Portrait von Ellen White
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Kapitel 80: In Josephs Grab
Kapitel 80: In Josephs Grab
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Auf der Grundlage von Matthäus 27,60. DM.618 Teilen

Nun ruhte Jesus endlich: Der lange Tag der Schmach und Qual war vorüber Als die letzten Strahlen der untergehenden Sonne den Sabbat ankündigten, lag der Heiland still in Josephs Grab. Seine Aufgabe war vollbracht, Seine Hände friedlich ineinander gefaltet, so ruhte Er während der heiligen Stunden des Sabbats. DM.618.1 Teilen

Bei der Schöpfung hatten Vater und Sohn am Sabbat von ihren Werken ausgeruht. Als „Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer“ (1.Mose 2,1) vollendet waren, freute sich der Schöpfer mit allen himmlischen Wesen beim Anblick jenes herrlichen Bildes. „Die Morgensterne ... jauchzten [miteinander] und alle Söhne Gottes jubelten“. Hiob 38,7. Jetzt ruhte Jesus aus von dem Erlösungsgeschehen, und trotz der Trauer derer, die Ihn auf Erden liebten, herrschte Freude im Himmel. In den Augen der himmlischen Wesen erschien die Verheißung der Zukunft in strahlendem Glanz. Eine wiederhergestellte Schöpfung, ein erlöstes Menschengeschlecht, das niemals wieder fallen konnte, weil es die Sünde überwunden hatte — so sahen Gott und die Engel die Früchte des von Christus vollbrachten Erlösungswerkes. Mit dieser frohen Aussicht ist Jesu Sterbetag auf Golgatha für immer verknüpft, denn „seine Werke sind vollkommen“ (5.Mose 32,4) und „alles, was Gott tut, das besteht für ewig“. Prediger 3,14. DM.618.2 Teilen

Auch noch zu der Zeit, da „wiedergebracht wird, wovon Gott geredet hat durch den Mund Seiner heiligen Propheten von Anbeginn“ (Apostelgeschichte 3,21) wird der Schöpfungssabbat, der Tag, an dem Jesus in Josephs Grab ruhte, ein Tag des Friedens und der Freude sein. Himmel und Erde werden vereint Gott loben, während die Völker der Geretteten „einen Sabbat nach dem andern“ (Jesaja 66,23) Gott und das Lamm anbeten werden. DM.618.3 Teilen

Während der Schlussereignisse am Tag der Kreuzigung wurde ein neuer Beweis für die Erfüllung der Weissagung erbracht und ein neues Zeugnis für die Gottheit Jesu gegeben. Als sich die Dunkelheit am Kreuz wieder aufgelöst hatte und der Sterberuf Jesu verklungen war, hörte man unmittelbar darauf eine Stimme sagen: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen!“ Matthäus 27,54. Diese Worte wurden keineswegs flüsternd gesprochen. Aller Augen wandten sich um und versuchten zu erkennen, woher sie kamen. Wer hatte das gesagt? Es war der Hauptmann, ein römischer Soldat. Die göttliche Geduld des Heilandes, Sein plötzlicher Tod, der Siegesruf auf Seinen Lippen, hatte den Heiden sehr beeindruckt. Er erkannte in dem verwundeten, zerschlagenen Körper am Kreuz die Gestalt des Sohnes Gottes. Er konnte nicht anders, er musste seinen Glauben bekennen! So wurde wiederum ein Beweis dafür gegeben, dass das Ringen des Erlösers nicht erfolglos war. An Seinem Todestag bekannten sich drei sehr unterschiedlich geartete Männer zu ihrem Heiland: der Befehlshaber der römischen Wache; Simon, der Träger des Kreuzes Jesu und der Übeltäter am Kreuz. DM.618.4 Teilen

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Als der Abend hereinbrach, lag eine unnatürliche Stille über Golgatha. Die Menschen zerstreuten sich, viele kehrten nach Jerusalem ganz anders gesinnt zurück, als sie es morgens verlassen hatten. Viele waren aus Neugierde zur Kreuzigung gekommen und nicht aus Hass gegen Christus, doch sie glaubten den Anschuldigungen der Priester und sahen in Jesus Christus einen Übeltäter. Von der Erregung der Masse angestachelt, hatten sie in die Schmährufe gegen Ihn mit eingestimmt. Als sich aber die Erde plötzlich in dichte Finsternis hüllte und ihr Gewissen sie hart anklagte, sahen sie ihr Unrecht ein. Während dieser schrecklichen Finsternis hörte man keinerlei Scherze oder spöttisches Gelächter mehr, und als sich das Dunkel lichtete, gingen sie in ernstem Schweigen wieder nach Hause. Sie waren davon überzeugt, dass die Beschuldigungen der Priester falsch waren, dass Jesus kein Betrüger war. Als Petrus einige Wochen danach am Pfingsttag predigte, befanden auch sie sich unter den Tausenden, die an Jesus Christus gläubig wurden. DM.619.1 Teilen

Die Obersten der Juden aber blieben von dem Erlebten unberührt. Ihr Hass auf Jesus hatte nicht nachgelassen. Die Dunkelheit, die während der Kreuzigung die Erde überzogen hatte, war nicht dichter gewesen als die geistliche Finsternis, die noch immer die Sinne der Priester und Obersten umgab. Ein Stern hatte Christi Geburt verkündet und die Weisen zum Stall geführt, in dem Jesus lag. Die himmlischen Heerscharen hatten den Heiland verkündet und Ihm über den Feldern von Bethlehem Lob und Preis gesungen. Dem Meer war Seine Stimme vertraut gewesen, und es hatte Seinem Gebot gehorcht. Krankheit und Tod hatten Seine Vollmacht anerkannt und Ihm ihre Opfer ausgeliefert. Die Sonne hatte beim Anblick Seines Todeskampfes ihre Strahlen verborgen; die Felsen hatten Ihn gekannt und waren bei Seinem Todeskampf zersplittert. Die unbelebte Natur hatte Christi Göttlichkeit deutlich bezeugt. Nur die Priester und Obersten in Israel verschlossen sich weiterhin dem Sohn Gottes. Doch Ruhe fanden sie nicht. Sie hatten ihre Absicht erreicht und Jesus getötet, aber sie konnten ihres Sieges nicht froh werden. Selbst in der Stunde ihres augenscheinlichen Triumphes wurden sie von Zweifeln beunruhigt, was als Nächstes geschehen werde. Sie hatten Jesu Ruf: „Es ist vollbracht!“ Johannes 19,30. sowie Seine Worte: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lukas 23,46) gehört. Zudem hatten sie gesehen, wie die Felsen zersprangen, und erlebt, wie die Erde bebte. Dies alles machte sie unruhig und ängstlich. Sie waren auf den Einfluss des Herrn eifersüchtig gewesen, den Er auf das Volk ausübte, als Er noch lebte. Nun waren sie es sogar auf Ihn als er tot war. Sie fürchteten den toten Christus weit mehr, als sie den lebenden je gefürchtet hatten. Sie waren besorgt, dass sich die Aufmerksamkeit des Volkes weiterhin auf die Ereignisse richten würde, die während der Kreuzigung geschahen. Sie hatten Angst vor den Folgen ihres Handelns an jenem Tag. Keinesfalls sollte darum Jesu Körper während des Sabbats am Kreuz bleiben. Der Sabbat stand bevor, und die Heiligkeit dieses Tages würde durch die am Kreuz verbleibenden Körper verletzt werden. Dies als Vorwand benutzend, baten die jüdischen Obersten Pilatus, den Todeskampf der Verurteilten abzukürzen und ihre Leiber noch vor Sonnenuntergang vom Kreuz zu nehmen. Pilatus wollte ebenso wenig wie sie Jesus am Kreuz hängen lassen. Mit seiner Zustimmung wurden den beiden Übeltätern die Beine gebrochen, um ihren Tod zu beschleunigen, doch Jesus war bereits gestorben. Die Soldaten waren durch das, was sie von Jesus gesehen und gehört hatten, mild gestimmt worden, und verzichteten darauf, Ihm die Beine zu brechen. So erfüllte sich in der Opferung des Gotteslammes das Passahgesetz: „Sie sollen nichts davon übrig lassen bis zum Morgen, auch keinen Knochen davon zerbrechen und sollen‘s ganz nach der Ordnung des Passah halten.“ 4.Mose 9,12. DM.619.2 Teilen

