten Herrscher dazu gebracht, die Überlegenheit des wahren Gottes zu verkünden, den ihre hebräischen Gefangenen anbeteten. DM.15.2 Teilen

Durch die Babylonische Gefangenschaft wurden die Israeliten wirksam von der Anbetung der Götzenbilder geheilt. In den darauf folgenden Jahrhunderten litten sie an der Unterdrückung durch heidnische Feinde, bis sie fest davon überzeugt waren, dass ihr Wohlergehen vom Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes abhing. Bei zu vielen Juden kam der Gehorsam jedoch nicht aus Liebe. Ihr Motiv war egoistisch. Sie dienten Gott nur äußerlich, weil sie meinten, dadurch zu nationaler Größe zu gelangen. Daher wurden sie nicht zu einem Licht der Welt. Sie schotteten sich von der Welt ab, um so der Versuchung zum Götzendienst zu entkommen. In den Unterweisungen, die Gott ihnen durch Mose erteilt hatte, war der Umgang Israels mit Götzenanbetern eingeschränkt worden. Diese Belehrungen wurden nun falsch ausgelegt. Die Israeliten sollten zwar durch sie daran gehindert werden, sich nach heidnischen Bräuchen zu richten; doch jetzt dienten sie dazu, zwischen ihnen und den Heiden eine Mauer aufzubauen. Jerusalem war in den Augen der Juden der Himmel, und Eifersucht erfüllte sie bei dem Gedanken, Gott könnte auch den Heiden gnädig sein. Nach ihrer Rückkehr aus Babylon legten die Juden viel Wert auf religiöse Unterweisung. Überall im Land wurden Synagogen errichtet, in denen Priester und Schriftgelehrte das Gesetz auslegten. Sie gründeten zudem auch Schulen, auf denen neben den Künsten und der Wissenschaften auch die Grundsätze wahrer Frömmigkeit gelehrt wurden. Diese Institutionen gerieten jedoch in Verfall; denn während der Gefangenschaft hatten viele Israeliten heidnische Vorstellungen und Bräuche übernommen. Die wurden nun in den Gottesdienst mit eingebracht. In vielen Bereichen passten sie sich den Gewohnheiten der Götzendiener an. DM.15.3 Teilen

16

Als sich die Juden von Gott abwandten, verloren sie weitgehend das Verständnis für die Bedeutung des Opferdienstes. Dieser Dienst wurde von Christus selbst eingeführt. In jedem seiner Teile war dieser Dienst ein Sinnbild auf Jesus und von Kraft und geistlicher Schönheit erfüllt. Die Juden verloren so die geistliche Bedeutung ihrer Zeremonie, und deshalb klammerten sie sich an tote Formen. Sie vertrauten auf die Opfer selbst und auf die Bräuche anstatt auf den, auf den diese hinwiesen. Um diesen Verlust auszugleichen, vervielfältigten Priester und Rabbiner die eigenen Anforderungen. Je strenger sie wurden, umso weniger befand sich die Liebe Gottes in ihnen. Der Maßstab ihrer Frömmigkeit bestand in der Anzahl ihrer Zeremonien, während ihre Herzen voller Stolz und Heuchelei waren. DM.16.1 Teilen

Bei all diesen peinlich genauen und lästigen Vorschriften war es unmöglich, das Gesetz wirklich zu halten. Wer Gott dienen wollte und auch versuchte, die Regeln der Rabbiner zu beachten, plagte sich unter einer schweren Last ab. Er konnte vor den Anklagen seines geängsteten Gewissens nicht zur Ruhe kommen. So versuchte Satan, das Volk mutlos zu machen, die Vorstellung vom Wesen Gottes zu verfälschen und den Glauben Israels in Verruf zu bringen. Er hoffte, beweisen zu können, was er bei seinem Aufruhr im Himmel behauptet hatte, nämlich dass Gottes Forderungen ungerecht seien und man sie nicht befolgen könne. Er versicherte, dass selbst die Israeliten das Gesetz nicht hielten. Während die Juden die Ankunft des Messias herbei sehnten, hatten sie keine richtige Vorstellung von Seiner Aufgabe. Sie suchten nicht die Befreiung von ihrer Sündenlast, sondern wollten vom Römerjoch befreit werden. Sie erwarteten einen Messias, der als Eroberer kommen, die Macht ihrer Unterdrücker zerbrechen und Israel zur Weltherrschaft verhelfen sollte. So wurde der Weg für sie vorbereitet, ihren Retter abzulehnen. DM.16.2 Teilen

Zur Zeit der Geburt Christi quälte sich das Volk unter der Fremdherrschaft ab, außerdem war es von innerem Streit zerrissen. Den Juden war zwar erlaubt worden, eine eigene Regierung zu behalten, aber nichts konnte die Tatsache verbergen, dass sie von den Römern unterjocht wurden. Sie konnten sich mit der Beschneidung der eigenen Macht nicht abfinden. Die Römer behielten sich das Recht vor, den Hohepriester zu ernennen und abzusetzen. Oftmals erhielt man dieses Amt nur durch List, Bestechung, ja sogar durch Mord. Korruption wurde unter den Priestern immer mehr üblich. Noch besaßen sie aber eine große Macht, die sie für egoistische und gewinnträchtige Ziele einsetzten. Das Volk war ihren hartherzigen Forderungen ausgeliefert und musste zudem hohe Steuern an die Römer zahlen. Deshalb herrschte überall Unzufriedenheit. So kam es häufig zu Volksaufständen. Geldgier und Gewalttat, Misstrauen und Gleichgültigkeit im religiösen Leben zehrten am Volk. Hass auf die Römer, nationaler Stolz und geistlicher Hochmut ließen die Juden noch immer streng die religiösen Formen beachten. Die Priester versuchten, den Schein der Heiligkeit aufrechtzuerhalten, indem sie peinlich genau die kultischen Vorschriften beachteten. Das bedrängte und in geistlicher Finsternis lebende Volk wie auch seine machthungrigen Beherrscher sehnten sich nach dem Einen, der die Feinde besiegen und das Königreich Israel wiederherstellen würde. Sie hatten zwar die Weissagungen erforscht — doch ohne geistliche Erleuchtung. Sie übersahen daher jene Schriftworte, die auf die Erniedrigung Christi bei Seiner ersten Ankunft hinwiesen, und wandten jene anderen falsch an, die von der Herrlichkeit Seines zweiten Kommens sprachen. Ihr Stolz verdunkelte ihre Erkenntnis so sehr, dass sie die Prophezeiungen nach ihren eigenen selbstsüchtigen Wünschen auslegten. DM.16.3 Teilen

Kapitel 3: „Als aber die Zeit erfüllt war ...“
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Auf der Grundlage von 1.Mose 49,10; 4.Mose 24,17; Hesekiel 21,32. DM.18 Teilen

„Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, ... damit Er die, welche unter dem Gesetz waren, loskaufte, damit wir die Sohnschaft empfingen.“ Galater 4,4. Das Kommen des Heilandes wurde bereits im Garten Eden vorhergesagt. Als Adam und Eva zum ersten Mal die Verheißung hörten, warteten sie auf eine schnelle Erfüllung. Voller Freude empfingen sie ihren erstgeborenen Sohn in der Hoffnung, dass er der Erlöser sein möchte. Doch die Erfüllung dieser Verheißung ließ auf sich warten. Jene, die sie zuerst empfingen, starben, ohne erlebt zu haben, dass sie sich erfüllt hätte. Von den Tagen Henochs an wurde diese Verheißung durch Patriarchen und Propheten weitergegeben und die Hoffnung auf Seine Erscheinung am Leben erhalten — und trotzdem kam Er noch nicht. DM.18.1 Teilen

Erst die Weissagung Daniels offenbarte die Zeit Seines Kommens, doch nicht alle waren in der Lage, diese Botschaft richtig zu deuten. Ein Jahrhundert nach dem anderen ging vorüber, und die Stimmen der Propheten verstummten. Die Hand der Unterdrücker lastete schwer auf Israel, und viele sprachen nun: „Es dauert so lange und es wird nichts aus der Weissagung.“ Hesekiel 12,22. DM.18.2 Teilen

Wie die Sterne unbeirrbar ihre ewige Bahn ziehen, so erfüllen sich ohne Hast und Verzögerung die Absichten Gottes. Einst hatte der Herr unter den Sinnbildern einer großen Finsternis und eines rauchenden Ofens dem Abraham die Knechtschaft Israels in Ägypten offenbart und dabei Seinem Diener erklärt, dass ihr Aufenthalt dort 400 Jahre dauern würde; danach aber sollten sie „ausziehen mit großem Gut“. 1.Mose 15,14. DM.18.3 Teilen

Das stolze Reich der Pharaonen bekämpfte leidenschaftlich diese Verheißung Gottes, doch vergeblich. Denn als die Zeit erfüllt war, an „diesem Tage, zog das ganze Heer des Herrn aus Ägyptenland“. 2.Mose 12,41. Mit der gleichen Sicherheit war im Rat Gottes auch die Zeit der ersten Ankunft Christi bestimmt worden. Als die Weltenuhr diese Stunde anzeigte, wurde Jesus in Bethlehem geboren. „Als ... die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn.“ Galater 4,4. Er hatte in Seiner Vorsehung die Bewegungen der Völker, die Wogen menschlicher Bestrebungen und Einflüsse gelenkt, bis die Welt für das Kommen des Erlösers reif war. Damals waren die Völker unter einer Herrschaft vereint. Allgemein wurde eine Sprache verwendet, die auch überall als Schriftsprache galt. Von weither kamen die zerstreut wohnenden Juden nach Jerusalem, um gemeinsam die jährlichen Feste zu feiern. So konnten sie auch nach der Rückkehr in ihre Heimatorte überall die Kunde von der Ankunft des Messias verbreiten. Zur selben Zeit ließ der Einfluss des Heidentums auf das Volk nach. Man hatte von der großartigen heidnischen Machtentfaltung und den Fabeln genug. Man sehnte sich nach einer Religion, die das Herz zufrieden stellen konnte. Während das Licht der Wahrheit von den Menschen gewichen zu sein schien, gab es immer noch welche, die dieses Licht suchten und die mit Sorge und Unruhe erfüllt waren. Diese Leute hungerten und dürsteten nach der Erkenntnis des lebendigen Gottes, und sie sehnten sich nach der Zusicherung eines Lebens über das Grab hinaus. DM.18.4 Teilen

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Als die Juden sich von Gott abgewandt hatten, verblasste der Glaube, und die Hoffnung auf das ewige Heil war fast erloschen. Man verstand die Worte der Propheten nicht mehr. Den meisten Israeliten war der Tod ein furchtbares Geheimnis; die Vorstellungen über das Jenseits waren dunkel und ungewiss. Man hörte nicht nur das Klagen der Mütter von Bethlehem, sondern es erfüllte sich, „was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht: ‚Zu Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Wehklagen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn es war aus mit ihnen‘“. Matthäus 2,17.18. Ohne Trost saßen die Juden „am Ort und im Schatten des Todes“. Matthäus 4,16. Sehnsüchtig schauten sie nach dem Erlöser aus, dessen Erscheinen die Dunkelheit vertreiben und das Geheimnis der Zukunft offenbaren sollte. DM.19.1 Teilen

Außerhalb des jüdischen Volkes gab es Angehörige anderer Nationen, die das Erscheinen eines göttlichen Lehrers vorhersagten. Diese suchten ernst nach Wahrheit, und darum schenkte Gott ihnen den Geist der Weissagung. Wie Sterne am dunklen Nachthimmel waren solche Lehrer aufgetaucht — einer nach dem andern. Mit ihren prophetischen Worten hatten sie in den Herzen vieler Heiden eine frohe Hoffnung entfacht. DM.19.2 Teilen

Seit Jahrhunderten waren die heiligen Schriften ins Griechische übersetzt worden, eine damals über weite Gebiete des Römischen Reiches verbreitete Sprache. Dazu kam noch, dass die Juden überallhin verstreut waren und ihre Erwartung des Messias in gewissem Grad von den Heiden geteilt wurde. Unter jenen, von den Juden Heiden genannt, befanden sich Männer, die ein besseres Verständnis der göttlichen Weissagungen über den Messias besaßen als die Schriftgelehrten Israels. Sie erwarteten in dem Messias einen Erretter von der Sünde. Philosophen bemühten sich, das Geheimnis der hebräischen Heilsgeschichte zu erforschen. Aber die Verblendung der Juden verhinderte die Ausbreitung des Lichtes. Sie waren nicht darum bemüht, die Kluft, die zwischen ihnen und anderen Völkern bestand, zu überbrücken und waren nicht bereit, ihre Erkenntnis über den Opferdienst anderen mitzuteilen. Zuerst musste ihr Messias, der wahre Lehrer, kommen und die Bedeutung aller biblischen Schattenbilder erklären. DM.19.3 Teilen

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Durch die Natur, durch Bilder und Gleichnisse, durch Patriarchen und Propheten hatte Gott zur Welt gesprochen. Diese Unterweisungen mussten der Menschheit auch in einer menschlichen Sprache gegeben werden. Der Engel des Bundes sollte diese Aufgabe übernehmen. Seine Stimme sollte in Seinem eigenen Tempel gehört werden. Christus musste kommen, um jene Worte zu sprechen, die klar und deutlich verstanden werden konnten. Er, der Schöpfer der Wahrheit, musste die Wahrheit vom Spreu menschlicher Äußerungen trennen, die ohne Wirkung geblieben waren. Nicht nur die Grundsätze der Herrschaft Gottes und der Erlösungsplan mussten verständlich gemacht werden, sondern auch die Texte des Alten Testamentes sollten den Menschen ausführlich erklärt werden. DM.20.1 Teilen

Unter den Juden gab es trotzdem noch standhafte Leute, Nachkommen jenes geheiligten Geschlechtes, das die Erkenntnis Gottes in sich bewahrt hatte. Sie warteten noch auf die Erfüllung der den Vätern gegebenen Verheißung. Diese gläubigen Juden stärkten und belebten ihren Glauben immer wieder durch die Worte Moses: „Einen Propheten wird euch der Herr, euer Gott, erwecken aus euren Brüdern gleichwie mich; den sollt ihr hören in allem, was Er euch sagen wird.“ Apg. 3,22 Oder sie lasen, dass Gott den Einen salben und auf die Erde senden werde, um „den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, ... zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn“. Jesaja 61,1.2. DM.20.2 Teilen

Weiter hörten sie, wie Er „auf Erden das Recht gründet, die Inseln auf seine Lehre warten, die Heidenvölker zu seinem Licht und die Könige zu dem Glanz kommen werden, der über ihm aufgeht.“ Jesaja 42,4; Jesaja 60,3. Besonders aber ermutigten sie die Worte des sterbenden Jakob: „Es wird das Zepter von Juda nicht weichen noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis dass der Held komme, und ihm werden die Völker anhangen.“ 1.Mose 49,10. DM.20.3 Teilen

Die Tatsache, dass Israels Macht immer mehr abnahm, bezeugte das nahe bevorstehende Kommen des Messias. Die Weissagung Daniels schilderte die Herrlichkeit Seiner Herrschaft über ein Reich, das alle irdischen Reiche ablösen sollte und das „ewig bleiben würde“. Daniel 2,44. Während nur wenige die Sendung Christi wirklich verstanden, war die Erwartung weit verbreitet, dass Er als mächtiger Fürst kommen werde, um in Israel Sein Reich aufzurichten und den Völkern die ersehnte Freiheit zu bringen. Die Zeit war erfüllt. Die Menschheit, durch Jahrhunderte der Übertretung immer tiefer gesunken, verlangte nach dem Erlöser. Satan hatte alles getan, um die Kluft zwischen dem Himmel und der Erde tief und unüberbrückbar zu machen. Durch seine Lügen hatte er die Menschen zur Sünde ermutigt. Er beabsichtigte, Gottes Langmut zu erschöpfen und dessen Liebe zu den Menschen so zu verdunkeln, dass er schließlich die Welt seiner satanischen Oberhoheit überlassen würde. DM.20.4 Teilen

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Satan versuchte deshalb, die Erkenntnis Gottes den Menschen vorzuenthalten und ihre Aufmerksamkeit vom Tempel Gottes abzulenken, um sein eigenes Reich aufrichten zu können. Sein Streit um die Oberherrschaft schien fast vollständig erfolgreich zu sein. Zwar hatte Gott in jeder Generation Seine Mitarbeiter; selbst unter den Heiden gab es immer wieder Männer, durch die Christus wirken konnte, um das Volk aus ihrer Sünde und Erniedrigung herauszuführen. Doch diese Boten wurden verachtet und gehasst. Viele von ihnen starben gewaltsam. Der dunkle Schatten, den Satan über die Welt geworfen hatte, wurde immer länger. DM.21.1 Teilen

Satan versuchte durch das Heidentum zu allen Zeiten die Menschen von Gott wegzulocken; aber seinen größten Sieg erlangte er, indem er den Glauben in Israel verfälschte. Es erging den Israeliten genauso wie den Heiden, denen durch ihren Götzendienst die Gotteserkenntnis verloren ging und die immer verderbter wurden. Das Prinzip, dass der Mensch sich durch seine eigenen Werke selbst erlösen könne, war die Grundlage jeder heidnischen Religion. Satan hatte das eingepflanzt. Wo immer man das befolgt, gibt es für die Menschen keine Schranke mehr gegen die Sünde. DM.21.2 Teilen

