Portrait von Ellen White
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Bücher
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Vorwort
Vorwort
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Die gefährlichste Entwicklung in der heutigen Zeit ist die Einschränkung unserer persönlichen Entscheidungsfreiheit. Scheinbar wachen führende Menschen in Politik, Gesellschaft und Kirche über unseren Frieden und unsere Freiheit. Immer mehr Interessengruppen setzen sich dafür ein, unsere demokratischen Grundlagen planmäßig in aller Stille zu untergraben. Dies geschieht zum Beispiel unter dem Deckmantel der Religiosität und verschiedenster vermeintlich humanitärer Reformen.. DGK.5.1 Teilen

Das wird erhebliche Konsequenzen für uns haben. Heute schon ist ein plötzlicher Umsturz der Macht- und Gesellschaftsverhältnisse über Nacht möglich! Regierungen in Ost und West debattieren immer mehr über Frieden, ohne jedoch die eigentlichen Hindernisse zu beseitigen.. DGK.5.2 Teilen

Ellen Gould White möchte eine klare Einsicht in all diese wichtigen Fragen vermitteln, welche uns heute beschäftigen. Die eigentlichen Hintergründe, Ursachen und Verflechtungen dieses „großen Konfliktes“ werden folgerichtig aufgezeigt. Es wird schrittweise enthüllt, warum die geschichtliche Vergangenheit so ausschlaggebend für unsere Zukunft ist. Die üblen Wurzeln der Verfolgung Andersdenkender werden anhand von tragischen Berichten eindrucksvoll erläutert. Von Kaiser Neros grausamen Theaterspielen, den Scheiterhaufen der Inquisition bis zu den französischen Guillotinen werden die unmenschlichen Vorgehensweisen von so genannten christlichen Kirchen und Institutionen in Zusammenarbeit mit staatlicher Gewalt dargestellt. Auf der anderen Seite sehen wir die wahren Gläubigen und die Liebe Gottes und seine Fürsorge für sie. Lernen Sie den reinen und unverfälschten biblischen Glauben kennen.. DGK.5.3 Teilen

Blicken Sie hinter die Kulissen der aktuellen Weltpolitik und erfahren Sie, welche Mächte die weltweite Vereinigung kirchlicher und machtpolitischer Blöcke in die Wege leiten. Unter dem Vorwand nötiger politischer und religiöser Veränderungen wird ausgehend von Amerika die Geschichte der gnadenlosen Verfolgungen wiederholt. Es könnte das wichtigste Buch werden, das Sie je gelesen haben! Es wurde seit seiner ersten Erscheinung 1884 in Amerika in mehr als 45 Sprachen übersetzt und von vielen Millionen Menschen mit größtem Gewinn gelesen!. DGK.5.4 Teilen

Einleitung
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Ehe die Sünde in die Welt kam, erfreute sich Adam eines freien Kontaktes mit seinem Schöpfer. Aber seit sich der Mensch durch die Übertretung von Gott trennte, wurde ihm dieses hohe Vorrecht entzogen. Durch den Erlösungsplan jedoch wurde ein Weg eröffnet, wodurch die Bewohner der Erde noch immer mit dem Himmel in Verbindung treten können. Gott hat durch seinen Geist mit den Menschen kommuniziert, und durch die Offenbarungen an seine auserwählten Diener ist der Welt göttliches Licht mitgeteilt worden. „Vom Heiligen Geist getrieben haben die heiligen Menschen Gottes geredet.“ 2.Petrus 1,21. DGK.6.1 Teilen

Während der ersten 2500 Jahre der menschlichen Geschichte war keine geschriebene Offenbarung vorhanden. Diejenigen, welche von Gott gelehrt worden waren, teilten ihre Erkenntnis anderen mit, und sie pflanzte sich vom Vater auf den Sohn durch kommende Geschlechter fort. Die Anfertigung des geschriebenen Wortes begann in der Zeit Moses. Vom Geiste Gottes eingegebene Offenbarungen wurden damals zu einem inspirierten Buch vereinigt. Dieses Werk wurde während der langen Zeit von 1600 Jahren seit Mose, dem Geschichtsschreiber der Schöpfung und des Gesetzes, bis auf Johannes fortgesetzt, der die erhabensten Wahrheiten des Evangeliums aufzeichnete. DGK.6.2 Teilen

Die Bibel weist hin auf Gott als ihren Urheber, doch wurde sie von Menschenhänden geschrieben, und in dem verschiedenartigen Stil ihrer zahlreichen Bücher zeigt sie die besonderen Züge der jeweiligen Verfasser. Alle offenbarten Wahrheiten sind von Gott eingegeben (2.Timotheus 3,16), aber sie gelangen in menschlichen Worten zum Ausdruck. Der Unendliche hat durch seinen Heiligen Geist den Verstand und das Herz seiner Diener erleuchtet. Er hat Träume und Gesichte, Zeichen und Bilder gegeben, und diejenigen, denen die Wahrheit auf solche Weise offenbart wurde, haben diese Gedanken in menschliche Sprache gekleidet. DGK.6.3 Teilen

Die Zehn Gebote wurden von Gott selbst gesprochen und mit seiner eigenen Hand geschrieben. Sie sind von Gott und nicht von Menschen verfasst. Aber die Bibel stellt mit ihren von Gott eingegebenen, in menschlicher Sprache ausgedrückten Wahrheiten eine Vereinigung des Göttlichen mit dem Menschlichen dar. Eine solche Vereinigung bestand in der Natur Christi, welcher der Sohn Gottes und des Menschen Sohn war. So gilt von der Bibel, was von Christus geschrieben steht: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Johannes 1,14. DGK.6.4 Teilen

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In verschiedenen Zeitaltern und von Menschen geschrieben, die an Rang und Beschäftigung, an Verstand und Geistesgaben weit voneinander verschieden waren, bietet die Bibel sowohl einen großen Gegensatz des Stiles, als auch eine Verschiedenheit in der Natur der entfalteten Gegenstände dar. Die verschiedenen Schreiber bedienen sich verschiedener Ausdrucksweisen. Oft wird dieselbe Wahrheit von dem einen deutlicher dargestellt als von dem anderen. Und da verschiedene Schreiber ein und denselben Gegenstand unter verschiedenen Gesichtspunkten und Beziehungen darstellen, mag der oberflächliche, nachlässige oder mit Vorurteil erfüllte Leser da Ungereimtheiten oder Widersprüche sehen, wo der nachdenkende, andächtige Forscher mit klarerer Einsicht die zu Grunde liegende Harmonie erblickt. DGK.7.1 Teilen

Weil die Wahrheit von verschiedenen Persönlichkeiten dargestellt wird, sehen wir sie auch von ihren verschiedenen Gesichtspunkten aus. Der eine Schreiber steht mehr unter dem Eindruck von einer Seite eines Gegenstandes. Er erfasst die Punkte, die mit seiner Erfahrung oder mit seiner Auffassungsgabe und seiner Würdigung übereinstimmen. Ein anderer fasst eine etwas andere Seite auf, und jeder stellt unter der Leitung des Geistes Gottes das dar, was auf sein Gemüt den stärksten Eindruck macht — eine unterschiedliche Seite der Wahrheit in jedem, aber eine vollkommene Übereinstimmung in allem. Und die auf diese Weise offenbarten Wahrheiten vereinigen sich, um ein vollkommenes Ganzes zu bilden, das den Bedürfnissen des Menschen in allen Umständen und Erfahrungen des Lebens angepasst ist. DGK.7.2 Teilen

Es hat Gott gefallen, der Welt die Wahrheit durch menschliche Werkzeuge mitzuteilen, und er selbst hat durch seinen Heiligen Geist die Menschen dazu befähigt und sie in den Stand gesetzt, dieses Werk zu vollbringen. Er leitete die Gedanken bei der Auswahl dessen, was sie reden oder schreiben sollten. Der Schatz wurde irdenen Gefäßen anvertraut, er ist aber doch vom Himmel. Das Zeugnis kommt zu uns durch den unvollkommenen Ausdruck der menschlichen Sprache, doch ist es das Zeugnis Gottes; und ein gehorsames, gläubiges Kind Gottes sieht darin die Herrlichkeit einer göttlichen Macht, voll von Gnade und Wahrheit. In seinem Wort hat Gott dem Menschen die zur Seligkeit nötige Erkenntnis übergeben. Die Heilige Schrift soll als eine maßgebende, rechtskräftige, untrügliche Offenbarung seines Willens angenommen werden. An ihr wird der Charakter geprüft, durch sie Lehren offenbart und unsere Erfahrung der Prüfung unterzogen. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet.“ 2.Timotheus 3,16.17 (Schlachter 2000). Doch hat die Tatsache, dass Gott seinen Willen dem Menschen durch sein Wort offenbart hat, die beständige Gegenwart und Leitung des Heiligen Geistes nicht überflüssig gemacht. Im Gegenteil: Der Heiland verhieß den Heiligen Geist, damit er seinen Dienern das Wort eröffne und damit er dessen Lehren beleuchte und bei ihrer Umsetzung helfe. Und da der Geist Gottes die Bibel eingab, ist es unmöglich, dass die Lehren des Geistes dem Wort widersprechen. DGK.7.3 Teilen

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Nicht um die Stelle der Bibel einzunehmen wurde der Geist gegeben, noch kann er je dazu benutzt werden, denn die Schrift erklärt ausdrücklich, dass das Wort Gottes der Maßstab ist, an dem alle Lehre und jede Erfahrung geprüft werden muss. Der Apostel Johannes sagt: „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn es sind viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen.“ 1.Johannes 4,1. Und Jesaja erklärt: „Ja, nach dem Gesetz und Zeugnis. Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröte nicht haben.“ Jesaja 8,20 (LB 1912). DGK.8.1 Teilen

Durch die Irrtümer einer Menschenklasse, welche die Erleuchtung des Heiligen Geistes beansprucht und behauptet, dass sie der Führung des Wortes Gottes nicht mehr bedarf, wird große Schmach auf das Werk des Geistes Gottes geworfen. Sie werden von Eindrücken geleitet, die sie für die Stimme Gottes in der Seele ansehen. Aber der Geist, der sie beherrscht, ist nicht der Geist Gottes. Den Eindrücken zu folgen und die Heilige Schrift zu vernachlässigen, kann nur zu Verwirrung, Täuschung und Verderben führen. Es dient nur dazu, die Absichten des Bösen zu fördern. Da das Amt des Geistes Gottes für die Gemeinde Christi von höchster Wichtigkeit ist, ist es einer der listigen Anschläge Satans, durch die Irrtümer der Extremisten und Fanatiker Verachtung auf das Werk des Geistes zu werfen, und das Volk Gottes zu veranlassen, diese Quelle der Kraft, die uns der Herr selbst vorgesehen hat, zu vernachlässigen. DGK.8.2 Teilen

In Übereinstimmung mit dem Wort Gottes sollte sein Geist sein Werk während der ganzen Zeit der Evangeliumsverkündigung fortsetzen. In den Jahrhunderten, in denen die Schriften des Alten und Neuen Testamentes gegeben wurden, hörte der Heilige Geist nicht auf, neben den Offenbarungen, die dem heiligen Kanon einverleibt werden sollten, auch Einzelne zu erleuchten. In verschiedenen Zeitaltern werden Propheten erwähnt, über deren Aussprüche nichts aufgezeichnet wurde. Gleicherweise sollte, nachdem der Kanon der Schrift abgeschlossen war, der Heilige Geist auch weiterhin sein Werk fortsetzen, nämlich die Kinder Gottes zu erleuchten, zu warnen und zu trösten. Jesus verhieß seinen Jüngern: „Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten ... und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.“ Johannes 14,26; 16,13. Die Schrift lehrt deutlich, dass diese Verheißungen nicht nur auf die Zeit der Apostel beschränkt sind. Sie sollten für die Gemeinde Christi für alle Zeitalter gelten. Der Heiland versichert seinen Nachfolgern: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Matthäus 28,20. Und Paulus erklärte, dass die Gaben und Offenbarungen des Geistes in die Gemeinde gegeben wurden, „damit die Heiligen tüchtig werden, den Dienst auszurichten, wodurch Christi Leib erbaut wird; das soll geschehen, bis wir alle gelangen zu der Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zu jener Größe, worin wir Christi Gabenfülle fassen können.“ Epheser 4,12-13 (Albrecht). DGK.8.3 Teilen

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Für die Gläubigen in Ephesus betete der Apostel: „Dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen und gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, ... und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben.“ Epheser 4,12-13. DGK.9.1 Teilen

Das Wirken des Geistes Gottes in der Erleuchtung des Verständnisses und dem Öffnen der Tiefen der Heiligen Schrift war der Segen, den Paulus auf die Gemeinde zu Ephesus herabflehte. DGK.9.2 Teilen

Nach der wunderbaren Offenbarung des Heiligen Geistes zu Pfingsten ermahnte Petrus das Volk zur Buße und Taufe im Namen Christi, zur Vergebung ihrer Sünden, und sagte: „So werdet ihr empfangen die Gabe des Heiligen Geistes. Denn euch und euren Kindern gilt diese Verheißung und allen, die fern sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.“ Apostelgeschichte 2,38-39. DGK.9.3 Teilen

In unmittelbarem Zusammenhang mit den Szenen des großen Tages Gottes hat der Herr durch den Propheten Joel eine besondere Offenbarung seines Geistes verheißen. Joel 3,1. Diese Prophezeiung erhielt eine teilweise Erfüllung in der Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten, aber sie wird ihre volle Erfüllung in der Offenbarung der göttlichen Gnade erreichen, die das Schlusswerk des Evangeliums begleiten wird. DGK.9.4 Teilen

Der große Kampf zwischen Gut und Böse wird an Heftigkeit zunehmen bis zum Ende der Zeit. Zu allen Zeiten offenbarte sich der Zorn Satans gegen die Gemeinde Christi, und Gott hat seinem Volk seine Gnade und seinen Geist verliehen, um sie zu stärken, damit sie vor der Macht des Bösen bestehen können. Als die Apostel das Evangelium in die Welt hinaustragen und für zukünftige Zeiten aufzeichnen sollten, wurden sie auf besondere Weise mit der Erleuchtung des Heiligen Geistes versehen. Wenn aber die Gemeinde Gottes sich ihrer schließlichen Befreiung naht, wird Satan mit größerer Macht wirken. Er kommt herab „und hat einen großen Zorn und weiß, dass er wenig Zeit hat“. Offenbarung 12,12. Er wird „mit großer Kraft und lügenhaften Zeichen und Wundern“ wirken. 2.Thessalonicher 2,9. DGK.9.5 Teilen

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6000 Jahre lang war jener Meistergeist, der einst der Höchste unter den Engeln Gottes war, völlig auf Täuschung und Verderben erpicht. Und alle Tiefen satanischer Kunst und erlangter Verschlagenheit, alle in diesem jahrhundertelangen Ringen entwickelte Grausamkeit, wird in dem letzten Kampf gegen das Volk Gottes ins Feld geführt werden. Und in dieser gefahrvollen Zeit müssen die Nachfolger Christi der Welt die Warnung vor der Wiederkunft des Herrn erteilen, und ein Volk muss vorbereitet sein, das bei seinem Kommen „unbefleckt und unsträflich“ vor ihm dastehen kann. 2.Petrus 3,14. Zu dieser Zeit ist es nicht weniger nötig, dass der Gemeinde Gottes die göttliche Gnade und Macht in besonderem Maße verliehen werde, als in den Tagen der Apostel. DGK.10.1 Teilen

Durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes sind die Szenen des lang anhaltenden Kampfes zwischen dem Guten und dem Bösen der Verfasserin dieser Seiten geoffenbart worden. Von Zeit zu Zeit wurde es mir gestattet, das Wirken des großen Kampfes zwischen Christus, dem Fürsten des Lebens, dem Herzog unserer Seligkeit, und Satan, dem Fürsten des Bösen, dem Urheber der Sünde, dem ersten Übertreter des heiligen Gesetzes Gottes, zu schauen. Die Feindschaft Satans gegen Christus äußerte sich gegen die Nachfolger des Erlösers. Derselbe Hass gegen die Grundsätze des Gesetzes Gottes, dieselben trügerischen Pläne, durch die der Irrtum den Anschein der Wahrheit erhält, durch welche menschliche Gesetze dem Gesetz Gottes untergeschoben und Menschen verleitet werden, eher das Geschöpf als den Schöpfer anzubeten, können in der ganzen Geschichte der Vergangenheit nachgewiesen werden. Die Bemühungen Satans, den Charakter Gottes zu entstellen, sowie Menschen zu veranlassen, eine falsche Vorstellung von dem Schöpfer zu hegen, und ihn so eher mit Furcht und Hass als mit Liebe zu betrachten, seine Anstrengungen, das Gesetz zu beseitigen, und das Volk glauben zu machen, dass sie von seinen Anforderungen frei seien, sowie seine Verfolgungen gegen diejenigen, die seinen Täuschungen zu widerstehen wagen, sind in allen Jahrhunderten beharrlich fortgesetzt worden. Sie sind in der Geschichte der Patriarchen, Propheten und Apostel, der Märtyrer und Reformatoren aufgezeichnet. DGK.10.2 Teilen