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Die Priester und Obersten waren überrascht, dass Jesus schon gestorben war. Der Kreuzestod bedeutete ein sehr langsames Sterben, und es war schwer festzustellen, wann das Herz des Gekreuzigten aufgehört hatte zu schlagen. Es war ungewöhnlich, wenn jemand innerhalb 6 Stunden nach der Kreuzigung starb. Die Priester aber wollten Gewissheit über den Tod Jesu haben, und auf ihre Veranlassung stieß ein Kriegsknecht einen Speer in die Seite Jesu. Aus der so entstandenen Wunde flossen Wasser und Blut. Das wurde von allen festgestellt, die das Kreuz umstanden, und Johannes vermittelt dieses Geschehen sehr genau: „Einer der Soldaten stieß mit dem Speer in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus. Und der das gesehen hat, der hat es bezeugt, und sein Zeugnis ist wahr, und er weiß, dass er die Wahrheit sagt, damit auch ihr glaubt. Denn das ist geschehen, dass die Schrift erfüllt würde: ‚Ihr sollt ihm kein Bein brechen.‘ Und abermals spricht die Schrift: ‚Sie werden sehen auf den, in welchen sie gestochen haben.‘“ Johannes 19,34-37; 2.Mose 12,46; Sacharja 12,10. DM.620.1 Teilen

Nach der Auferstehung verbreiteten die Priester und Obersten das Gerücht, Christus sei nicht am Kreuz gestorben, sondern nur ohnmächtig eworden und man habe Ihn später wiederbelebt. Auch wurde behauptet, dass nicht ein wirklicher Leib aus Fleisch und Knochen, sondern ein nachgeahmter Körper ins Grab gelegt worden sei. Die Handlung der römischen Soldaten aber widerlegte diese Lügen. Sie brachen Seine Beine nicht, weil Er bereits gestorben war. Nur um die Priester zufriedenzustellen, stießen sie in Seine Seite. Wäre Jesu Leben nicht schon erloschen gewesen, so hätte diese Wunde Seinen Tod herbeigeführt. Aber es war nicht der Stich mit dem Speer und auch nicht die Schmerzen am Kreuz, die den Tod Jesu hervorriefen. Sein lauter Schrei im Augenblick des Sterbens (Matthäus 27,50; Lukas 23,46) und das Heraustreten von Wasser und Blut aus Seiner Seite beweisen, dass Er an gebrochenem Herzen starb. Seelenqual war die Ursache. Die Sünde der Welt hat Ihn getötet. DM.620.2 Teilen

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Mit dem Tod Jesu schwanden die Hoffnungen der Jünger. Sie schauten auf Seine geschlossenen Augenlider und auf das geneigte Haupt, auf Sein mit Blut getränktes Haar, Seine durchbohrten Hände und Füße, und ihr Schmerz war unbeschreiblich. Bis zu dem letzten Augenblick hatten sie nicht geglaubt, dass Er sterben würde. Sie konnten es nicht fassen, dass ihr Heiland wirklich tot war. In ihrem Kummer dachten sie nicht an Seine Worte, die gerade dieses Geschehen vorhergesagt hatten. Nichts von alledem, was Er ihnen mitgeteilt hatte, konnte sie trösten. Sie sahen nur das Kreuz und das blutende Opfer. Die Zukunft schien ihnen von Hoffnungslosigkeit verdunkelt. Ihr Glaube an Jesus war verlorengegangen, und doch hatten sie den Herrn nie mehr geliebt als jetzt. Nie zuvor hatten sie Seine Bedeutung und die Notwendigkeit Seiner Gegenwart stärker empfunden als in diesen Stunden. DM.621.1 Teilen

Sogar der tote Leib Christi war den Jüngern überaus kostbar. Sie wollten Ihm gern ein würdiges Begräbnis geben, nur wussten sie nicht, wie sie dies ausführen sollten. Jesus war wegen Verrats an der römischen Macht verurteilt worden. Wer auf Grund einer solchen Anklage hingerichtet worden war, den schaffte man auf einen speziell für diese Verbrecher angelegten Begräbnisplatz. Der Jünger Johannes war mit den Frauen aus Galiläa an der Kreuzigungsstätte geblieben. Sie wollten den Leib ihres Herrn nicht in den Händen gefühlloser Soldaten und in einem unehrenhaften Grab wissen. Doch sie konnten es nicht verhindern, da sie kein Verständnis von den jüdischen Obersten erwarten durften und auch keinen Einfluss auf Pilatus hatten. In dieser Notlage kamen Joseph von Arimathia und Nikodemus den Jüngern zu Hilfe. Beide waren Mitglieder des Sanhedrin und mit Pilatus gut bekannt, dazu waren sie reich und besaßen großen Einfluss. Diese Männer waren entschlossen, dem Leib des Herrn ein ehrenhaftes Begräbnis zu geben. Joseph ging kurzentschlossen zu Pilatus und bat ihn um den Leichnam Jesu. Jetzt erst erfuhr Pilatus, dass Jesus wirklich tot war. Widerspruchsvolle Berichte über die Begleiterscheinungen während der Kreuzigung hatte er schon gehört, doch die Kunde vom Tod Jesu war ihm absichtlich verheimlicht worden. Die Priester und Obersten hatten ihn bereits in Bezug auf den Leichnam Jesu vor einem Betrugsversuch der Anhänger Jesu gewarnt. Als er von Josephs Bitte hörte, ließ er deshalb den Hauptmann kommen, der die Wache am Kreuz hatte, und erhielt von ihm die Gewissheit des Todes Jesu. Er ließ sich von ihm auch einen Bericht über die Geschehnisse auf Golgatha geben, der Josephs Darstellung bestätigte. DM.621.2 Teilen

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Die Bitte Josephs wurde gewährt. Während sich Johannes noch um das Begräbnis seines Meisters sorgte, kehrte Joseph mit der von Pilatus getroffenen Anordnung zurück, den Leichnam Jesu vom Kreuz zu nehmen. Nikodemus beschaffte darauf eine wertvolle, hundert Pfund schwere Mischung von Myrrhe und Aloe zum Einbalsamieren. Dem Angesehensten in ganz Jerusalem hätte zu Seinem Tod keine größere Ehre erwiesen werden können. Die Jünger waren erstaunt, dass jene begüterten Obersten dem Begräbnis ihres Herrn dieselbe Anteilnahme entgegenbrachten wie sie selbst. DM.622.1 Teilen

Weder Joseph von Arimathia noch Nikodemus hatten sich öffentlich zum Heiland bekannt, als Er noch lebte. Sie wussten, ein solcher Schritt würde sie vom Hohen Rat ausschließen. Außerdem hofften sie, Ihn durch ihren Einfluss in den Beratungen schützen zu können. Eine Zeitlang schienen sie auch Erfolg gehabt zu haben, aber die verschlagenen Priester hatten bald die Schutzmaßnahmen der beiden Ratsmitglieder vereitelt, als sie deren Bewunderung für Christus erkannten. In ihrer Abwesenheit wurde Jesus verurteilt und dem Kreuzestod übergeben. Jetzt, da Jesus gestorben war, verbargen sie nicht länger ihre Zuneigung zu Ihm. Während die Jünger zu furchtsam waren, um sich öffentlich als Seine Nachfolger zu bekennen, traten Joseph und Nikodemus mutig hervor, um ihnen zu helfen. Die Hilfe dieser beiden wohlhabenden und hochgeachteten Männer war in dieser Stunde äußerst wertvoll. Sie konnten für den toten Meister das tun, was den armen Jüngern unmöglich gewesen wäre. Ihr Reichtum und Einfluss schützte die Jünger auch weitgehend vor der Bosheit der Priester und Obersten. Vorsichtig und ehrerbietig nahmen sie Jesu Leichnam eigenhändig vom Kreuz ab. Tränen des Mitleids schossen ihnen in die Augen, als sie Seinen geschlagenen und verwundeten Körper betrachteten. Joseph besaß ein neues, in einen Felsen gehauenes Grab. Er hatte es für sich selbst bestimmt. Da es aber nahe bei Golgatha gelegen war, bereitete er es nun für die Aufnahme des Leichnams Jesu vor. Dann wurde Jesu Leib zusammen mit den Spezereien, die Nikodemus mitgebracht hatte, sorgfältig in ein Leinentuch eingeschlagen und zum Grab getragen. Dort streckten die drei Jünger Seine verkrümmten Glieder und falteten die zerstochenen Hände auf Seiner Brust. Die Frauen aus Galiläa kamen, um sich davon zu überzeugen, dass alles getan worden war, was für den Leichnam ihres geliebten Lehrers gemacht werden konnte. Dann sahen sie, wie ein schwerer Stein vor den Eingang des Grabgewölbes gewälzt und der Heiland der Ruhe überlassen wurde. Die Frauen waren die letzten am Kreuz gewesen, und sie waren auch die letzten am Grab Christi. Die Abendschatten hatten sich schon auf das Land gesenkt, da weilten sie immer noch an der Ruhestätte ihres Herrn und beweinten in bitteren Tränen das Schicksal dessen, den sie liebten. „Sie kehrten aber um ... Und den Sabbat über ruhten sie nach dem Gesetz.“ Lukas 23,56. DM.622.2 Teilen