Die Botschaft der Erlösung wird den Menschen durch menschliche Werkzeuge übermittelt. Doch die Juden wollten das Monopol auf die Wahrheit, die das ewige Leben bedeutet, für sich allein. Sie hatten das lebendige Manna gehortet und es dem Verderben ausgeliefert. Die Religion, die sie für sich allein in Anspruch zu nehmen gedachten, wurde für sie zum Ärgernis. Sie beraubten Gott Seiner Herrlichkeit und betrogen die Welt, indem sie das Evangelium verfälschten. Die Weigerung der Juden, sich Gott zu weihen und der Welt zum Heil zu werden, machte sie zu Satans Werkzeugen, die Verderben über die Welt brachten. DM.21.3 Teilen

Das Volk, das von Gott erwählt wurde, Pfeiler und Fundament der Wahrheit zu sein, war zu Vertretern Satans geworden. Sie erfüllten die Aufgabe, die Satan ihnen zugedacht hatte, indem sie Mittel und Wege fanden, das Wesen Gottes falsch darzustellen, und die Welt veranlassten, Ihn als Tyrannen zu betrachten. Sogar die Priester, die ihren Dienst im Tempel ausübten, hatten die Bedeutung der gottesdienstlichen Handlungen aus den Augen verloren. Sie hatten bereits aufgehört, hinter deren Symbolcharakter den eigentlichen Sinn zu sehen. Im Ablauf des Opferdienstes waren sie zu Akteuren in einem Schauspiel geworden. Die Ordnungen, die Gott selbst eingesetzt hatte, wurden zu einem Mittel, die Sinne zu betören und die Herzen zu verhärten. Auf diesem Weg konnte Gott nichts mehr für die Menschheit tun. Dieses ganze System musste beseitigt werden. DM.21.4 Teilen

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Der Betrug der Sünde hatte seinen Höhepunkt erreicht. Alle Mittel zum moralischen Verderben menschlicher Seelen waren eingesetzt. Der Sohn Gottes sah nur Not und Elend, als Er auf die Welt blickte. Voller Mitleid erlebte Er, wie Menschen Opfer satanischer Grausamkeit wurden. Mitfühlend blickte Er auf jene, die verführt oder getötet wurden und verloren gingen. Sie hatten sich einen Obersten gewählt, der sie gleichsam als Gefangene vor seinen Karren spannte. Irregeleitet und betrogen, bewegten sie sich in einer traurigen Prozession ihrem ewigen Untergang entgegen, — dem Tod, in dem keine Lebenshoffnung ist, der Nacht, die keinen Morgen kennt. Satanisches Wirken vermischte sich mit menschlichem Tun. Die Körper menschlicher Wesen, dazu geschaffen, dass Gott darin wohnte, wurden zu einer Behausung der Teufel. Die Sinne, Nerven, Triebe und Organe der Menschen wurden durch übernatürliche Kräfte angestachelt, der niedrigsten Begierde zu frönen. Den Angesichtern der Menschen war geradezu der Stempel der Dämonen aufgeprägt. Sie spiegelten die Legionen des Bösen wider, von dem sie besessen waren. Solcherart war der Anblick, der sich dem Erlöser der Welt bot. Welch ein Schauspiel für den unendlich Reinen, das zu sehen! DM.22.1 Teilen

Die Sünde war zu einer Wissenschaft geworden, und das Laster wurde als Teil der Religion geheiligt. Die Empörung wider Gott war tief in den Herzen verwurzelt, und die Feindseligkeit der Menschen gegen den Himmel war außerordentlich heftig. Vor dem ganzen Universum zeigte es sich, dass die menschliche Natur, von Gott getrennt, sich nicht über das Menschliche emporschwingen kann. Ein neues Element der Lebensgestaltung und Kraft muss erst durch jenen Einen verliehen werden, der die Welt geschaffen hat. Gespannt warteten die nichtgefallenen Welten darauf, dass sich der Herr aufmachen und das menschliche Geschlecht vernichten würde. Aber wenn Gott dies getan hätte, würde Satan bereit sein, seinen Plan auszuführen, mit dem er sich die Ergebenheit der himmlischen Wesen sichern würde. Er hatte bereits behauptet, dass die Grundsätze der Herrschaft Gottes eine Vergebung unmöglich machten. Würde Gott die Welt vernichtet haben, so hätte der Teufel behauptet, dass seine Anklagen gegen Gott wahr seien. Er lauerte nur darauf, Gott anzuklagen und auch andere Welten in die Empörung mit hineinzuziehen. Aber statt die Welt zu vernichten, sandte Gott Seinen Sohn, um sie zu retten. Obwohl überall Auflehnung und sittlicher Verfall herrschte, wurde ein Weg zur Erlösung der Menschheit vorbereitet. Im entscheidenden Augenblick, gerade als Satan zu triumphieren schien, brachte der Sohn Gottes die frohe Botschaft von der göttlichen Gnade auf die Erde. In allen Zeiten, in jeder Stunde ist die Liebe Gottes dem gefallenen Menschengeschlecht nachgegangen. Ungeachtet seiner Bosheit, erhielt es immer wieder sichtbare Zeichen Seiner Gnade. Und als die Zeit erfüllt war, offenbarte die Gottheit ihre Herrlichkeit, indem sie die Fülle heilsamer Gnade über die Welt ausschüttete. Diese Gnade sollte nie aufgehalten oder der Welt entzogen werden, bis die Durchführung des Heilsplanes zum Abschluss gekommen wäre. DM.22.2 Teilen

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Satan jubelte, dass er es geschafft hatte, das Bild Gottes im Menschen zu entstellen. Darum kam Jesus auf diese Erde, um im Menschen das Bild Seines Schöpfers wiederherzustellen. Niemand außer Christus kann den Charakter erneuern, der durch die Sünde zugrunde gerichtet worden war. Er kam, um die bösen Geister zu vertreiben, die den Willen beherrscht hatten. Er kam, um uns aus dem Staub aufzuhelfen, um unseren entstellten Charakter nach dem Vorbild Seines göttlichen Wesens umzuformen und ihn mit Seiner eigenen Herrlichkeit zu schmücken. DM.23.1 Teilen

Kapitel 4: „Euch ist heute der Heiland geboren.“
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Auf der Grundlage von Lukas 2,1-20. DM.24 Teilen

Als König der Herrlichkeit ließ Er sich herab, um Knechtsgestalt anzunehmen. Harte und widrige Verhältnissen bestimmten das irdische Leben. Seine Herrlichkeit wurde verborgen, damit die Aufmerksamkeit der Welt nicht auf Seine glanzvolle Erscheinung gelenkt wird. Er vermied jede Selbstdarstellung, denn Er wusste, dass weder Reichtum oder weltliche Ehren noch Ansehen bei den Menschen jemanden vom Tod erretten können. Jesus wollte keine Anhänger, die Ihm um des Irdischen Glanzes willen nachfolgten. Nur die Schönheit der göttlichen Wahrheit sollte die Menschenherzen zu Ihm führen. Der Charakter des Heilandes war von den Propheten lange zuvor in Weissagungen beschrieben worden; und Er wünschte sich Menschen, die Ihn auf das Zeugnis des Wortes Gottes hin akzeptierten. DM.24.1 Teilen

Erstaunt von dem wunderbaren Erlösungsplans beobachteten die Engel das Volk Gottes, um zu sehen, wie es den Sohn des Himmels in Menschengestalt aufnehmen würde. Viele von ihnen besuchten das Land des auserwählten Volkes. Andere befassten sich mit Fabeln und beteten Götzen an. Die Engel aber kamen in das Land, dem die Herrlichkeit Gottes offenbart wurde und wo das Licht der Weissagung geschienen hatte. Unbemerkt gelangten sie nach Jerusalem zu den berufenen Auslegern der heiligen Schriften und zu den Dienern des Hauses Gottes. Dem Priester Zacharias war bereits während seines Altardienstes verkündigt worden, dass die Menschwerdung Christi bevorstehe; auch war schon der Vorläufer des Herrn geboren und dessen Sendung durch Wunder und Weissagung bestätigt worden. Die Kunde von Seiner Geburt und der wunderbaren Bedeutung Seiner Aufgabe war überall zu hören. Dennoch bereitete sich Jerusalem nicht darauf vor, seinen Erlöser zu empfangen. DM.24.2 Teilen

Völlig verwundert sahen nun die Boten des Himmels auf die Gleichgültigkeit jenes Volkes, das von Gott dazu berufen wurde, der Welt die heiligen Wahrheiten mitzuteilen. Das jüdische Volk wurde als Zeuge bewahrt, dass Christus dem Samen Abrahams und dem Hause Davids entstammte; und trotzdem wusste es nicht, dass die Ankunft des Heilandes jetzt unmittelbar bevorstand. Selbst im Tempel, wo die Morgen- und Abendopfer täglich auf das Lamm Gottes hinwiesen, traf man keine Vorbereitungen, Ihn zu empfangen. Selbst die Priester und Lehrer des Volkes wussten nichts davon, dass nunmehr das größte und wichtigste Ereignis aller Zeiten stattfinden sollte. Sinnlos leierten sie ihre Gebete herunter und erfüllten die förmlichen Vorschriften des Gottesdienstes, um die Menschen zu beeindrucken. In ihrem Streben nach Reichtum und weltlicher Ehre waren sie jedoch nicht auf die Offenbarung des Messias vorbereitet. Diese Gleichgültigkeit war im ganzen jüdischen Land spürbar. Egoismus und Liebe zur Welt machten die Herzen unempfänglich für die Freude, die den Himmel durchdrang. Nur wenige sehnten sich danach, den Unsichtbaren zu schauen, und nur diesen Wenigen offenbarte sich der Himmel. DM.24.3 Teilen

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Die Engel begleiteten Josef und Maria auf ihrer Reise von ihrem Heim in Nazareth zur Stadt Davids. Die Anordnung des kaiserlichen Rom, dass sich alle Völker in seinem weitläufigen Gebiet schätzen ließen, erstreckte sich auch auf die Bewohner von Galiläa. Wie einst Cyrus zur Weltherrschaft berufen wurde, damit er die Gefangenen des Herrn freiließe, so diente jetzt Kaiser Augustus als Werkzeug, um die Absicht Gottes auszuführen, indem er den Anlass gab, der die Mutter Jesu nach Bethlehem führte. Sie stammte aus dem Geschlecht Davids, und der Sohn Davids musste in Davids Stadt geboren werden. Aus Bethlehem, so hatte der Prophet gesagt, „soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist“. Micha 5,1. Doch in der Stadt ihrer königlichen Vorfahren waren Josef und Maria unbekannt und unbeachtet. Müde und ohne Bleibe, zogen sie die lange, enge Straße entlang von einem Ende bis zum anderen und suchten vergeblich eine Unterkunft für die Nacht. Es gab für sie keinen Raum mehr in den überfüllten Herbergen der Stadt. Endlich bot ihnen ein dürftiger Stall, wo das Vieh untergebracht war, eine Zuflucht für die Nacht — und hier wurde der Erlöser der Welt geboren. DM.25.1 Teilen

Obwohl die Menschen nichts davon wussten, erfüllte es die himmlische Welt mit unaussprechliche Freude. Mit tiefer, immer inniger werdender Anteilnahme fühlten sich die himmlischen Wesen zur Erde hingezogen. Die ganze Erde schien durch die Gegenwart des Erlösers erhellt. Über den Hügeln von Bethlehem sammelte sich eine unzählbare Engelschar. Sie warteten auf das Zeichen, der Welt die Freudenbotschaft mitzuteilen. Wären die Obersten Israels ihrer Berufung treu geblieben, dann hätten sie an der großen Freude teilhaben dürfen, die Geburt des Heilandes zu verkündigen. So wurden sie jedoch übergangen. Der Herr sagt: „Ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Dürre.“ Jesaja 44,3. ... „Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis“. Psalm 112,4. Allen, die das Licht suchen und es freudig annehmen, werden helle Lichtstrahlen vom Thron Gottes leuchten. Auf den Feldern, auf denen damals der junge David seine Schafe geweidet hatte, hüteten auch jetzt Hirten des Nachts ihre Herden. In den stillen Nachtstunden sprachen sie miteinander vom verheißenen Heiland und beteten um das Kommen des Königs auf Davids Thron. „... des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: ‚Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.‘“ Lukas 2,9-11. Bei diesem Versprechen zogen atemberaubende Bilder am inneren Auge der Hirten vorbei. Der Erlöser Israels ist gekommen! Macht, Erhöhung und Sieg wurden mit Seinem Kommen verbunden. Aber der Engel musste sie darauf vorbereiten, ihren Heiland in Armut und Erniedrigung zu erkennen. „... Das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ Lukas 2,12. DM.25.2 Teilen

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Der himmlische Bote nahm den Hirten die Ängste. Er teilte ihnen mit, wie sie Jesus finden konnten. Mit zärtlicher Rücksicht auf ihre menschliche Schwäche gab er ihnen Zeit, sich an die göttliche Herrlichkeit zu gewöhnen. Dann aber konnte die Freude und der Lobpreis nicht länger zurückgehalten werden. Die himmlischen Heerscharen erhellten die ganze Ebene mit ihrem Glanz. Die Erde verstummte und der Himmel beugte sich in Ehrfurcht, um dem Lied zu lauschen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ Lukas 2,14. Wenn doch nur die Menschen heute noch diesen Freudenchor hören könnten! Jene Ankündigung, das Gehörte würde bis ans Ende der Zeit mehr und mehr aufgehen und überall auf Erden ein Echo finden. Wenn die Sonne der Gerechtigkeit, mit Heil unter seinen Flügeln aufgehen wird, dann wird dieses Lied erneut von einer riesigen Schar ertönen, wie das Rauschen großer Wasser: „Halleluja! denn der Herr, der Allmächtige Gott, hat das Reich eingenommen!“ Offenbarung 19,6. DM.26.1 Teilen

Als die Engel sich entfernten, verschwand auch das Licht, und die Schatten der Nacht breiteten sich erneut über die Hügel von Bethlehem aus. Aber das prächtigste Bild, das menschliche Augen je wahrgenommen haben, blieb im Gedächtnis der Hirten. „Da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen.“ Lukas 2,15.16. Freudigen Herzens verließen sie den Ort und verbreiteten, was sie gesehen und gehört hatten. „Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott.“ Lukas 2,18-20. DM.26.2 Teilen

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Himmel und Erde sind heute nicht weiter voneinander entfernt als damals, als die Hirten draußen auf dem Feld dem Gesang der Engel zuhörten. Die Menschheit ist immer noch so sehr Gegenstand der Sorge des Himmels wie damals, als einfache Menschen bei ihren gewöhnlichen Tätigkeiten um die Mittagszeit Engel begegneten und sie in den Weingärten und auf den Feldern mit den Boten Gottes redeten. Deshalb kann auch uns der Himmel auf allen unseren Wegen nahe sein. Engel aus den himmlischen Höfen werden die Schritte derjenigen begleiten, die nach Gottes Willen leben. DM.27.1 Teilen

Die Geschichte von Bethlehem ist ein unerschöpfliches Thema. Darin verborgen liegt die „Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes“. Römer 11,33. Wir staunen über das Opfer des Heilandes, der den himmlischen Thron gegen eine Krippe und die Gesellschaft anbetender Engel gegen die Tiere im Stall tauschte. Der Stolz der Menschen und ihr Wunsch nach Unabhängigkeit werden in Seiner Gegenwart getadelt. Die ärmliche Geburt Jesu war erst der Anfang Seiner außerordentlichen Erniedrigung. Hätte der Sohn Gottes die Gestalt des Menschen angenommen, als Adam noch im Paradies lebte, wäre das schon eine Tat von geradezu unbegreiflicher Demütigung gewesen; nun aber kam Jesus auf die Erde, nachdem das Menschengeschlecht bereits durch vier Jahrtausende der Sünde geschwächt worden war. Wie jedes Kind Adams akzeptierte Er die Folgen des unerbittlichen Gesetzes der Vererbung. Diese Resultate wurden in der Geschichte Seiner irdischen Vorfahren sichtbar. Mit einem solchen Erbteil belastet, teilte Er unsere Nöte und Versuchungen und gab uns das Beispiel eines Lebens frei von Sünde. Satan hasste Christus wegen dessen Stellung vor Gott. Dieser Hass gegen Ihn nahm zu, als er selbst entthront wurde. Er hasste den, der sich selbst dahingab, Sünder zu erlösen. Dennoch sandte Gott Seinen Sohn in diese Welt, über die Satan herrschen wollte — als hilfloses, aller menschlichen Schwachheit unterworfenes Kind. Er erlaubte Ihm, sich zusammen mit jedem Menschen den Gefahren des Lebens auszusetzen und, wie jeder andere Mensch auch, den Lebenskampf zu führen — mit dem Wagnis, zu versagen und auf ewig verloren zu gehen. DM.27.2 Teilen