In dem letzten großen Kampf wird Satan sich derselben Schlauheit bedienen, denselben Geist an den Tag legen und für denselben Zweck tätig sein wie in allen vergangenen Zeiten. Was gewesen ist wird wieder sein, ausgenommen, dass eine so schreckliche Heftigkeit dieses zukünftige Ringen kennzeichnen wird, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Satans Täuschungen werden raffinierter — seine Angriffe entschlossener sein. Ja, wenn es möglich wäre, würde er selbst die Auserwählten verführen. Markus 13,22. DGK.10.3 Teilen

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Als der Geist Gottes mir die großen Wahrheiten seines Wortes und die Szenen der Vergangenheit und Zukunft erschloss, wurde mir geboten, anderen mitzuteilen, was mir so offenbart worden war — die Geschichte des Kampfes in vergangenen Jahrhunderten zu verfolgen und besonders sie so darzustellen, dass dadurch Licht auf den rasch herannahenden Kampf der Zukunft geworfen wird. In Verfolgung dieser Absicht habe ich mich bemüht, Ereignisse in der Kirchengeschichte zu wählen und auf solche Weise zusammenzustellen, dass dadurch die Entwicklung der großen Wahrheiten dargelegt werde, die zu verschiedenen Zeiten der Welt gegeben wurden, um die Aufrichtigen zu prüfen. Sie werden den Zorn Satans und die Feindschaft einer verweltlichten Kirche hervorrufen und durch das Zeugnis derer aufrechterhalten, „die ihr Leben nicht geliebt haben bis an den Tod“. Offenbarung 12,11. DGK.11.1 Teilen

In diesen Berichten können wir ein Bild des uns bevorstehenden Kampfes erblicken. Wenn wir sie in dem Licht des Wortes Gottes und durch die Erleuchtung seines Geistes betrachten, können wir unverhüllt die Anschläge des Bösen und die Gefahren sehen, denen alle ausweichen müssen, die beim Kommen unseres Herrn als „unsträflich“ erfunden werden wollen. DGK.11.2 Teilen

Die großen Ereignisse, die den Fortschritt der Reformation in vergangenen Jahrhunderten kennzeichneten, sind Tatsachen der Geschichte, wohl bekannt und von der protestantischen Welt allgemein anerkannt. Es sind Ereignisse, die niemand bestreiten kann. Dieses Geschehen habe ich in Übereinstimmung mit der Aufgabe des Buches und der nötigen Kürze deutlich dargestellt und so weit gerafft, wie es zum richtigen Verständnis nötig war. Des Öfteren, wenn ein Historiker die Ereignisse so zusammengestellt hat, dass sie kurzgefasst einen umfassenden Überblick gewährten, oder wo er die Einzelheiten in passender Weise zusammenfasste, ist er wörtlich zitiert worden, aber in einigen Fällen wurden keine Namen angegeben, da durch die Zitate nicht beabsichtigt war, den betreffenden Verfasser als Autorität hinzustellen, sondern weil seine Aussagen eine treffende und kraftvolle Darstellung der historischen Ereignisse boten. In der Erzählung der Erfahrung und Ansichten derer, die das Reformationswerk in unserer Zeit weiterführen, wurde aus ihren veröffentlichten Werken in ähnlicher Weise zitiert. DGK.11.3 Teilen

Es ist nicht so sehr die Absicht dieses Buches, neue Wahrheiten über die Kämpfe früherer Zeiten darzustellen, als Tatsachen und Grundsätze hervorzuheben, die einen Einfluss auf künftige Ereignisse haben. Jedoch als ein Teil des Kampfes zwischen den Mächten des Lichtes und der Finsternis zeigt sich in all diesen Berichten über die Vergangenheit eine neue Bedeutung. Sie werfen Licht auf die Zukunft und erleuchten den Pfad derer, die wie die Reformatoren vergangener Zeiten, berufen sein werden, sogar auf die Gefahr hin, alle irdischen Güter zu verlieren, Zeugnis abzulegen „um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses Jesu Christi willen“. Offenbarung 1,9. DGK.11.4 Teilen

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Es ist das Ziel dieses Buches, die Szenen des großen Kampfes zwischen dem Irrtum und der Wahrheit darzulegen, die listigen Anschläge Satans und die Mittel zu offenbaren, durch die wir ihnen erfolgreich widerstehen können, sowie eine befriedigende Lösung des großen Problems der Sünde zu geben, und Licht über den Ursprung und die schließliche Vertilgung der Sünde zu werfen. Dadurch sollen die Gerechtigkeit und das Wohlwollen Gottes in all seinem Tun mit seinen Geschöpfen völlig offenbar werden und die heilige unveränderliche Natur seines Gesetzes aufgezeigt werden. Mögen durch seinen Einfluss Menschen von der Macht der Finsternis befreit und Teilhaber werden am „Erbe der Heiligen im Licht“, zum Lobe dessen, der uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat! Dies ist mein ernsthaftes Gebet. DGK.12.1 Teilen

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Kapitel 1: Die Zerstörung Jerusalems
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Weil die Israeliten den Worten Jesu nicht glaubten, ihn verwarfen und alle, die an Jesus glaubten ablehnten, kam es unweigerlich zur angekündigten Katastrophe. Unzählige Menschen starben durch Hunger, Mord und Krieg. Jedoch alle, die Jesu Worten glaubten, konnten sich in Sicherheit bringen.. DGK.13.1 Teilen

„Wenn doch auch du erkannt hättest, wenigstens noch an diesem deinem Tag, was zu deinem Frieden dient! Nun aber ist es vor deinen Augen verborgen. Denn es werden Tage über dich kommen, da deinen Feinde einen Wall um dich aufschütten, dich ringsum einschließen und von allen Seiten bedrängen werden; und sie werden dich dem Erdboden gleichmachen, auch deine Kinder in dir, und in dir keinen Stein auf dem anderen lassen, weil du die Zeit deiner Heimsuchung nicht erkannt hast“. Lukas 19,42-44 (Schlachter 2000). DGK.13.2 Teilen

Vom Gipfel des Ölbergs herab schaute Jesus auf Jerusalem. Lieblich und friedevoll breitete sich die Landschaft vor ihm aus. Es war die Zeit des Passahfestes, und aus allen Ländern hatten sich die Kinder Jakobs versammelt, um dieses große Nationalfest zu feiern. Inmitten von Gärten, Weinbergen und grünen Abhängen, die mit Zelten der Pilger übersät waren, erhoben sich die terrassenförmig abgestuften Hügel, die stattlichen Paläste und massiven Bollwerke der Hauptstadt Israels. Die Tochter Zion schien in ihrem Stolz zu sagen: „Ich bin eine Königin und Leid werde ich nicht sehen.“ Offenbarung 18,7. Sie war so anmutig und dachte, sich der Zustimmung des Himmels sicher wie früher, als der königliche Sänger ausrief: „Schön ragt empor der Berg Zion, daran sich freut die ganze Welt; ... die Stadt des großen Königs.“ Psalm 48,3. Unmittelbar vor ihm befanden sich die prächtigen Gebäude des Tempels. Die Strahlen der sinkenden Sonne ließen die hellen marmornen Mauern aufblitzen und leuchteten von dem goldenen Tor, dem Turm und der Zinne zurück. In vollendeter Schönheit lag Zion da, der Stolz der jüdischen Nation. Welches Kind Israels konnte dieses Bild ohne Freude und Bewunderung betrachten? Doch Jesus dachte an etwas ganz anderes. „Als er nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie.“ Lukas 19,41. DGK.13.3 Teilen

Während der allgemeinen Freude des triumphierenden Einzugs, als Palmzweige ihm entgegenwehten, fröhliche Hosiannarufe von den Hügeln widerhallten und Tausende ihn zum König ausriefen, überwältigte den Welterlöser ein plötzlicher und geheimnisvoller Schmerz. Der Sohn Gottes, der Verheißene Israels, dessen Macht den Tod besiegt und seine Gefangenen aus den Gräbern hervorgerufen hatte, weinte keine Tränen gewöhnlichen Leides, sondern Tränen eines unaussprechlichen, seelischen Schmerzes. Christus weinte nicht um seinetwillen, obwohl er genau wusste, wohin sein Weg ihn führte. Vor ihm lag nämlich Gethsemane, der Schauplatz seines bevorstehenden Leidens. Das Schaftor war auch zu sehen, durch das seit Jahrhunderten die Schlachtopfer geführt worden waren, und das sich auch vor ihm öffnen sollte, wenn er „wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt würde.“ Jesaja 53,7. Nicht weit davon lag Golgatha, die Stätte der Kreuzigung. Auf den Pfad, den Christus bald betreten würde, müssen Schatten tiefer Finsternis fallen, weil Christus sich zu einem Sühnopfer für die Sünde geben sollte. Doch es war nicht der Anblick dieser Szenen, der einen Schatten in dieser Stunde allgemeiner Fröhlichkeit auf ihn warf. Keine Ahnungen von eigener übermenschlicher Angst trübten sein selbstloses Gemüt. Er beweinte das Los Tausender in Jerusalem, die Blindheit und Unbußfertigkeit von denen, die zu segnen und zu retten er gekommen war. DGK.13.4 Teilen

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Die Geschichte der besonderen Gnade und Fürsorge Gottes, die er seit über 1000 Jahren dem auserwählten Volk gegeben hatte, lag offen vor den Blicken Jesu. Dort erhob sich der Berg Morija, auf dem der Sohn der Verheißung, ein ergebenes Opfer, auf dem Altar gebunden worden war (1.Mose 22,9) — ein Sinnbild für den Opferweg des Sohnes Gottes. Dort war der Bund des Segens, die herrliche messianische Verheißung, dem Vater der Gläubigen bestätigt worden. 1.Mose 22,16-18. Dort hatten die zum Himmel aufsteigenden Flammen des Opfers auf der Tenne Ornans das Schwert des Würgeengels abgewandt (1.Chronik 21) — ein passendes Symbol vom Opfertod des Heilands für die schuldigen Menschen. Jerusalem war von Gott vor den Erdbewohnern geehrt worden. Der Herr hatte „Zion erwählt,“ und es gefällt ihm „dort zu wohnen.“ Psalm 132,13. An diesem Ort hatten die auserwählten Propheten jahrhundertelang ihre Warnungsbotschaften verkündet. Die Priester hatten ihre Rauchnäpfe geschwungen, und der Weihrauch war mit den Gebeten der Gläubigen zu Gott aufgestiegen. Auf diesem Berg hatte man täglich das Blut der geopferten Lämmer dargebracht, die auf das Lamm Gottes hinwiesen. Dort hatte der Herr in der Wolke der Herrlichkeit über dem Gnadenstuhl seine Gegenwart offenbart. Auch hatte dort der Fuß jener geheimnisvollen Leiter gestanden, welche die Erde mit dem Himmel verband (1.Mose 28,2; Johannes 1,51) — jener Leiter, auf der die Engel Gottes auf- und niederstiegen und die der Welt den Weg in das Allerheiligste öffnete. Wäre Israel als Nation dem Himmel treu geblieben, so würde Jerusalem, die auserwählte Stadt Gottes, ewig gestanden haben. Jeremia 17,21-25. Aber die Geschichte jenes bevorzugten Volkes war ein Bericht über Untreue und Empörung. Sie widersetzten sich der himmlischen Gnade, missbrauchten ihre Vorrechte und missachteten ihre günstigen Gelegenheiten. DGK.14.1 Teilen

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Die Israeliten „verspotteten die Boten Gottes und verachteten seine Worte und verhöhnten seine Propheten“ (2.Chronik 36,15.16), und doch hatte Gott sich ihnen immer noch erwiesen als der „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue.“ 2.Mose 34,6. Ungeachtet wiederholter Zurückweisungen war ihnen immer wieder seine Gnade nachgegangen. Mit mehr als väterlicher, mitleidsvoller Liebe für das Kind seiner Fürsorge sandte Gott „ihnen seine Boten, indem er sich früh aufmachte und sie immer wieder sandte; denn er hatte Erbarmen mit seinem Volk und seiner Wohnung.“ 2.Chronik 36,15 (Schlachter 2000). Nachdem alle Ermahnungen, Bitten und Zurechtweisungen erfolglos geblieben waren, sandte er ihnen die beste Gabe des Himmels — ja, er schüttete den ganzen Himmel in dieser einen Gabe über sie aus. DGK.15.1 Teilen

Der Sohn Gottes selbst wurde gesandt, um die rebellische Stadt zur Umkehr zu bewegen. War es doch Christus, der Israel als einen guten Weinstock aus Ägypten geholt hatte. Psalm 80,9. Er selbst hatte die Heiden vor ihnen her ausgetrieben. Den Weinstock pflanzt er „auf fruchtbarem Hügel.“ In seiner Fürsorge baute er einen Zaun um ihn herum und sandte seine Knechte aus, seinen Weinstock zu pflegen. „Was wollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe?“ ruft er aus. Doch als er „wartete, dass er Trauben brächte,“ hat er „schlechte Trauben gebracht.“ Jesaja 5,1-4. Dennoch hoffte er immer noch auf Frucht, und er kam persönlich in seinen Weinberg, damit er, wenn möglich, vor dem Verderben bewahrt bliebe. Er lockerte die Erde um den Weinstock herum, und beschnitt und pflegte ihn. Unermüdlich war er darum bemüht, diesen mit eigenen Händen gepflanzten Weinstock zu retten. DGK.15.2 Teilen

Drei Jahre lang war der Herr des Lichts und der Herrlichkeit unter seinem Volk ein- und ausgegangen. Er war umhergezogen und hatte Gutes getan und alle gesundgemacht, die vom Teufel überwältigt waren. Er hatte die zerbrochenen Herzen geheilt, die Gefangenen befreit, den Blinden ihr Augenlicht gegeben. Er forderte die Lahmen auf, zu gehen und die Tauben zu hören. Er reinigte die Aussätzigen, weckte die Toten auf und verkündete den Armen das Evangelium. Apostelgeschichte 10,38; Lukas 4,18; Matthäus 11,5. Allen Menschen ohne Unterschied galt die gnädige Einladung: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Matthäus 11,28. Obwohl ihm Gutes mit Bösem und Liebe mit Hass belohnt wurde (Psalm 109,5), ließ er sich von seiner Aufgabe der Barmherzigkeit nicht abbringen. Nie waren Menschen abgewiesen worden, die seine Gnade gesucht hatten. Er selbst lebte als heimatloser Wanderer, dessen tägliches Los Schmach und Entbehrung hieß, um den Bedürftigen zu dienen, das Leid der Menschen zu lindern und sie zur Annahme der Gabe des Lebens zu bewegen. Wenn sich auch die Wogen der Gnade an widerspenstigen Herzen brachen, sie kehrten mit einer noch stärkeren Flut mitleidsvoller, unaussprechlicher Liebe zurück. Doch Israel hatte sich von seinem besten Freund und einzigen Helfer abgewandt, hatte die Mahnungen seiner Liebe verachtet, seine Ratschläge abgelehnt und seine Warnungen verlacht. DGK.15.3 Teilen

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Die Stunde der Hoffnung und Gnade ging langsam zu Ende, und die Schale des lange zurückgehaltenen Zornes Gottes war fast gefüllt. Die bedrohliche Wolke, die sich in den Jahren des Abfalls und der Empörung allmählich gebildet hatte, war soweit, sich über ein schuldiges Volk zu entladen. Der Eine, der sie nur vor dem bevorstehenden Schicksal hätte bewahren können, war verachtet, misshandelt und verworfen worden und sollte bald gekreuzigt werden. Christi Kreuzestod auf Golgatha würde Israels Zeit als eine von Gott begünstigte und gesegnete Nation beenden. Der Verlust auch nur eines Menschen ist ein Unglück, das weit schwerer wiegt als alle Vorteile und Reichtümer einer Welt. Als Christus auf Jerusalem blickte, sah er das Schicksal einer ganzen Stadt, einer ganzen Nation vor seinem inneren Auge ablaufen — jener Stadt, jener Nation, die einst die Auserwählte Gottes, sein ausschließliches Eigentum gewesen war. DGK.16.1 Teilen

Propheten hatten über den Abfall der Kinder Israel geweint und über die schrecklichen Verwüstungen, die ihre Sünden verursachten. Jeremia wünschte sich, dass seine Augen Tränenquellen wären, um Tag und Nacht die Erschlagenen der Tochter seines Volkes und des Herrn Herde, die gefangen genommen worden war, beweinen zu können. Jeremia 8,23; 13,17. Welchen Schmerz muss da Christus empfunden haben, dessen prophetischer Blick nicht Jahre, sondern ganze Zeitalter umfasste! Er sah den Würgeengel mit erhobenem Schwert gegen die Stadt gerichtet, welche so lange die Wohnstätte des Höchsten gewesen war. Von der Spitze des Ölberges — derselben Stelle, die später von Titus und seinem Heer besetzt wurde, schaute er über das Tal auf die heiligen Höfe und Säulenhallen, und vor seinen tränenbenetzten Augen tauchte eine schreckliche Vision auf: Die Stadtmauern waren von einem feindlichen Heer umzingelt. Er hörte das Stampfen der sich versammelten Heere, vernahm die Stimmen der nach Brot schreienden Mütter und Kinder in der belagerten Stadt. Er sah den heiligen prächtigen Tempel, sowie Paläste und Türme in Flammen stehen. Und dort, wo diese Bauwerke einst standen, sah er nur einen rauchenden Trümmerhaufen. Die Zeitalter überblickend, sah er das Bundesvolk in alle Länder zerstreut, wie Schiffbrüchige an einem öden Strand. In der irdischen Vergeltung, die sich bereits anbahnte, um seine Kinder heimzusuchen, sah er die ersten Tropfen aus jener Zornesschale, die sie beim Gericht dann ganz leeren müssen. Sein göttliches Erbarmen und seine Liebe voller Mitleid drückte er aus in den klagenden Worten: „Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!“ Matthäus 23,37. O hättest du als Volk, das vor allen andern bevorzugt wurde, die Zeit deiner Heimsuchung erkannt und was zu deinem Frieden diente! Ich habe den Engel des Gerichts aufgehalten, ich habe dich zur Buße gerufen — aber umsonst. Nicht nur Knechte, Boten und Propheten hast du abgewiesen, auch den Heiligen Israels — deinen Erlöser — hast du verworfen. Wenn du vernichtet wirst, so bist du allein dafür verantwortlich. „Ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben hättet.“ Johannes 5,40. DGK.16.2 Teilen