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Diesen Sabbat konnten weder die trauernden Jünger noch die Priester, Obersten, Schriftgelehrten und das Volk jemals vergessen. Bei Sonnenuntergang erschallten am Rüsttag die Trompeten, die den Beginn des Sabbats ankündigten. Das Passah wurde gefeiert wie seit Jahrhunderten, während der, auf den es hinwies, von ruchlosen Händen getötet worden war und in Josephs Grab lag. Am Sabbat war der Tempelhof mit Gläubigen gefüllt; der Hohepriester, der auf Golgatha Christus verspottet hatte, war prächtig geschmückt in seinen priesterlichen Gewändern. Priester mit weißen Turbanen gingen eifrig ihren Aufgaben nach. Doch manche der Anwesenden fühlten sich beunruhigt, als die Stiere und Ziegen als Sündopfer dargebracht wurden. Sie erkannten zwar nicht, dass das Wesen bereits den Schatten aufgehoben hatte, dass ein ewiges Opfer für die Sünden der Welt dargebracht worden war. Auch wussten sie nicht, dass ihr sinnbildlicher Gottesdienst allen weiteren Wert verloren hatte — doch nie zuvor hatten die Menschen einem solchen Gottesdienst mit derart widerstreitenden Gefühlen beigewohnt. Die Posaunen, die Musikinstrumente und die Stimmen der Sänger klangen so laut und klar wie immer. Jedoch lag ein seltsam fremder Hauch über allem. Einer nach dem andern fragte, welches sonderbare Ereignis stattgefunden habe. Das Allerheiligste, das bisher geschützt war, lag offen vor aller Augen. Der schwere Vorhang, aus reinem Leinen gewebt und mit Gold, Purpur und Scharlach prächtig durchwirkt, war von oben bis unten zerrissen. DM.623.1 Teilen

Der Platz, an dem Gott dem Hohepriester gegenübertrat, um seine Herrlichkeit mitzuteilen, der Ort, der bisher Gottes heiliger Audienzraum gewesen war, lag vor aller Augen offen da — er war eine Stätte, die der Herr nicht länger anerkannte. Mit dunklen Vorahnungen dienten die Priester am Altar. Die Entschleierung des göttlichen Geheimnisses im Allerheiligsten erfüllte sie mit Angst vor einem kommenden Unheil. DM.623.2 Teilen

Die Gedanken vieler Menschen waren noch mit den Vorgängen auf Golgatha beschäftigt. Von der Kreuzigung bis zur Auferstehung durchforschten viele schlaflose Augen beständig die Weissagungen der heiligen Schriften. Einige wollten sich der vollen Bedeutung des Passahfestes vergewissern. Andere wollten feststellen, dass Jesus nicht der war, für den Er sich ausgegeben hatte. Wieder andere suchten mit trauerndem Herzen nach Beweisen, dass Jesus der wahre Messias war. Obwohl sie mit verschiedenen Zielsetzungen die heiligen Schriften durchforschten, wurden sie doch alle von einer Wahrheit überzeugt, dass sich die Prophezeiung in den Ereignissen der letzten Tage erfüllt hatte und dass der Gekreuzigte der Erlöser der Welt war. Viele, die diesem Gottesdienst beiwohnten, haben niemals wieder am Passahfest teilgenommen. Sogar viele Priester wurden von dem edlen Charakter Jesu überzeugt. Ihr Suchen in den Schriften war nicht vergeblich gewesen und nach Jesu Auferstehung anerkannten sie Ihn als den Sohn Gottes. DM.623.3 Teilen

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Als Nikodemus Jesus am Kreuz erhöht sah, erinnerte er sich an die Worte, welche Jesus in jener Nacht am Ölberg gesprochen hatte: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ Johannes 3,14.15. DM.624.1 Teilen

An jenem Sabbat, als Jesus im Grab ruhte, hatte Nikodemus Gelegenheit, über diese Worte nachzudenken. Ein helleres Licht erleuchtete jetzt seinen Verstand, und Jesu Worte blieben ihm nicht mehr länger geheimnisvoll. Er fühlte, dass er vieles versäumt hatte, weil er nicht schon zu dessen Lebzeiten mit Jesus in Verbindung getreten war. Jetzt erinnerte er sich an die Ereignisse auf Golgatha. Jesu Gebet für Seine Mörder und Seine Antwort auf die Bitte des sterbenden Übeltäters gingen dem gelehrten Ratsmitglied zu Herzen. Vor seinem inneren Auge erblickte er noch einmal den sterbenden Heiland und wieder hörte er jenen letzten Aufschrei, wie aus dem Mund eines siegreichen Eroberers: „Es ist vollbracht!“ Johannes 19,30. DM.624.2 Teilen

Erneut sah er die taumelnde Erde, den verfinsterten Himmel, den zerrissenen Vorhang, die erbebenden Felsen — und sein Glaube war für immer gegründet. Gerade das Geschehen, das die Hoffnungen der Jünger vernichtete, überzeugte Joseph und Nikodemus von der Gottheit Jesu. Ihre Ängste wurden durch den Mut eines festen, unerschütterlichen Glaubens überwunden. DM.624.3 Teilen

Nie hatte Christus so sehr die Aufmerksamkeit der Menge erregt wie jetzt, da Er im Grab ruhte. Nach ihrer Gewohnheit brachte das Volk seine Kranken und Leidenden in die Höfe des Tempels und fragte: Wer kann uns sagen, wo Jesus von Nazareth ist? Viele waren von weit her gekommen, um den zu sehen, der Kranke geheilt und Tote auferweckt hatte. Von allen Seiten erscholl der Ruf: Wir wollen zu Christus, dem großen Arzt! Bei dieser Gelegenheit wurden alle jene von den Priestern untersucht, bei denen man Symptome von Lepra festzustellen glaubte. Viele mussten mit anhören, wie ihre Männer, Frauen oder Kinder als aussätzig erklärt wurden. Diese Armen mussten daraufhin ihre Heime verlassen, auf die Fürsorge seitens ihrer Freunde verzichten und jeden Fremdling mit dem traurigen Ruf: „Unrein, unrein!“ davor warnen, sich ihnen zu nähern. Jesu gütige Hände hatten sich nie geweigert, die ekelerregenden Leprakranken mit heilender Kraft zu berühren. Jetzt lagen sie gefaltet auf Seiner Brust. Seine Lippen, die der aussätzigen Bitten mit den tröstlichen Worten beantwortet hatten: „Ich will‘s tun; sei rein!“ (Matthäus 8,3), waren nun verstummt. DM.624.4 Teilen

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Viele Menschen flehten die Hohepriester und Obersten an, Mitleid mit ihnen zu haben und ihnen zu helfen, aber vergeblich. Sie wollten den lebenden Christus wieder in ihrer Mitte haben. Mit beharrlichem Ernst fragten sie nach Ihm und ließen sich nicht abweisen. Deshalb vertrieb man sie aus den Tempelhöfen. Soldaten bewachten die Tore. Sie sollten das Volk zurückhalten, das mit den Kranken und Sterbenden kam und Einlass begehrte. DM.625.1 Teilen

Die Kranken, die gekommen waren, um vom Heiland geheilt zu werden, wurden bitter enttäuscht. Die Straßen füllten sich mit Klagenden. Leidende starben, weil sie von Jesu heilender Hand nicht berührt werden konnten. Ärzte fragte man vergeblich um Rat. Keiner besaß die Fähigkeit des Mannes, der nun in Josephs Grab lag. Das Wehklagen der Leidenden machte Tausenden von Menschen bewusst, dass in der Welt ein großes Licht erloschen war. Ohne Christus war es dunkel und finster auf der Erde. Viele, die den Ruf: „Kreuzige, kreuzige ihn!“ mit ihren Stimmen verstärkt hatten, erkannten jetzt, welches Unglück sie getroffen hatte. Am liebsten hätten sie jetzt — wenn der Heiland noch gelebt hätte — genauso laut gerufen: Gebt uns Jesus! DM.625.2 Teilen