Ein menschlicher Vater ist sehr besorgt um seinen Sohn. Wenn er seinem Kind ins Auge blickt, so erzittert er beim Gedanken an die Gefahren, die das Leben mit sich bringt. Er will seinen Liebling vor der Gewalt Satans bewahren und Anfechtungen von ihm fernhalten. Gott aber sandte Seinen eigenen Sohn, um einen viel heißeren Kampf und größeren Gefahren zu begegnen, damit unseren Kleinen der Pfad zum Leben gesichert würde. „Darin steht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.“ 1.Johannes 4,10. Darüber wundere dich, o Himmel, und staune, o Erde! DM.27.3 Teilen

Kapitel 5: Jesu Darstellung
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Auf der Grundlage von Lukas 2,21-38. DM.28 Teilen

Etwa 40 Tage nach der Geburt Christi brachten Joseph und Maria Ihn nach Jerusalem, um Ihn dem Herrn zu weihen und ein Opfer zu bringen. Dies entsprach dem jüdischen Gesetz, und als Stellvertreter der Menschen musste Christus in jeder Hinsicht dem Gesetz nachkommen. Als ein feierliches Versprechen dem Gesetz gegenüber, wurde Er der Beschneidung unterzogen. DM.28.1 Teilen

Als Opfergabe der Mutter verlangte das Gesetz ein einjähriges Lamm zum Brandopfer und eine junge Taube oder Turteltaube zum Sündopfer. Falls die Eltern zu arm waren, um ein Lamm zu bringen, sah das Gesetz ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben vor, die eine als Brandopfer, die andere als Sündopfer. Die dem Herrn gebrachten Opfer mussten makellos sein. Sie stellten Christus dar. Daran wird deutlich, dass Jesus frei von körperlichen Gebrechen war. Er war „das Lamm ohne Makel und Flecken“. 1.Petrus 1,19. Er war stark und gesund, Sein Körper war durch keinerlei Fehler verdorben. Sein ganzes Leben hindurch lebte Er in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Natur. Geistig und körperlich war Er ein Beispiel dafür, wie Gott die Menschen geschaffen hat und was sie sein könnten, wenn sie Seinen Geboten gehorchten. DM.28.2 Teilen

Die Weihe des Erstgeborenen hatte ihren Ursprung in frühesten Zeiten. Gott hatte versprochen, den Erstgeborenen des Himmels für die Rettung der Sünder zu opfern. Dieses Geschenk sollte durch die Weihe des Erstgeborenen in jeder Familie anerkannt werden. Dieser sollte dem Priestertum als Vertreter Christi unter den Menschen geweiht werden. Bei der Befreiung Israels aus Ägypten wurde die Weihe des Erstgeborenen erneut befohlen. Während die Kinder Israels sich in der Knechtschaft der Ägypter befanden, bekam Mose vom Herrn den Befehl, zum ägyptischen Pharao zu gehen und ihm zu sagen: „Israel ist mein erstgeborener Sohn; und ich gebiete dir, dass du meinen Sohn ziehen lässt, dass er mir diene. Wirst du dich weigern, so will ich deinen erstgeborenen Sohn töten.“ 2.Mose 4,22.23. Mose brachte seine Botschaft vor, doch die hochmütige Antwort des Königs lautete: „Wer ist der Herr, dass ich Ihm gehorchen müsse und Israel ziehen lasse: Ich weiß nichts von dem Herrn, will auch Israel nicht ziehen lassen.“ 2.Mose 5,2. Der Herr wirkte für Sein Volk durch Zeichen und Wunder, indem Er furchtbare Gerichte über Pharao brachte. Schließlich wurde dem Würgeengel befohlen, alle Erstgeburt der Ägypter — Menschen und Tiere — umzubringen. Damit die Israeliten dabei verschont blieben, sollten sie ihre Türpfosten mit dem Blut eines geschlachteten Lammes bestreichen. Jedes Haus sollte gekennzeichnet werden, damit der Engel in seiner Todesmission an den Häusern der Israeliten vorüberginge. Nachdem der Herr dieses Gericht über Ägypten gebracht hatte, sagte Er zu Mose: „Heilige mir alle Erstgeburt ... alles, was zuerst den Mutterschoß durchbricht bei Mensch und Vieh, das ist mein.“ 2.Mose 13,2. Und weiter: „An dem Tage, da ich alle Erstgeburt schlug in Ägyptenland, da heiligte ich mir alle Erstgeburt in Israel, vom Menschen an bis auf das Vieh, dass sie mir gehören sollen.“ 4.Mose 3,13. Nachdem der Dienst in der Stiftshütte eingesetzt wurde, erwählte sich Gott den Stamm Levi, damit dieser an Stelle der Erstgeborenen Israels den Dienst im Heiligtum ausübe. Trotzdem sollte der Erstgeborene auch weiterhin als des Herrn Eigentum betrachtet werden und durch ein Lösegeld freigekauft werden. DM.28.3 Teilen

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Das Gebot der Darstellung des Erstgeborenen hat somit eine besondere Bedeutung erlangt. Während diese einerseits ein Brauch der Erinnerung an die wunderbare Befreiung der Kinder Israels durch den Herrn bedeutete, wies es andererseits auf die noch wichtigere Erlösung durch den eingeborenen Sohn Gottes hin. So, wie das Blut, das an die Türpfosten gesprengt wurde die Erstgeborenen Israels vor dem leiblichen Tod bewahrte, so hat das Blut Christi Macht, die Welt vor dem ewigen Tod zu bewahren. DM.29.1 Teilen

Was für eine Bedeutung kam demnach der Darstellung Christi zu! Doch der Blick des Priesters konnte den Schleier nicht durchdringen; ihm blieb das dahinterliegende Geheimnis verborgen. Die Darstellung der Säuglinge im Tempel war für ihn eine gewöhnliche Szene. Tag für Tag nahm er, wenn man die Kinder dem Herrn weihte, das Lösegeld entgegen und waltete gewohnheitsmäßig seines Amtes, ohne dabei besonders auf Eltern oder Kinder zu achten, es sei denn, äußere Anzeichen ließen auf Wohlstand oder eine hohe Stellung der Eltern schließen. Maria und Joseph aber waren arm; und als sie mit ihrem Kind zum Tempel kamen, sah der Priester nur einen Mann und eine Frau, gekleidet wie Galiläer in den einfachsten Gewändern. Nichts an ihrer äußeren Erscheinung erweckte besondere Aufmerksamkeit, zudem brachten sie auch nur die kleine Opfergabe der Armen mit. DM.29.2 Teilen

Der Priester waltete lediglich seines Amtes. Er nahm das Kind auf seine Arme und hielt es vor dem Altar empor; dann gab er es seiner Mutter zurück und trug den Namen „Jesus“ in die Liste der Erstgeborenen ein. Er dachte nicht daran, dass das Kindlein, das er eben noch auf seinen Armen gehalten hatte, der Herr des Himmels, der König der Herrlichkeit war. Noch weniger dachte er daran, dass dieses Kind es war, von dem Mose geschrieben hatte: „Einen Propheten wird euch der Herr, euer Gott, erwecken aus euren Brüdern gleichwie mich; den sollt ihr hören in allem, was Er euch sagen wird.“ Apg. 3,22 Er dachte auch nicht daran, dass dieses kleine Baby es war, dessen Herrlichkeit schon Mose zu sehen gewünscht hatte. Aber ein Größerer als Mose lag in seinen Armen. Und als er den Namen des Kindes in die Liste eintrug, schrieb er den Namen des Einen auf, der das Fundament des ganzen jüdischen System darstellte. Dieser Name sollte sein Todesurteil sein, denn das System der Opfer und Gaben näherte sich seinem Ende. Das Sinnbild hat fast seine Verwirklichung erreicht, der Schatten seinen Gegenstand. DM.29.3 Teilen

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Obwohl die Wolke der Herrlichkeit vom Heiligtum gewichen war, verbarg sich doch jetzt in dem Kind von Bethlehem die Herrlichkeit, vor der sich die Engel verbeugten. Dieses sich selbst noch gar nicht bewusste Kind war nichts anderes als der versprochene Same, auf den schon der erste Altar am Eingang zum Paradies hinwies. Es war der Held — der Friedefürst. Er war es, der sich gegenüber Mose als „ICH BIN“ bezeichnete und der später in der Wolken- und Feuersäule die Israeliten geführt hatte. Lange zuvor war Er von den Propheten angekündigt worden — als der Ersehnte aller Völker, als Wurzel und Reis Davids, als der helle Morgenstern. Der Name des hilflosen Kindes, eingetragen in die Stammesliste Israels, war ein Zeichen der Hoffnung für die gefallene Menschheit, dass Er unser Bruder ist. Das Kind, für das das Lösegeld gezahlt wurde war Er, der das Lösegeld für die Sünden der Welt bezahlen würde. Er war der wahre Hohepriester über das Haus Gottes (vgl. Hebräer 10,21), das Haupt eines unvergänglichen Priestertums vgl. Hebr. 7,24, der Fürsprecher „zu der Rechten der Majestät in der Höhe“. Hebräer 1,3. DM.30.1 Teilen

Geistliche Dinge können nur geistlich wahrgenommen werden. Während der Sohn Gottes im Tempel zu der Aufgabe geweiht wurde, die zu erfüllen Er gekommen war, sah der Priester in Ihm nicht mehr als in irgendeinem anderen Kind. Obwohl er selbst weder etwas Besonderes sah noch fühlte, wurde die Tatsache dennoch bekannt, dass Gott Seinen Sohn in die Welt gab. Diese Gelegenheit sollte nicht unbeachtet vorbei gehen. „Siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der heilige Geist war mit ihm. Und ihm war ein Wort zuteil geworden von dem heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen.“ Lukas 2,25.26. DM.30.2 Teilen

Als Simeon den Tempel betrat, sah er ein Elternpaar ihren erstgeborenen Sohn dem Priester darreichen. Ihr Aussehen zeugte von Armut; Simeon aber verstand die Ankündigungen des Geistes, und er war tief ergriffen, als er erkannte, dass dieses Kindlein, das jetzt dem Herrn geweiht wurde, der Trost Israels war, Den zu sehen er sich gesehnt hatte. Dem erstaunten Priester hingegen erschien Simeon wie von Sinnen. Als Maria das Kind zurückerhalten hatte, nahm Simeon es auf seine Arme und stellte es Gott dar. Dabei überkam ihn eine Freude, wie er sie noch nie zuvor empfand. Er hielt das Christuskindlein hoch und sprach: „Herr, nun lässt du deinen Diener im Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden, und zum Preis deines Volkes Israel.“ Lukas 2,29-32. Der Geist der Weissagung erfüllte diesen Gottesmann, und während Maria und Joseph sich über seine Worte wunderten, segnete er sie beide und sprach zu Maria: „Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird; und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.“ Lukas 2,34.35. DM.30.3 Teilen

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Auch die Prophetin Hanna kam dazu und bestätigte Simeons Zeugnis über Jesus. Während Simeon noch redete, erstrahlte ihr Angesicht von dem Glanz der Herrlichkeit Gottes, und sie dankte von ganzem Herzen dafür, dass es ihr noch ermöglicht war, Christus, den Herrn, zu sehen. Diese demütigen Anbeter hatten nicht vergeblich die Prophezeiungen der Heiligen Schrift studiert. Die jedoch Führer und Priester in Israel waren, wandelten nicht in den Wegen des Herrn, obwohl auch sie die bedeutsamen Aussagen der Propheten kannten. Darum konnten ihre Augen auch nicht das Licht des Lebens sehen. DM.31.1 Teilen

So ist es noch immer. Es finden Ereignisse statt, auf die der ganze Himmel seine Aufmerksamkeit richtet; doch bei den geistlichen Führern und Anbetenden im Hause Gottes finden sie kein Verständnis und bleiben unerkannt. Man lässt wohl einen historischen Christus gelten, wendet sich aber vom lebendigen Heiland ab, der durch Sein Wort zur Selbstverleugnung auffordert. Selbst bei den Armen und Leidenden, die um Hilfe flehen, und in der gerechten Sache, die Armut, Mühsal und Schmach einschließt, wird Er heute ebenso wenig aufgenommen wie zurzeit seines Erdenlebens. DM.31.2 Teilen

Maria dachte über die vielsagende und tiefgründige Weissagung Simeons nach. Immer wenn sie das Kind in ihren Armen ansah, kamen ihr die Worte der Hirten von Bethlehem in den Sinn. Das erfüllte sie mit dankbarer Freude und froher Hoffnung. Simeons Worte riefen in ihr die Prophezeiung Jesajas ins Gedächtnis: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn ... Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften.“ Jesaja 11,1.2.5. „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell ... Denn uns ist ein Kind geboren ... und die Herrschaft ruht auf Seiner Schulter; und Er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.“ Jesaja 9,1.5. DM.31.3 Teilen

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Und doch begriff Maria die Sendung Christi nicht. Simeon hatte von Ihm geweissagt, dass Er ein Licht sei, das die Heiden erleuchten und gleichzeitig Israel zum Ruhm gereichen sollte. Entsprechend hatten die Engel die Geburt des Heilands als eine Freudenbotschaft für alle Völker verkündigt. Gott wollte die Juden von der engstirnigen Vorstellung, die sie von der Aufgabe des Messias hatten, abbringen und sie dazu befähigen, Ihn nicht nur als Befreier Israels, sondern auch als Erlöser der Welt zu betrachten. Doch viele Jahre mussten erst noch vergehen, ehe selbst die Mutter Jesu Seine Aufgabe verstand. DM.32.1 Teilen

Wohl freute sich Maria über die Herrschaft des Messias auf dem Thron Davids, doch erkannte sie nicht, dass Er erst über eine Leidenstaufe dazu gelangen sollte. Durch Simeon wurde klar, dass der Messias einen beschwerlichen Lebensweg vor sich hatte. Mit den Worten: „Durch deine Seele wird ein Schwert dringen“ (Lukas 2,34.35) deutete Gott deshalb rücksichtsvoll und barmherzig der Mutter Jesu an, welche Pein sie seinetwegen zu erleiden haben würde. DM.32.2 Teilen

Simeon hatte gesagt: „Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird.“ Lukas 2,34.35. Ein Aufstehen ist erst nach einem Fall möglich. Wir alle müssen auf den Fels des Heils fallen und zerbrechen, ehe wir durch Christus erhöht werden können. Unser Ich muss entthront und unser Stolz gedemütigt werden, wenn wir die Herrlichkeit des geistlichen Reiches erkennen wollen. Die Juden wiesen die Ehre von sich, die man durch Demütigung erhält; deshalb wollten sie ihren Erlöser nicht aufnehmen. Er erwies sich als das „Zeichen, dem widersprochen wurde. ? damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.“ Lukas 2,34.35. DM.32.3 Teilen

Im Licht des Lebens Christi werden die Herzen aller, vom Schöpfer bis zum Fürsten der Finsternis, erkennbar. Satan hat Gott als eigennützig und gewalttätig dargestellt, als Einen, der alles für sich verlange und nichts gebe, der den Dienst seiner Geschöpfe zur eigenen Verherrlichung beanspruche, selbst aber um ihretwillen keine Opfer bringe. Doch die Gabe Christi macht sichtbar, was im Herzen des Vaters ist; sie bezeugt, dass Gott nur „Gedanken des Friedens und nicht des Leides“ (Jeremia 29,11) für uns hat. Sie zeigt, dass Gottes Abscheu gegen die Sünde zwar stark ist wie der Tod, Seine Liebe zum Sünder aber noch stärker. Er wird, nachdem Er die Aufgabe, uns zu erlösen, begonnen hat, alles tun, koste es was es wolle, um diese Aufgabe auch zu vollenden. Er wird uns die ganze Wahrheit mitteilen, die zu unserem Heil notwendig ist. Alle Barmherzigkeit, die wir brauchen, wird Er uns erweisen und alle nötige Hilfe von oben zukommen lassen. Er häuft Wohltat auf Wohltat, Gabe auf Gabe. Die Schatzkammer des Himmels steht denen offen, die bereit sind, sich von Ihm retten zu lassen. Alle Schätze des Weltalls und Seine unbegrenzte Macht stellt Er Christus zur Verfügung mit der Erklärung, dass alles für den Menschen sei. Er soll diese Gaben dafür verwenden, sie davon zu überzeugen, dass es weder im Himmel noch auf Erden größere Liebe gebe als Seine. Der Mensch soll erkennen, dass es kein größeres Glück für ihn gebe, als Gott immer zu lieben. DM.32.4 Teilen

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Am Kreuz von Golgatha standen Liebe und Selbstsucht einander gegenüber. Dort war beides in ausgereiftem Zustand. Christus hatte nur gelebt, um zu trösten und zu segnen. Satan dagegen zeigte die ganze Bosheit seines Hasses gegen Gott, indem er den Herrn tötete. Er ließ deutlich werden, dass die von ihm angezettelte Empörung nur dem einen Zweck dienen sollte, Gott zu stürzen und den zu vernichten, durch den die Liebe Gottes sichtbar wurde. DM.33.1 Teilen