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Christus sah Jerusalem als ein Sinnbild für die in Unglauben und Empörung verhärtete Welt, die dem vergeltenden Gericht Gottes entgegen eilt. Die Leiden eines gefallenen Menschengeschlechtes lasteten auf ihm, und es kam ein bitterer Aufschrei über seine Lippen. Er sah im menschlichen Elend, in Tränen und Blut die Spuren der Sünde. Sein Herz wurde von unendlichem Mitleid mit den Bedrängten und Leidenden auf dieser Erde bewegt. Er sehnte sich danach, ihnen allen Erleichterung zu verschaffen. Aber selbst er konnte nicht die Flut menschlichen Elends abwenden, denn nur wenige würden sich an ihre einzige Hilfsquelle wenden. Er war bereit, in den Tod zu gehen, um ihnen Erlösung zu ermöglichen, aber nur wenige würden zu ihm kommen, um das Leben zu wählen. DGK.17.1 Teilen

Die Majestät des Himmels in Tränen! Der Sohn des ewigen Gottes niedergebeugt von Seelenangst! Dieser Anblick setzte den ganzen Himmel in Erstaunen. Diese Szene offenbart uns die überaus große Sündhaftigkeit der Sünde. Sie zeigt, welch schwere Aufgabe es selbst für die göttliche Allmacht ist, die Schuldigen von den Folgen der Gesetzesübertretung zu retten. Auf die letzte menschliche Generation blickend, sah Jesus die Welt von einer Täuschung befallen, ähnlich der, die zur Zerstörung Jerusalems führen sollte. Die große Sünde der Juden war die Verwerfung Christi — das große Vergehen der christlichen Welt wäre die Verwerfung des Gesetzes Gottes, der Grundlage seiner Regierung im Himmel und auf Erden. Die Gebote des Herrn würden verachtet und verworfen werden. Millionen Menschen in den Schlingen der Sünde und als Sklaven Satans verurteilt, um den ewigen Tod zu erleiden. Sie würden sich in den Tagen ihrer Prüfung weigern, auf die Worte der Wahrheit zu hören. Schreckliche Blindheit; seltsame Verblendung! Als Christus zwei Tage vor dem Passahfest zum letzten Mal den Tempel verließ, wo er die Scheinheiligkeit der jüdischen Obersten aufgedeckt hatte, ging er mit seinen Jüngern zum Ölberg. Er setzte sich mit ihnen auf einen grasbewachsenen Abhang, von dem man die Stadt gut überblicken konnte. Noch einmal schaute er auf ihre Mauern, Türme und Paläste; noch einmal betrachtete er den Tempel in seiner blendenden Pracht — dieses Diadem der Schönheit, das den heiligen Berg krönte. DGK.17.2 Teilen

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1000 Jahre zuvor war die Güte Gottes gegenüber Israel von dem Psalmisten gepriesen worden, weil er ihr heiliges Haus zu seiner Wohnstätte gemacht hatte: „So entstand in Salem sein Zelt und seine Wohnung in Zion.“ Er „erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, den er lieb hat. Er baute sein Heiligtum wie Himmelshöhen, wie die Erde, die er gegründet hat für immer.“ Psalm 76,3; 78,68.69. Der erste Tempel war in der Glanzzeit Israels errichtet worden. Große Vorräte an Schätzen hatte einst König David zu diesem Zweck gesammelt. Die Baupläne waren durch göttliche Eingebung entworfen worden. (1.Chronik 28,12.19) Salomo, der weiseste Herrscher Israels, hatte das Werk vollendet. Dieser Tempel war das herrlichste Gebäude, das die Welt je gesehen hatte, doch der Herr erklärte durch den Propheten Haggai über den zweiten Tempel: „Es soll die Herrlichkeit dieses neuen Hauses größer werden, als die des ersten gewesen ist.“ „Ja, alle Heiden will ich erschüttern. Da sollen dann kommen aller Völker Kostbarkeiten, und ich will dies Haus voll Herrlichkeit machen, spricht der Herr Zebaoth.“ Haggai 2,9.7. DGK.18.1 Teilen

Nach der Zerstörung des Tempels durch Nebukadnezar wurde er ungefähr 500 Jahre vor Christi Geburt von einem Volk wieder erbaut, das aus einer lebenslänglichen Gefangenschaft in ein verwüstetes und nahezu verlassenes Land zurückgekehrt war. [Einweihung des Tempels 516 v. Chr.] Darunter befanden sich alte Männer, die die Herrlichkeit des salomonischen Tempels noch gesehen hatten und nun bei der Grundsteinlegung des neuen Gebäudes weinten, weil es gegenüber dem ersten nicht mithalten konnte. Die damals herrschende Stimmung wird von dem Propheten eindrucksvoll beschrieben: „Wer ist unter euch noch übrig, der dies Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr‘s nun? Sieht es nicht wie nichts aus?“ Haggai 2,3; Esra 3,12. Dann wurde die Verheißung gegeben, dass die Herrlichkeit dieses letzten Hauses größer sein sollte als die des vorigen. DGK.18.2 Teilen

Der zweite Tempel erreichte jedoch weder die Pracht des ersten, noch wurde er durch sichtbare Zeichen der göttlichen Gegenwart geheiligt, wie es beim ersten Tempel war. Keine übernatürliche Macht offenbarte sich bei seiner Einweihung. Die Wolke der Herrlichkeit erfüllte nicht das neu errichtete Heiligtum. Kein Feuer fiel vom Himmel herab, um das Opfer auf dem Altar zu verzehren. Die Herrlichkeit Gottes thronte nicht mehr zwischen den Cherubim im Allerheiligsten und die Bundeslade, der Gnadenstuhl und die Gesetzestafeln wurden nicht darin gefunden. Keine Stimme sprach vom Himmel, um dem fragenden Priester den Willen des Höchsten mitzuteilen. DGK.18.3 Teilen

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Jahrhundertelang versuchten die Juden vergeblich zu zeigen, in welcher Form jene durch Haggai ausgesprochene Verheißung Gottes erfüllt worden war. Stolz und Unglauben verblendeten jedoch ihren Geist, sodass sie die wahre Bedeutung der Worte des Propheten nicht verstehen konnten. Der zweite Tempel wurde nicht durch die Wolke der Herrlichkeit des Herrn geehrt, sondern durch die lebendige Gegenwart des Einen, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnte — der selbst Gott war, offenbart im Fleisch. Kolosser 2,9. Als der Mann von Nazareth in den heiligen Vorhöfen lehrte und heilte, war er tatsächlich als „aller Völker Kostbarkeiten“ (Haggai 2,7) zu seinem Tempel gekommen. Durch die Gegenwart Christi, und nur dadurch, übertraf der zweite Tempel die Herrlichkeit des ersten. Aber Israel stieß die angebotene Gabe des Himmels von sich. Mit dem demütigen Lehrer, der an jenem Tag durch das goldene Tor hinaus ging, wich die Herrlichkeit für immer vom Tempel, und damit waren die Worte des Heilandes schon erfüllt: „Siehe euer Haus soll euch wüst gelassen werden.“ Matthäus 23,38. DGK.19.1 Teilen

Die Jünger waren bei Jesu Prophezeiung von der Zerstörung des Tempels mit Ehrfurcht und Staunen erfüllt worden. So wünschten sie, dass er ihnen die Bedeutung seiner Worte erläuterte. Reichtum, Arbeit und Baukunst waren über 40 Jahre lang in großzügiger Weise zur Verherrlichung des Tempels eingesetzt worden. Herodes der Große hatte sowohl römischen Reichtum als auch jüdische Schätze hierfür aufgewandt, und sogar der römische Kaiser hatte ihn mit seinen Geschenken bereichert. Massive Blöcke weißen Marmors von besonderer Größe, die zu diesem Zweck aus Rom herbeigeschafft wurden, bildeten einen Teil seines Baues, und darauf lenkten die Jünger die Aufmerksamkeit ihres Meisters, als sie sagten: „Meister, siehe, was für Steine und was für Bauten!“ Markus 13,1. DGK.19.2 Teilen

Auf diese Worte gab Jesus die erste und bestürzende Antwort: „Wahrlich ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde.“ Matthäus 24,2. Die Jünger verbanden mit der Zerstörung Jerusalems die Ereignisse der persönlichen Wiederkunft Christi in zeitlicher Herrlichkeit, um den Thron des Weltreiches einzunehmen, die unbußfertigen Juden zu bestrafen und das römische Joch zu zerbrechen. Der Herr hatte ihnen gesagt, dass er wiederkommen werde, deshalb richteten sich ihre Gedanken bei der Erwähnung der göttlichen Strafgerichte über Jerusalem auf diese Wiederkunft. Und als sie auf dem Ölberg um den Heiland versammelt waren, fragten sie ihn: „Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt?“ Matthäus 24,3. DGK.19.3 Teilen

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Die Zukunft war den Jüngern barmherzigerweise verhüllt. Hätten sie zu jener Zeit die zwei furchtbaren Tatsachen — das Leiden des Heilands und sein Tod, sowie die Zerstörung ihrer Stadt und des Tempels — völlig verstanden, so wären sie von Furcht überwältigt worden. Christus gab ihnen einen Umriss der wichtigsten Ereignisse, die vor dem Ende der Zeit eintreten sollen. Seine Worte wurden damals nicht völlig verstanden, aber ihr Sinn sollte enthüllt werden, sobald sein Volk die darin enthaltene Belehrung brauchte. Die von ihm ausgesprochene Prophezeiung galt für ein zweifaches Geschehen: Sie bezog sich auf die Zerstörung Jerusalems, und zugleich schilderte sie die Schrecken des Jüngsten Tages. DGK.20.1 Teilen

Jesus erzählte den lauschenden Jüngern von Strafgerichten, die über das gefallene Israel hereinbrechen würden. Er sprach besonders von einer Vergeltung, die Israel treffen würde wegen der Verwerfung und Kreuzigung des Messias. Untrügliche Zeichen würden dem furchtbaren Ende vorausgehen. Die gefürchtete Stunde würde schnell und unerwartet hereinbrechen. Der Heiland warnte seine Nachfolger: „Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch den Propheten Daniel geredet wurde, an heiliger Stätte stehen seht (Daniel 9,27; 11,31) wer es liest, der achte darauf! — dann fliehe auf die Berge, wer in Judäa ist.“ Matthäus 24,15.16; Lukas 21,20 (Schlachter 2000). Wenn die Römer ihre Banner mit den heidnischen Symbolen auf den heiligen Boden aufgepflanzt hätten, der sich auch auf einige hundert Meter Land außerhalb der Stadtmauern erstreckte, dann sollten sich die Nachfolger Christi durch Flucht retten. Sobald dieses Warnzeichen sichtbar würde, sollten alle, die fliehen wollten, nicht zögern. Im ganzen Land Judäa, wie in Jerusalem selbst müsste man auf das Zeichen der Flucht sofort reagieren. Wer gerade auf dem Dach wäre, dürfte nicht ins Haus gehen, selbst nicht um seine wertvollsten Schätze zu retten. Wer auf dem Feld oder im Weinberg arbeitete, sollte sich nicht die Zeit nehmen, wegen des Oberkleides zurückzukehren, das er wegen der Hitze des Tages abgelegt hatte. Sie dürften keinen Augenblick zögern, wenn sie nicht in der allgemeinen Zerstörung umkommen wollten. DGK.20.2 Teilen

Während der Regierungszeit des Herodes war Jerusalem nicht nur bedeutend verschönert worden, sondern durch die Errichtung von Türmen, Mauern und Festungsanlagen war die schon bereits geschützte Stadt, wie es schien, uneinnehmbar geworden. Wer zu dieser Zeit öffentlich ihre Zerstörung vorhergesagt hätte, wäre wie einst Noah ein verrückter Unruhestifter genannt worden. Christus hatte jedoch gesagt: „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen.“ Matthäus 24,35. Wegen der Sünden Israels war Jerusalem Gottes Zorn angekündigt worden, und ihr hartnäckiger Unglaube besiegelte ihr Schicksal. DGK.20.3 Teilen

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Der Herr hatte durch den Propheten Micha erklärt: „Hört doch dies, ihr Häupter des Hauses Jakob und ihr Fürsten des Hauses Israel, die ihr das Recht verabscheut und jede gerechte Sache verkehrt; die ihr Zion mit Blutschuld baut und Jerusalem mit Frevel! Seine Häupter sprechen Recht um Geschenke und seine Priester lehren um Lohn und seine Propheten wahrsagen um Geld; und dabei stützen sie sich auf den HERRN und sagen: ‚Ist nicht der HERR in unserer Mitte? Es kann uns kein Unheil begegnen!‘“ Micha 3,9-11 (Schlachter 2000). DGK.21.1 Teilen

Diese Worte schildern genau die verdorbenen und selbstgerechten Einwohner Jerusalems. Während sie behaupteten, die Vorschriften des Gesetzes Gottes streng zu beachten, übertraten sie alle seine Grundsätze. Sie hassten Christus, weil seine Reinheit und Heiligkeit ihre Bosheit offenbarte. Sie klagten ihn an, die Ursache all des Unglücks zu sein, das sie infolge ihrer Sünden bedrängte. Obwohl sie wussten, dass er sündlos war, erklärten sie für die Sicherheit ihrer Nation seinen Tod als notwendig. „Lassen wir ihn so“, sagten die jüdischen Obersten, „dann werden sie alle an ihn glauben, und dann kommen die Römer und nehmen uns Land und Leute.“ Wenn Christus geopfert würde, könnten sie noch einmal ein starkes, einiges Volk werden, so urteilten sie und stimmten der Entscheidung ihres Hohepriesters zu, dass es besser sei, „ein Mensch sterbe ... als dass das ganze Volk verderbe.“ Johannes 11,48.50. DGK.21.2 Teilen

Auf diese Weise hatten die führenden Juden „Zion mit Blut ... und Jerusalem mit Unrecht“ gebaut, und während sie ihren Heiland töteten, weil er ihre Sünden getadelt hatte, war ihre Selbstgerechtigkeit so groß, dass sie sich als das begnadete Volk Gottes betrachteten und vom Herrn erwarteten, er werde sie von ihren Feinden befreien. „Darum,“ fuhr der Prophet fort, „wird Zion um euretwillen wie ein Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird zum Steinhaufen werden und der Berg des Tempels zu einer Höhe wilden Gestrüpps.“ Micha 3,10.12. Nachdem das Schicksal Jerusalems von Christus selbst verkündet worden war, hielt der Herr seine Strafgerichte über Stadt und Volk noch fast 40 Jahre zurück. Bewundernswert war die Langmut Gottes gegen jene, die das Evangelium verworfen und seinen Sohn ermordet hatten. Das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum zeigt uns das Verhalten Gottes gegenüber dem jüdischen Volk. Der Auftrag wurde gegeben: „So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft?“ Lukas 13,7. Gott verschonte das Volk in seiner Güte noch eine letzte Zeitspanne lang. Es gab viele Juden, denen der Charakter und das Werk Christi noch unbekannt waren. Ihre Kinder hatten nicht diese Gelegenheiten gehabt und nicht das Licht empfangen, welches ihre Eltern von sich gestoßen haben. Durch die Predigt der Apostel und ihrer Mitgläubigen wollte Gott auch ihnen das Licht scheinen lassen. Sie durften erkennen, wie die Prophezeiungen nicht nur durch die Geburt und das Leben Jesu, sondern auch durch seinen Tod und seine Auferstehung erfüllt worden waren. Die Kinder wurden zwar nicht wegen der Sünden ihrer Eltern verurteilt, wenn sie aber trotz der ihren Eltern gegebenen Erkenntnis das neue Licht verwarfen, das ihnen selbst gegeben wurde, würden sie Teilhaber der Sünden ihrer Eltern und füllten das Maß ihrer Missetat. DGK.21.3 Teilen