Als bekannt wurde, dass Jesus auf Anstiften der Priester getötet worden war, erfragte man Näheres über Sein Sterben. Die Einzelheiten über Sein Verhör hielt man so geheim wie möglich, doch während Er im Grab ruhte, war Sein Name auf Tausenden von Lippen, und Berichte von dem Scheinverhör Jesu und von der unmenschlichen Haltung der Priester und Obersten machten überall die Runde. Menschen von Verstand und Urteilskraft forderten von den Priestern und Obersten eine klare Auslegung der Weissagungen vom Messias im Alten Testament. Während diese als Antwort Lügen zu ersinnen versuchten, gebärdeten sie sich wie Geistesgestörte. Sie konnten die Weissagungen, die sich auf Christi Leiden und Sterben bezogen, nicht erklären, und viele Fragesteller wurden davon überzeugt, dass sich die Schrift erfüllt hatte. Die Rache, die die Priester sich so süß gedacht hatten, wurde ihnen immer mehr zur Bitterkeit. Sie wussten, dass sie schweren Vorwürfen des Volkes ausgesetzt sein würden und dass jetzt gerade diejenigen, die sie gegen Jesus beeinflusst hatten, über ihr schandbares Werk entsetzt waren. Die Priester hatten versucht, Jesus als Betrüger darzustellen, aber es war vergeblich gewesen. Einige von ihnen hatten am Grab von Lazarus gestanden und den Toten ins Leben zurückkehren sehen. Sie zitterten vor Furcht, dass Jesus sich selbst ins Leben zurückrufen könnte und wieder vor ihnen erscheinen würde, hatten sie Ihn doch sagen hören, dass Er Macht habe, Sein Leben zu lassen und es wiederzunehmen. Sie dachten auch daran, dass Er gesagt hatte: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten.“ Johannes 2,19. DM.625.3 Teilen

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Von Judas waren ihnen Jesu Worte wiederholt worden, die Er auf der letzten Reise nach Jerusalem zu Seinen Jüngern gesprochen hatte: „Siehe, wir ziehen hinauf nach Jerusalem, und der Menschensohn wird den Hohepriestern und Schriftgelehrten überantwortet werden; und sie werden Ihn zum Tode verurteilen und werden Ihn den Heiden überantworten, damit sie Ihn verspotten und geißeln und kreuzigen, und am dritten Tage wird Er auferstehen.“ Matthäus 20,18.19. DM.626.1 Teilen

Über diese Worte hatten sie damals gespottet und gelacht. Doch jetzt fiel ihnen auf, dass sich Jesu Vorhersagen bisher stets erfüllt hatten. Er hatte gesagt, Er würde am dritten Tage auferstehen, und wer wollte behaupten, dass sich das nicht auch erfüllen würde? Sie versuchten zwar, diese Gedanken zu verbannen, aber es ging nicht. Wie ihr Vater, der Teufel, glaubten sie und zitterten. DM.626.2 Teilen

Nachdem nun die heftige Erregung gewichen war, drängte sich Jesu Bild den Priestern immer stärker auf. Sie sahen Ihn, wie Er gelassen und ohne zu klagen vor Seinen Feinden stand und den Beschimpfungen und Misshandlungen wortlos standhielt. Alle Phasen des Verhörs und der Kreuzigung zogen in Gedanken noch einmal an ihnen vorüber und brachten sie unwiderstehlich zu der Überzeugung, dass Jesus der Sohn Gottes war. Sie fühlten, dass Er zu irgendeiner Zeit wieder vor ihnen stehen könne, nicht mehr als Angeklagter, sondern als Ankläger, als Richter und nicht mehr als Gerichteter. Der Ermordete würde Gerechtigkeit durch die Vernichtung Seiner Mörder fordern. DM.626.3 Teilen

Die Priester konnten an diesem Sabbat nur wenig Ruhe finden. Obwohl sie die Schwelle eines heidnischen Hauses aus Angst vor Verunreinigung nicht überschreiten würden, kamen sie doch zusammen, um sich über den Leichnam Jesu zu beraten. Tod und Grab durften den nicht wieder hergeben, den sie gekreuzigt hatten. „Am nächsten Tag ... kamen die Hohepriester und Pharisäer zu Pilatus und sprachen: Herr, wir haben daran gedacht, dass dieser Verführer sprach, als Er noch lebte: Ich will nach drei Tagen auferstehen. Darum befiehl, dass man das Grab bewache bis zum dritten Tag, damit nicht Seine Jünger kommen und Ihn stehlen und zum Volk sagen: Er ist auferstanden von den Toten, und der letzte Betrug ärger wird als der erste. Pilatus sprach zu ihnen: Da habt ihr die Wache; geht hin und bewacht es, so gut ihr könnt.“ Matthäus 27,62-65. DM.626.4 Teilen

Die Priester gaben alle Anweisungen zur Sicherung des Grabes. Ein großer Stein war vor den Eingang gewälzt worden. Über diesen zogen sie Schnüre, befestigten die Enden an dem massiven Felsen und versiegelten sie mit dem römischen Siegel. Der Stein konnte also nicht beseitigt werden, ohne das Siegel zu verletzen. Eine Wache von 100 Soldaten wurde dann um das Grab aufgestellt, um es vor Unberufenen zu schützen. Die Priester taten alles, was sie konnten, damit Christi Leichnam dort bliebe, wo Er hingelegt worden war. Der Tote wurde so gesichert, als sollte Er bis in alle Ewigkeit im Grab ruhen. DM.626.5 Teilen

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So berieten und planten schwache Menschen. Wie wenig erkannten diese Mörder die Zwecklosigkeit ihrer Bemühungen! Doch durch ihre Tat wurde Gott verherrlicht, denn gerade die Anstrengungen, die gemacht wurden, um Christi Auferstehung zu verhindern, mussten die überzeugendsten Beweise liefern. Je mehr Soldaten das Grab bewachten, desto stärker würde das Zeugnis Seiner Auferstehung sein. Jahrhunderte vor Christi Tod hatte die Heilige Schrift durch den Psalmisten erklärt: „Warum toben die Heiden und murren die Völker so vergeblich? Die Könige der Erde lehnen sich auf, und die Herren halten Rat miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten ..., aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer.“ Psalm 2,1.2.4. Römische Soldaten und römische Waffen waren machtlos, den Herrn des Lebens im Grab festzuhalten. Die Stunde Seiner Befreiung stand nahe bevor. DM.627.1 Teilen

Kapitel 81: Der Herr ist auferstanden!
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Auf der Grundlage von Matthäus 28,2-4. 11-15. DM.628 Teilen

Der Sabbat war vergangen und der erste Wochentag angebrochen. Es war die Zeit der dunkelsten Stunde, kurz vor Tagesanbruch. Christus lag noch als Gefangener in dem engen Grab. Der große Stein war noch davor, das Siegel ungebrochen, und die römischen Soldaten hielten Wache. Auch unsichtbare Wächter, Scharen böser Engel, hatten sich dort versammelt. Wäre es möglich gewesen, dann hätte der Fürst der Finsternis mit seinem Heer von Abgefallenen auf ewig das Grab versiegelt gelassen, das den Sohn Gottes gefangen hielt. Aber auch eine himmlische Schar umgab die Grabstätte. Mit besonderer Kraft ausgestattete Engel wachten ebenfalls und warteten darauf, den Fürsten des Lebens willkommen zu heißen. DM.628.1 Teilen

„Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab.“ Bekleidet mit der Rüstung Gottes hatte dieser Engel die himmlischen Höfe verlassen. Die hellen Strahlen der Herrlichkeit Gottes gingen vor ihm her und erleuchteten seinen Pfad. „Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.“ Matthäus 28,2-4. DM.628.2 Teilen