Durch Christi Leben und Sterben werden auch die Gedanken der Menschen enthüllt. Von der Krippe bis zum Kreuz war das Leben Jesu eine ständige Aufforderung, uns selbst zu verleugnen und an Seinen Leiden teilzuhaben. An Ihm wurden die Absichten der Menschen deutlich. Jesus kam mit der Wahrheit des Himmels und zog alle zu sich, die auf die Stimme des Heiligen Geistes hörten, wohingegen sich die Anbeter des eigenen Ichs zum Reich Satans bekannten. In ihrer Haltung gegenüber Christus bezeugten sie allen, auf wessen Seite sie standen. So spricht sich jeder selbst sein Urteil. DM.33.2 Teilen

Am Tag des Weltgerichts wird sich jeder Verlorene über die Tragweite seiner Ablehnung der Wahrheit bewusst sein. Das Kreuz wird aufgezeigt und jeder, der bis dahin durch Übertretungen abgestumpft war, wird angesichts des Kreuzes dessen wahre Bedeutung erkennen. Im Angesicht der Situation auf Golgatha mit seinem geheimnisvollen Opfer, werden die Sünder verurteilt dastehen. Jede lügenhafte Ausrede bricht dort zusammen, und der Abfall des Menschen kommt in seiner ganzen Abscheulichkeit ans Licht. Jeder sieht dann, was für eine Wahl er getroffen hat. Jede Frage nach Wahrheit und Irrtum während des langen Kampfes wird beantwortet sein. Gott wird gerechtfertigt dastehen und frei sein von dem Vorwurf, für das Vorhandensein oder die Fortdauer der Sünde die Verantwortung zu tragen. Es wird sich zeigen, dass die göttlichen Verordnungen nicht zur Sünde geführt haben. Es wird sich zudem erweisen, dass der Herrschaft Gottes kein Makel anhaftete und dass sie keinen Anlass zur Unzufriedenheit gegeben hat. Wenn dann die Gedanken und Herzen aller offenbar geworden sind, werden die Treuen und die Empörer gemeinsam ausrufen: „Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich nicht fürchten, Herr, und deinen Namen preisen? ... denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.“ Offenbarung 15,3.4. DM.33.3 Teilen

Kapitel 6: „Wir haben seinen Stern gesehen“
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Auf der Grundlage von Matthäus 2; Lukas 2. DM.34 Teilen

„Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zurzeit des Königs Herodes, ... da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Matthäus 2,1.2. Die Weisen aus dem Osten waren Philosophen. Sie gehörten einer großen und einflussreichen Schicht an, die viele Edle, Wohlhabende und Gebildete einschloss. Unter diesen gab es solche, die die Leichtgläubigkeit des Volkes ausnutzten; andere dagegen waren aufrichtige Männer, die auf die Zeichen der Vorsehung in der Natur achteten. Sie waren wegen ihrer Rechtschaffenheit und Weisheit hoch angesehen. Zu dieser Gruppe von Menschen gehörten auch die Weisen, die zu Jesus kamen. DM.34.1 Teilen

Zu allen Zeiten ließ Gott Sein Licht in die Finsternis der Heidenwelt hineinleuchten. Als diese Magier den sternenklaren Himmel beobachteten und versuchten, das leuchtende Geheimnis des Schöpfers zu ergründen, da sahen sie die Herrlichkeit des Herrn. Auf der Suche nach mehr Erkenntnis wandten sie sich den hebräischen Schriften zu. In ihrem eigenen Land gab es gesammelte prophetische Schriften, die vom zukünftigen Kommen eines göttlichen Lehrers berichteten. Hatte doch ein Bileam, obwohl zeitweise Prophet des lebendigen Gottes, ebenfalls zu den Magiern gehört. Er hatte durch den Heiligen Geist den Wohlstand Israels und das Erscheinen des Messias vorhergesagt. Seine Weissagungen waren durch Überlieferung von Jahrhundert zu Jahrhundert weitergegeben worden. Im Alten Testament jedoch war das Kommen des Heilandes noch deutlicher angekündigt. Mit Freuden erkannten daher die Magier, dass Seine Ankunft nahe bevorstehe und die ganze Welt von der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes erfüllt werden sollte. DM.34.2 Teilen

Die Weisen sahen in jener Nacht ein geheimnisvolles Licht am Himmel, als die Herrlichkeit Gottes die Höhen von Bethlehem überflutete. Als es dann verblasste, erschien ein leuchtender Stern und blieb am Himmelsgewölbe stehen. Es war kein Fixstern und auch kein Planet; deshalb wurde diese Erscheinung besonders aufmerksam beobachtet. Davon, dass jener Stern eine weit entfernte Gruppe strahlender Engel war, konnten die Weisen natürlich nichts wissen. Doch sie gewannen den Eindruck, dass dieser Stern von besonderer Wichtigkeit für sie sei. Sie fragten daraufhin Priester und Philosophen und studierten auch selbst die alten Schriftenrollen. Dabei trafen sie auf die Weissagung Bileams: „Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen.“ 4.Mose 24,17. Konnte dieser seltsame Stern als Vorbote des Verheißenen gesandt sein? Die Magier, die das Licht der Wahrheit vom Himmel schon freudig begrüßt hatten, strahlte auf sie nun noch heller und sie wurden durch Träume angewiesen, den neugeborenen Fürsten zu suchen. DM.34.3 Teilen

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Wie Abraham damals auf den Ruf Gottes hin im Glauben auszog, ohne zu wissen, „wo er hinkäme“ (Hebräer 11,8), und wie Israel gläubig der Wolkensäule ins verheißene Land folgte, so zogen auch diese Heiden aus, den verheißenen Heiland zu suchen. Die Länder des Ostens waren reich an Kostbarkeiten, und so traten auch die Magier ihre Reise nicht mit leeren Händen an. DM.35.1 Teilen

Der Sitte entsprechend, Fürsten oder anderen hochgestellten Persönlichkeiten zum Zeichen der Huldigung Geschenke zu überreichen, nahmen sie die erlesensten Erzeugnisse des Landes mit als Weihegabe an den, in dem alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollten. Um den Stern im Auge behalten zu können, mussten die Weisen in der Nacht reisen. Die Zeit verkürzten sie sich mit einem Gedankenaustausch über die mündlichen und schriftlichen Aussprüche der alten Propheten bezüglich des Einen, den sie suchten. Während jeder Ruhepause durchforschten sie die Prophezeiungen, und die Überzeugung, dass sie von oben geleitet wurden, vertiefte sich immer mehr. So kam zu dem Stern als äußeres Zeichen auch von innen das Zeugnis des Heiligen Geistes dazu; er beeinflusste ihre Herzen und belebte ihre Hoffnung. Die Reise, wenn auch sehr lang, war für sie eine fröhliche. DM.35.2 Teilen

Als sie endlich das Land Israel erreicht hatten und, Jerusalem im Blick, den Ölberg hinab stiegen, da blieb der Stern, der auf dem beschwerlichen Weg vor ihnen hergezogen war, über dem Tempel stehen, um nach einiger Zeit ihren Blicken zu entschwinden. Eilig schritten sie nun voran in der zuversichtlichen Erwartung, dass die Nachricht von der Geburt des Messias überall Begeisterung ausgelöst hatte. Aber alle ihre Nachforschungen blieben ohne Erfolg. Gleich nachdem sie die Stadt betreten hatten, begaben sie sich zum Tempel. Doch überascht stellten sie fest, dass niemand etwas von dem neugeborenen König zu wissen schien. Ihre Fragen riefen keine Freudenausbrüche hervor, eher das Gefühl einer unangenehmen Überraschung und Furcht, vermischt mit einem Gefühl der Geringschätzung. Die Priester verschanzten sich hinter der Überlieferung. Ihre religiöse Auffassung und ihre Art der Frömmigkeit stand für sie über allem, während sie die Griechen und Römer als überaus sündige Heiden bezeichneten. Auch die Weisen galten bei den Juden als Heiden, obwohl sie keine Götzendiener waren und in Gottes Augen weit höher standen als Seine angeblichen Anbeter. Selbst bei den berufenen Hütern der heiligen Schriften fand ihr eifriges Fragen keinen Anklang. DM.35.3 Teilen

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Die Ankunft der Weisen wurde überall in Jerusalem schnell bekannt. Ihre ungewöhnliche Botschaft brachte viel Aufregung unter das Volk, die bis in den Palast des Königs Herodes drang. Der listige Edomiter erschrak schon bei der bloßen Erwähnung eines möglichen Rivalen. Unzählige Mordtaten hatten seinen Weg zum Thron besudelt. Dazu war er fremdstämmig und beim Volk, das er regierte, verhasst. Seine einzige Sicherheit war die Gunst Roms. Dieser neue Fürst aber hatte sich auf mehr zu berufen; Er war geboren, das Reich einzunehmen. DM.36.1 Teilen

Herodes verdächtigte die Priester, dass sie mit den Fremden gemeinsame Sache machten, um einen Volksaufstand heraufzubeschwören und ihn von seinem Thron zu stoßen. Zwar verbarg er sein Misstrauen, doch er beschloss, die Ausführung ihrer Pläne zu durchkreuzen. Er ließ die Hohepriester und Schriftgelehrten zu sich rufen und erkundigte sich bei ihnen, was ihre heiligen Bücher über den Ort lehrten, wo der Messias geboren werden sollte. DM.36.2 Teilen

Diese Erkundigungen des Thronräubers, noch dazu durch die Fremden angeregt, verletzte den Stolz der jüdischen Lehrer. Die offenkundige Gleichgültigkeit, mit der sie sich an die Durchsicht der prophetischen Schriften begaben, machte den eifersüchtigen Herrscher wütend, glaubte er doch, sie versuchten nur zu verbergen, was sie von dieser Sache wussten. DM.36.3 Teilen

Mit einer Bestimmtheit, über die sie sich nicht hinwegzusetzen wagten, befahl er ihnen deshalb, genaue Nachforschungen anzustellen und ihm den Geburtsort des von ihnen erwarteten Königs zu nennen. „Und sie sagten ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: ‚Und du, Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.‘“ Matthäus 2,5.6. DM.36.4 Teilen

Darauf lud Herodes die Weisen zu einer vertraulichen Unterredung ein. Obwohl Zorn und Furcht in seinem Inneren tobten, ließ er sich äußerlich nichts anmerken und empfing die Fremden höflich. Er erkundigte sich, wann ihnen denn der Stern erschienen sei und gab vor, als begrüße er freudig die Nachricht von der Geburt Christi. Schließlich gebot er den Weisen: „Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr‘s findet, so sagt mir‘s wieder, dass ich auch komme und es anbete.“ Matthäus 2,8. Mit diesen Worten entließ er sie, damit sie nach Bethlehem zögen. DM.36.5 Teilen

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Die Priester und Ältesten von Jerusalem waren ja nicht so unwissend hinsichtlich der Geburt Christi, wie sie vorgaben. Die Nachricht vom Besuch der Engel bei den Hirten war auch nach Jerusalem gedrungen, nur hatten die Rabbiner das als unwichtig abgetan. Obwohl sie selbst Jesus hätten finden und die Magier zu Seinem Geburtsort bringen können, mussten erst die Weisen kommen und sie auf die Geburt des Messias aufmerksam machen. Sie sprachen: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben Seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, Ihn anzubeten.“ Matthäus 2,2. DM.37.1 Teilen

Stolz und Neid waren es, die die Priester und Rabbiner veranlassten, dem Licht die Tür zu schließen. Hätten sie dem Bericht der Hirten und Weisen geglaubt, dann wären sie dadurch in eine schwierige Lage gebracht worden: Sie hätten so ihre eigene Behauptung widerlegt, Vertreter der Wahrheit Gottes zu sein. Außerdem brachten es diese gebildeten Lehrer einfach nicht fertig, von denen Belehrungen anzunehmen, die sie Heiden nannten. Es konnte nach ihrer Meinung nicht sein, dass Gott sie übergangen hätte, um sich dafür unwissenden Hirten und unbeschnittenen Heiden zu offenbaren. DM.37.2 Teilen

So beschlossen sie, diese Nachrichten, die den König Herodes und ganz Jerusalem in Aufregung versetzt hatten, mit Verachtung zu entgegnen. Sie wollten sich nicht einmal nach Bethlehem begeben, um festzustellen, ob das alles stimmte. Gleichzeitig verleiteten sie das Volk, die Beachtung von Jesus für schwärmerische Überspanntheit zu halten. Hier schon begannen die Priester und Rabbiner, Christus zu verwerfen. Ihr Stolz und ihre Hartnäckigkeit steigerten sich schließlich zu bitterem Hass gegen den Heiland. So geschah es, dass während Gott den Heiden die Tür öffnete, die Führer der Juden sich die Tür selbst verschlossen. DM.37.3 Teilen

Alleine verließen die Weisen Jerusalem. Als sie aber in der Dunkelheit des Abends die Tore Jerusalems hinter sich ließen, da sahen sie zu ihrer großen Freude wieder den Stern und wurden nach Bethlehem geführt. Sie hatten nicht wie die Hirten einen Hinweis erhalten, unter welch ärmlichen Verhältnissen sie Jesus finden würden. DM.37.4 Teilen

Nach der langen Reise waren sie von der Gleichgültigkeit der jüdischen Führer sehr enttäuscht und hatten Jerusalem weniger zuversichtlich verlassen, als sie es betreten hatten. In Bethlehem fanden sie keine Wache, die den neugeborenen König schützte, und keiner von den weltlichen Fürsten war anwesend. Jesus lag in eine Krippe gebettet. Seine Eltern — ungebildete Landleute — waren Seine einzigen Hüter. Konnte Dieser es sein, von dem geschrieben stand, dass Er bestimmt sei, „die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wieder zu versammeln“, ein „Licht der Heiden“ zum „Heil bis an die Enden der Erde“ zu sein? Jesaja 49,6. DM.37.5 Teilen

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Sie aber „gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an“. Matthäus 2,11. Auch unter der unscheinbaren Hülle erkannten sie die Gottheit Jesu. So gaben sie Ihm, als ihrem Heiland, ihre Herzen und „taten ihre Schätze auf und schenkten Ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe“. Matthäus 2,11. Welch einen Glauben bewiesen sie damit! Von diesen Männern des Ostens hätte Jesus auch sagen können, was Er später von dem römischen Hauptmann feststellte: „Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!“ Matthäus 8,10. DM.38.1 Teilen

Die Weisen erkannten nicht die Absicht von Herodes. Deshalb hatten sie vor, nachdem sie den Zweck ihrer Reise erreicht hatten, wieder nach Jerusalem zurückzukehren und dem König von ihrem Erfolg zu berichten. Doch in einem Traum empfingen sie die göttliche Anweisung, keinen weiteren Kontakt mit Herodes aufzunehmen. So mieden sie Jerusalem und gingen auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück. DM.38.2 Teilen

Auf ähnliche Weise wurde auch Joseph aufgefordert, mit Maria und dem Kind nach Ägypten zu fliehen. „Bleib dort, bis ich dir‘s sage; denn Herodes hat vor, das Kindlein zu suchen, um es umzubringen.“ Matthäus 2,13. Joseph gehorchte unverzüglich, trat aber der größeren Sicherheit wegen die Auslandsreise erst in der Nacht an. DM.38.3 Teilen

Durch die Weisen hatte Gott die Aufmerksamkeit des jüdischen Volkes auf die Geburt Seines Sohnes gelenkt. Ihre Nachforschungen in Jerusalem, die allgemeines Interesse weckten, und selbst die Eifersucht des Herodes, die die Aufmerksamkeit der Priester und Rabbiner erzwang, veranlasste viele, den Weissagungen über den Messias und zugleich dem großen Ereignis, das eben erst geschehen war, Beachtung zu schenken. DM.38.4 Teilen

Satan aber war entschlossen, das göttliche Licht aus der Welt auszuschließen, und versuchte mit äußerster List, den Heiland zu vernichten. Aber Er, der niemals schläft noch schlummert, wachte über Seinen geliebten Sohn. Wie Er früher Israel mit Manna vom Himmel versorgt und Elia zurzeit der Hungersnot gespeist hatte, so bereitete Er nun Maria und dem Jesuskind in einem heidnischen Land einen Zufluchtsort. Durch die Gaben der heidnischen Magier hatte der Herr ihnen die Mittel für die Reise nach Ägypten und für den Aufenthalt in einem fremden Land verschafft. DM.38.5 Teilen

Die Weisen hatten zu den ersten gehört, die den Erlöser begrüßten; ihre Gabe war die erste, die Ihm zu Füßen gelegt wurde. Was für ein Privileg war dies! Das Herz, das mit Liebe gibt, erhellt Gott mit Ehre, indem er ihm die größte Wirksamkeit gibt. Wenn wir Jesus unser Herz gegeben haben, werden wir Ihm auch unsere Gaben darbringen. Bereitwillig werden wir dem Herrn, der uns liebt und sich selbst für uns geopfert hat, unser Gold und Silber, unsere kostbaren irdischen Güter, unsere besten geistigen und geistlichen Fähigkeiten weihen. Herodes wartete inzwischen in Jerusalem ungeduldig auf die Rückkehr der Weisen. Als die Zeit verstrich, ohne dass sie erschienen, wurde sein Argwohn erneut geweckt. Die Abneigung der Rabbiner, ihm den Geburtsort des Messias zu nennen, ließ ihn jetzt vermuten, dass sie seine Pläne durchschaut und dass die Magier ihn absichtlich gemieden hatten. DM.38.6 Teilen