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Gottes Langmut gegen Jerusalem bestärkte die Juden nur in ihrer hartnäckigen Unbußfertigkeit. In ihrem Hass und ihrer Grausamkeit gegen die Jünger Jesu verwarfen sie das letzte Gnadenangebot. Daraufhin entzog Gott ihnen seinen Schutz: Er beschränkte die Macht Satans und seiner Engel nicht länger. So wurde die jüdische Nation der Herrschaft des Führers überlassen, den sie sich erwählt hatte. Ihre Kinder verachteten die Gnade Christi, die sie befähigt hätte, ihre bösen Neigungen zu unterdrücken; diese bekamen nun die Oberhand. Satan weckte die heftigsten und niedrigsten Leidenschaften der Seele. Die Menschen handelten ohne Überlegung. Sie waren von Sinnen, nur noch erfüllt von Begierde und blinder Wut und wurden satanisch in ihrer Grausamkeit. In der Familie sowie im Volk, unter den höchsten wie unter den niedrigsten der Gesellschaft gab es Misstrauen, Neid, Hass, Streit, Empörung und Mord. Nirgends war man sicher. Freunde und Verwandte verrieten sich gegenseitig. Eltern erschlugen ihre Kinder und Kinder ihre Eltern. Die Führer des Volkes hatten nicht die Kraft, sich selbst zu beherrschen. Ungezügelte Leidenschaften machten sie zu Tyrannen. Die Juden hatten ein falsches Zeugnis angenommen, um den unschuldigen Sohn Gottes zu verurteilen. Jetzt machten falsche Anklagen ihr eigenes Leben unsicher. Durch ihr Verhalten hatten sie lange genug zu erkennen gegeben: „Lasst uns doch in Ruhe mit dem Heiligen Israels!“ Jesaja 30,11. Nun war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. Gottesfurcht beunruhigte sie nicht länger. Satan stand an der Spitze der Nation, und er beherrschte die höchsten zivilen und religiösen Obrigkeiten. DGK.22.1 Teilen

Die Leiter von gegeneinander stehenden Parteien vereinten sich zeitweise, um ihre unglücklichen Opfer zu plündern und zu martern. Dann fielen sie übereinander her und töteten ohne Gnade. Selbst die Heiligkeit des Tempels konnte ihre schreckliche Grausamkeit nicht bändigen. Anbetende wurden vor dem Altar niedergemetzelt und das Heiligtum durch die Leichname der Erschlagenen verunreinigt. Trotzdem erklärten die Anstifter dieses höllischen Werkes in ihrer blinden und gotteslästerlichen Vermessenheit öffentlich, dass sie nicht befürchteten, Jerusalem könnte zerstört werden, denn es sei Gottes eigene Stadt. Um ihre Macht zu festigen, bestachen sie falsche Propheten, die verkünden mussten, dass das Volk auf die DGK.22.2 Teilen

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Befreiung durch Gott hoffen soll, selbst als die römischen Legionen bereits den Tempel belagerten. Bis zum Ende klammerte die Menge sich daran, dass der Allerhöchste sich für die Vernichtung der Gegner einsetzen werde. Israel aber hatte die göttliche Hilfe abgelehnt und war nun den Feinden schutzlos ausgeliefert. Unglückliches Jerusalem! Durch innere Zwistigkeiten zerrissen, die Straßen blutgefärbt von den Söhnen, die sich gegenseitig umbrachten, während fremde Heere seine Festungen niederrissen und seine Krieger erschlugen — so erfüllten sich buchstäblich alle Weissagungen Christi über die Zerstörung Jerusalems. Das jüdische Volk musste die Wahrheit der Warnungsbotschaften Christi am eigenen Leib erfahren: „Mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.“ Matthäus 7,2. DGK.23.1 Teilen

Als Vorboten des Unglücks und Untergangs erschienen Zeichen und Wunder. Ein Komet, einem flammenden Schwert gleich, hing ein Jahr lang über der Stadt. Mitten in der Nacht schwebte ein unnatürliches Licht über Tempel und Altar. Auf den Wolken erschienen Bilder von Kriegern und Streitwagen, die sich zum Kampf sammelten. Die nachts im Heiligtum dienenden Priester wurden durch geheimnisvolle Töne erschreckt. Die Erde erbebte, und einen Chor von Stimmen hörte man sagen: „Lasst uns weggehen!“ Das große östliche Tor, das so schwer war, dass es von 20 Männern nur mit Mühe geschlossen werden konnte und dessen ungeheure eiserne Riegel tief in der Steinschwelle befestigt waren, tat sich um Mitternacht von selbst auf. Josephus, Vom Jüdischen Kriege, IV, 5; Milmann, Geschichte der Juden, 13. Buch DGK.23.2 Teilen

Sieben Jahre lang ging ein Mann durch die Straßen Jerusalems und verkündete den drohenden Untergang der Stadt. Tag und Nacht sang er das wilde Trauerlied: „Eine Stimme aus dem Osten! Eine Stimme aus dem Westen! Eine Stimme aus den vier Winden! Eine Stimme wider Jerusalem und wider den Tempel! Eine Stimme wider jeden Bräutigam und jede Braut! Eine Stimme gegen das ganze Volk!“ Milmann, Geschichte der Juden, 13. Buch Dieses seltsame Wesen wurde eingekerkert und gegeißelt, jedoch kam keine Klage über seine Lippen. Auf Schmähungen und Misshandlungen antwortete er nur: „Wehe, wehe aller, die in dir wohnen!“ Dieser Warnruf hörte nicht auf, bis der Mann bei der Belagerung getötet wurde, die er vorhergesagt hatte. Josephus, „Geschichte des Jüdischen Krieges“, VI, Kapitel 5 DGK.23.3 Teilen

Nicht ein Christ kam bei der Zerstörung Jerusalems ums Leben. Christus hatte seine Jünger gewarnt, und alle, die seinen Worten glaubten, warteten auf das verheißene Zeichen. „Wenn ihr aber Jerusalem von Kriegsheeren belagert seht,“ sagte Jesus, „dann erkennt, dass seine Verwüstung nahe ist. Dann fliehe auf die Berge, wer in Judäa ist, und wer in Jerusalem ist, der ziehe fort aus ihr.“ Lukas 21,20.21 (Schlachter 2000). Nachdem die Römer unter Cestius die Stadt eingeschlossen hatten, verschoben sie unerwartet die Belagerung, gerade zu einer Zeit, als alles für den Erfolg eines sofortigen Angriffs sprach. Die Belagerten, die daran zweifelten, erfolgreich Widerstand leisten zu können, wollten sich gerade ergeben, als der römische Feldherr ohne ersichtlichen Grund plötzlich seine Streitkraft zurückzog. Gottes gnädige Vorsehung gestaltete die Ereignisse zum Besten seines Volkes. Das war das verheißene Zeichen für die wartenden Christen. Nun hatten alle die wollten die Möglichkeit, der Warnung des Heilands nachzukommen. So konnten nach Gottes Willen weder Juden noch Römer die Flucht der Christen verhindern. Nach dem Rückzug des Cestius jagten die Juden aus Jerusalem dem zurückziehenden Heer nach. Und während die Streitkräfte auf beiden Seiten nun völlig beschäftigt waren, verließen die Christen die Stadt. DGK.23.4 Teilen

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Um diese Zeit war auch das Land von Feinden frei, die hätten versuchen können, sie aufzuhalten. Zur Zeit der Belagerung waren die Juden in Jerusalem versammelt, um das Laubhüttenfest zu feiern, und dadurch hatten die Christen im ganzen Land die Möglichkeit, sich unbehelligt in Sicherheit zu bringen. Ohne zu zögern flohen sie an einen sicheren Ort — zur Stadt Pella im Lande Peräa, jenseits des Jordans. Die jüdischen Streitmächte, die Cestius und sein Heer verfolgten, warfen sich mit solcher Wut auf dessen Nachhut, dass ihr vollständige Vernichtung drohte. Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es den Römern, sich zurückzuziehen. Die Juden blieben nahezu ohne Verluste und kehrten mit ihrer Beute triumphierend nach Jerusalem zurück. Doch dieser scheinbare Erfolg brachte ihnen nur Unheil. Sie waren von einem außerordentlich hartnäckigen Widerstandsgeist gegen die Römer erfüllt, wodurch sehr schnell unaussprechliches Leid über die verurteilte Stadt hereinbrach. DGK.24.1 Teilen

Schrecklich war das Unglück, das über Jerusalem kam, als die Belagerung von Titus wieder aufgenommen wurde. Die Stadt wurde zurzeit des Passahfestes umlagert, als Millionen Juden sich innerhalb ihrer Mauern befanden. Die Lebensmittelvorräte, die, sorgfältig aufbewahrt, jahrelang für die Bewohner ausgereicht hätten, waren aber schon durch Neid und Rache der streitenden Parteien zerstört worden, und jetzt erlitten sie alle die Schrecken einer Hungersnot. Ein Maß Weizen wurde für ein Talent [1000 Silbergroschen (Tageslöhne)] verkauft. Die Hungerqualen waren so schrecklich, dass manche am Leder ihrer Gürtel, an ihren Sandalen und an den Bezügen ihrer Schilde nagten. Viele Bewohner schlichen nachts aus der Stadt, um wilde Kräuter zu sammeln, die außerhalb der Stadtmauern wuchsen, obwohl etliche ergriffen und unter grausamen Martern getötet wurden, während man anderen, die wohlbehalten zurückgekehrt waren, die Kräuter wegnahm, die sie unter so großen Gefahren gesammelt hatten Die unmenschlichsten Qualen wurden von den Machthabern auferlegt, um den vom Mangel Bedrückten die letzten spärlichen Vorräte abzuzwingen, die sie möglicherweise versteckt hatten. Nicht selten begingen diese Grausamkeiten Menschen, die eigentlich nicht hungern mussten, sondern nur danach trachteten, Lebensmittelvorräte für die Zukunft zu horten. DGK.24.2 Teilen

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Tausende starben an Hunger und Seuchen. Die natürliche Bande der Liebe schien zerstört zu sein. Der Mann beraubte seine Frau und die Frau ihren Mann. Man sah Kinder, die den greisen Eltern das Brot vom Mund wegrissen. Der Frage des Propheten: „Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen?“ Jesaja 49,15. wurde innerhalb der Mauern jener verurteilten Stadt die Antwort gegeben: „Es haben die barmherzigsten Frauen ihre Kinder selbst kochen müssen, damit sie zu essen hatten in dem Jammer der Tochter meines Volks.“ Klagelieder 4,10. Wiederholt erfüllte sich die warnende Weissagung, die 14 Jahrhunderte zuvor gegeben worden war: „Eine Frau unter euch, die zuvor so verwöhnt und in Üppigkeit gelebt hat, dass sie nicht einmal versucht hat, ihre Fußsohle auf die Erde zu setzen vor Verwöhnung und Wohlleben, die wird dem Mann in ihren Armen und ihrem Sohn und ihrer Tochter nicht gönnen die Nachgeburt, ... dazu ihr Kind, das sie geboren hat; denn sie wird beides vor Mangel an allem heimlich essen in der Angst und Not, mit der dich dein Feind bedrängen wird in deinen Städten.“ 5.Mose 28,56.57. DGK.25.1 Teilen

Die römischen Anführer versuchten, die Juden mit Schrecken zu erfüllen und dadurch zur Übergabe zu bewegen. Israeliten, die sich ihrer Gefangennahme widersetzten, wurden gegeißelt, gefoltert und vor der Stadtmauer gekreuzigt. Hunderte starben täglich auf diese Weise, und dieses grauenvolle Werk setzte man so lange fort, bis im Tal Josaphat und auf Golgatha so viele Kreuze aufgerichtet waren, dass kaum Platz war, um dazwischen hindurchzugehen. Schrecklich erfüllte sich die frevelhafte, vor dem Richterstuhl des Pilatus ausgesprochene Verwünschung: „Sein Blut komme über uns und über unsre Kinder!“ Matthäus 27,25. DGK.25.2 Teilen

Titus hätte der Schreckensszene gern ein Ende bereitet und damit der Stadt Jerusalem das volle Maß ihres Gerichtes erspart. Entsetzen packte ihn, als er die Leichname der Erschlagenen haufenweise in den Tälern liegen sah. Wie überwältigt schaute er vom Gipfel des Ölbergs auf den herrlichen Tempel und gab Befehl, nicht einen Stein davon zu berühren. Ehe er anfing, dieses Bauwerk einzunehmen, beschwor er die jüdischen Führer in einem ernsten Aufruf, ihn nicht zu zwingen die heilige Stätte mit Blut zu entweihen. Wenn sie herauskommen und an irgendeinem andern Ort kämpfen wollten, so sollte kein Römer die Heiligkeit des Tempels verletzen. Josephus forderte sie sogar mit höchst beredten Worten auf, den Widerstand einzustellen und sich selbst, ihre Stadt und die Stätte der Anbetung zu retten. Aber seine Worte wurden mit bitteren Verwünschungen beantwortet. Wurfspieße schleuderte man nach ihm, ihrem letzten menschlichen Vermittler, als er vor ihnen stand, um mit ihnen zu verhandeln. Die Juden hatten die Bitten des Sohnes Gottes verworfen, und nun machten die ernsten Vorschläge und flehentlichen Bitten sie nur um so entschiedener, bis zuletzt Widerstand zu leisten. Die Bemühungen des Titus, den Tempel zu retten, waren vergeblich. Ein Größerer als er hatte erklärt, dass nicht ein Stein auf dem andern bleiben sollte. DGK.25.3 Teilen

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Die blinde Hartnäckigkeit der führenden Juden und die verabscheuungswürdigen Verbrechen, die in der belagerten Stadt verübt wurden, erweckten bei den Römern Entsetzen und Entrüstung, und endlich beschloss Titus, den Tempel im Sturm zu nehmen, ihn aber, wenn möglich, vor der Zerstörung zu bewahren. Seine Befehle wurden jedoch missachtet. Als er sich abends in sein Zelt zurückgezogen hatte, unternahmen die Juden einen Ausfall aus dem Tempel und griffen die Soldaten draußen an. Im Handgemenge wurde von einem Soldaten eine Brandfackel durch die Öffnung der Halle geschleudert, und unmittelbar darauf standen die mit Zedernholz getäfelten Räume des heiligen Gebäudes in Flammen. Titus eilte mit seinen Obersten und Legionären herbei und befahl den Soldaten, die Flammen zu löschen. Seine Worte blieben unbeachtet. In ihrer Wut schleuderten die Legionäre Feuerbrände in die dem Tempel angrenzenden Gemächer und metzelten viele, die dort Zuflucht gesucht hatten, mit dem Schwert nieder. Das Blut floss wie Wasser die Tempelstufen hinunter. Tausende und Abertausende von Juden kamen um. Das Schlachtgetöse wurde übertönt von dem Ruf: „Ikabod!“, das heißt: Die Herrlichkeit ist dahin. DGK.26.1 Teilen

„Titus war es nicht möglich, die Wut der Soldaten zu bremsen; er trat mit seinen Offizieren ein und besichtigte das Innere des heiligen Gebäudes. Der Glanz erregte ihre Bewunderung, und da die Flammen noch nicht bis zum Heiligtum vorgedrungen waren, unternahm er einen letzten Versuch, es zu retten. Er rannte hin und forderte die Mannschaften auf, das Umsichgreifen der Feuersbrunst zu verhindern. Der Hauptmann Liberalis versuchte mit seinem Befehlsstab Gehorsam zu erzwingen; doch selbst die Achtung vor ihrem Feldherrn ging vor der rasenden Feindseligkeit gegen die Juden unter, wegen dem Tumult des Kampfes und der unersättlichen Beutegier. Die Soldaten sahen alles um sich herum von Gold blitzen, das in dem wilden Lodern der Flammen blendend glänzte; sie glaubten es seien unermessliche Schätze im Heiligtum aufbewahrt. Unbemerkt warf ein Soldat eine brennende Fackel zwischen die Angeln der Tür, und im Nu stand das ganze Gebäude in Flammen. Die dichten Rauchschwaden und das Feuer zwangen die Offiziere, sich zurückzuziehen und das herrliche Gebäude seinem Schicksal zu überlassen. War es schon für die Römer ein furchtbares Schauspiel, wie mögen es erst die Juden empfunden haben! Die ganze Höhe, die die Stadt weit überragte, erschien wie ein feuerspeiender Berg. Ein Gebäude nach dem andern stürzte mit furchtbarem Krachen zusammen und wurde von dem feurigen Abgrund verschlungen. Die Dächer aus Zedernholz glichen einem Feuermeer, die vergoldeten Zinnen glänzten wie flammende Feuerzungen, aus den Türmen der Tore schossen Flammengarben und Rauchsäulen empor. Die benachbarten Hügel waren erleuchtet; gespenstisch wirkende Zuschauergruppen verfolgten in fürchterlicher Angst die fortschreitende Zerstörung; auf den Mauern und Höhen der oberen Stadt drängten sich Menschen. Manche waren bleich vor Angst und Verzweiflung, andere blickten düster, in ohnmächtiger Rache. Die Rufe der hin und her eilenden römischen Soldaten, das Heulen der Aufständischen, die in den Flammen umkamen, vermischten sich mit dem Brüllen der Feuersbrunst und dem donnernden Krachen des einstürzenden Gebälks. Das Echo kam von den Bergen zurück und ließ die Schreckensrufe des Volkes auf den Höhen widerhallen; entlang der Wälle erscholl Angstgeschrei und Wehklagen; Menschen, die von der Hungersnot erschöpft im Sterben lagen, rafften alle Kraft zusammen, um einen letzten Schrei der Angst und der Verlassenheit auszustoßen. Das Blutbad im Innern war noch schrecklicher als der Anblick von außen. Männer und Frauen, Alt und Jung, Aufrührer und Priester, Kämpfende und um Gnade Flehende wurden ohne Unterschied niedergemetzelt. Die Anzahl der Erschlagenen überstieg die der Totschläger. Die Legionäre mussten über Berge von Toten hinwegsteigen, um ihr Gemetzel fortsetzen zu können.“ Josephus, „Geschichte des Jüdischen Krieges“, VI, Kapitel 5; Milman, „History of the Jews“, 13.Buch DGK.26.2 Teilen