Ihr Priester und Obersten, wo bleibt jetzt die Macht eurer Wache? Tapfere Soldaten, die vor keiner menschlichen Gewalt zurückgeschreckt waren, wurden ohne Schwert oder Lanze gefangen genommen. Was sie vor sich sahen, war nicht der Anblick eines sterblichen Kriegers, sie sahen das Angesicht des mächtigsten im Heer des Herrn. Dieser Himmelsbote war kein anderer als der, der Luzifers einstige Position eingenommen hatte. Es war derselbe, der auch auf Bethlehems Hügeln die Geburt des Heilandes verkündigte. Die Erde erzitterte bei seinem Herannahen, die Scharen der Finsternis flohen erschreckt, und als er den Stein von Jesu Grab wegrollte, schien es, als neigte sich der Himmel auf die Erde. Die Soldaten sahen, dass er den Stein wie einen Kiesel zur Seite schob und hörten ihn mit lauter Stimme rufen: Du Sohn Gottes, komm heraus! Dein Vater ruft dich! Dann erlebten sie mit, wie Jesus aus Seinem Grab stieg und über der leeren Grabeshöhle laut ausrief: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ Johannes 11,25. Als Christus in Majestät und Herrlichkeit herauskam, beugte sich die Engelschar in Anbetung tief vor dem Erlöser und jubelte dem Auferstandenen in Lobliedern zu. Ein Erdbeben markiere die Stunde, als Jesus Sein Leben ließ und ein Erdbeben wiederum bezeugte den Augenblick, da Er es im Triumph wieder nahm. Er, der Tod und Grab überwunden hatte, entstieg unter dem Schwanken der Erde, dem Zucken der Blitze und Grollen des Donners im Schritt eines Siegers Seiner Gruft. Wenn Er wiederkommt, wird Er „nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel“ (Hebräer 12,26) bewegen. „Die Erde wird taumeln wie ein Trunkener und wird hin und her geworfen wie eine schwankende Hütte.“ Jesaja 24,20. „Der Himmel wird zusammengerollt werden wie eine Buchrolle.“ Jesaja 34,4. „Die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.“ 2.Petrus 3,10. „Aber seinem Volk wird der Herr eine Zuflucht sein und eine Burg den Israeliten.“ Joel 4,16. DM.628.3 Teilen

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Bei Jesu Tod hatten die Soldaten die Erde am Tag in Finsternis gehüllt gesehen. Bei Seiner Auferstehung aber sahen sie, wie der Glanz der Engel die Nacht erleuchtete, und sie hörten die große Freude und den Jubel der himmlischen Scharen, als diese sangen: Du hast Satan und die Mächte der Finsternis überwunden; du hast den Tod verschlungen in den Sieg! DM.629.1 Teilen

Christus kam verherrlicht aus dem Grab, und die römischen Soldaten sahen Ihn. Sie konnten ihre Augen nicht abwenden von dem, den sie kurz zuvor noch verspottet und verhöhnt hatten. In diesem verklärten Wesen erkannten sie den Gefangenen, den sie im Gerichtsgebäude gesehen und dem sie eine Dornenkrone geflochten hatten. Das war genau Er, der wehrlos vor Pilatus und Herodes gestanden hatte und dessen Leib durch die grausame Geißelung so schlimm zugerichtet worden war. Er war ans Kreuz genagelt worden, und über Ihn hatten die Priester und Obersten überheblich ihre Köpfe geschüttelt, wobei sie ausriefen: „Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen.“ Matthäus 27,42. Ihn hatte man in Josephs neues Grab gelegt. Aber der Befehl des Himmels hatte dem Gefangenen die Freiheit wiedergegeben. Würde man auch Berge über Berge auf Sein Grab getürmt haben, nichts hätte Ihn daran hindern können, das Grab zu verlassen. DM.629.2 Teilen

Beim Anblick der Engel und des verklärten Heilandes waren die römischen Wächter ohnmächtig geworden und lagen wie tot am Boden. Als dann die himmlischen Wesen vor ihren Augen verborgen wurde, erhoben sie sich und rannten, so schnell ihre zitternden Glieder sie tragen konnten, zum Ausgang des Gartens. Wie Trunkene taumelten sie in die Stadt und erzählten allen, denen sie begegneten, diese wunderbare Neuigkeit. Sie waren auf dem Weg zu Pilatus, aber ihr Bericht war bereits der jüdischen Obrigkeit überbracht worden, und die Hohepriester und Obersten verlangten sie zuerst zu sehen. DM.629.3 Teilen

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Die Soldaten sahen seltsamen aus. Zitternd vor Furcht, mit farblosen Gesichtern, berichteten sie von der Auferstehung Jesu. Sie erzählten alles genauso, wie sie es erlebt hatten. Es war ihnen keine Zeit geblieben, etwas anderes zu denken oder zu sagen als die Wahrheit. Schmerzlich bewegt sagten sie: Es war der Sohn Gottes, der gekreuzigt worden ist. Wir haben gehört, dass Ihn ein Engel als Majestät des Himmels, als König der Herrlichkeit ankündigte. DM.630.1 Teilen

Totenblässe legte sich auf die Gesichter der Priester. Kaiphas versuchte zu sprechen, seine Lippen bewegten sich, aber er brachte keinen Laut heraus. Die Soldaten waren schon dabei, den Raum wieder zu verlassen, als eine Stimme sie zurückhielt. Kaiphas hatte endlich seine Sprache wiedergefunden. „Wartet, wartet!“, beschwor er sie. „Erzählt niemandem, was ihr gesehen habt.“ DM.630.2 Teilen

Sie wurden beauftragt, zu lügen: „Sagt, seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, während wir schliefen.“ Matthäus 28,13. Damit betrogen die Priester sich selbst, denn wie konnten die Soldaten aussagen, dass die Jünger Jesu Leichnam gestohlen hätten, während sie schliefen? Wie konnten sie wissen, was sich dann ereignet hatte? Und wenn die Jünger wirklich den Leichnam Jesu gestohlen hätten, hätten die Priester sie nicht als Erste verurteilt? DM.630.3 Teilen

Wenn die Wächter wirklich am Grab geschlafen hätten, wären die Priester dann nicht zuerst bei Pilatus erschienen, um diese anzuklagen? Die Soldaten erschraken bei dem Gedanken, dass sie sozusagen sich selbst beschuldigen sollten, auf ihrem Posten geschlafen zu haben. Auf dieses Vergehen stand die Todesstrafe. Sollten sie falsches Zeugnis ablegen, das Volk betrügen und ihr eigenes Leben in Gefahr bringen? Hatten sie ihren ermüdenden Dienst nicht mit größter Aufmerksamkeit versehen? Wie könnten sie selbst um Geldes willen das kommende Verhör bestehen, wenn sie einen Meineid leisteten? DM.630.4 Teilen

Damit das Geschehen, dessen Bekanntwerden sie fürchteten, verschwiegen würde, versprachen die Priester, für die Sicherheit der Wächter sorgen zu wollen, indem sie sich darauf beriefen, dass Pilatus ebenso wenig die Verbreitung ihrer Berichte wünsche wie sie. Da verkauften die römischen Soldaten ihre Redlichkeit an die jüdischen Obersten. Mit einer höchst aufregenden, aber wahren Botschaft waren sie zu den Priestern gekommen. Sie verließen die Priester nun mit Geld in den Händen und einem lügnerischen Bericht auf der Zunge, den diese für sie erfunden hatten. DM.630.5 Teilen

Inzwischen war die Mitteilung von der Auferstehung Jesu zu Pilatus gedrungen. Obwohl Pilatus dafür verantwortlich war, Jesus dem Tod übergeben zu haben, fühlte er sich nicht sehr beunruhigt. Da er den Heiland nur widerwillig und mit einem Gefühl des Mitleids im Herzen verurteilt hatte, waren ihm bis jetzt noch keine ernstlichen Bedenken gekommen. Doch nach diesem Bericht schloss er sich entsetzt in seinem Haus ein und ließ niemand zu sich. Die Priester verschafften sich trotzdem Eingang, erzählten ihm die von ihnen erfundene Lügengeschichte und baten ihn, den Soldaten das Pflichtversäumnis nachzusehen. Doch ehe Pilatus einwilligte, befragte er heimlich die Wächter, die, um ihr Leben bangend, es nicht wagten, etwas zu verbergen. Von ihnen erhielt Pilatus einen Bericht über alles, was geschehen war. Er aber ließ die ganze Angelegenheit auf sich beruhen, doch konnte er seit jener Zeit keinen inneren Frieden mehr finden. DM.630.6 Teilen

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Als Jesus ins Grab gelegt wurde, triumphierte Satan. Er gab sich der Hoffnung hin, dass der Heiland Sein Leben nicht wieder erlangen würde. Er beanspruchte Jesu Leib für sich, setzte Wächter um das Grab und versuchte Christus als Gefangenen festzuhalten. Er war sehr zornig, als seine Engel beim Nahen der himmlischen Boten flohen. Und als er Jesus siegreich aus dem Grab kommen sah, wusste er, dass sein Reich ein Ende haben würde und er schließlich untergehen müsse. DM.631.1 Teilen