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Bei diesem Gedanken wurde er sehr wütend. Nachdem er mit seiner Verschlagenheit nichts ausgerichtet hatte, blieb ihm als letztes Mittel nur noch die Gewalt. So sollte das Geschick dieses jungen Königs nun zum abschreckenden Beispiel werden. Die hochmütigen Juden sollten sehen, was auf sie wartete, wenn sie versuchten, gegen ihn einen Aufruhr anzuzetteln und an seiner Statt einen anderen Herrscher einzusetzen. DM.39.1 Teilen

Sofort sandte Herodes seine Soldaten nach Bethlehem mit dem Befehl, alle Kinder im Alter von zwei Jahren und darunter zu töten. Die stillen Heime der Stadt Davids wurden zum Schauplatz jener Schreckensszenen, die 600 Jahre zuvor dem Propheten mitgeteilt worden waren: „Zu Rama hat man ein Geschrei gehört, viel Weinen und Heulen; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen“. Matthäus 2,18. DM.39.2 Teilen

Dieses Unheil hatten die Juden selbst über sich gebracht. Wären sie gläubig und demütig vor Gott gewandelt, dann hätte er in sehr deutlicher Weise dem Zorn des Königs wehren können. Doch sie hatten sich durch ihre Sünden von Gott getrennt und den Heiligen Geist, ihren einzigen Schutz, verworfen. Sie studierten die Schrift nicht mit dem Wunsch, den Willen Gottes zu tun. Sie hatten lediglich nach Weissagungen gesucht, die sich für sie günstig auslegen ließen und dafür zu sprechen schienen, dass Gott alle übrigen Völker verachtete. Stolz hatten sie damit geprahlt, dass der Messias als König kommen, Seine Feinde besiegen und in Seinem Zorn die Heiden zerstampfen werde. Dadurch war der Hass ihrer Herrscher hervorgerufen worden. Vor allem aber hatte Satan die Juden zu einer solchen falschen Darstellung der Sendung Christi verleitet, in der Absicht, die Vernichtung des Heilandes herbeizuführen. Nun aber fiel alles auf sie selbst zurück. DM.39.3 Teilen

Dieses grausame Vorgehen sollte eine der letzten Handlungen sein, mit denen Herodes seine dunkle Herrschaft besudelte. Nicht lange nach dem abscheulichen Kindermord in Bethlehem wurde er selbst auch ein Opfer des Schicksals, dem keiner entkommt: Er musste sterben — und er starb einen schrecklichen Tod. DM.39.4 Teilen

Joseph, der sich immer noch in Ägypten aufhielt, wurde jetzt von einem Engel Gottes aufgefordert, nach Israel zurückzukehren. In der Annahme, dass Jesus der Erbe des Thrones Davids sei, wollte er erst Bethlehem zu seinem Wohnort machen; als er aber erfuhr, dass Archelaus an seines Vaters Statt über Judäa regierte, befürchtete er, dass nun der Sohn die Absichten des Vaters gegen Jesus ausführen könnte. Von allen Söhnen des Herodes glich Archelaus dem in seinem Charakter am meisten. Schon seine Thronbesteigung war von Aufruhr in Jerusalem und der Niedermetzelung Tausender von Juden durch die römischen Wachen begleitet gewesen. DM.39.5 Teilen

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Abermals wurde Joseph zu einem Zufluchtsort geführt. Er kehrte nach Nazareth zurück, seinem früheren Wohnsitz, wo Jesus 30 Jahre seines Lebens zubringen sollte, „damit erfüllt würde, was da gesagt ist durch die Propheten: Er soll Nazarener heißen“. Matthäus 2,23. Galiläa stand ebenfalls unter der Herrschaft eines Sohnes des Herodes, doch war dort die Bevölkerung mehr mit fremdem Volkstum gemischt als Judäa, so dass rein jüdische Fragen in Galiläa weniger Beachtung fanden als in Judäa. Deshalb schien es weniger wahrscheinlich, dass die Sonderstellung Jesu so leicht den Neid der maßgebenden Kreise erregen würde. DM.40.1 Teilen

Derart war die Aufnahme, die der Heiland fand, als er zur Erde kam. Kaum schien es einen Ruheort, eine Zufluchtsstätte für den noch unmündigen Erlöser zu geben. Gott konnte Seinen geliebten Sohn nicht den Menschen anvertrauen, selbst nicht zu der Zeit, da er sich um ihr Heil bemühte. Deshalb beauftragte Er Engel damit, Jesus zu geleiten und zu schützen, bis Er Seine Aufgabe auf Erden vollbracht hätte und durch die Hände derer sterben würde, die zu retten Er gekommen war. DM.40.2 Teilen

Kapitel 7: Die Kindheit Jesu
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Auf der Grundlage von Lukas 2,39.40. DM.41 Teilen

Seine Kindheit und Jugendzeit verbrachte Jesus in einem kleinen Ort in den Bergen. Es gab keinen Platz auf Erden, der nicht durch Seine Gegenwart geehrt worden wäre. Selbst Königspalästen wäre es ein Vorrecht gewesen, Ihn als Gast aufzunehmen. Er ging aber an den Häusern der Reichen, an den Höfen der Könige und den berühmten Stätten der Gelehrsamkeit vorüber, um sich in dem unbedeutenden und verachteten Ort Nazareth niederzulassen. DM.41.1 Teilen

Wunderbar in seiner Bedeutung ist der kurze Bericht über die ersten Jahre im Leben Jesu: „Das Kind wuchs und ward stark im Geist, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.“ Lukas 2,40. In dem Sonnenglanz, der vom Angesicht Seines Vaters ausging, nahm Jesus zu „an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen“. Lukas 2,52. Sein Verstand war rege und scharfsinnig und an Aufmerksamkeit und Weisheit Seinen Jahren voraus. Dennoch war sein Charakter wundervoll ausgeglichen. Die Entwicklung der Geistes- und Körperkräfte erfolgte nach Seinem Alter. Schon als Kind erwies sich Jesus als überaus liebenswürdig veranlagt. Stets war Er bereit, anderen tatkräftig zu dienen. Dazu bewies Er eine Geduld, die durch nichts zu erschüttern war, und eine Wahrheitsliebe, die sich unbestechlich für das Rechte einsetzte. In den Grundsätzen felsenfest, offenbarte sein Leben die Tugend selbstloser Höflichkeit. DM.41.2 Teilen

Mit tiefem Ernst beobachtete die Mutter Jesu, wie sich Seine Gaben entfalteten und sich Sein Charakter vollkommen entwickelte. Voller Freude versuchte sie, Seinen munteren, empfänglichen Sinn zu begeistern. Durch den Heiligen Geist erhielt sie Weisheit zur Zusammenarbeit mit den himmlischen Boten bei der Erziehung dieses Kindes, das den Anspruch erheben konnte, nur Gott als Seinen Vater zu bezeichnen. DM.41.3 Teilen

Schon immer hatten die treuen Israeliten sehr sorgfältig auf die Erziehung ihrer Jugend geachtet. Der Herr hatte sie unterwiesen, die Kinder schon vom Babyalter an über Seine Güte und Größe zu belehren, wie sie sich besonders in Seinem Gesetz offenbart und in der Geschichte Israels gezeigt haben. Sie sollten dabei den Gesang, das Gebet und die Betrachtung der Schrift dem kindlichen Verständnis anpassen. Väter und Mütter sollten ihre Kinder darüber unterrichten, dass das Gesetz Gottes ein Ausdruck Seines Charakters sei und dass sich mit der Annahme Seiner Grundsätze das Bild Gottes auf den Geist und die Seele übertrage. Viele Belehrungen erfolgten mündlich; daneben aber lernte die Jugend auch die hebräischen Schriften lesen, und die Pergamentrollen mit den alttestamentlichen Texten standen ihren Studien zur Verfügung. DM.41.4 Teilen

42

Zur Zeit Christi wurde der Ort oder die Stadt, welche die religiöse Erziehung der Jugend nicht förderten, so angesehen, als stünde sie unter dem Fluch Gottes. Dennoch war der Unterricht formal, und die Traditionen hatten größtenteils die heiligen Schriften verdrängt. Rechte Erziehung würde die Jugend dazu führen, dass sie den Herrn „suchen und auf ihn aufmerksam werden sollten und ihn finden würden“. Apostelgeschichte 17,27 (NL). Die Lehrer der Juden wandten jedoch ihre Aufmerksamkeit zeremoniellen Themen zu. Der Verstand wurde mit einem Stoff belastet, der für die Schüler wertlos war und erst recht vor der höheren Schule des Himmels nichts galt. Die Erfahrung, welche man durch die persönliche Annahme des Wortes Gottes erlangt, hatte keinen Platz in ihrem Erziehungssystem. Vor lauter Äußerlichkeiten fanden die Schüler keine Gelegenheit, um stille Stunden mit Gott zu verbringen. Sie hörten Seine Stimme nicht zu sich sprechen. Auf ihrer Suche nach Erkenntnis kehrten sie der Quelle der Weisheit den Rücken. Das Wichtigste im Gottesdienst vernachlässigten sie und die Grundsätze des Gesetzes wurden verdunkelt. Diese höhere Bildung wurde zum größten Hindernis für eine echte Entwicklung. Durch die Erziehungsweise der Rabbiner wurde die Kraft der Jugend einengt. Sie wurden schwerfällig und einseitig im Denken. DM.42.1 Teilen

Der junge Jesus wurde nicht in den Schulen der Synagoge unterrichtet. Von den Menschen war Seine Mutter seine erste Lehrerin. Von ihr und durch die Schriften der Propheten erfuhr Er die himmlischen Dinge. Genau jene Worte, die Er damals selbst durch Mose zu Israel gesprochen hatte, wurden Ihm auf den Knien Seiner Mutter gelehrt. Als Er vom Kindesalter zum Jugendlichen heranwuchs, besuchte Er nicht die Schulen der Rabbiner. Er bedurfte einer Bildung aus solchen Quellen nicht, denn Gott war Sein Lehrer. DM.42.2 Teilen

Die während der Ausübung Seines Dienstes gestellte Frage: „Woher weiß Er das alles, Er hat doch die Schrift nicht studiert wie wir?“ Johannes 7,15 (NL). deutet nicht an, dass Jesus nicht lesen konnte, sondern lediglich, dass Er keine rabbinische Ausbildung erhielt. Da Er sein Wissen genauso erwarb, wie wir es können, beweist Seine innige Vertrautheit mit der Schrift, wie fleißig Er Seine jugendlichen Jahre dem Wort Gottes widmete. Dazu lag vor Ihm das große Buch von Gottes geschaffenen Werken. Er, der alle Dinge erschuf, vertiefte sich nun selbst in die Lehren, die Er mit eigener Hand in die Erde und ins Meer und in den Himmel geschrieben hatte. Während er sich fernhielt von allen unheiligen Dingen der Welt sammelte Er eine Fülle von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Natur. Er erforschte das Leben der Pflanzen, Tiere und Menschen. Von frühester Kindheit an beherrschte Ihn nur ein Ziel: Er lebte, um andere zu segnen. Dafür fand Er Hilfsmittel in der Natur. Neue Ideen von Wegen und Möglichkeiten blitzten gleich in Seinen Gedanken auf, als Er das Leben der Pflanzen und Tiere studierte. Ständig trachtete Er danach, durch Sichtbares jene Dinge zu veranschaulichen, welche die lebendigen Weissagungen Gottes darstellen. Die Gleichnisse, durch die Er während Seines Wirkens Seine Wahrheitslehren gern kleidete, zeigen, wie offen Sein Gemüt für die Einflüsse der Natur war und wie viele Unterweisungen fürs geistliche Leben Er aus Seinem täglichen Leben genommen hatte. So wurden Jesus die Bedeutung der Worte und Werke Gottes entfaltet, als Er den Dingen auf den Grund zu gehen suchte. Himmlische Wesen waren Seine Begleiter, und Er pflegte heilige Gedanken und vertrauliche Zwiesprache. Vom ersten Dämmern seines Verstandes an nahm Er ständig zu an geistlicher Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit. DM.42.3 Teilen

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Jedes Kind kann, genauso wie Jesus, Erkenntnis erlangen. Wenn wir versuchen, durch Sein Wort mit unserem himmlischen Vater bekannt zu werden, dann sind uns Engel nahe; unser Geist wird gestärkt, unser Charakter erhoben und verfeinert. Wir werden unserem Heiland ähnlicher. Und wenn wir all das Schöne und Großartige in der Natur betrachten, wendet sich unser Herz Gott zu. Während der Geist demütig ist, wird die Seele bei der Berührung mit dem Ewigen durch Seine Werke gestärkt. Die Gemeinschaft mit Gott im Gebet fördert die geistigen und sittlichen Fähigkeiten, und die geistlichen Kräfte erstarken in dem Maße, wie wir Gedanken über geistliche Dinge hegen. DM.43.1 Teilen

Jesu Leben war ein Leben der Übereinstimmung mit Gott. Als Er Kind war dachte und redete Er zwar wie ein Kind; aber keine Spur der Sünde entstellte das Ebenbild Gottes in Ihm. Dabei war Er nicht frei von Versuchungen. Die Bosheit der Einwohner von Nazareth war sprichwörtlich. Nathanaels Frage: „Was kann von Nazareth Gutes kommen?“ zeigt deutlich, wie wenig Achtung sie allgemein genossen. Johannes 1,46. Jesus aber wurde dorthin gestellt, damit Sein Charakter geprüft würde. Er musste ständig auf der Hut sein, wollte Er Seine Reinheit bewahren. Kein Kampf, den auch wir zu bestehen haben, blieb Ihm erspart, damit Er uns unser Leben lang ein Beispiel sein könne — in der Kindheit, im Jugend- und Mannesalter. DM.43.2 Teilen

Satan war unermüdlich in seinen Anstrengungen, um das Kind von Nazareth zu besiegen. Wenn Jesus auch von frühester Jugend an von den Engeln des Himmels behütet wurde, so war Sein Leben dennoch ein Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Dass jemand auf Erden frei von sündiger Befleckung leben sollte, das war dem Fürsten der Finsternis ärgerlich und ein Grund zur Beunruhigung. Nichts ließ er unversucht, um Jesus in seine Schlingen zu verstricken. Kein Menschenkind wird je berufen, ein heiliges Leben inmitten solch erbitterter Kämpfe gegen Versuchungen zu führen, wie unser Heiland. DM.43.3 Teilen

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Die Eltern Jesu waren arm und auf den Ertrag ihrer täglichen Mühen angewiesen. Er war so mit Armut, Selbstverleugnung und Entbehrungen vertraut. Diese Erfahrung war ein sicherer Schutz für Ihn. In Seinem arbeitsreichen Leben gab es keine müßigen Momente, welche die Versuchung herausgefordert hätten, und keine ziellos verbrachten Stunden bahnten den Weg für schlechte Gesellschaft. Er verschloss, soweit es Ihm möglich war, dem Versucher die Tür. Weder Gewinn noch Vergnügen, weder Beifall noch Tadel konnten Ihn dazu verleiten, Unrecht gutzuheißen. Er war klug, um das Böse zu erkennen, und stark genug, ihm auch zu widerstehen. DM.44.1 Teilen

Jesus war der einzige Sündlose, der jemals auf Erden gelebt hat, obwohl Er doch fast 30 Jahre lang unter den gottlosen Einwohnern von Nazareth wohnte. Diese Tatsache muss all jene Leute beschämen, die meinen, dass es auf den Ort, das Glück oder den Besitz ankomme, um ein untadeliges Leben führen zu können. Vielmehr erziehen uns gerade Anfechtung, Not und Unheil zu Reinheit und Standhaftigkeit. Er lebte mit Seinen Eltern in einem ländlichen Heim und trug treu und freudig Seinen Anteil an den Lasten des Haushaltes. Derjenige, der einst Gebieter des Himmels gewesen war und dessen Wort die Engel mit Freuden befolgten, war jetzt ein williger Diener, ein liebevoller und gehorsamer Sohn. Er erlernte ein Handwerk und arbeitete mit Joseph zusammen in dessen Zimmermannswerkstatt. In der einfachen Kleidung eines gewöhnlichen Handwerkers ging Er durch die Straßen der kleinen Stadt zu Seiner bescheidenen Arbeit und wieder zurück. Er benutzte Seine göttliche Kraft nicht, um Seine Lasten zu verringern oder sich die Mühen zu erleichtern. DM.44.2 Teilen