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Nach der Zerstörung des Tempels fiel bald die ganze Stadt in die Hände der Römer. Die Obersten der Juden gaben ihre uneinnehmbar scheinenden Türme auf, und Titus fand sie alle verlassen. Staunend blickte er auf sie und erklärte, dass Gott sie in seine Hände gegeben habe, denn keine Kriegsmaschine, wie gewaltig sie auch sein mochte, hätte jene gewaltigen Festungsmauern bezwingen können. Sowohl die Stadt als auch der Tempel wurden bis auf die Grundmauern geschleift, und der Boden, auf dem der Tempel gestanden hatte, wurde „wie ein Acker gepflügt.“ Jeremia 6,18. Während der Belagerung und bei dem darauffolgenden Gemetzel kamen über eine Million Menschen ums Leben. Die Überlebenden wurden in die Gefangenschaft geführt, als Sklaven verkauft, nach Rom geschleppt, um den Triumph des Eroberers zu zieren. Sie wurden in den Amphitheatern wilden Tieren vorgeworfen oder als heimatlose Wanderer über die ganze Erde zerstreut. Die Juden hatten sich selbst die Fesseln geschmiedet, sich selbst den Becher der Rache gefüllt. In der vollständigen Vernichtung, die ihnen als Nation widerfuhr, und in all dem Weh, das ihnen in ihrer Zerstreuung nachfolgte, ernteten sie nur, was sie mit eigenen Händen gesät hatten. Ein Prophet schrieb einst: „Israel, du bringst dich ins Unglück! ... denn du bist gefallen um deiner Missetat willen.“ Hosea 13,9; 14,2. Ihre Leiden werden oft als eine Strafe hingestellt, mit der sie auf direkten Befehl Gottes heimgesucht wurden. Auf diese Weise versucht der große Betrüger sein eigenes Tun zu verbergen. Durch eigensinnige Verwerfung der göttlichen Liebe und Gnade hatten die Juden den Schutz Gottes verwirkt, so dass Satan sie nach seinem Willen beherrschen konnte. Die schrecklichen Grausamkeiten, die bei der Zerstörung Jerusalems verübt worden waren, kennzeichnen Satans rachsüchtige Macht über jene, die sich seiner verderbenbringenden Herrschaft unterstellen. DGK.27.1 Teilen

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Wir können nicht ermessen, wie viel wir Christus für den Frieden und Schutz schuldig sind, deren wir uns erfreuen. Es ist die zurückhaltende Kraft Gottes, die verhindert, dass Menschen völlig unter die Herrschaft Satans gelangen. Die Ungehorsamen und Undankbaren haben allen Grund, Gott für seine Gnade und Langmut dankbar zu sein, weil er die grausame, boshafte Macht des Bösen im Zaum hält. Überschreiten aber die Menschen die Grenzen der göttlichen Nachsicht, dann wird jene Einschränkung aufgehoben. Gott tritt dem Sünder nicht als Scharfrichter gegenüber, sondern er überlässt jene, die seine Gnade verwerfen, sich selbst, damit sie ernten, was sie gesät haben. Jeder verworfene Lichtstrahl, jede verschmähte oder unbeachtete Warnung, jede geduldete Leidenschaft, jede Übertretung des Gesetzes Gottes ist eine Saat, die ihre sichere Ernte hervorbringen wird. Der Geist Gottes wird sich schließlich von dem Sünder, der sich ihm beharrlich widersetzt, zurückziehen, und dann bleibt dem Betreffenden weder die Kraft, die bösen Leidenschaften des Herzens zu beherrschen, noch der Schutz, der ihn vor der Bosheit und Feindschaft Satans bewahrt. DGK.28.1 Teilen

Die Zerstörung Jerusalems ist eine furchtbare und ernste Warnung an alle, die das Angebot der göttlichen Gnade gering achten und den Mahnrufen der Barmherzigkeit Gottes widerstehen. Niemals wurde ein bestimmteres Zeugnis für die Abscheu Gottes gegenüber der Sünde und für die sichere Bestrafung der Schuldigen gegeben. DGK.28.2 Teilen

Die Weissagung des Heilands, die das göttliche Gericht über Jerusalem ankündigte, wird noch eine andere Erfüllung finden, von der jene schreckliche Verwüstung nur ein schwacher Abglanz ist. In dem Schicksal der auserwählten Stadt können wir das Los einer Welt sehen, die Gottes Barmherzigkeit von sich gewiesen und sein Gesetz mit Füßen getreten hat. Grauenhaft sind die Berichte des menschlichen Elends, das die Erde während der langen Jahrhunderte des Verbrechens erlebte. Das Herz wird beklommen und der Geist verzagt, wenn wir über diese Dinge nachdenken. Schrecklich waren die Folgen, als die Macht des Himmels verworfen wurde. Doch ein noch furchtbareres Bild wird uns in den Offenbarungen über die Zukunft enthüllt. Die Berichte der Vergangenheit, die lange Reihe von Aufständen, Kämpfen und Revolutionen, alle Kriege „mit Gedröhn ... und die blutigen Kleider“ (Jesaja 9,4) — was sind sie im Vergleich zu den Schrecken jenes Tages, an dem der begrenzende Geist Gottes den Gottlosen ganz entzogen und nicht länger die Ausbrüche menschlicher Leidenschaften und satanischer Wut zügeln wird! Dann wird die Welt wie niemals zuvor die entsetzlichen Folgen der Herrschaft Satans erkennen. DGK.28.3 Teilen

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An jenem Tage aber wird, wie zurzeit der Zerstörung Jerusalems, Gottes Volk errettet werden, „ein jeder, der aufgeschrieben ist zum Leben.“ Jesaja 4,3. Christus hat vorhergesagt, dass er wiederkommen will, um seine Getreuen um sich zu sammeln: „Und dann werden alle Geschlechter der Erde ... den Sohn des Menschen kommen sehen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. Und er wird seine Engel aussenden mit starkem Posaunenschall, und sie werden seine Auserwählten versammeln von den vier Windrichtungen her, von einem Ende des Himmels bis zum anderen.“ Matthäus 24,30.31 (Schlachter 2000). Dann werden alle, die dem Evangelium nicht gehorchten, „mit dem Hauch seines Mundes“ umgebracht und „durch seine Erscheinung, wenn er kommt“ vernichtet werden. 2.Thessalonicher 2,8. Genauso wie einst Israel, so bringen auch die Gottlosen sich selbst um: Sie fallen infolge ihrer Übertretungen. Durch ein Leben voller Sünde haben sie so wenig Gemeinschaft mit Gott, und ihre Natur ist durch das Böse so verderbt und entwürdigt worden, dass die Offenbarung seiner Herrlichkeit für sie zu einem verzehrenden Feuer werden wird. DGK.29.1 Teilen

Mögen sich die Menschen doch davor hüten, die ihnen durch Christi Worte gegebenen Lehren gering zu schätzen. Er hatte verkündet, ein zweites Mal zu kommen, um seine Getreuen zu sich zu nehmen und sich an denen zu rächen, die seine Gnade verwerfen. Genauso wie er seine Jünger vor der Zerstörung Jerusalems warnte, indem er ihnen ein Zeichen des herannahenden Untergangs nannte, damit sie fliehen könnten, so hat er auch sein Volk vor dem Tag der endgültigen Vernichtung gewarnt und ihm Zeichen seines Nahens gegeben, damit alle, die dem zukünftigen Zorn entrinnen wollen, auch fliehen können. Jesus erklärt: „Es werden Zeichen geschehen an Sonne, Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein.“ Lukas 21,25; Matthäus 24,29; Markus 13,24-26; Offenbarung 6,12-17. Wer diese Vorboten seines Kommens sieht, soll wissen, „dass es nahe vor der Tür ist.“ „So wacht nun!“ lauten seine mahnenden Worte. Matthäus 24,33; Markus 13,35. Alle, die auf diese Stimme achten, sollen nicht im Dunkeln bleiben, damit jener Tag sie nicht unvorbereitet überfalle, aber über alle, die nicht wachen wollen, wird der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht. DGK.29.2 Teilen

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Die Welt ist jetzt nicht bereitwilliger, die Warnungsbotschaften für diese Zeit anzunehmen, als damals die Juden, die sich der Botschaft unseres Heilandes über Jerusalem widersetzten. Mag er kommen, wann er will — der Tag des Herrn wird die Gottlosen unvorbereitet finden. Wenn das Leben in normalen Bahnen läuft, wenn die Menschheit von Vergnügungen, Geschäften, Handel und Gelderwerb in Anspruch genommen ist, wenn religiöse Führer den Fortschritt und die Aufklärung der Welt verherrlichen, wenn das Volk in falsche Sicherheit gewiegt wird, dann wird, wie ein Dieb sich um Mitternacht in die unbewachte Behausung einschleicht, das plötzliche Verderben die Sorglosen und Bösen überfallen, und sie werden keine Gelegenheit mehr haben, dem Kommenden zu entfliehen. 1.Thessalonicher 5,2-5. DGK.30.1 Teilen

Kapitel 2: Verfolgung in den ersten Jahrhunderten
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Die Christen wurden bald Zielscheibe der Angriffe Satans durch das Heidentum. Da es kein Miteinander zwischen dem Fürsten des Lichts und dem Fürsten der Finsternis gibt, war es auch unter den treuen und untreuen Menschen nicht möglich, sich zu einen. Verfolgungen waren sozusagen vorprogrammiert.. DGK.31.1 Teilen

Als Christus auf dem Ölberg seinen Jüngern das Schicksal Jerusalems und die Ereignisse seiner Wiederkunft enthüllte, sprach er auch über die zukünftigen Erfahrungen seines Volkes von seiner Himmelfahrt an bis zu seiner Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit, um es zu befreien. Er sah die bald über die apostolische Gemeinde hereinbrechenden Stürme, und in weiterer Zukunft erblickte er die grimmigen, verwüstenden Stürme, die in den kommenden Zeiten der Finsternis und Verfolgung über seine Nachfolger heraufziehen werden. In wenigen kurzen Äußerungen von furchtbarer Bedeutung sagte er ihnen voraus, in welchem Ausmaß die Herrscher dieser Welt die Gemeinde Gottes verfolgen werden. Matthäus 24,9.21.22. Christi Nachfolger müssen den gleichen Weg der Demütigung, der Schmach und des Leidens beschreiten, den ihr Meister ging. Die Feindschaft, welche dem Erlöser der Welt entgegengebracht wurde, erhebt sich auch gegen alle, die an seinen Namen glauben. DGK.31.2 Teilen

Die Geschichte der ersten Christengemeinde zeigt die Erfüllung der Worte Jesu. Die Mächte der Erde und der Hölle vereinigten sich gegen den in seinen Nachfolgern lebendigen Christus. Das Heidentum sah sehr wohl voraus, dass seine Tempel und Altäre niedergerissen würden, falls das Evangelium triumphierte; deshalb mobilisierte es alle Kräfte, um das Christentum zu vernichten. Die Feuer der Verfolgung wurden angezündet. Christen beraubte man ihrer Besitztümer und vertrieb sie aus ihren Heimen. Sie erduldeten „einen großen Kampf des Leidens.“ Hebräer 10,32. Sie „haben Spott und Geißeln erlitten, dazu Fesseln und Gefängnis; sie wurden gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet.“ Hebräer 11,36. Viele besiegelten ihr Zeugnis mit ihrem Blut. Vornehme Menschen und Sklaven, Reich und Arm, Gelehrte und Unwissende wurden ohne Unterschied erbarmungslos umgebracht. Diese Verfolgungen, die unter Nero etwa zurzeit des Märtyrertums von Paulus begannen, wurden mit mehr oder weniger heftigem Zorn Jahrhundertelang fortgesetzt. Christen wurden zu Unrecht der schlimmsten Verbrechen beschuldigt und als Ursache großer Unglücksfälle, wie Hungersnot, Seuchen und Erdbeben, hingestellt. Da sie allgemein gehasst und verdächtigt wurden, fanden sich auch leicht Ankläger, die um des Gewinns willen Unschuldige verrieten. Die Christen wurden als Aufrührer gegen das Reich, als Feinde der Religion und schädlich für die Gesellschaft verurteilt. Viele warf man wilden Tieren vor oder verbrannte sie lebendig in den Amphitheatern. Manche wurden gekreuzigt, andere in die Felle wilder Tiere eingenäht und in die Arena geworfen, um von Hunden zerrissen zu werden. Die ihnen auferlegte Strafe bildete oft die Hauptunterhaltung bei öffentlichen Festen. Riesige Menschenmassen kamen zusammen, um sich an diesem Anblick zu ergötzen und begrüßten deren Todesqualen mit Gelächter und Beifallklatschen. DGK.31.3 Teilen

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Wo die Nachfolger Christi auch Zuflucht fanden, immer wurden sie wie Raubtiere gejagt. Sie waren genötigt, sich an öden und verlassenen Stätten zu verbergen. „Sie haben Mangel, Bedrängnis, Misshandlung erduldet. Sie, deren die Welt nicht wert war, sind umhergeirrt in Wüsten, auf Bergen, in Höhlen und Erdlöchern“. Hebräer 11,37.38. Die Katakomben boten Tausenden eine Zufluchtsstätte. Unter den Hügeln außerhalb der Stadt Rom gab es lange, durch Erde und Felsen getriebene Gänge, deren dunkles, verschlungenes Netzwerk sich kilometerweit über die Stadtmauern hinaus erstreckte. In diesen unterirdischen Zufluchtsorten begruben die Nachfolger Christi ihre Toten, und hier fanden sie auch Zuflucht, wenn sie verdächtigt und geächtet wurden. Wenn der Heiland alle auferwecken wird, die den guten Kampf gekämpft haben, werden viele, die um seinetwillen Märtyrer geworden sind, aus jenen Höhlen hervorkommen. DGK.32.1 Teilen

Selbst unter heftigster Verfolgung hielten diese Zeugen für Jesus ihren Glauben rein. Obwohl sie jeder Bequemlichkeit beraubt waren, abgeschlossen vom Licht der Sonne und im dunklen aber freundschaftlichen Schoß der Erde ihre Wohnung einrichteten, äußerten sie keine Klage. Mit Worten des Glaubens, der Geduld und der Hoffnung ermutigten sie einander, Entbehrungen und Trübsale zu ertragen. Der Verlust aller irdischen Segnungen vermochte sie nicht zu zwingen, ihrem Glauben an Christus abzusagen. Prüfungen und Verfolgungen waren nur Stufen, um sie ihrer Ruhe und ihrer Belohnung näher zu bringen. DGK.32.2 Teilen

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Viele wurden genauso wie Diener Gottes damals „gemartert ... und haben die Freilassung nicht angenommen, damit sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten.“ Hebräer 11,35. Sie riefen sich die Worte ihres Meisters ins Gedächtnis zurück, dass sie bei Verfolgungen um Christi Willen fröhlich und getrost sein sollten, denn wunderbar würde ihr Lohn im Himmel sein. Auch die Propheten vor ihnen wurden so verfolgt. Die Nachfolger Jesu freuten sich, als würdig erachtet worden zu sein, um für die Wahrheit zu leiden, und Triumphgesänge stiegen aus den prasselnden Flammen empor. Im Glauben aufwärtsschauend, erblickten sie Christus und heilige Engel, die sich zu ihnen herabneigten, sie mit innigster Anteilnahme beobachteten und wohlgefällig ihre Standhaftigkeit betrachteten. Eine Stimme kam vom Thron Gottes zu ihnen hernieder: „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.“ Offenbarung 2,10. DGK.33.1 Teilen

Vergeblich waren Satans Anstrengungen, die Gemeinde Christi mit Gewalt zu zerstören. Der große Kampf in dem Christi Jünger ihr Leben hingaben, hörte nicht auf, als diese treuen Bannerträger auf ihrem Posten fielen. Durch ihre Niederlage blieben sie Sieger. Gottes Mitarbeiter wurden erschlagen; sein Werk aber ging stetig vorwärts. Das Evangelium breitete sich aus, die Schar seiner Anhänger nahm zu, es drang in Gebiete ein, die selbst dem römischen Adler unzugänglich geblieben waren. Ein Christ, der mit den heidnischen Herrschern verhandelte, die ja die Verfolgung eifrig betrieben, sagte: „Kreuzigt, martert, verurteilt uns, reibt uns auf, ... eure Ungerechtigkeit ist ein Beweis für unsere Unschuld! Und doch hilft all eure noch so ausgeklügelte Grausamkeit nichts. Sie ist eher ein Lockmittel für unsere Gemeinschaft. Nur zahlreicher werden wir, so oft wir von euch niedergemäht werden: Ein Same ist das Blut der Christen.“ Tertullian, „Apologeticum“, Kapitel 50 DGK.33.2 Teilen