Die Priester hatten sich durch die Ermordung Jesu zu Werkzeugen Satans gemacht. Nun standen sie völlig unter seiner Herrschaft. Sie waren in eine Schlinge verstrickt, aus der sie kein Entweichen sahen, außer sie setzten ihren Kampf gegen Jesus fort. Als ihnen von Christi Auferstehung berichtet wurde, fürchteten sie den Zorn des Volkes. Sie fühlten, dass ihr eigenes Leben in Gefahr war. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, Jesus als Betrüger hinzustellen, indem sie Seine Auferstehung leugneten. Sie bestachen die Soldaten, nahmen Pilatus das Versprechen ab, zu schweigen, und verbreiteten ihre Lügenberichte über das ganze Land. Aber es gab Zeugen, die sie nicht zum Schweigen bringen konnten. DM.631.2 Teilen

Viele hatten von den Soldaten die Kunde über Jesu Auferstehung gehört. Dazu waren einige von denen, die mit Christus auferstanden waren, einer Reihe von Menschen erschienen und hatten erzählt, dass Er auferstanden war. Die Priester wurden von denen informiert, die diese Auferstandenen gesehen und ihre Aussagen gehört hatten. Sie und die Obersten befürchteten nun, auf den Gassen oder in der Abgeschlossenheit ihrer Wohnungen plötzlich dem Herrn gegenüberzustehen. Nirgends fühlten sie sich sicher. Schlösser und Riegel waren nur ein sehr unvollkommener Schutz gegen den Sohn Gottes. Tag und Nacht verfolgte sie jenes schreckliche Geschehen im Gerichtsgebäude, wo sie gerufen hatten: „Sein Blut komme über uns und unsre Kinder!“ Matthäus 27,25. Niemals mehr würde die Erinnerung an diese Szene sie verlassen, nie mehr würden sie friedlich schlafen können. DM.631.3 Teilen

Als man die Stimme jenes mächtigen Engels vor Jesu Grab hörte: „Dein Vater ruft dich!“, da erschien der Heiland aus Seiner Gruft durch das Ihm innewohnende Leben. Es erfüllte sich, was Er einst gesagt hatte: „Ich [lasse] mein Leben .., dass ich‘s wieder nehme ... Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen.“ Johannes 10,17.18. Ebenso erfüllte sich die Prophezeiung, die Er den Priestern und Obersten gegeben hatte: „Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten.“ Johannes 2,19. Über dem aufgebrochenen Grab hatte Jesus sieghaft erklärt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“ Johannes 11,25. DM.631.4 Teilen

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Diese Worte konnten nur von Gott selbst gesprochen worden sein. Alle erschaffenen Wesen leben durch Seinen Willen und Seine Macht. Sie sind abhängige Empfänger des Lebens Gottes. Vom höchsten Seraph bis zum niedrigsten Lebewesen werden alle von der Quelle des Lebens gespeist. Nur der mit Gott eins ist, konnte sagen: „Ich habe Macht, mein Leben zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen.“ Christus besaß in Seiner Gottheit die Kraft, die Fesseln des Todes zu brechen. DM.632.1 Teilen

Christus stand von den Toten auf als Erstling unter denen, die da schlafen. Er war das Gegenbild der Webegarbe. Seine Auferstehung erfolgte am gleichen Tag, an dem die Webegarbe dem Herrn dargebracht werden sollte. Mehr als 1000 Jahre lang war diese sinnbildliche Handlung ausgeführt worden. Die ersten reifen Kornähren wurden auf dem Erntefeld geschnitten, und wenn das Volk zum Passahfest nach Jerusalem hinaufzog, wurde diese Erstlingsgarbe als ein Dankopfer vor dem Herrn geschwenkt. Nicht eher, als sie dem Herrn dargebracht war, durfte die Sichel an das Korn gelegt und dieses in Garben gebunden werden. Die dem Herrn geweihte Garbe war ein Symbol für die Ernte. Ebenso vertrat Jesus als Erstlingsfrucht die große geistliche Ernte, die für das Reich Gottes gesammelt werden wird. Seine Auferstehung ist das Vorbild und das Unterpfand der Auferstehung aller gerechten Toten. „Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einher führen.“ 1.Thessalonicher 4,14. DM.632.2 Teilen

Als Christus auferstand, brachte Er viele von denen, die in den Gräbern gefangen waren, ins Leben zurück. Das Erdbeben bei Seinem Tod hatte ihre Gräber geöffnet, und als Er auferstand, kamen sie mit Ihm hervor. Sie gehörten zu denen, die Gottes Mitarbeiter gewesen waren und unter Einsatz ihres Lebens für die Wahrheit Zeugnis abgelegt hatten. Jetzt sollten sie auch Zeugen sein für den, der sie von den Toten auferweckt hatte. DM.632.3 Teilen

Während Seines irdischen Dienstes hatte Jesus Tote wieder ins Leben zurückgerufen — den Jüngling der Witwe zu Nain, die Tochter des Obersten Jairus und auch Lazarus. Diese waren aber nicht mit Unsterblichkeit bekleidet worden, sondern verfielen, nachdem sie auferweckt worden waren, wiederum dem Tod. Die jedoch bei Jesu Auferstehung aus ihren Gräbern hervorgingen, wurden auferweckt zum ewigen Leben. Sie fuhren mit dem Herrn gen Himmel als Zeichen Seines Sieges über Tod und Grab. Diese, sagte Jesus, sind nicht länger mehr Gefangene Satans, denn ich habe sie erlöst. Ich habe sie als Erstlingsfrüchte meiner Macht aus dem Grab hervorgebracht, damit sie bei mir seien, wo ich bin, um nie wieder den Tod zu sehen und den Kummer zu erfahren. Diese Auferstandenen gingen in die Stadt, erschienen vielen und berichteten, dass Christus von den Toten auferstanden sei und sie mit Ihm. So wurde die Wahrheit der Auferstehung Jesu verewigt. Die Auferstandenen bezeugten die Wahrheit der Worte: „Deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen.“ Ihre Auferstehung bestätigte die Erfüllung jener prophetischen Worte: „Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Toten herausgeben.“ Jesaja 26,19. DM.632.4 Teilen

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Für die Gläubigen ist Christus die Auferstehung und das Leben. Durch unseren Heiland ist das Leben, das durch die Sünde verloren ging, wiedergebracht worden, denn Er hat das Leben in sich selbst und kann lebendig machen, wen Er will. Ihm ist das Recht übertragen, Unsterblichkeit zu verleihen. Das Leben, das Er als Mensch ließ, nahm Er wieder zurück, um es der Menschheit zu geben. Er sagte: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“ Johannes 10,10. „Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ Joh. 4,14 „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.“ Joh. 6,54 Der Tod ist dem Gläubigen keine sehr wichtige Angelegenheit. Jesus spricht von ihm, als sei er von geringer Bedeutung. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hält, der wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit.“ Johannes 8,51. Für die Nachfolger Christi ist der Tod nur ein Schlaf, ein Augenblick der Stille und der Dunkelheit. Ihr Leben ist verborgen mit Christus in Gott, und wenn „Christus, [ihr] Leben, sich offenbaren wird, dann [werden sie] auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit“. Kolosser 3,4. DM.633.1 Teilen

Die Stimme, die vom Kreuz rief: „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19,30) wurde von den Toten gehört. Sie durchdrang die Mauern der Gräber und gebot den Schläfern aufzustehen. So wird es auch sein, wenn Christi Stimme vom Himmel erschallen wird. Diese Stimme wird in die Tiefe der Gräber dringen, und die Toten in Christus werden auferstehen. Bei Jesu Auferstehung öffneten sich nur einige Gräber, aber bei Seiner Wiederkunft werden all die kostbaren Toten Seine Stimme hören und zu unvergänglichem Leben aus den Gräbern hervorkommen. Dieselbe göttliche Kraft, die Jesus aus dem Grab rief, wird auch Seine Gemeinde erwecken und sie mit Ihm verherrlichen über alle Fürstentümer, über alle Mächte und über jeden Namen, der genannt ist — nicht nur in dieser, sondern auch in der kommenden Welt. DM.633.2 Teilen

Kapitel 82: „Warum weinst du?“
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Auf der Grundlage von Matthäus 28,1.5-8; Markus 16,1-8; Lukas 24,1-12; Johannes 20,1-18. DM.634 Teilen