Durch die Arbeit, die Jesus als Jugendlicher und als Mann ausübte, wurden Körper und Geist entwickelt. Er ging nicht leichtsinnig mit Seinen physischen Kräften um, sondern setzte sie so ein, dass sie gesund blieben, damit Er in jeder Weise das Beste leisten konnte. Er lehnte Fehlerhaftigkeit ab — sogar in Seinen handwerklichen Tätigkeiten. Als Handwerker war Er ebenso vollkommen, wie Sein Charakter vollkommen war. Durch Sein Beispiel lehrte Er, dass es unsere Pflicht ist, fleißig zu sein und unsere Arbeit genau und sorgfältig auszuführen, und dass solche Arbeit ehrbar ist. Nützliche Handwerksarbeit erzieht nicht nur die Jugend dazu, ihren Anteil an den Lebenslasten zu tragen, sondern gibt auch körperliche Stärke und entwickelt jede Fähigkeit. Alle sollten sich mit etwas beschäftigen, was ihnen selbst nützlich ist und auch anderen weiterhilft. Gott hat uns die Arbeit zum Segen gegeben, und nur der Fleißige kann die wahre Schönheit und Freude des Lebens verspüren. Gottes Zustimmung ruht mit liebevoller Gewissheit auf Kindern und Jugendlichen, die freudig ihren Teil der häuslichen Pflichten erfüllen und den Eltern ihre Last tragen helfen. Solche Kinder werden, wenn sie das Heim verlassen, auch brauchbare Mitglieder der Gesellschaft sein. DM.44.3 Teilen

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Während Seines ganzen Erdenlebens war Jesus ein ernsthafter und beständiger Arbeiter. Weil Er viel erwartete, unternahm Er auch viel. Nachdem Er Seinen Dienst angetreten hatte, erklärte Er: „Ich muss wirken die Werke des, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann“. Johannes 9,4. Jesus schreckte weder vor Sorge noch vor Verantwortung zurück, wie es viele Seiner angeblichen Nachfolger tun. Gerade weil sie diese Zucht umgehen wollen, sind viele schwach und unfähig. Mögen sie auch vortreffliche und liebenswerte Eigenschaften aufweisen, so sind sie doch kraftlos und nahezu unbrauchbar, wenn es gilt, Schwierigkeiten zu begegnen oder Hindernisse zu überwinden. Die Zuverlässigkeit und Tatkraft, die Festigkeit und Stärke des Charakters, die sich in Christus zeigten, sollen sich durch die gleiche Schule, die Er durchzustehen hatte, in uns entwickeln. Dann wird auch die Gnade, die Er empfing, uns bereitstehen! DM.45.1 Teilen

Solange Er unter den Menschen lebte, teilte unser Heiland das Los der Armen. Er kannte ihre Sorgen und Nöte aus eigener Erfahrung und vermochte die demütigen Arbeiter zu trösten und zu ermutigen. Wer wirklich begriffen hat, was uns Jesu Leben lehrt, wird nie daran denken, irgendwelche Unterschiede zwischen Menschengruppen zu machen, und einen Reichen nicht höher achten als einen würdigen Armen. DM.45.2 Teilen

Jesus brachte Fröhlichkeit und Feingefühl in Seine Arbeitsweise. Es verlangt viel Geduld und Geisteskraft, die Lehren der Heiligen Schrift zuhause und am Arbeitsplatz umzusetzen und trotz aller Anspannung durch irdische Geschäfte die Ehre Gottes im Auge zu behalten. Darin wird uns Christus zum Helfer. Er war von weltlichen Sorgen nie so sehr in Anspruch genommen, dass Er keine Zeit mehr gehabt hätte, um über ewige Dinge nachzudenken. Oft drückte Er die Freude Seines Herzens aus, indem Er Psalmen und geistliche Lieder sang. Dann hörten die Einwohner Nazareths Seine Stimme sich in Lobpreis und Danksagung zu Gott erheben. Er pflegte Gemeinschaft mit dem Himmel durch Gesang, und wenn Seine Gefährten über die ermüdende Arbeit klagten, wurden sie durch die lieblichen Weisen aus Seinem Mund aufgemuntert. Sein Lobgesang schien die bösen Engel zu bannen und Seine Umgebung wie Weihrauch mit Wohlgeruch zu erfüllen. Die Gedanken Seiner Zuhörer wurden aus ihrer irdischen Gebundenheit in die himmlische Heimat versetzt. Jesus war der Quell heilsamer Gnade für die Welt. Auch während jener Jahre der Zurückgezogenheit in Nazareth gingen von Ihm Ströme des Mitgefühls und der Zärtlichkeit aus. Die Betagten und Bekümmerten, die Sündenbeladenen, die freudig spielenden Kinder, die schwache Kreatur in den Hainen und die geduldigen Lasttiere — sie alle waren glücklicher durch Seine Gegenwart. Er, dessen Machtwort die Welten aufrecht erhielt, beugte sich herab, um einem verwundeten Vöglein zu helfen. Es gab nichts, was nicht Seiner Beachtung wert oder Seines Dienstes würdig gewesen wäre. DM.45.3 Teilen

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Während Jesus so an Weisheit und körperlicher Größe zunahm, wuchs Er auch an Gnade bei Gott und den Menschen. Er erwarb sich auch die Liebe aller, weil Er mit allen zu fühlen vermochte. Die Atmosphäre von Hoffnung und Mut, die Ihn umgab, machte Ihn in jedem Heim zum Segen. Oft forderte man Ihn auf, am Sabbat in der Synagoge den Lehrtext aus den Propheten zu lesen, wobei die Herzen der Zuhörer ergriffen wurden, weil ihnen ein neues Licht aus den alt vertrauten Worten des heiligen Textes entgegen strahlte. DM.46.1 Teilen

Doch Jesus vermied es, Aufsehen zu erregen. Während der vielen Jahre Seines Aufenthaltes in Nazareth zeigte Er Seine Wunder wirkende Macht nicht. Er trachtete weder nach einer angesehenen Stellung, noch nahm Er irgendwelche Titel an. Still und bescheiden lebte Er — und selbst die Schrift, die über Seine Jugendjahre schweigt, erteilt uns damit eine wichtige Lehre: Je mehr sich das Leben eines Kindes in der Stille und Einfachheit — frei von künstlicher Erregung und mehr im Einklang mit der Natur — abspielt, desto günstiger sind die Aussichten für sein körperliches Wachstum und seine geistige Entwicklung. DM.46.2 Teilen

Jesus ist unser Vorbild. Viele befassen sich gern mit der Zeit Seines öffentlichen Wirkens, während sie die Lehren Seiner Jugendjahre meist unbeachtet lassen. Aber gerade mit Seinem Verhalten zuhause ist Er den Kindern und Jugendlichen ein Vorbild. Der Heiland wurde arm, um uns zu zeigen, wie wir auch bei bescheidenem Los ein Leben in inniger Gemeinschaft mit Gott führen können. Er lebte, um Seinen Vater im Alltagsleben zu gefallen, Ihn zu ehren und zu verherrlichen. Sein Werk begann damit, dass Er dem bescheidenen Gewerbe eines Handwerkers, der sich hart für sein tägliches Brot abmühen muss, besondere Weihe verlieh. Er diente Gott, wenn Er an der Werkbank arbeitete, genauso gut, als wenn Er für die Volksmenge Wunder wirkte. Jeder junge Mensch, der Jesu treuem und gehorsamen Beispiel in seinem bescheidenen Heim nachfolgt, darf auch das Zeugnis für sich in Anspruch nehmen, das der Vater durch den Heiligen Geist Jesus bescheinigte: „Siehe, das ist mein Knecht — ich halte ihn — und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat.“ Jesaja 42,1. DM.46.3 Teilen

Kapitel 8: Auf dem Passahfest
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Auf der Grundlage von Lukas 2,41-51. DM.47 Teilen

Die Juden betrachteten das 12. Lebensjahr als Grenze zwischen Kindheit und Jugend. Der hebräische Junge wurde nach Vollendung dieses Lebensjahres ein Sohn des Gesetzes genannt und auch ein Sohn Gottes. Ihm wurden besondere Vorrechte an religiösen Unterweisungen gegeben, und man erwartete von Ihm eine rege Beteiligung an den heiligen Festen und Bräuchen. Es stimmte also völlig mit diesen Bräuchen überein, dass Jesus in diesem Alter das Passahfest in Jerusalem besuchte. Wie alle gläubigen Israeliten machten sich Joseph und Maria, wie jedes Jahr auf den Weg, um an der Passahfeier teilzunehmen, und als Jesus das erforderliche Alter hatte, nahmen sie Ihn mit dorthin. DM.47.1 Teilen

Es waren jährlich drei Feste, zu denen alle männlichen Israeliten in Jerusalem vor dem Herrn zu erscheinen hatten — das Passahfest, das Pfingstfest und das Laubhüttenfest. Von diesen großen Festen wurde das Passahfest am meisten besucht. Sie kamen aus allen Ländern, in denen Juden verstreut lebten. Aus allen Gegenden Palästinas strömten viele Anbeter zum Fest. Die Reise von Galiläa nach Jerusalem dauerte mehrere Tage, und die jüdischen Pilger schlossen sich, um nicht allein zu wandern und zum gegenseitigen Schutz, unterwegs zu Gruppen zusammen. Frauen und Greise legten die oft steilen und felsigen Wege auf Ochsen oder Eseln zurück. Die kräftigeren Männer und die Jugendlichen reisten zu Fuß. Das Passahfest fiel in die Frühlingszeit, Ende März oder Anfang April; das ganze Land erstrahlte in Blüten und wurde vom Gesang der Vögel erfreut. Entlang des Reiseweges befanden sich denkwürdige Orte aus der Geschichte Israels, und die Eltern erzählten ihren Kindern von den Wundern, die Gott in der Vergangenheit an Seinem Volk gewirkt hatte. Sie verkürzten sich die Reise zudem durch Gesang und Musik, und wenn sie dann in der Ferne die Türme Jerusalems auftauchen sahen, stimmte jede Stimme in den Triumphgesang mit ein: „Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem ... Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen!“ Psalm 122,2.7. DM.47.2 Teilen

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Seit der Zeit, in der die Hebräer ein selbständiges Volk wurden, hielten sie alljährlich das Passahfest. In der letzten Nacht ihrer ägyptischen Gefangenschaft, als nichts auf die Stunde ihrer Befreiung hinzudeuten schien, hatte Gott sie dazu aufgefordert, den sofortigen Auszug vorzubereiten. Er hatte Pharao vor der letzten Plage gewarnt, die über die Ägypter kommen sollte, und die Hebräer angewiesen, sich in ihren Häusern zu versammeln, ihre Türpfosten mit dem Blut eines geschlachteten Lammes zu besprengen und das gebratene Lamm mit ungesäuertem Brot und bitteren Kräutern zu essen. „So sollt ihr‘s aber essen: Um eure Lenden sollt ihr gegürtet sein und eure Schuhe an euren Füßen haben und den Stab in der Hand und sollt es essen als die, die hinweg eilen; es ist des Herrn Passah.“ 2. Mose 12,11 Und als es Mitternacht war über Ägypten, wurde alle Erstgeburt der Ägypter erschlagen. Dann sandte der Pharao die Botschaft an Israel: „Macht euch auf und zieht weg aus meinem Volk ... Geht hin und dient dem Herrn, wie ihr gesagt habt.“ 2.Mose 12,31. Die Hebräer verließen Ägypten als unabhängiges Volk. Der Herr ordnete an, alljährlich das Passahfest zu feiern. „Und wenn eure Kinder zu euch sagen werden: Was habt ihr da für einen Brauch?, sollt ihr sagen: Es ist das Passahopfer des Herrn, der an den Kindern Israel vorüber ging in Ägypten, als er die Ägypter schlug.“ 2.Mose 12,26.27. Auf diese Weise sollte allen nachfolgenden Generationen diese wunderbare Befreiungstat Gottes weitergegeben werden. DM.48.1 Teilen

Auf das Passahopfer folgte das siebentägige Fest der ungesäuerten Brote. Am zweiten Tag dieses Festes wurde dem Herrn die Erstlingsfrucht der Jahresernte dargebracht — und zwar eine Garbe Gerste. Alle Bräuche dieses Festes versinnbildeten das Werk Christi. Die Befreiung Israels aus Ägypten war ein Gleichnis für die Erlösung, zu dessen Erinnerung das Passahfest diente. Das geschlachtete Lamm, das ungesäuerte Brot und auch die Erstlingsgabe stellen den Erlöser dar. DM.48.2 Teilen

Zur Zeit Christi war die Feier des Passahfestes bei den meisten Juden zu einem bloßen Formendienst herabgesunken. Wie groß war jedoch die Bedeutung dieses Festes für den Sohn Gottes! DM.48.3 Teilen

Zum ersten Mal sah Jesus den Tempel und die weiß gekleideten Priester ihren feierlichen Dienst versehen. Er erblickte das blutende Opfer auf dem Altar und beugte sich mit den Gläubigen im Gebet, während die Wolke des Weihrauchs zu Gott empor stieg. Er erlebte bewusst die eindrucksvollen Handlungen des Passahgottesdienstes. Mit jedem Tag sah Er deren Bedeutung klarer. Jede Handlung schien mit Seinem eigenen Leben engstens zusammenzuhängen. Das alles weckte neue Gedanken in Ihm. Still und in sich gekehrt schien Er über ein besonderes Problem nachzudenken. Das Geheimnis Seiner Sendung wurde Ihm bewusst. DM.48.4 Teilen

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Versunken im Nachdenken über diese Erlebnisse, verblieb Er nicht an der Seite Seiner Eltern. Er wollte allein sein. Als die gottesdienstlichen Handlungen längst vorbei waren, hielt Er sich noch immer in den Vorhöfen des Tempels auf, und als die jüdischen Festbesucher Jerusalem wieder verließen, blieb Er in der Stadt zurück. DM.49.1 Teilen

Bei diesem Besuch in Jerusalem wollten Jesu Eltern Ihn mit den großen Lehrern Israels zusammenbringen. Während Er in jeder Einzelheit dem Wort Gottes gehorsam war, unterwarf Er sich jedoch nicht den Bräuchen und Gewohnheiten der Schriftgelehrten. Joseph und Maria hofften, Er könnte dahin gebracht werden, den gelehrten Rabbinern mit achtungsvoller Ehrerbietung gegenüberzutreten und ihre Forderungen mit größerer Sorgfalt zu beachten. Doch Jesus war im Tempel durch Gott selbst unterrichtet worden. Das, was Er auf diese Weise erhalten hatte, begann Er sogleich mitzuteilen. DM.49.2 Teilen

Eine mit dem Tempel verbundene Halle diente zu jener Zeit als Heilige Schule, nach der Art der alten Prophetenschulen. Die Rabbiner versammelten hier ihre Schüler um sich. Auch Jesus kam in diese Halle. Zu den Füßen dieser ehrwürdigen und gelehrten Männer sitzend, lauschte Er deren Belehrungen. Als Einer, der nach Weisheit suchte, fragte Er diese Lehrer über die Weissagungen und die gegenwärtigen Ereignisse, die auf das Kommen des Messias hinwiesen. DM.49.3 Teilen

Jesus dürstete nach einer Erkenntnis Gottes. Seine Fragen regten zum Nachdenken über tiefe Wahrheiten an, die seit langem verborgen und doch für das Heil der Menschen so lebensnotwendig waren. Während Er zeigte, wie begrenzt und oberflächlich die ganze Weisheit der Gelehrten war, enthielt doch jede Frage, die ihnen vorgelegt wurde, eine göttliche Lehre und ließ die Wahrheit in einem neuen Licht erscheinen. Die Rabbiner sprachen von der wunderbaren Erhöhung, die das Erscheinen des Messias dem jüdischen Volk bringen würde, doch Jesus verwies auf die Prophetie Jesajas und fragte nach der Bedeutung jener Schriftstellen, die vom Leiden und Sterben des Gotteslammes berichteten. Die Schriftgelehrten reagierten mit Gegenfragen und waren über Seine Antworten erstaunt. Mit der Demut eines Kindes wiederholte Jesus die Worte der Schrift und gab ihnen eine so tiefe Bedeutung, wie es für sie unvorstellbar gewesen war. Wären die von Ihm dargelegten Wahrheitsgrundsätze befolgt worden, dann hätte das in jenen Tagen eine Reformation des Glaubens bewirkt. Ein tiefes Interesse an geistlichen Dingen wäre erwacht und viele wären vorbereitet gewesen, Ihn anzunehmen, als Jesus mit Seinem öffentlichen Dienst begann. DM.49.4 Teilen

Die Rabbiner wussten, dass Jesus nicht in ihren Schulen unterrichtet worden war — dennoch übertraf Er sie in Seinem Verständnis Prophetien weit. In diesem nachdenklichen galiläischen Jungen erkannten sie einen großen Hoffungsträger. Sie wollten Ihn gern als ihren Schüler haben, damit Er ein Lehrer in Israel würde, und Seine weitere Erziehung übernehmen, in dem Bewusstsein, dass ein so schöpferischer Geist nur von ihnen geformt werden könne. DM.49.5 Teilen

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Jesu Worte hatten ihre Herzen so tief bewegt, wie es Worte aus Menschenmund nie zuvor vermocht hatten. Gott versuchte, diesen Führern in Israel Licht zu geben und benutzte dazu das einzige Mittel, durch das sie erreicht werden konnten. In ihrem Stolz, hätten sie es niemals zugelassen, Belehrungen durch irgendwelche anderen anzunehmen. Hätten Jesu Worte den Anschein gehabt, dass Er sie belehren wollte, würden sie Ihm gar nicht zugehört haben. So aber schmeichelten sie sich, Ihn zu lehren oder wenigstens Seine Kenntnisse in den Schriften zu prüfen. Seine jugendliche Bescheidenheit und Anmut entwaffnete ihre Vorurteile. Unbewusst wurde ihr Verständnis für das Wort Gottes geöffnet, und der Heilige Geist sprach zu ihren Herzen. DM.50.1 Teilen