Tausende wurden eingekerkert und umgebracht, aber andere standen auf, um diese Lücken auszufüllen. Die um ihres Glaubens willen den Märtyrertod erlitten, waren Christus gewiss und wurden von ihm als Überwinder angesehen. Sie hatten den guten Kampf gekämpft und werden die Krone der Gerechtigkeit empfangen, wenn Christus wiederkommt. Die Leiden, die die Christen ertrugen, verbanden sie inniger miteinander und mit ihrem Erlöser. Ihr beispielhaftes Leben, ihr Bekenntnis im Sterben waren ein unvergängliches Zeugnis für die Wahrheit. Wo es vielfach am wenigsten zu erwarten war, verließen Untertanen Satans ihren Dienst und stellten sich entschlossen unter das Banner Christi. DGK.33.3 Teilen

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Satan versuchte, erfolgreicher gegen die Herrschaft Gottes Krieg zu führen, indem er sein Banner in der christlichen Gemeinde aufrichtete. Können die Nachfolger Christi getäuscht und verleitet werden, Gott nicht zu gefallen, dann wären ihre Kraft, Festigkeit und Beharrlichkeit dahin, ja, sie fielen ihm als leichte Beute zu. DGK.34.1 Teilen

Der große Gegner suchte hinterlistig das zu erreichen, was er sich mit Gewalt nicht zu sichern vermochte. Die Verfolgungen hörten auf. An ihre Stelle traten die gefährlichen Verlockungen irdischen Wohllebens und weltlichen Ruhms. Götzendiener wurden veranlasst, einen Teil des christlichen Glaubens anzunehmen, wobei sie andere wesentliche Wahrheiten verwarfen. Sie gaben vor, Jesus als Sohn Gottes anzuerkennen und an seinen Tod und seine Auferstehung zu glauben. Aber sie erkannten nicht ihre Sünden und fühlten nicht das Bedürfnis, sie zu bereuen oder die Gesinnung ihres Herzens zu ändern. Zu einigen Zugeständnissen bereit, schlugen sie den Christen vor, um eines einheitlichen Glaubensbekenntnisses an Christus willen, auch ihrerseits Zugeständnisse zu machen. DGK.34.2 Teilen

Die Gemeinde befand sich in einer furchtbaren Gefahr, gegen die Gefängnis, Folter, Feuer und Schwert als Segen erschienen. Einige Christen blieben fest und erklärten, dass sie keine Kompromisse eingehen könnten. Andere stimmten für ein Entgegenkommen oder für die Abänderung einiger ihrer Glaubensregeln und verbanden sich mit denen, die das Christentum teilweise angenommen hatten, indem sie argumentierten, es könnte jenen zur vollständigen Bekehrung verhelfen. Dies war eine Zeit tiefer Verzweiflung für die treuen Nachfolger Christi. Unter dem Deckmantel eines angeblichen Christentums verstand es Satan, sich in die Gemeinde einzuschleichen, um ihren Glauben zu verfälschen und ihre Sinne vom Wort der Wahrheit abzulenken. DGK.34.3 Teilen

Letztendlich willigten die meisten Christen ein, ihrem hohen Ideal zu entsagen. So kam eine Vereinigung zwischen Christentum und Heidentum zustande. Obwohl die Heiden angeblich bekehrt waren und sich der Gemeinde anschlossen, hielten sie doch noch am Götzendienst fest: Sie wechselten nur den Gegenstand ihrer Anbetung. An die Stelle ihrer Götzen setzten sie Abbildungen von Jesus, Maria und den Heiligen. Ungesunde Lehren, abergläubische Gebräuche und götzendienerische Zeremonien wurden mit ihrem Glauben und Gottesdienst vereint. Als sich die Nachfolger Christi mit den Götzendienern verbanden, wurde die christliche Gemeinde verdorben und ihre Reinheit und Kraft gingen verloren. Immerhin gab es etliche, die durch diese Täuschungen nicht irregeleitet wurden, die dem Fürsten der Wahrheit ihre Treue bewahrten und Gott allein anbeteten. Unter den vorgeblichen Nachfolgern Christi hat es schon immer zwei Gruppen gegeben. Während die eine das Leben des Heilands erforscht und sich ernstlich bemüht, jeden ihrer Mängel zu beseitigen und ihrem Vorbild zu entsprechen, lehnt die andere die klaren, praktischen Wahrheiten ab, die ihre Irrtümer aufdecken. Selbst in ihrer besten Zeit bestand die Gemeinde nicht nur aus wahren, reinen und aufrichtigen Menschen. DGK.34.4 Teilen

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Unser Heiland lehrte, dass die, welche willentlich sündigen, nicht in die Gemeinde aufgenommen werden sollen. Dennoch wies er Menschen mit fehlerhaftem Charakter nicht ab, sondern gewährte ihnen die hohen Vorrechte, seine Lehren und sein Vorbild kennenzulernen, damit sie Gelegenheit hätten, ihre Fehler zu erkennen und zu berichtigen. Unter den zwölf Aposteln befand sich ein Verräter. Judas wurde nicht wegen, sondern trotz seiner Charakterfehler aufgenommen. Er wurde als Jünger berufen, damit er durch Christi Lehre und Vorbild lernen könnte, worin ein christlicher Charakter besteht. Auf diese Weise sollte er seine Fehler erkennen, Buße tun und mit Hilfe der göttlichen Gnade seine Seele reinigen „im Gehorsam der Wahrheit“. Aber Judas wandelte nicht in dem Licht, das ihm so gnädig schien. Er gab der Sünde nach und forderte dadurch die Versuchungen Satans heraus. Seine bösen Charakterzüge gewannen die Oberhand. Er ließ sich von den Mächten der Finsternis leiten, wurde zornig, wenn man seine Fehler tadelte, und gelangte auf diese Weise dahin, den furchtbaren Verrat an seinem Meister zu begehen. So hassen alle, die unter dem Schein eines gottseligen Wesens das Böse lieben, die Menschen, die ihren Frieden stören, indem sie ihren sündhaften Lebenswandel verurteilen. Bietet sich ihnen eine günstige Gelegenheit, so werden sie, wie auch Judas, jene verraten, die versucht haben, sie zu ihrem Besten zurechtzuweisen. DGK.35.1 Teilen

Den Aposteln begegneten angeblich fromme Leute in der Gemeinde, die jedoch heimlich an der Sünde hingen. Ananias und Saphira waren Betrüger, denn sie behaupteten, Gott ein vollständiges Opfer darzubringen, obwohl sie habsüchtigerweise einen Teil davon für sich zurückbehielten. Der Geist der Wahrheit offenbarte den Aposteln den wirklichen Charakter dieser Scheinheiligen, und Gottes Gericht befreite die Gemeinde von diesem Flecken, der ihre Reinheit beschmutzte. Dieser offenkundige Beweis, dass der scharfsichtige Geist Christi in der Gemeinde gegenwärtig war, erschreckte die Heuchler und Übeltäter, die nicht lange mit jenen verbunden bleiben konnten, die ihrem Handeln und ihrer Gesinnung nach beständig Stellvertreter Christi waren. Als schließlich Prüfungen und Verfolgungen über seine Nachfolger hereinbrachen, wünschten nur die, seine Jünger zu werden, die bereit waren, um der Wahrheit willen alles zu verlassen. Dadurch blieb die Gemeinde, solange die Verfolgung andauerte, verhältnismäßig rein. Nachdem aber die Verfolgung aufgehört hatte und Neubekehrte, die weniger aufrichtig waren, zur Gemeinde kamen, öffnete sich für Satan der Weg, in der Gemeinde Fuß zu fassen. Es gibt jedoch kein Miteinander zwischen dem Fürsten des Lichts und dem Fürsten der Finsternis, somit auch nicht zwischen ihren Nachfolgern. Als die Christen einwilligten, sich mit Menschen zu verbinden, die dem Heidentum nur halb abgesagt hatten, betraten sie einen Pfad, der sie von der Wahrheit immer weiter wegführte. Satan aber jubelte, dass es ihm gelungen war, so viele der Nachfolger Christi zu täuschen. Er übte nun verstärkt eine Macht über die Betrogenen aus und trieb sie dazu an, die zu verfolgen, die Gott treu blieben. Niemand konnte dem wahren Christenglauben so gut entgegentreten, wie jene, die ihn einst verteidigt hatten. Und diese abtrünnigen Christen zogen mit ihren halbheidnischen Gefährten vereint gegen die wesentlichen Wahrheiten der Lehren Christi in den Kampf. DGK.35.2 Teilen

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Es kostete den treuen Gläubigen äußerste Anstrengungen fest zu stehen, gegen die Betrügereien und Gräuel, die in priesterlichem Gewand in die Gemeinde eingeführt wurden. Man bekannte sich nicht mehr zur Heiligen Schrift als Richtschnur des Glaubens. Der Grundsatz von wahrer Religionsfreiheit wurde als Ketzerei gebrandmarkt, seine Verteidiger gehasst und geächtet. DGK.36.1 Teilen

Nach langem und schwerem Kampf entschlossen sich die wenigen Treuen, jede Verbindung mit der abtrünnigen Kirche aufzugeben, falls diese sich beharrlich weigere, den Irrtum und Götzendienst aufzugeben. Sie erkannten, dass die Trennung unbedingt notwendig war, wenn sie selbst dem Wort Gottes gehorchen wollten. Sie wagten weder Irrtümer zu dulden, die für sie selbst gefährlich waren, noch ein Beispiel zu geben, das den Glauben ihrer Kinder und Kindeskinder gefährden würde. Um Frieden und Einheit zu wahren, zeigten sie sich bereit, irgendwelche mit ihrer Gottestreue zu vereinbarenden Zugeständnisse zu machen; sie spürten aber, dass selbst der Friede unter Aufopferung ihrer Grundsätze zu teuer erkauft wäre. Einer Übereinstimmung auf Kosten der Wahrheit und Rechtschaffenheit zogen sie jedoch lieber die Uneinigkeit, ja selbst den Kampf vor. DGK.36.2 Teilen

Es wäre für die Gemeinde und die Welt gut, wenn solche Grundsätze, die jene standhaften Christen zum Handeln bewogen, in den Herzen des Volkes Gottes wiederbelebt würden. Es herrscht eine beunruhigende Gleichgültigkeit gegenüber den Lehren, die das Fundament des christlichen Glaubens bilden. So verbreitet sich immer mehr die Meinung, dass sie nicht so wichtig sind. Diese Abwertung stärkt die Vertreter Satans so sehr, dass jene falschen Lehrbegriffe und verhängnisvollen Täuschungen jetzt von Tausenden sogenannter Nachfolger Christi gern übernommen werden, zu deren Bekämpfung und Aufdeckung die Treuen in vergangenen Zeiten ihr Leben wagten. Die ersten Christen waren tatsächlich ein besonderes Volk. Ihr tadelloses Betragen und ihr fester Glaube war ein beständiger Vorwurf, der die Ruhe der Sünder störte. Obwohl es wenige waren, ohne Reichtum, Stellung oder Ehrentitel, waren sie überall, wo ihr Charakter und ihre Lehren bekannt wurden, den Übeltätern ein Schrecken. Deshalb wurden sie von den Gottlosen gehasst, wie damals Abel vom gottlosen Kain. Die gleiche Ursache, die Kain zu Abels Mörder werden ließ, veranlasste diejenigen, die sich von dem zügelnden Einfluss des Geistes Gottes zu befreien suchten, um Gottes Kinder zu töten. Aus dem gleichen Grund verwarfen und kreuzigten die Juden den Heiland, denn die Reinheit und die Heiligkeit seines Charakters waren eine ständige Anklage gegen ihre Selbstsucht und Verderbtheit. DGK.36.3 Teilen

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Von den Tagen Christi an bis in unsere Zeit hinein haben seine treuen Jünger den Hass und Widerspruch der Menschen geweckt, die sündige Wege lieben und ihnen folgen. Wie kann aber das Evangelium eine Botschaft des Friedens genannt werden? Als Jesaja die Geburt des Messias vorhersagte, gab er ihm den Titel „Friedefürst“. Jesaja 9,5. Als die Engel den Hirten verkündeten, dass Christus geboren sei, sangen sie über den Ebenen Bethlehems: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens!“ Lukas 2,14. Zwischen diesen prophetischen Aussagen und den Worten Christi: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Matthäus 10,34), scheint ein Widerspruch zu sein. Doch richtig verstanden, stimmen beide Aussagen vollkommen überein. Das Evangelium ist eine Botschaft des Friedens. Das Christentum verbreitet, wenn es angenommen und ausgelebt wird, Frieden, Eintracht und Freude über die ganze Erde. Die Religion Christi verbindet alle, die ihre Lehren annehmen, in inniger Bruderschaft miteinander. Es war Jesu Aufgabe, die Menschen mit Gott und somit auch miteinander zu versöhnen. Aber die Welt befindet sich so ziemlich unter der Herrschaft Satans, des bittersten Feindes Christi. DGK.37.1 Teilen

Das Evangelium zeigt den Menschen die Grundsätze des Lebens, die mit ihren Gewohnheiten und Wünschen völlig im Widerspruch stehen, und gegen die sie sich auflehnen. Sie hassen die Reinheit, die ihre Sünden offenbart und verurteilt, und sie verfolgen und vernichten alle, die ihnen jene gerechten und heiligen Ansprüche vor Augen halten. In diesem Sinne — wo die erhabenen Wahrheiten, die das Evangelium bringt, Hass und Streit erzeugen — wird es ein Schwert genannt. Das geheimnisvolle Wirken der Vorsehung, die zulässt, dass der Gerechte durch Gottlose verfolgt wird, hat viele, die schwach im Glauben sind, schon in größte Verlegenheit gebracht. Manche sind sogar bereit, ihr Gottvertrauen wegzuwerfen, weil er es zulässt, dass es den niederträchtigsten Menschen gut geht, während die besten und aufrichtigsten von ihnen grausam bedrängt und gequält werden. Wie, fragt man, kann der Eine, welcher gerecht und barmherzig ist, dessen Macht unbegrenzt ist, solche Ungerechtigkeit und Unterdrückung zulassen? Mit so einer Frage haben wir nichts zu tun, denn Gott hat uns genug Beweise seiner Liebe gegeben. Wir sollen nicht an seiner Güte zweifeln, nur weil wir das Wirken seiner Vorsehung nicht ergründen können. Der Heiland sagte zu seinen Jüngern, als er die Zweifel voraussah, die sie in den Tagen der Prüfung und der Finsternis bestürmen würden: „Gedenket an mein Wort, das ich euch gesagt habe: ‚Der Knecht ist nicht größer als sein Herr.‘ Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen.“ Johannes 15,20. Jesus hat für uns durch gottlose Menschen mehr gelitten, als irgendeiner seiner Nachfolger durch die Grausamkeit solcher Menschen jemals leiden kann. Wer berufen ist, Qualen und Märtyrertod zu erdulden, folgt nur dem Pfad des treuen Gottessohnes. DGK.37.2 Teilen

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„Der Herr verzögert nicht die Verheißung.“ 2.Petrus 3,9. Er vergisst oder vernachlässigt seine Kinder nicht. — Er lässt aber zu, dass der wahre Charakter der Gottlosen sichtbar wird, damit keiner, der seinem Willen folgen will, über sie getäuscht werden kann. Erneut lässt er die Gerechten durch den Feuerofen der Trübsal gehen, damit sie selbst gereinigt werden und ihr Beispiel andere von der Wirklichkeit des Glaubens und der Gottseligkeit überzeugen möchte, sowie ihr treuer Wandel die Gottlosen und Ungläubigen verurteilt. DGK.38.1 Teilen

Gott lässt es zu, dass die Bösen Erfolg haben und ihre Feindschaft gegen ihn bekunden, damit, wenn das Maß ihrer Ungerechtigkeit voll ist, alle Gottes Gnade und Gerechtigkeit in deren vollständigen Vernichtung sehen können. Der Tag seiner Vergeltung rückt rasch näher, da allen, die sein Gesetz übertreten und sein Volk unterdrückt haben, der gerechte Lohn für ihre Taten gegeben werden wird, weil jede grausame und ungerechte Handlung gegen die Treuen Gottes bestraft werden wird, so als wäre sie Christus selbst angetan worden. Es gibt eine andere und wichtigere Frage, auf die sich die Aufmerksamkeit der Kirchen unserer Tage richten sollte. Der Apostel Paulus erklärt: „Alle, die fromm leben wollen in Christus Jesu, müssen Verfolgung leiden“. 2.Timotheus 3,12. Wie kommt es dann, dass die Verfolgung sozusagen zu schlummern scheint? Der einzige Grund ist, dass die Kirchen sich der Welt angepasst haben und deshalb keinen Widerstand erwecken. Die heutzutage allgemein verbreitete Religion hat nicht den reinen und heiligen Charakter, der den christlichen Glauben in den Tagen Christi und seiner Apostel kennzeichnete. Weil man mit der Sünde Kompromisse eingeht, weil man die großen Wahrheiten des Wortes Gottes so gleichgültig betrachtet und weil wenig echte Gottseligkeit in der Gemeinde herrscht, deshalb ist anscheinend das Christentum in der Welt so beliebt. Sobald eine Wiederbelebung des Glaubens und der Stärke der ersten Christengemeinde geschehen würde, wird auch der Geist der Verfolgung abermals erwachen und die Feuer der Trübsal aufs Neue schüren. DGK.38.2 Teilen