Die Frauen, die unter dem Kreuz Jesu gestanden hatten, warteten darauf, dass die Sabbatstunden vergingen. Am ersten Tag der Woche machten sie sich schon sehr früh auf den Weg zum Grab und nahmen kostbare Spezereien mit, um den Körper des Heilandes zu salben. Sie dachten nicht im Geringsten daran, dass Jesus von den Toten auferstanden sein könnte. Die Sonne ihrer Hoffnung war untergegangen, Nacht hatte sich auf ihre Herzen gesenkt. Auf dem Weg zum Grab dachten sie wohl an Jesu Werke der Liebe und an Seine Worte des Trostes, doch sie erinnerten sich nicht an Seine Verheißung: „Ich will euch wiedersehen.“ Johannes 16,22. Sie hatten keine Ahnung, was gerade geschah, als sie sich dem Garten näherten. Sie überlegten nur: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“ Markus 16,3. Sie wussten, dass sie den schweren Stein selbst nicht bewegen konnten, dennoch gingen sie ihren Weg weiter. Da erhellte den Himmel plötzlich ein Glanz, der nicht von der aufgehenden Sonne kam. Die Erde zitterte und bebte. Die Frauen sahen, dass der große Stein zur Seite gewälzt und die Gruft selbst leer war. DM.634.1 Teilen

Sie waren nicht alle aus derselben Richtung zum Grab gekommen. Maria Magdalena hatte als Erste die Grabstätte erreicht. Als sie nun sah, dass das Grab offen war, eilte sie weg, um es den Jüngern mitzuteilen. Inzwischen hatten auch die anderen Frauen den Garten erreicht. Sie sahen Jesu Grab von einem hellen Licht umleuchtet, aber den Leichnam des Herrn fanden sie nicht. Als sie noch etwas verweilten, bemerkten sie plötzlich, dass sie nicht allein waren. Ein junger Mann in weißem Gewand saß im Innenraum des Grabes. Es war der Engel, der den schweren Stein von der Tür gewälzt hatte. Er hatte Menschengestalt angenommen, um die Freunde Jesu nicht zu beunruhigen. Ihn umleuchtete das Licht der himmlischen Herrlichkeit, und die Frauen fürchteten sich. Sie wollten schon fliehen, als der Engel sie zurückhielt: „Entsetzt euch nicht!“, sprach er zu ihnen. „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, Er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie Ihn hinlegten! Geht aber hin und sagt Seinen Jüngern und Petrus, dass Er vor euch hingehen wird nach Galiläa.“ Markus 16,6.7. Die Frauen schauten erneut in die Gruft hinein, und abermals hörten sie die wunderbare Botschaft. Noch ein anderer Engel in Menschengestalt war dort, und dieser sagte jetzt: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Denkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: Der Menschensohn muss überantwortet werden in die Hände der Sünder und gekreuzigt werden und am dritten Tag auferstehen.“ Lukas 24,5-7. DM.634.2 Teilen

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Er ist auferstanden! Er ist auferstanden! Die Frauen wiederholen immer wieder diese Worte. Nun brauchen sie ihre Salben und Spezereien nicht mehr, der Heiland lebt. Jetzt erinnern sie sich auch daran, dass Jesus, als Er von Seinem Tod sprach, ihnen gesagt hat, Er würde auferstehen. Welch ein Tag ist dies für die ganze Welt! Die Frauen eilten vom Grab hinweg „mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen“. Matthäus 28,8. DM.635.1 Teilen

Maria hatte die Freudenbotschaft noch nicht gehört. Sie befand sich auf dem Weg zu Petrus und Johannes und brachte ihnen die erschütternde Nachricht: „Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ Johannes 20,2. Die Jünger liefen sofort zum Grab und sahen die Worte Marias bestätigt. Sie erkannten die Leichentücher; aber ihren Herrn selbst fanden sie nicht. Trotzdem gab es Beweise von der Auferstehung des Herrn. Die Grabtücher waren nicht achtlos beiseite geworfen, sondern lagen sorgfältig zusammengelegt jedes an seinem Platz. Johannes „sah und glaubte“. Johannes 20,8. Er hatte zwar noch nicht verstanden, dass Jesus nach der Schrift von den Toten auferstehen müsse, aber er erinnerte sich jetzt aller Worte, die der Heiland von Seiner Auferstehung jemals gesagt hatte. DM.635.2 Teilen

Der Heiland selbst hatte die Leinentücher sorgfältig zusammengelegt. Als der Engelfürst zum Grab hernieder kam, wurde er von einem Engel begleitet, der gemeinsam mit anderen den Leichnam Jesu bewacht hatte. Während der Engelfürst den schweren Stein hinwegwälzte, betrat der andere Engel das Grab und befreite den Leib des Herrn aus der festen Umhüllung. Aber es war Jesus selbst, der die Tücher faltete und sie an ihren Platz legte. In den Augen dessen, der die Sterne genauso lenkt wie die winzigsten Atome, ist nichts unwichtig. Ordnung und Vollkommenheit sind das Kennzeichen aller Seiner Werke. DM.635.3 Teilen

Maria war den Jüngern wieder zum Grab gefolgt. Als diese aber nach Jerusalem zurückkehrten, blieb sie zurück. Sie schaute wieder in das leere Grab, und Kummer erfüllte ihr Herz. Da sah sie die zwei Engel im Grab stehen — am Kopfende und am Fußende an der Stelle, wo Jesus gelegen hatte. „Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ Johannes 20,13. Daraufhin wandte sie sich von den Engeln ab und meinte, sie müsse jemanden finden, der ihr Auskunft geben könnte, was mit Jesu Leichnam geschehen sei. Da wurde sie von einer anderen Stimme angesprochen: „Frau, was weinst du? Wen suchst du?“ Mit durch Tränen verschleiertem Blick erkannte Maria die Gestalt eines Mannes und dachte, es sei der Gärtner, und fragte ihn: „Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, so will ich ihn holen.“ Johannes 20,15. Sollte des reichen Mannes Grabstätte zu ehrenvoll gewesen sein für Jesus, dann würde sie selbst einen Platz für Ihn suchen. Sie dachte an das Grab, das Jesus selbst leer machte — das Grab, wo Lazarus gelegen hatte. Könnte sie dort nicht einen guten Ruheort für ihren Herrn finden? Sie fühlte, dass es für sie in ihrem Kummer sehr tröstlich wäre, wenn sie sich um den Leichnam des Gekreuzigten kümmerte. DM.635.4 Teilen

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Doch plötzlich sagte Jesus in der ihr so wohl vertrauten Stimme zu ihr: „Maria!“ Da wusste sie, dass es kein Fremder war, der sie so ansprach. Und als sie sich umdrehte, sah sie Christus lebendig vor sich stehen. In ihrer Freude vergaß sie, dass Er inzwischen gekreuzigt worden war. Sie stürzte auf Ihn zu, als wollte sie Seine Füße umschlingen, und rief: „Rabbuni! das heißt: Meister!“ Da erhob Jesus Seine Hand und sagte zu ihr: „Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Johannes 20,16.17. Und Maria eilte zu den Jüngern, um ihnen die frohe Botschaft zu bringen. DM.636.1 Teilen

Jesus wollte nicht eher die Huldigung der Seinen entgegennehmen, bis Er die Gewissheit hatte, dass Sein Opfer vom Vater angenommen war. Er stieg zum Himmel empor und empfing von Gott selbst die Zusicherung, dass Seine für die Sünden der Menschheit vollbrachte Versöhnung ausreichend gewesen war, um es allen Menschen zu ermöglichen, durch Sein Blut das ewige Leben zu erlangen. Der Vater bestätigte den mit Christus geschlossenen Bund, dass Er bußfertige und gehorsame Menschen aufnehmen und sie so lieben würde wie Seinen Sohn auch. Christus hatte Sein Werk zu vollenden und Sein Versprechen zu erfüllen, „dass ein Mann kostbarer sein soll als feinstes Gold und ein Mensch wertvoller als Goldstücke aus Ophir“. Jesaja 13,12. Alle Macht im Himmel und auf Erden wurde dem Lebensfürsten gegeben. Er kehrte zurück zu Seinen Nachfolgern in einer sündigen Welt, um ihnen von Seiner Macht und Herrlichkeit mitzuteilen. DM.636.2 Teilen