Die Schriftgelehrten mussten einsehen, dass ihre Erwartungen hinsichtlich des Messias durch das prophetische Wort nicht gestützt wurden, doch sie wollten die Theorien nicht aufgeben, die ihrem Ehrgeiz schmeichelten. Sie wollten nicht zugeben, dass sie die Schriften falsch auslegten, die sie vorgaben zu lehren. Sie fragten sich untereinander: Woher hat dieser Jüngling Sein Wissen, obwohl er doch keine Schule besuchte? Das Licht schien in der Finsternis, die Finsternis aber „hat‘s nicht ergriffen“. Johannes 1,5. DM.50.2 Teilen

Inzwischen waren Maria und Joseph in großer Sorge und Unruhe. Beim Verlassen Jerusalems hatten sie Jesus aus den Augen verloren und wussten nicht, dass Er in der Stadt zurückgeblieben war. Das Land war damals dicht bevölkert, und die Karawanen aus Galiläa waren sehr groß. Es gab viel Durcheinander, als sie die Stadt verließen. Auf dem Weg nahm die Freude, mit Freunden und Bekannten zu reisen, ihre Aufmerksamkeit in Anspruch, und erst als es Abend wurde, bemerkten sie Seine Abwesenheit. Als sie zur Rast anhielten, vermissten sie die helfende Hand ihres Kindes. Doch weil sie annahmen, Er wäre in ihrer Reisegruppe, waren sie immer noch unbesorgt. So jung, wie Er auch war, hatten sie Ihm völlig vertraut und erwartet, dass Er, wenn nötig, zur Stelle wäre, um ihnen zu helfen, indem Er ihre Wünsche voraus ahnte, so wie Er es stets getan hatte. Doch nun erwachten ihre Ängste. Sie suchten Ihn überall unter den anderen Reisenden, aber vergeblich. Schaudernd erinnerten sie sich daran, wie Herodes versucht hatte, Ihn als Baby zu töten. Trübe Ahnungen erfüllten ihre Herzen. Sie machten sich große Vorwürfe. DM.50.3 Teilen

Sie kehrten sogleich nach Jerusalem zurück und suchten Ihn hier weiter. Als sie sich am nächsten Tag unter die Anbetenden des Tempels mischten, fesselte eine vertraute Stimme ihre Aufmerksamkeit. Sie konnten sich nicht irren; keine andere Stimme war der Seinen gleich — so feierlich, ernst und dennoch so melodisch. DM.50.4 Teilen

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Sie fanden Jesus in der Schule der Rabbiner. Trotz ihrer großen Freude konnten sie doch ihren Kummer und ihre Angst nicht vergessen. Als Er wieder bei ihnen war, sprach Maria Worte, die einen leisen Vorwurf beinhalteten: „Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht“. Lukas 2,48. DM.51.1 Teilen

„Warum habt ihr mich gesucht?“, antwortete Er. „Ihr hättet doch wissen müssen, dass ich im Haus meines Vaters bin.“ Lukas 2,49 (NL). Und als sie Seine Worte nicht zu verstehen schienen, zeigte Er nach oben. Auf Seinem Angesicht lag ein Glanz, worüber die Eltern sich wunderten. Die Gottheit Jesu durchleuchtete den Menschensohn. Als sie Ihn im Tempel fanden, hatten sie dem gelauscht, was sich zwischen Ihm und den Rabbinern abspielte, und sie hatten sich über Seine Fragen und Antworten gewundert. Seine Worte weckten eine Reihe von Gedanken, die sie niemals wieder vergessen sollten. DM.51.2 Teilen

Seine Frage an sie enthielt eine Lektion. „Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ Lukas 2,49. Jesus war dabei, jenes Werk zu erfüllen, wozu Er in die Welt gekommen war, doch Joseph und Maria hatten ihres vernachlässigt. Gott hatte ihnen hohe Ehre erwiesen, indem Er ihnen Seinen Sohn anvertraute. Heilige Engel hatten den Weg Josephs gelenkt, um Jesu Leben zu bewahren. Dennoch hatten Joseph und Maria für einen ganzen Tag den aus den Augen verloren, den sie doch für keinen Augenblick vergessen sollten. Und als ihre Besorgnis sich als grundlos erwies, haben sie nicht sich selbst Vorwürfe gemacht, sondern Ihn beschuldigt. DM.51.3 Teilen

Es war ganz natürlich für Jesu Eltern, Ihn als ihr eigenes Kind zu betrachten. Er war täglich bei ihnen. Sein Leben glich in vieler Hinsicht dem der anderen Kinder, und es fiel ihnen schwer, in Ihm den Sohn Gottes zu sehen. Sie waren in Gefahr, die ihnen in der Gegenwart des Heilandes der Welt gewährte Segnung zu unterschätzen. Der Schmerz, den sie bei der Trennung von Ihm empfanden, und der sanfte Vorwurf, den Seine Worte enthielten, sollte ihnen die Heiligkeit des ihnen Anvertrauten eindringlich nahe bringen. DM.51.4 Teilen

In der Antwort an Seine Mutter zeigte Jesus zum ersten Mal, dass Er Seine Beziehung zu Gott verstand. Vor Seiner Geburt hatte der Engel zu Maria gesagt: „Der wird groß sein und ein Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird Ihm den Thron Seines Vaters David geben, und Er wird ein König sein über das Haus Jakob ewiglich.“ Lukas 1,32.33. Diese Worte hatte Maria in ihrem Herzen bewegt, doch während sie daran glaubte, dass ihr Kind der Messias Israels sein sollte, begriff sie Seine Sendung nicht. Auch jetzt verstand sie Seine Worte nicht, doch sie wusste, dass Er auf Seine verwandtschaftliche Bindung zu Joseph verzichtet und sich als Sohn Gottes bekannt hatte. Jesus verleugnete nicht Seine Beziehung zu Seinen irdischen Eltern. Er kehrte mit ihnen von Jerusalem nach Hause zurück und half ihnen bei ihren Alltagspflichten. Das Geheimnis Seiner Mission verbarg Er in Seinem Herzen und wartete gehorsam auf den für Ihn vorgesehenen Zeitpunkt, um Seine Aufgabe anzupacken. 18 Jahre lang, seitdem Er erkannt hatte, dass Er der Sohn Gottes war, achtete Er die Bindung, die Ihn mit dem Zuhause in Nazareth verband, und erfüllte die Pflichten eines Sohnes, Bruders, Freundes und Bürgers. DM.51.5 Teilen

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Als Jesus im Tempel mit Seiner Aufgabe vertraut gemacht worden war, zog Er sich von der Menge zurück. Er wünschte in Stille mit jenen von Jerusalem nach Hause zurückzukehren, die das Geheimnis Seines Lebens kannten. Durch den Passahgottesdienst wollte Gott Sein Volk von dessen irdischen Sorgen weglenken und sie an Sein wunderbares Eingreifen erinnern, als Er sie aus Ägypten befreite. Er wollte, dass sie in diesem Geschehen eine Verheißung für die Befreiung von der Sünde erkennen. Wie das Blut des getöteten Lammes die Häuser der Israeliten geschützt hatte, so sollte sie auch das Blut Christi bewahren. Doch sie konnten durch Christus nur gerettet werden, wenn sie Sein Leben als das ihre annahmen. Der symbolische Dienst war nur nützlich, wenn der die Gottesdienstteilnehmer zu Christus als ihrem persönlichen Heiland wies. Gott wollte, dass sie zu einem andachtsvollen Studium unter Gebet geführt werden. Doch als die Menge Jerusalem verließ, nahmen die Aufregung der Reise und der gesellige Austausch allzu oft ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, und der Gottesdienst, den sie erlebt hatten, war bald vergessen. Der Heiland fühlte sich nicht zu ihrer Gesellschaft hingezogen. DM.52.1 Teilen

Als Joseph und Maria mit Jesus allein von Jerusalem zurückkehrten, hoffte Er, ihre Gedanken auf die Weissagungen über den leidenden Heiland zu lenken. Auf Golgatha suchte Er den Schmerz Seiner Mutter zu lindern. Jetzt dachte Er besonders an sie: Maria würde Zeugin Seiner letzten Seelenpein sein, und Jesus wollte, dass sie Seine Sendung verstand, damit sie gestärkt würde, um durchzuhalten, wenn das Schwert ihre Seele durchdringen würde. Vgl. Lukas 2,35. Wie Jesus von ihr getrennt worden war und sie Ihn mit Schmerzen 3 Tage gesucht hatte, so würde Er auch dann wieder für sie 3 Tage verloren sein, wenn Er für die Sünden der Welt geopfert wird. Und wenn Er aus dem Grab käme, würde sich ihre Trauer wieder in Freude kehren. Doch wie viel besser würde sie den Schmerz über Seinen Tod ertragen haben, wenn sie jene Schriftstellen verstanden hätte, auf die Er jetzt ihre Gedanken zu lenken versuchte! DM.52.2 Teilen

Hätten sich Josephs und Marias Gedanken durch Andacht und Gebet mit Gott verbunden, so würden sie die Heiligkeit des ihnen Anvertrauten besser erkannt haben, und sie hätten Jesus nicht aus den Augen verloren. Durch die Nachlässigkeit eines Tages verloren sie den Heiland, doch es kostete sie 3 Tage furchtsames Suchen, um Ihn zu finden. So ergeht es auch uns: Durch unnützes Geschwätz, üble Nachrede oder durch Vernachlässigung des Gebets können wir an einem Tag die Gegenwart des Heilands verlieren, und es können viele Tage schmerzlichen Suchens vergehen, bis wir Ihn wieder finden und den verlorenen Frieden wieder erlangen. DM.52.3 Teilen

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In unserem Umgang miteinander sollten wir darauf achten, dass wir Jesus nicht vergessen und es gar nicht bemerken, dass Er nicht mehr unter uns weilt. Werden wir von irdischen Dingen so sehr in Anspruch genommen, dass wir keine Gedanken für Ihn haben, in dem unsere Hoffnung auf ein ewiges Leben mündet, dann trennen wir uns von Jesus und den himmlischen Engeln. Diese heiligen Wesen können nicht bleiben, wo die Gegenwart des Heilandes unerwünscht ist und Seine Abwesenheit nicht bemerkt wird. Darum gibt es bei den bekenntlichen Christen häufig so viel geistliche Entmutigung. DM.53.1 Teilen

Viele besuchen eine religiöse Versammlung und werden durch das Wort Gottes erfrischt und getröstet. Weil sie es jedoch vernachlässigen, nachzudenken und zu wachen und zu beten, verlieren sie den Segen und fühlen sich verlassener als je zuvor. Oft glauben sie dann, Gott behandle sie zu hart. Sie erkennen nicht, dass es allein ihre Schuld ist. Indem sie sich von Jesus trennten, haben sie das Licht Seiner Gegenwart ausgeschlossen. DM.53.2 Teilen

Es würde gut für uns sein, täglich in einer Andachtsstunde über das Leben Christi nachzudenken. Wir sollten es uns Punkt für Punkt vornehmen und uns jede Einzelheit vor Augen führen — besonders die letzten Tage. Wenn wir in dieser Weise über Sein großes Opfer für uns nachdenken, wird unser Vertrauen in Ihn beständiger sein, unsere Liebe zu Ihm lebendiger werden, und wir werden tiefer mit Seinem Geist erfüllt sein. Wenn wir am Ende gerettet werden wollen, müssen wir die Lektion der Reue und Demut am Fuß des Kreuzes lernen. DM.53.3 Teilen

Sind wir nun miteinander verbunden, dann können wir uns gegenseitig zum Segen werden. Gehören wir Christus ganz, dann werden unsere lieblichsten Gedanken auch von Ihm erfüllt sein. Wir werden gerne von Ihm sprechen, und indem wir einander von Seiner Liebe erzählen, werden unsere Herzen durch göttliche Einflüsse berührt. Indem wir die Schönheit Seines Charakters betrachten, werden wir „verklärt in Sein Bild von einer Herrlichkeit zur andern“. 2.Korinther 3,18. DM.53.4 Teilen

Kapitel 9: Tage der Auseinandersetzung
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Auf der Grundlage von der Evangelien des Neuen Testamentes DM.54 Teilen

Von frühester Kindheit an waren die jungen Israeliten von den Forderungen der Rabbiner umgeben. Für jede Handlung bis zu den geringfügigsten Dingen des Lebens gab es strenge Gesetze. Die Lehrer in den Synagogen unterrichteten die Jugendlichen in unzähligen Satzungen, deren Befolgung von ihnen als strenggläubige Juden erwartet wurde. Doch Jesus interessierte sich nicht dafür. Von Kindheit an handelte Er unabhängig von den Gesetzen der Rabbiner. Den Schriften des Alten Testaments galt Sein Studium, und die Worte: „So spricht der Herr“ kamen stets von Seinen Lippen. DM.54.1 Teilen

Als Ihm der Zustand Seines Volkes bewusst wurde, stellte Er fest, dass die Anforderungen der Gesellschaft und die Anforderungen Gottes in ständigem Widerspruch zueinander standen. Die Menschen wandten sich vom Wort Gottes ab und erhöhten selbst erfundene Lehren. Sie befolgten traditionelle Bräuche, die wirkungslos waren. Ihr Gottesdienst bestand lediglich aus einem Kreislauf von Zeremonien. Die heiligen Wahrheiten, die diese lehren sollten, blieben den Anbetenden verborgen. Er erkannte, dass die Menschen in ihren glaubenstoten Gottesdiensten keinen Frieden fanden. Sie kannten nicht die Freiheit des Geistes, die sie erhalten würden, wenn sie Gott in Wahrheit dienten. Jesus war gekommen, um den Menschen zu zeigen, was Anbetung Gottes eigentlich bedeutet. Er konnte der Vermengung menschlicher Vorschriften mit den göttlichen Geboten nicht zustimmen. Er griff die Weisungen und Handlungen der Gelehrten nicht an, doch wenn Er wegen Seiner eigenen schlichten Gewohnheiten getadelt wurde, dann benutzte Er Gottes Wort, um Sein Verhalten zu rechtfertigen. DM.54.2 Teilen

Jesus versuchte durch ein mildes und demütiges Verhalten jene zu erfreuen, mit denen Er in Kontakt kam. Weil Er so sanftmütig und unaufdringlich war, meinten die Schriftgelehrten und Ältesten, Ihn leicht durch ihre Lehren beeinflussen zu können. Sie drängten Ihn, die Lehren und Traditionen anzunehmen, die von den Rabbinern aus alter Zeit übermittelt worden waren, doch Er fragte nach deren Autorität in der Heiligen Schrift. Er war stets bereit, auf jedes Wort zu hören, das aus dem Mund Gottes kam, doch Er konnte nicht den Erfindungen der Menschen gehorchen. Jesus schien die gesamte Heilige Schrift zu kennen, und Er erklärte sie in ihrer wahren Bedeutung. Die Rabbiner waren beschämt, dass ein Kind sie belehrte. Sie erklärten, dass es ihr Amt sei, die Schrift auszulegen, und dass Er in der Position sei, ihre Auslegung anzunehmen. Sie waren entrüstet darüber, dass Er ihren Worten Widerstand entgegensetzte. DM.54.3 Teilen

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Sie wussten, dass für ihre Traditionen in der Schrift keine Beweise vorgelegt werden konnten. Auch erkannten sie, dass Jesus ihnen mit Seinem geistlichen Verständnis weit voraus war. Trotzdem waren sie verärgert, weil Er ihren Befehlen nicht gehorchte. Als sie Ihn nicht zu überzeugen vermochten, suchten sie Joseph und Maria auf sprachen mit ihnen über Jesu Verweigerungshaltung. Daraufhin musste Er Tadel und Kritik einstecken. DM.55.1 Teilen

Schon in sehr jungen Jahren hatte Jesus Seine Charakterbildung selbst in die Hand genommen, und nicht einmal die Achtung vor Seinen Eltern und die Liebe zu ihnen konnten Ihn vom Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes abbringen. Ein „Es steht geschrieben“ war Seine Begründung für jedes Handeln, das sich bei Ihm von den familiären Gewohnheiten unterschied. Der Einfluss der Rabbiner machte jedoch Sein Leben bitter. Bereits in jungen Jahren musste Er die harte Lektion lernen, zu schweigen und geduldig auszuharren. DM.55.2 Teilen

Seine Brüder, wie auch die Söhne Josephs genannt wurden, stellten sich auf die Seite der Rabbiner. Sie bestanden darauf, dass die Überlieferungen genauso befolgt werden mussten, als ob sie Gottes Gebote wären. Sie schätzten diese menschlichen Vorschriften sogar höher als Gottes Wort und waren über Jesu klaren Scharfsinn bei der Unterscheidung zwischen Falschem und Wahrem höchst verärgert. Seinen strikten Gehorsam gegenüber dem göttlichen Gesetz verurteilten sie als Eigensinn. Es überraschte sie, welche Kenntnis und welches Wissen Er an den Tag legte, wenn Er den Rabbinern antwortete. Sie wussten, dass Er von diesen weisen Männern nicht unterrichtet worden war — statt dessen mussten sie erleben, dass Er sie belehrte. Sie erkannten, dass Seine Ausbildung von höherer Art war, als ihre eigene. Doch sie merkten nicht, dass Er Zugang zum Lebensbaum besaß — zu einer Erkenntnisquelle, von der sie keine Ahnung hatten. DM.55.3 Teilen