Kapitel 3: Die römische Kirche
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Nachdem Satan sah, dass durch Verfolgungen die treuen Christen um so entschlossener wurden, änderte er seine Taktik und ließ unmerklich heidnische Gebräuche in die Kirche einfließen und machte die christliche Kirche „salonfähig“. Dazu war es nötig, die Bibel den Menschen wegzunehmen, damit um so leichter falsche Lehren plaziert werden konnten (die im folgenden Text dieses Kapitels hervorgehoben sind). Die Folge war ein falsches Verständnis von Gott. So begann das finstere Mittelalter gesellschaftlich und politisch zum Nachteil der Völker. Die Kirche wurde immer mächtiger und regierte willkürlich. Sie bestimmte sogar über weltliche Autoritäten.. DGK.39.1 Teilen

In seinem zweiten Brief an die Thessalonicher sagte der Apostel Paulus den großen Abfall voraus, aus dem sich dann die päpstliche Macht etablierte. Er erklärte, dass der Tag Christi nicht kommen werde, denn „es muss unbedingt zuerst der Abfall kommen und der Mensch der Sünde offenbart werden, der Sohn des Verderbens, der sich widersetzt und sich über alles erhebt, was Gott oder Gegenstand der Verehrung heißt, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt als ein Gott und sich selbst für Gott ausgibt“. Und weiter warnt der Apostel seine Brüder: „Denn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon am Wirken.“ 2.Thessalonicher 2,3.4.7 (Schlachter 2000). Schon zu jener frühen Zeit sah er, dass sich Irrtümer in die Gemeinde einschlichen, die den Weg bereiteten für die Entwicklung des Papsttums. DGK.39.2 Teilen

Stück für Stück, erst heimlich und stillschweigend, dann offener, als es stärker wurde, führte das „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ sein betrügerisches und gotteslästerliches Werk aus. Beinahe unmerklich fanden heidnische Gebräuche ihren Weg in die christliche Gemeinde. Zwar wurde der Geist des Kompromisses und der Anpassung zeitweise durch die heftige Verfolgung zurückgehalten, die die Gemeinde unter dem Heidentum zu erdulden hatte. Als aber die Verfolgung aufhörte und das Christentum in den Höfen und Palästen der Könige Eingang fand, vertauschte es die demütige Schlichtheit Christi und seiner Apostel mit dem Gepränge und dem Stolz der heidnischen Priester und Herrscher und ersetzte die Forderungen Gottes durch menschliche Theorien und Überlieferungen. Mit der angeblichen Bekehrung Konstantins Anfang des vierten Jahrhunderts, die allgemein freudig aufgenommen wurde, fanden jedoch unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit weltliche Sitten und Gebräuche Eingang in die Kirche. Das Verderben machte jetzt schnelle Fortschritte. Das Heidentum wurde, während es besiegt schien, zum Sieger. Sein Geist beherrschte die Kirche. Seine Lehren, seine Zeremonien und sein Aberglaube wurden mit dem Glauben und der Gottesverehrung der erklärten Nachfolger Christi vermischt. DGK.39.3 Teilen

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Aus diesem Kompromiss zwischen Heiden- und Christentum entwickelte sich der „Mensch der Sünde“, der nach der Prophezeiung der Widersacher ist und sich über Gott erhebt. Dieses gigantische System falscher Religion ist ein Meisterstück der Macht Satans, ein Denkmal seiner Anstrengungen, sich selbst auf den Thron zu setzen, um die Welt nach seinem Willen zu regieren. DGK.40.1 Teilen

Satan war einst bemüht, mit Christus einen Kompromiss zu schließen. Matthäus 4. Er kam zu Gottes Sohn in die Wildnis, um ihn zu versuchen. Er zeigte ihm alle Königreiche der Welt und ihre Herrlichkeit und bot ihm an, dies alles in seine Hände zu geben, wenn er die Oberherrschaft des Fürsten der Finsternis anerkennen würde. Christus wies den dreisten Versucher zurecht und zwang ihn, sich zu entfernen. Satan hat aber größeren Erfolg bei den Menschen, wenn er sie mit den gleichen Versuchungen konfrontiert. Um sich irdischen Gewinn und weltliche Ehren zu sichern, wurde die Kirche dazu verleitet, die Gunst und den Beistand der Großen dieser Erde zu suchen, und indem sie auf diese Weise Christus verwarf, gelangte sie dahin, ein Treuebündnis mit dem Stellvertreter Satans, dem Bischof von Rom, einzugehen. DGK.40.2 Teilen

Der Papst, das sichtbare Haupt der allgemeinen Kirche Christi

Es ist eine der Hauptlehren der römischen Kirche, dass der Papst das sichtbare Haupt der universalen allgemeinen Kirche Christi sei, angetan mit höchster Autorität über Bischöfe und Geistliche in allen Teilen der Welt. Mehr noch als das, man hat dem Papst den höchsten Titel der Gottheit gegeben. Er wird „der Herr Gott Papst“ genannt (Siehe Anmerkung 01) und für unfehlbar (Siehe Anmerkung 02) erklärt. Er verlangt, dass alle Menschen ihm huldigen. Der gleiche Anspruch, den Satan in der Wüste bei der Versuchung Jesu erhob, wird auch heute noch von ihm erhoben, und zahllose Menschen sind nur allzu gern bereit, ihm die geforderte Verehrung entgegen zu bringen. DGK.40.3 Teilen

Jene aber, die Gott fürchten und ihn verehren, begegnen dieser den Himmel herausfordernden Anmaßung genauso, wie Christus den Verlockungen des hinterlistigen Feindes entgegentrat: „Du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und ihm allein dienen.“ Matthäus 4,10. Gott gab in seinem Wort keine Hinweis, dass er irgendeinen Menschen zum Oberhaupt der Gemeinde bestimmt hätte. Die Lehre von der päpstlichen Obergewalt steht den Aussagen der Heiligen Schrift entgegen. Der Papst kann nicht über die Gemeinde DGK.40.4 Teilen

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Christi herrschen, es sei denn, er maßt sich diese Gewalt widerrechtlich an. Die Katholiken beharrten darauf, die Protestanten der Ketzerei und der eigenwilligen Trennung von der wahren Kirche zu beschuldigen. Doch diese Anklagen lassen sich eher auf sie selbst anwenden, denn sie sind es, die das Banner Jesu Christi niederwarfen und vom Glauben abwichen, „der den Heiligen ein für allemal überliefert worden ist“. Judas 3 (Schlachter 2000). Satan wusste sehr wohl, dass die Heilige Schrift die Menschen befähigen würde, seine Täuschungen zu erkennen und seiner Macht zu widerstehen; hatte doch selbst der Heiland der Welt seinen Angriffen durch das Wort Gottes widerstanden. Bei jedem Angriff hielt Christus ihm den Schild der ewigen Wahrheit entgegen und sagte: „Es steht geschrieben.“ Lukas 4,1-13. Jeder Einflüsterung des Feindes widerstand er durch die Weisheit und Macht des Wortes. DGK.41.1 Teilen

Die Verbreitung der Heiligen Schrift wird verboten

Um die Herrschaft über die Menschen aufrechtzuerhalten und seine Autorität zu festigen, musste Satan das Volk über die Heilige Schrift in Unwissenheit halten. Die Bibel würde Gott erheben und den sterblichen Menschen ihre wahre Stellung zeigen, deshalb mussten ihre heiligen Wahrheiten geheim gehalten und unterdrückt werden. Diese Überlegung machte sich die Kirche zu eigen. Jahrhundertelang war die Verbreitung der Heiligen Schrift verboten. (Siehe Anmerkung 03) Das Volk durfte sie weder lesen noch im Haus haben, und skrupellose Geistliche begründeten ihre Lehren auf eigene Behauptungen. So wurde das Kirchenoberhaupt fast überall als Statthalter Gottes auf Erden anerkannt, der mit Autorität über Kirche und Staat ausgestattet worden sei. DGK.41.2 Teilen

Da das einzig sichere Hilfsmittel zur Entdeckung des Irrtums beseitigt worden war, wirkte Satan ganz nach seiner Willkür. In der Prophezeiung war ja erklärt worden, das Papsttum werde „sich unterstehen, Zeit und Gesetz zu ändern“ (Daniel 7,25), und er zögerte nicht, dieses Werk zu tun. DGK.41.3 Teilen

Die Verehrung von Bildern und Reliquien

Um den Bekehrten aus dem Heidentum einen Ersatz für die Anbetung von Götzen zu bieten und so ihre rein äußerliche Annahme des Christentums zu erleichtern, wurde schrittweise die Verehrung von Bildern und Reliquien in den christlichen Gottesdienst eingeführt. Der Beschluss eines allgemeinen Konzils (zweites nicänisches Konzil 787) bestätigte schließlich dieses System der päpstlichen Abgötterei. Um dieses gotteslästerliche Werk zu vervollständigen, wagte es Rom, das zweite Gebot des Gesetzes Gottes, das die Bilderanbetung verbietet, (Siehe Anmerkung 04) zu löschen und das Zehnte dafür zu teilen, um die Zehnerzahl beibehalten zu können. DGK.41.4 Teilen

Die Einsetzung des Sonntags als „ehrwürdigen Tag der Sonne“
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Die Zugeständnisse gegenüber dem Heidentum öffneten den Weg für eine noch größere Missachtung der göttlichen Autorität. Satan wagte sich auch an das vierte Gebot heran und versuchte, den schon immer bestehenden Sabbat, den Tag, den Gott gesegnet und geheiligt hatte (1.Mose 2,2.3), beiseite zu schieben und dafür den von den Heiden als „ehrwürdigen Tag der Sonne“ gefeierten Festtag einzusetzen. DGK.42.1 Teilen

Diese Veränderung wurde zuerst nicht offen erklärt. In den ersten Jahrhunderten war der wahre Sabbat von allen Christen gehalten worden. Sie waren eifrig auf die Ehre Gottes bedacht. Und da sie glaubten, dass sein Gesetz unveränderlich sei, bewahrten sie aufmerksam die Heiligkeit seiner Vorschriften. Aber Satan wirkte sehr schlau durch seine Werkzeuge, um sein Ziel zu erreichen. Um die Aufmerksamkeit des Volkes auf den Sonntag zu lenken, wurde dieser Tag zu einem Festtag zu Ehren der Auferstehung Christi erklärt und an diesem Tag Gottesdienst gehalten. Trotzdem betrachtete man ihn nur als einen Tag der Erholung, während der Sabbat weiterhin heiliggehalten wurde. Damit der Weg für das von Satan beabsichtigte Werk vorbereitet würde, hatte er die Juden vor der Ankunft Christi dazu verleitet, den Sabbat mit übermäßig strengen Anforderungen zu belasten, sodass seine Feier zur Last wurde. Jetzt nutzte er das falsche Licht, das den Sabbat als jüdische Einrichtung erscheinen ließ, um auf diesen Tag Verachtung zu häufen. Während die Christen allgemein den Sonntag als Freudentag betrachteten, veranlasste Satan sie, den Sabbat anstatt zu einem Festtag, zu einem Tag des Fastens, der Trauer und der Dunkelheit zu gestalten, um ihren Hass gegen alles Jüdische zu zeigen. DGK.42.2 Teilen

Anfang des vierten Jahrhunderts erließ Kaiser Konstantin eine für das ganze Römische Reich gültige Verordnung, wonach der Sonntag als öffentlicher Festtag eingesetzt wurde. (Siehe Anmerkung 05) Nach seiner Bekehrung blieb er ein unerschütterlicher Verehrer des Sonntags und sein heidnischer Erlass wurde im Interesse seines neuen Glaubens aufgezwungen. Doch die Ehrerbietung, die diesem Tag entgegengebracht wurde, war noch nicht ausreichend, um wahre Christen davon abzuhalten, den wahren Sabbat als den heiligen Tag des Herrn zu ehren. Ein weiterer Schritt musste unternommen werden. Der falsche Sabbat musste dem wahren gleichgestellt werden. Wenige Jahre nach dem Erlass des Dekrets von Konstantin verlieh der Bischof von Rom dem Sonntag den Titel „Tag des Herrn“. So wurden die Menschen dazu verleitet, ihn zu verehren, als ob er einen Grad von Heiligkeit besitzen würde. Aber noch immer wurde der wahre Sabbat gehalten. Der Tag der Sonne wurde von den heidnischen Untertanen verehrt und von Christen geachtet. Kaiser Konstantin beabsichtigte damit, die widerstreitenden Ansichten des Christentums und des Heidentums zu vereinen. Er wurde dazu von den Bischöfen der Kirche gedrängt, die, von Ehrgeiz und Machtgier erfüllt, einsahen, dass damit den Heiden die äußerliche Annahme des Christentums erleichtert würde. Die Kirche könnte zu größerer Macht und Ausdehnung kommen, wenn Christen und Heiden denselben Tag feiern würden. Viele fromme Christen akzeptierten den heidnischen Sonntag in einer gewissen Weise, hielten jedoch den wahren Sabbat dem Herrn heilig und beachteten ihn im Gehorsam gegenüber dem vierten Gebot. Der Erzbetrüger hatte sein Ziel nicht erreicht. Er war aber entschlossen, die ganze christliche Welt unter sein Banner zu versammeln und seine Macht durch seinen Statthalter, den stolzen Pontifex [Oberpriester] auszuüben, welcher von sich behauptete, der Stellvertreter Christi zu sein. DGK.42.3 Teilen

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Durch halb bekehrte Heiden, ehrgeizige kirchliche Würdenträger und weltliebende Geistliche erreichte er schließlich seine Absicht. Von Zeit zu Zeit wurden große Kirchenversammlungen [Konzilien] abgehalten, zu denen die geistlichen Würdenträger aus aller Welt zusammenkamen. Auf fast jedem Konzil wurde der von Gott eingesetzte Sabbat mehr und mehr erniedrigt und der Sonntag entsprechend erhöht. So wurde der heidnische Festtag schließlich als göttliche Einrichtung verehrt, während man den biblischen Sabbat als Überbleibsel des Judentums verschrie und alle verfluchte, die ihn feierten. DGK.43.1 Teilen

Dem großen Rebell war es gelungen, sich über „alles, was Gott oder Gottesdienst heißt“ (2.Thessalonicher 2,4), zu erheben. Er hatte es gewagt, das einzige Gebot des göttlichen Gesetzes zu verändern, das deutlich alle Menschen auf den wahren und lebendigen Gott hinweist. Im vierten Gebot gibt Gott sich als Schöpfer des Himmels und der Erde zu erkennen und unterscheidet sich dadurch von allen falschen Göttern. Es war ein Denkmal an das Schöpfungswerk, dass der siebente Tag als Ruhetag für die Menschen heiliggehalten wurde. Er wurde geschaffen, damit die Menschen den lebendigen Gott immer in ihren Gedanken behalten und als Quelle des Heils und Ziel der Anbetung und Verehrung ständig vor Augen haben. Satan ist jedoch bemüht, die Menschen von ihrer Treue zu Gott und dem Gehorsam gegenüber seinem Gesetz wegzulocken. Deshalb richtet er seine Angriffe besonders gegen jenes Gebot, das Gott als den Schöpfer kennzeichnet. DGK.43.2 Teilen

Die Protestanten argumentieren, die Auferstehung Christi am Sonntag erhebe diesen Tag zum Ruhetag der Christen. Hierfür fehlen jedoch die Beweise aus der Heiligen Schrift. Weder Christus noch seine Apostel haben diesen Tag so geehrt. Die Feier des Sonntags als christliche Einrichtung hat ihren Ursprung in jenem „Geheimnis der Bosheit“, das sich schon in der Zeit des Paulus regte. 2.Thessalonicher 2,7. Im Grundtext heißt es: „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“. Wo und wann aber hat der Herr Jesus dieses Kind des Papsttums angenommen? Welcher rechtsgültige Grund kann für eine Veränderung genannt werden, die sich nicht auf die Heilige Schrift gründet? DGK.43.3 Teilen

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Im sechsten Jahrhundert hatte sich das Papsttum bereits fest etabliert. Der Sitz seiner Macht war in der kaiserlichen Stadt aufgerichtet und der Bischof von Rom zum Oberhaupt der ganzen Kirche bestimmt worden. Das Heidentum war dem Papsttum gewichen, der Drache hatte dem Tier „seine Kraft und seinen Thron und große Macht“ gegeben. Offenbarung 13,2. Damit begannen die 1260 Jahre der Unterdrückung der Heiligen, die in der Prophezeiung von Daniel und der Offenbarung vorhergesagt sind. (Siehe Anmerkung 06) — Daniel 7,25; Offenbarung 13,5-7. Die Christen wurden gezwungen entweder ihren Glauben aufzugeben und päpstliche Gebräuche und seinen Gottesdienst zu akzeptieren oder ihr Leben im Kerker langsam aufzugeben oder auf der Folterbank, dem Scheiterhaufen oder durch das Henkerbeil zu sterben. Jetzt erfüllten sich die Worte Jesu: „Ihr werdet aber verraten werden von Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden; und man wird einige von euch töten. Und ihr werdet gehasst sein von jedermann um meines Namens willen.“ Lukas 21,16.17. Die Gläubigen wurden mit größerer Wut als je zuvor verfolgt; und die Welt wurde zu einem ausgedehnten Schlachtfeld. Jahrhundertelang fand Christi Gemeinde Schutz in Abgeschiedenheit und Dunkelheit. So sagt der Prophet: „Und die Frau entfloh in die Wüste, wo sie einen Ort hat, bereitet von Gott, dass sie dort ernährt werde 1260 Tage.“ Offenbarung 12,6. DGK.44.1 Teilen