Christus sonderte sich nicht ab und hatte gerade dadurch den Pharisäern besonderen Anstoß gegeben, dass Er in dieser Beziehung von ihren strengen Regeln abwich. Er stellte fest, dass der Bereich der Religion von hohen Mauern umgeben war, als ob der zu heilig für das alltägliche Leben war. Diese trennenden Mauern riss Er nieder. Im Kontakt mit den Menschen fragte Er nicht: „Was glaubst du? Welcher Glaubensgemeinschaft gehörst du an?“ Er setzte Seine helfende Kraft ein, um allen Leuten zu helfen. Statt sich wie als Einsiedler zurückzuziehen, um dadurch Seinen himmlischen Charakter zur Schau zu stellen, wirkte Er ernsthaft für Menschen. Er schärfte ihnen den Grundsatz ein, dass die biblische Religion nichts mit Kasteiung des Körpers zu tun hat, und eine reine und unbefleckte Religion nicht nur zu festgesetzten Zeiten und besonderen Anlässen gilt. Immer und überall bekundete Er ein liebevolles Interesse für die Menschen und verbreitete das Licht einer heiteren Frömmigkeit um sich. Dies war für die Pharisäer ein Tadel. Es zeigte, dass Religion nicht aus Selbstsucht besteht und ihre krankhafte Hingabe an das eigene Interesse weit von wahrer Frömmigkeit entfernt war. Das hatte ihre Feindschaft gegen Jesus geweckt, so dass sie versuchten, Ihn zum Gehorsam gegenüber ihren Satzungen zu zwingen. DM.55.4 Teilen

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Jesus wirkte, um jedes Leid, das Er sah, zu lindern. Er konnte nur wenig Geld spenden, doch Er verzichtete oft auf Nahrung, um denen zu helfen, die bedürftiger erschienen als Er. Seine Brüder merkten, dass Er mehr Einfluss hatte als sie. Er verfügte über ein Taktgefühl wie es keiner von ihnen hatte — oder haben wollte. Wenn sie unfreundlich mit armen und erniedrigten Menschen gesprochen hatten, dann suchte Jesus gerade solche auf, um sie mit tröstenden Worten wieder zu ermutigen. Wer in Not war, dem reichte Er einen Trunk kühlen Wassers und gab die eigene Mahlzeit hin. Wenn Er ihr Leid linderte, dann passten die Wahrheiten, die Er lehrte, genau zu Seinen Taten der Barmherzigkeit und prägten sich so dem Gedächtnis fest ein. DM.56.1 Teilen

Dies alles missfiel Seinen Brüdern. Weil sie älter als Jesus waren, meinten sie, Er müsse ihnen gehorchen. Sie warfen Ihm auch vor, Er bilde sich ein, ihnen überlegen zu sein, und sie tadelten Ihn dafür, dass Er sich über ihre Lehrer und die Priester und Oberen des Volkes stelle. Oft bedrohten sie Ihn und versuchten sogar, Ihn einzuschüchtern, doch Er machte weiterhin die heiligen Schriften zu Seinem Ratgeber. DM.56.2 Teilen

Jesus liebte Seine Brüder und behandelte sie mit gleichbleibender Freundlichkeit, doch sie waren eifersüchtig auf Ihn und offenbarten ihren entschiedensten Unglauben und ihre Verachtung. Sie konnten Sein Verhalten nicht begreifen. Große Gegensätze wurden ihnen in Seinem Leben offenbar: Er war der göttliche Sohn Gottes — und dennoch ein hilfloses Kind. Ihm als dem Schöpfer der Welt gehörte die Erde — andererseits war Armut Sein ständiger Lebensbegleiter. Er besaß eine Würde und Individualität, die sich völlig von irdischem Stolz und irdischer Anmaßung unterschieden. Er strebte nicht nach weltlicher Größe und war sogar mit der niedrigsten Stellung zufrieden. Darüber ärgerten sich Seine Brüder. Sie konnten sich Seine heitere Ruhe in allen Prüfungen und Entbehrungen nicht erklären. Sie wussten ja nicht, dass Er um unsertwillen arm geworden war, damit wir „durch Seine Armut reich“ würden. 2.Korinther 8,9. Auch konnten sie das Geheimnis Seiner Sendung nicht besser verstehen, als die Freunde Hiobs dessen Erniedrigung und Leiden. DM.56.3 Teilen

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Jesus wurde von Seinen Brüdern missverstanden, weil Er nicht so war wie sie. Sein Standard war nicht der ihre. Im Hinschauen auf Menschen, hatten sie sich von Gott abgewandt, und besaßen nicht dessen Kraft in ihrem Leben. Die religiösen Formen, welche sie beachteten, konnten ihren Charakter nicht umwandeln. Sie verzehnteten „Minze, Dill und Kümmel“, doch ihnen fehlte „das Wichtigste im Gesetz, nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und der Glaube“. Matthäus 23,23. Jesu Beispiel war ihnen ein ständiges Ärgernis. Er hasste nur eines auf der Welt — und zwar die Sünde. Er konnte nicht Zeuge eines Unrechts sein, ohne den Schmerz, welchen Er darüber empfand, zu verbergen. Zwischen den Formalisten, die hinter dem Schein der Heiligkeit die Liebe zur Sünde versteckten, und einem Charakter, dem der Eifer um die Ehre Gottes über alles ging, war der Gegensatz unübersehbar. Weil Sein Leben das Böse verurteilte, stieß Er daheim und auch außerhalb Seiner Familie auf Widerspruch. Wegen Seiner Selbstlosigkeit und Rechtschaffenheit wurde Er verhöhnt. Seine Langmut und Freundlichkeit wurden als Feigheit gedeutet. DM.57.1 Teilen

Von der Bitternis, die das Los der Menschen ist, gab es nichts, das Christus nicht auch erlitt. Es gab Menschen, die Ihn wegen Seiner Geburt verachteten. Und schon als Kind begegnete Er ihren verächtlichen Blicken und ihrer üblen Nachrede. Hätte Er mit einem ungeduldigen Wort oder Blick darauf reagiert oder hätte Er Seinen Brüdern auch nur in einer einzigen unrechten Handlung nachgegeben, dann wäre Er kein makelloses Vorbild mehr gewesen und hätte darin versagt, den Plan zu unserer Erlösung ausführen zu können. Hätte Er eingeräumt, dass es für die Sünde eine Entschuldigung gäbe, dann hätte Satan triumphiert und die Welt wäre verloren gegangen. Deshalb arbeitete der Versucher daran, Jesu Leben so schwierig wie möglich zu machen, um Ihn dadurch zur Sünde zu verführen. DM.57.2 Teilen

Doch auf jede Versuchung hatte Jesus nur eine Antwort: „Es steht geschrieben!“ Selten tadelte Er das Unrecht seiner Brüder, es sei denn, Er hatte ihnen ein Wort Gottes auszurichten. Oft wurde Er der Feigheit beschuldigt, weil Er sich weigerte, sich mit ihnen in bösen Dingen zu verbinden. Auch dann lautete Seine Antwort: Es steht geschrieben: „Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und meiden das Böse, das ist Einsicht“. Hiob 28,28. DM.57.3 Teilen

Manche suchten seine Gesellschaft, weil sie in Seiner Gegenwart Frieden empfanden, doch viele mieden Ihn, weil sie sich durch Sein makelloses Leben getadelt vorkamen. Seine jugendlichen Kameraden drängten Ihn, so zu handeln wie sie. Er war heiter und fröhlich; sie hielten sich gern in Seiner Nähe auf, und freuten sich über Seine bereitwilligen Anregungen, doch wegen Seiner Bedenken, waren sie ungeduldig und behaupteten, Er sei engstirnig und verbohrt. Auch darauf lautete Jesu Antwort: Es steht geschrieben: „Wie wird ein junger Mann seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält an deine Worte ... Ich behalte dein Wort in meinem Herzen, damit ich nicht wider dich sündige.“ Psalm 119,9.11. DM.57.4 Teilen

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Oft wurde Er gefragt: Warum willst du in allen Dingen unbedingt so anders sein als wir? Dann entgegnete Er: „Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des Herrn wandeln! Wohl denen, die sich an seine Mahnungen halten, die ihn von ganzem Herzen suchen, die auf seinen Wegen wandeln und kein Unrecht tun.“ Psalm 119,1-3. DM.58.1 Teilen

Als Er gefragt wurde, weshalb Er sich nicht an den Streichen der Jugendlichen von Nazareth beteiligte, sprach Er: Es steht geschrieben: „Ich freue mich über den Weg, den deine Mahnungen zeigen, wie über großen Reichtum. Ich rede von dem, was du befohlen hast, und schaue auf deine Wege. Ich habe Freude an deinen Satzungen und vergesse deine Worte nicht.“ Psalm 119,14-16. DM.58.2 Teilen

Jesus kämpfte nicht um Seine Rechte. Oft wurde Ihm aber Seine Arbeit unnötig erschwert, weil Er hilfsbereit war und sich nicht beklagte. Doch Er gab weder auf, noch ließ Er sich entmutigen. Er war über solche Schwierigkeiten erhaben, als lebte Er im Licht des Angesichtes Gottes. Er rächte sich auch nicht, wenn Er grob behandelt wurde, sondern ertrug alle Beleidigungen geduldig. DM.58.3 Teilen

Immer wieder wurde Er von den Leuten gefragt: Weshalb lässt du dich eigentlich so schlecht behandeln, und das sogar von deinen Brüdern? Er antwortete, es steht geschrieben: „Mein Sohn, vergiss meine Weisungen nicht, und dein Herz behalte meine Gebote, denn sie werden dir langes Leben bringen und gute Jahre und Frieden; Gnade und Treue sollen dich nicht verlassen. Hänge meine Gebote an deinen Hals und schreibe sie auf die Tafel deines Herzens, so wirst du Freundlichkeit und Klugheit erlangen, die Gott und den Menschen gefallen“. Sprüche 3,1-4. DM.58.4 Teilen

Seit Jesu Eltern Ihn im Tempel gefunden hatten, war ihnen Sein Verhalten ein Geheimnis. Er ließ sich nicht auf Streit ein. Sein Verhalten aber war eine ständige Belehrung. Er schien abseits von den anderen zu leben. Glückliche Stunden erlebte Er dann, wenn Er in der Natur und mit Gott allein war. Wann immer es Ihm möglich war, verließ Er Seinen Arbeitsplatz, um durch die Felder zu ziehen, in grünen Tälern über Geistliches nachzusinnen, um am Berghang oder unter den Bäumen des Waldes Gemeinschaft mit Gott zu pflegen. Frühmorgens hielt Er sich an entlegenen Orten auf — nachsinnend die Schrift studierend oder im Gebet. Nach solchen Stunden der Stille kehrte Er dann nach Hause zurück, um Seine Pflichten wieder aufzunehmen und ein Beispiel geduldiger Pflichterfüllung zu geben. DM.58.5 Teilen

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Christi Leben war gekennzeichnet von Ehrerbietung und Liebe zu Seiner Mutter. Maria glaubte in ihrem Herzen, dass das heilige Kind, das von ihr geboren wurde, der lange verheißene Messias war, doch sie wagte es nicht, dies laut zu sagen. Während Seines Erdenlebens nahm sie an Seinen Leiden teil. Sie erlebte sorgenvoll die Versuchungen, denen Er in Seiner Kindheit und Jugend ausgesetzt war. Verteidigte sie Ihn in jenem Verhalten, das sie für richtig hielt, so setzte sie sich selbst Unannehmlichkeiten aus. Sie schaute auf die häusliche Gemeinschaft, und die zärtliche mütterliche Betreuung ihrer Kinder war in ihren Augen lebenswichtig für deren Charakterbildung. Josephs Söhne und Töchter wussten das, und indem sie an ihre mütterliche Sorge appellierten, versuchten sie, Jesu Handeln nach ihren Maßstäben zu korrigieren. DM.59.1 Teilen

Maria machte Jesus oftmals Vorhaltungen und drängte Ihn, sich den Bräuchen der Rabbiner anzupassen. Aber Er konnte nicht davon überzeugt werden, Seine Gewohnheiten zu ändern, nämlich über die Werke Gottes nachzudenken oder die Leiden der Menschen und sogar der Tiere zu lindern. Als die Lehrer und Priester Marias Unterstützung forderten, um Jesus zu überwachen, war sie sehr bekümmert, doch in ihr Herz zog erst wieder Frieden ein, als Er ihr die Schriftworte zeigte, die Sein Verhalten rechtfertigten. DM.59.2 Teilen

Zeitweise schwankte Maria zwischen Jesus und Seinen Brüdern, die nicht glaubten, dass Er der von Gott Gesandte sei. Es gab jedoch genügend Beweise dafür, dass Er göttlich war. Sie sah, wie Er sich für das Wohl anderer Menschen aufopferte. Seine Anwesenheit erfüllte das Heim mit einer reineren Atmosphäre, und Sein Leben wirkte innerhalb der Gesellschaft wie Sauerteig. Schuld- und makellos wandelte Er inmitten gedankenloser, grober und unhöflicher Menschen, unter betrügerischen Zöllnern, sorglosen Verschwendern, ungerechten Samaritern, heidnischen Soldaten, groben Bauern und der zusammen gewürfelten Menge. Hier und da sprach Er Worte des Mitgefühls, wenn Er die Menschen sah, wie sie trotz Erschöpfung ihre schweren Lasten weiter tragen mussten. Er teilte ihre Last und wiederholte ihnen die Lehren von der Liebe, Freundlichkeit und Güte Gottes, die Er in der Natur gelernt hatte. DM.59.3 Teilen

Er lehrte allen, auf sich als solche zu schauen, denen wertvolle Talente verliehen wurden, und die — richtig eingesetzt — ihnen ewige Reichtümer zusicherten. Jede Eitelkeit verbannte Er aus Seinem Leben und lehrte durch Sein Beispiel, dass jeder Augenblick ewige Folgen bringt und die Zeit ein Schatz ist, welcher nur für heilige Ziele verwendet werden darf. Er ging an keinen Menschen achtlos vorüber, weil Er ihn für wertlos hielt, sondern versuchte bei jedem das rettende Heilmittel anzuwenden. In welcher Gesellschaft Er auch war, Er hatte stets eine Lektion bereit, die der Zeit und den Umständen angemessen war. Auch die gröbsten und aussichtslosesten Menschen versuchte Er mit Hoffnung zu erfüllen, indem Er ihnen die Zusicherung gab, dass auch sie frei von Tadel und Schuld sein und einen Charakter entwickeln könnten, wie er sich in den Kindern Gottes manifestiert. Oft begegnete Er Menschen, die unter die Herrschaft Satans geraten waren und keine Kraft besaßen, seinen Fallstricken zu entkommen. Zu solchen Entmutigten, Kranken, Versuchten und Gefallenen sprach Jesus Worte zartesten Mitgefühls — Worte, die sie gerade brauchten und auch verstehen konnten. Andere befanden sich gerade in einem Nahkampf mit dem Seelenfeind. Diese Menschen ermunterte Jesus zum Ausharren und versicherte ihnen, sie könnten erfolgreich sein, weil Gottes Engel ihnen bis zum Sieg beistehen würden. Diejenigen, denen Er auf diese Weise half, waren nun davon überzeugt, dass es Einen gab, auf den sie sich voll und ganz verlassen konnten. Er werde die ihnen anvertrauten Geheimnisse nicht verraten. DM.59.4 Teilen

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Jesus heilte Körper und Seele. Er interessierte sich für alle Leiden, die Er bemerkte, und jedem Leidenden brachte Er Erleichterung. Seine freundlichen Worte wirkten wie lindernder Balsam. Niemand konnte behaupten, dass Jesus ein Wunder vollbracht habe, doch von Ihm strömte die heilende Kraft der Liebe aus — hin zu den Kranken und Bekümmerten. So wirkte Er seit Seiner Kindheit für die Menschen auf unaufdringliche Weise. Deshalb hörten Ihm so viele Menschen gern zu, als Er dann mit Seinem öffentlichen Dienst begann. DM.60.1 Teilen

Doch als Kind, als Jugendlicher und auch als Erwachsener ging Jesus Seinen Weg allein. Rein und treu trat Er die Weinkelter allein, und niemand half Ihm dabei. Jesaja 63,3. Auf Ihm lastete das ungeheure Gewicht der Verantwortung für die Errettung der Menschheit. Er wusste: Wenn es in den Grundsätzen und Zielen des Menschengeschlechts keinen völligen Wandel gibt, sind alle verloren. Dieses Wissen war Seine Seelenlast, und niemand konnte diese auf Ihm liegende Last begreifen. Zielstrebig widmete Er sich dem Sinn Seines Lebens, nämlich das Licht der Welt zu sein. DM.60.2 Teilen

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