Der Papst als einziger Mittler, die Ohrenbeichte

Der Aufstieg der römischen Kirche zur Macht kennzeichnet den Beginn des finsteren Mittelalters. Je mächtiger sie wurde, desto tiefer war die Finsternis. Der Glaube wurde von Christus, dem wahren Grund, auf den Papst von Rom übertragen. Statt für die Vergebung der Sünden und das ewige Heil auf den Sohn Gottes zu vertrauen, sah das Volk auf den Papst und auf die von ihm bevollmächtigten Priester und Prälaten. Es wurde gelehrt, dass der Papst der irdische Mittler sei und niemand sich Gott nähern könne, außer durch ihn. Weiter wurde verkündet, dass er für die Menschen Gottes Stelle einnehme und ihm deshalb unbedingt zu gehorchen sei. Schon ein Abweichen von seinen Forderungen genügte, um die Schuldigen mit härtesten Strafen für Leib und Seele zu bestrafen. So wurden die Gemüter des Volkes von Gott weggelenkt und auf fehlerhafte, irrende und grausame Menschen gerichtet; ja, mehr noch auf den Fürsten der Finsternis selbst, der durch diese Menschen seine Macht ausübte. Die Sünde war unter dem Deckmantel der Heiligkeit versteckt. Wenn die Heilige Schrift unterdrückt wird und Menschen sich selbst an die oberste Stelle setzen, können wir nichts anderes erwarten als Betrug, Täuschung und erniedrigende Ungerechtigkeit. Mit der Höherstellung menschlicher Gesetze, Überlieferungen und Verordnungen wurde die Verdorbenheit sichtbar, die stets aus der Ablehnung göttlicher Gebote resultiert. Dies waren Tage der Gefahr für die Gemeinde Christi. Treue Bannerträger gab es wirklich wenige. Obwohl die Wahrheit nicht unbezeugt blieb, schien es doch manchmal, als ob Irrtum und Aberglaube vollständig überhandnehmen wollten und die wahre Religion von der Erde verbannt würde. Man verlor das Evangelium aus den Augen, religiöse Bräuche hingegen gab es immer mehr und die Menschen wurden mit übermäßig harten Forderungen belastet. DGK.44.2 Teilen

Vertrauen auf eigene Werke zur Sühnung von Sünden
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Sie wurden nicht nur gelehrt, den Papst als ihren Mittler zu betrachten, sondern auch zur Sühnung ihrer Sünden auf ihre eigenen Werke zu vertrauen. Lange Pilgerfahrten, Bußübungen, die Anbetung von Reliquien, die Errichtung von Kirchen, Kapellen und Altären, das Bezahlen hoher Geldsummen an die Kirche — diese und viele ähnliche Taten wurden den Menschen auferlegt, um den Zorn Gottes zu besänftigen oder sich seine Gunst zu sichern, als ob Gott, wie ein Mensch, wegen Kleinigkeiten erzürnt oder durch Gaben und Bußübungen zufrieden gestellt werden könnte. DGK.45.1 Teilen

Obwohl die Sünde selbst unter den Führern der römischen Kirche überhandnahm, schien der Einfluss der Kirche dennoch ständig zu wachsen. Etwa Mitte des achten Jahrhunderts erhoben die Verteidiger des Papsttums den Anspruch, dass im ersten Zeitalter der Kirche die Bischöfe von Rom die gleiche geistliche Macht besessen hätten, die sie jetzt für sich beanspruchten. Um diesen Anspruch aber zu geltendem Recht zu machen, musste irgendein Mittel verwendet werden, um ihm den Schein von Autorität zu verleihen. Und dies wurde vom Vater der Lüge bereitwillig inszeniert. Alte Handschriften wurden von Mönchen gefälscht, bis zu der Zeit unbekannte Konzilienbeschlüsse entdeckt, die die allgemeine Oberherrschaft des Papstes von frühesten Zeiten an bestätigten. Und eine Kirche, die die Wahrheit verworfen hatte, nahm diese Fälschungen bereitwillig an. (Siehe Anmerkung 07) DGK.45.2 Teilen

Die wenigen Treuen, die auf den wahren Grund bauten (vgl. 1.Korinther 3,10.11), wurden verwirrt und gehindert, als das Durcheinander falscher Lehren die Verkündigung lähmte. Wie die Bauleute auf den Mauern Jerusalems in den Tagen Nehemias waren einige bereit zu sagen: „Die Kraft der Träger ist zu schwach, und der Schutt ist zu viel; wir können an der Mauer nicht weiterbauen.“ Nehemia 4,4. Zutiefst ermüdet vom ständigen Kampf gegen Verfolgung, Betrug, Ungerechtigkeit und andere Hindernisse, die Satan sich ausdenken konnte, um das Wachstum zu behindern, wurden manch treue Bauleute entmutigt. Sie wandten sich dann vom wahren Grund ab, um des Friedens, der Sicherheit ihres Eigentums und ihres Lebens willen. Andere, unerschrocken trotz des Widerstands ihrer Feinde, erklärten furchtlos: „Fürchtet euch nicht vor ihnen; gedenkt an den großen schrecklichen Herrn und streitet für eure Brüder, Söhne, Töchter, Frauen und Häuser!“ Und entschlossen setzten diese Bauleute ihre Arbeit fort, jeder sein Schwert um seine Lenden gegürtet. Nehemia 4,8; vgl. Epheser 6,17. Der gleiche Geist des Hasses und des Widerstands gegen die Wahrheit hat zu allen Zeiten Gottes Feinde angetrieben, und dieselbe Wachsamkeit und Treue ist seinen Dienern abverlangt worden. Die an die ersten Jünger gerichteten Worte Christi gelten allen seinen Nachfolgern bis ans Ende der Zeit: „Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!“ Markus 13,37. Die Finsternis schien undurchdringlicher zu werden. Die Bilderverehrung breitete sich immer mehr aus. Vor den Bildern wurden Kerzen angezündet und es wurde gebetet. Die widersinnigsten und abergläubigsten Gebräuche nahmen überhand. Die Gemüter der Menschen wurden so völlig vom Aberglauben beherrscht, als habe die Vernunft ihre Macht verloren. Weil Priester und Bischöfe vergnügungssüchtig, sinnlich und verderbt waren, konnte vom Volk nichts anderes erwartet werden, als dass es, aufschauend zu ihnen als geistliche Führer, in Unwissenheit und Laster versank. DGK.45.3 Teilen

Die Vollkommenheit der römischen Kirche
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Ein weiterer Schritt in der päpstlichen Anmaßung war, als im 11. Jahrhundert Papst Gregor VII. die Vollkommenheit der römischen Kirche verkündete. (Siehe Anmerkung 08) In den von ihm veröffentlichten Thesen erklärte er u.a., dass die Kirche nicht geirrt habe und nach der Heiligen Schrift niemals irren werde, aber biblische Beweise stützten diese Behauptung nicht. DGK.46.1 Teilen

Die angemaßte Macht über weltliche Regenten

Der stolze Pontifex beanspruchte auch die Macht, Kaiser absetzen zu können, und erklärte, dass kein von ihm verkündeter Rechtsspruch von irgend jemandem umgestoßen werden könne, während er dagegen berechtigt sei, die Beschlüsse anderer aufzuheben. DGK.46.2 Teilen

Einen schlagenden Beweis seines tyrannischen Charakters lieferte dieser Verteidiger der Unfehlbarkeit in der Behandlung des deutschen Kaisers Heinrich IV. Weil es dieser Fürst gewagt hatte, die Macht des Papstes zu missachten, wurde er in den Kirchenbann getan und für entthront erklärt. Erschreckt über die Untreue und die Drohungen seiner eigenen Fürsten, die in ihrer Empörung gegen ihn durch den päpstlichen Erlass ermutigt wurden, hielt Heinrich es für notwendig, mit Rom Frieden zu schließen. In Begleitung seiner Gemahlin und eines treuen Dieners überschritt er im Winter die Alpen, um sich vor dem Papst zu demütigen. Als er das Schloss Canossa erreichte, wohin Gregor sich zurückgezogen hatte, wurde er ohne seine Leibwache in einen Vorhof geführt, und dort erwartete er in der strengen Kälte des Winters mit unbedecktem Haupt und nackten Füßen, bekleidet mit einem Büßergewand, die Erlaubnis des Papstes, vor ihm erscheinen zu dürfen. Erst nachdem er drei Tage mit Fasten und Beichten zugebracht hatte, ließ sich der Pontifex herab, ihm Verzeihung zu gewähren, und selbst dann geschah es nur unter der Bedingung, dass der Kaiser seine [des Papstes] Genehmigung abwarte, ehe er sich aufs Neue mit dem Zeichen seiner Würde schmücke oder sein Königtum ausübe. Papst Gregor aber, durch seinen Sieg kühn gemacht, prahlte, dass es seine Pflicht sei, den Stolz der Könige zu demütigen. DGK.46.3 Teilen

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Wie auffallend ist der Unterschied zwischen der Überheblichkeit dieses stolzen Pontifex und der Sanftmut und Güte Christi, der sich selbst als der an der Tür des Herzens um Einlass Bittende darstellt, damit er einkehren kann, um Vergebung und Frieden zu bringen, und der seine Jünger lehrt: „Wer da will der Vornehmste sein, der sei euer Knecht.“ Matthäus 20,27. DGK.47.1 Teilen

Die Unsterblichkeit der Seele und ein Bewusstsein nach dem Tode

Die folgenden Jahrhunderte zeugen von einer beständigen Zunahme des Irrtums in den von Rom ausgehenden Lehren. Schon vor Aufrichtung des Papsttums war den Lehren heidnischer Philosophen Aufmerksamkeit geschenkt worden, und sie hatten einen gewissen Einfluss in der Kirche. Viele angeblich Bekehrte hingen noch immer an den Lehrsätzen ihrer heidnischen Philosophie. Sie erforschten diese nicht nur weiter, sondern drängten sie auch andern auf, um ihren Einfluss unter den Heiden zu vermehren. Auf diese Weise wurden gravierende Irrtümer in den christlichen Glauben eingeschleust. An erster Stelle stand dabei der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele des Menschen und an ein Bewusstsein nach dem Tode. DGK.47.2 Teilen

Die Anrufung der Heiligen, die Verehrung Marias und ewige Höllenqual

Auf der Grundlage dieser Lehre führte Rom die Anrufung der Heiligen und die Verehrung der Jungfrau Maria ein. (Siehe Anmerkung 09) Hieraus entstand auch die dem päpstlichen Glauben schon früh hinzugefügte ketzerische Lehre einer ewigen Qual für die bis zuletzt Unbußfertigen. DGK.47.3 Teilen

Das Fegefeuer

Damit war der Weg für eine weitere Erfindung vorbereitet, die Rom das Fegefeuer nannte und nutzte, um der leichtgläubigen und abergläubischen Menge Furcht einzujagen. In dieser Irrlehre wird behauptet, dass es einen Ort der Qual gebe, an dem die Seelen derer, die keine ewige Verdammnis verdient haben, für ihre Sünden bestraft werden. Sobald sie von aller Unreinheit frei sind, werden auch sie in den Himmel aufgenommen. (Siehe Anmerkung 10) DGK.47.4 Teilen

Die Ablasslehre
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Noch eine andere Verfälschung war notwendig, um Rom in die Lage zu versetzen, die Furcht und die Untugenden seiner Anhänger für sich auszunutzen. Diese wurde durch die Ablasslehre erreicht. Volle Vergebung der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Sünden, Erlass aller höllischen Strafen und Qualen wurde all denen zugesichert, die sich an den Kriegen des Papsttums beteiligten, sei es, um seine weltliche Herrschaft zu erweitern, seine Feinde zu bestrafen oder jene zu vertilgen, die es wagten, seine geistliche Oberherrschaft nicht anzuerkennen. Es wurde auch gelehrt, dass man sich durch Zahlungen an die Kirche von Sünden nicht nur befreien konnte, sondern auch die Seelen verstorbener Freunde erlösen könne, die in den peinigenden Flammen gefangen gehalten würden. So füllte Rom seine Kassen und unterhielt den Prunk, das Wohlleben und die Laster der angeblichen Vertreter dessen, der nicht hatte, wo er sein Haupt hinlege. (Siehe Anmerkung 11) DGK.48.1 Teilen

Das Messopfer — Die Eucharistie

Das nach der Heiligen Schrift angeordnete Abendmahl war durch die abgöttische Heiligung der Messe verdrängt worden. In ihrem sinnlosen Täuschungsspiel gaben die päpstlichen Priester vor, gewöhnliches Brot und Wein in den persönlichen Leib und das wirkliche Blut Christi verwandeln zu können. Mit gotteslästerlicher Einbildung beanspruchten sie öffentlich die Macht zu haben, Gott „zu erschaffen“, den Schöpfer aller Dinge. (Siehe Anmerkung 12) Von den Christen wurde bei Todesstrafe verlangt, ihren Glauben an diese entsetzliche, den Himmel lästernde Lehre zu bekennen. Scharenweise wurden solche, die sich weigerten, den Flammen übergeben. DGK.48.2 Teilen

Die Inquisition

Im 13. Jahrhundert wurde das grausamste aller Werkzeuge des Papsttums eingeführt — die Inquisition. (Siehe Anmerkung 13) Der Fürst der Finsternis arbeitete mit den Würdenträgern der päpstlichen Hierarchie zusammen. In ihren geheimen Konzilien beherrschten Satan und seine Engel die Gemüter von bösen Menschen, während ein Engel Gottes unsichtbar in ihrer Mitte stand und den furchtbaren Bericht ihrer ungerechten, gottlosen Verordnungen aufnahm und die Geschichte ihrer Taten niederschrieb, die zu scheußlich sind, um sie menschlichen Wesen mitzuteilen. „Babylon die Große“ war „trunken von dem Blut der Heiligen“. Die verstümmelten Körper von Millionen Märtyrer schrien zu Gott um Vergeltung gegen jene abtrünnige Macht. Das Papsttum war zum Schreckensherrscher der Welt geworden. Könige und Kaiser beugten sich den Erlassen des römischen Pontifex. Das Schicksal der Menschen schien für Zeit und Ewigkeit von ihm abhängig zu sein. Jahrhundertelang wurden die Lehren Roms weitgehend und streng angenommen, seine Zeremonien ehrfurchtsvoll vollzogen, seine Feste allgemein beachtet. Seine Geistlichkeit wurde geehrt und freigiebig unterstützt. Nie hat die römische Kirche größere Würde, Herrlichkeit oder Macht erlangt. DGK.48.3 Teilen

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Die Glanzzeit des Papsttums war für die Welt eine Zeit tiefster Finsternis. Die Heilige Schrift war nicht nur dem Volk, sondern auch den Priestern nahezu unbekannt. Wie früher die Pharisäer, so hassten die päpstlichen Würdenträger das Licht, das ihre Sünden aufdecken würde. Da sie Gottes Gesetz, die Grundlage für Gerechtigkeit, beiseite gesetzt hatten, übten sie ohne Einschränkung ihre Gewalt aus und fielen in moralische Verderbtheit. Betrug, Habsucht und Verschwendung waren üblich. Die Menschen schreckten vor keiner Gewalttat zurück, wenn sie dadurch Reichtum oder Ansehen gewinnen konnten. Die Paläste der Päpste und Prälaten waren Schauplatz der niederträchtigsten Ausschweifungen. Manche der regierenden Päpste waren solch abscheulicher Verbrechen schuldig, dass weltliche Herrscher versuchten diese Würdenträger der Kirche, diese Ungeheuer, zu gemein, um geduldet zu werden, ihres Amtes zu entheben. Jahrhundertelang machte Europa auf wissenschaftlichem, kulturellem oder auf privatem Gebiet keine Fortschritte. Das Christentum war sittlich und geistlich gelähmt. DGK.49.1 Teilen

Der Zustand der Welt unter Roms Herrschaft zeigt deutlich die furchtbare und genaue Erfüllung der Worte des Propheten Hosea: „Mein Volk ist dahin, darum dass es nicht lernen will. Denn du verwirfst Gottes Wort; darum will ich dich auch verwerfen ... Du vergisst das Gesetz deines Gottes; darum will ich auch deine Kinder vergessen.“ „Es ist keine Treue, keine Liebe, keine Erkenntnis Gottes im Lande; sondern Gotteslästern, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen hat überhandgenommen und eine Blutschuld kommt nach der andern.“ Hosea 4,6.1.2. Das waren die Folgen, welche aus der Verbannung des Wortes Gottes resultierten. DGK.49.2 Teilen

In der Bibel vorausgesagt

Und er wird [freche] Reden gegen den Höchsten führen und die Heiligen des Allerhöchsten aufreiben, und er wird danach trachten, Zeiten und Gesetz zu ändern; und sie werden in seine Gewalt gegeben für eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit Daniel7,25 Schlachter2000 Und der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin, um Krieg zu führen mit den Übrigen von ihrem Samen, welche die Gebote Gottes befolgen und das Zeugnis Jesu Christi haben. Offenbarung 12,17 (Schlachter 2000). So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch zu Aufsehern gesetzt hat, um die Gemeinde Gottes zu hüten, die er durch sein eigenes Blut erworben hat! Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied räuberische Wölfe zu euch hineinkommen werden, die die Herde nicht schonen; und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen in ihre Gefolgschaft. Apostelgeschichte 20, 28-31 (Schlachter 2000). DGK.49.3 Teilen

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