Während Jesus in Gottes Gegenwart köstliche Gaben für Seine Gemeinde erhielt, dachten die Jünger an Sein leeres Grab, trauerten und weinten. Der Tag, den der ganze Himmel als Freudentag feierte, war für die Jünger ein Tag der Ungewissheit, der Verwirrung und Unruhe. Ihr Unglaube gegenüber dem Zeugnis der Frauen bewies, wie tief ihr Glaube gesunken war. Die Nachricht von der Auferstehung Christi unterschied sich so sehr von dem, was sie erwartet hatten, dass sie daran nicht glauben konnten. Sie dachten, es sei zu schön, um wahr zu sein. Sie hatten so viel über die Lehren und die sogenannten wissenschaftlichen Theorien der Sadduzäer gehört, dass sie sich von der Auferstehung kein klares Bild mehr machen konnten. Sie wussten kaum noch, was die Auferstehung von den Toten bedeutete, und waren unfähig, das große Ereignis zu fassen. „Geht aber hin“, so hatten die Engel den Frauen aufgetragen, „und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.“ Markus 16,7. DM.636.3 Teilen

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Die Engel waren während Seines Erdenlebens die Beschützer Jesu gewesen. Sie hatten das Verhör und die Kreuzigung miterlebt und Christi Worte an Seine Jünger gehört. Dies war aus der Botschaft zu ersehen, die sie an die Jünger richteten, und hätte sie von deren Echtheit überzeugen müssen. Solche Worte hatten nur von den Boten des auferstandenen Herrn stammen können. „Sagt [es] seinen Jüngern und Petrus“, hatten die Engel geboten. Seit dem Tod Christi war Petrus, von Gewissensbissen geplagt, sehr niedergeschlagen. Sein schmählicher Verrat am Herrn und der liebevolle und zugleich schmerzbewegte Blick des Heilandes standen ihm Tag und Nacht vor Augen. Von allen Jüngern hatte er am meisten gelitten; nun wurde ihm die Zusicherung gegeben, dass seine Reue angenommen und seine Sünde vergeben war. Er wurde mit Namen genannt. DM.637.1 Teilen

„Sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen.“ Alle Jünger hatten den Herrn im Stich gelassen, und die Aufforderung, ihn wieder zu treffen, schloss sie alle ein, er hatte sie nicht verstoßen. Als Maria Magdalena ihnen erzählte, dass sie den Herrn gesehen hatte, wiederholte sie die Aufforderung, ihn in Galiläa zu treffen. Ein drittes Mal erhielten sie die Botschaft durch die anderen Frauen, denen Jesus erschien, nachdem er zum Vater aufgefahren war. „Seid gegrüßt!“, sagte er zu ihnen. „Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.“ Matthäus 28,9.10. DM.637.2 Teilen

Nach Seiner Auferstehung bestand Christi erste Aufgabe darin, Seine Jünger von Seiner unverminderten Zuneigung und liebevollen Rücksichtnahme ihnen gegenüber zu überzeugen. Er wollte ihnen beweisen, dass Er ihr lebendiger Heiland war, der die Fesseln des Todes zerrissen hatte und den der Feind, der Tod, nicht hatte halten können. Sie sollten erkennen, dass Er dasselbe Herz voll Liebe besaß wie vorher, als Er, ihr geliebter Meister, unter ihnen geweilt hatte. Deshalb erschien Er ihnen immer wieder und schlang das Band der Liebe noch enger um sie. „Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie gehen nach Galiläa.“ Als die Jünger diese so bestimmt gegebene Anordnung hörten, fielen ihnen Jesu Worte ein, die Seine Auferstehung vorhersagten. Doch auch jetzt freuten sie sich nicht. Sie konnten ihren Zweifel und ihre Verwirrung noch nicht aufgeben. Selbst als die Frauen erklärten, dass sie Jesus gesehen hatten, wollten die Jünger es nicht glauben und meinten, dass jene einer Illusion zum Opfer gefallen wären. Eine Schwierigkeit schien der anderen zu folgen. Am sechsten Tag der Woche hatten sie ihren Meister sterben sehen, am ersten Tag der neuen Woche meinten sie, Sein Leichnam sei geraubt worden, und sie selbst wurden beschuldigt, Ihn gestohlen zu haben, um so das Volk zu täuschen. Sie zweifelten daran, sich jemals von diesem Verdacht befreien zu können, der sich immer mehr verstärkte. Dazu fürchteten sie die Feindschaft der Priester und den Zorn des Volkes. Sie sehnten sich nach Jesu Gegenwart, der ihnen aus jeder schwierigen Situation geholfen hatte. DM.637.3 Teilen

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Oft wiederholten sie die Worte: „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde.“ Lukas 24,21. Allein gelassen und verzagten Herzens dachten sie auch an Jesu Worte: „Denn wenn man das tut am grünen Holz, was wird am dürren werden?“ Lukas 23,31. DM.638.1 Teilen

Sie trafen sich im oberen Stockwerk und verschlossen und verriegelten die Türen, wussten sie doch, dass sie jederzeit das Schicksal ihres geliebten Meisters teilen konnten. Wie groß aber hätte zur gleichen Zeit die Freude sein können, weil der Heiland doch auferstanden war! Maria hatte weinend im Garten gestanden, als der Heiland sich bereits hinter ihr befand. Ihre Augen waren so voller Tränen, dass sie Ihn nicht erkannte. Und das Herz der Jünger war so voller Kummer, dass sie weder der Botschaft der Engel noch Christi eigenen Worten zu glauben vermochten. DM.638.2 Teilen

Wie viele Christen handeln so wie die Jünger damals! Wie viele klagen mit Maria: „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben“! Johannes 20,13. An wie viele Menschen könnten Jesu Worte gerichtet sein: „Was weinst du? Wen suchst du?“ Johannes 20,15. Er steht dicht hinter ihnen, aber ihre tränenverschleierten Augen bemerken Ihn nicht. Er spricht zu ihnen, aber sie verstehen Ihn nicht. Ach, dass sich doch diese gebeugten Häupter aufrichten, die verweinten Augen Ihn sehen und die Ohren Seine Stimme hören möchten! „Geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten.“ Matthäus 28,7. Fordert sie dazu auf, ihren Blick nicht auf Josephs neues Grab zu richten, das mit einem schweren Stein verschlossen und mit dem römischen Siegel gesichert war. Christus ist nicht dort. Schaut auch nicht zum leeren Grab. Trauert nicht wie solche, die ohne Hoffnung und Hilfe sind. Jesus lebt! Und weil Er lebt, werden auch wir leben. Aus frohem Herzen und von Lippen, die von göttlichem Feuer brennen, soll der Jubelgesang erschallen: Christus lebt! Er lebt, um unser Fürsprecher zu sein. Ergreife diese Hoffnung, und sie wird deine Seele wie ein sicherer und bewährter Anker festhalten. Glaube, und du wirst die Herrlichkeit Gottes sehen! DM.638.3 Teilen

Kapitel 83: Der Weg nach Emmaus
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Auf der Grundlage von Lukas 24,13-33. DM.639 Teilen

Am späten Nachmittag des Auferstehungstages gingen zwei Jünger nach Emmaus, einer etwa zwölf Kilometer von Jerusalem entfernt liegenden Kleinstadt. Diese Jünger waren im Dienst Jesu nicht weiter in Erscheinung getreten, dennoch konnten sie als ernste Gläubige gelten. Nach Jerusalem gekommen, um das Passahfest zu feiern, waren sie bestürzt wegen der Ereignisse, die kürzlich geschehen waren. Sie hatten am Morgen die Nachricht gehört, dass Jesu Leib aus dem Grab verschwunden sei, und hatten auch den Bericht der Frauen vernommen, die die Engel gesehen und Jesus getroffen hatten. Jetzt kehrten sie wieder nach Hause zurück, um über alles nachzusinnen und zu beten. Mit traurigen Gedanken gingen sie ihren abendlichen Weg dahin und unterhielten sich über das Verhör und die Kreuzigung. Noch nie waren sie so sehr entmutigt gewesen. Verzweifelt und verzagt wanderten sie im Schatten des Kreuzes. DM.639.1 Teilen

Sie waren noch nicht weit gekommen, da gesellte sich ein Fremder zu ihnen. Sie waren aber so sehr in ihrer Schwermut und Enttäuschung gefangen, dass sie diesen Fremden nicht näher betrachteten. Sie unterhielten sich weiter und tauschten ihre Gedanken aus. Sie besprachen die Lehren, die ihnen Jesus erteilt hatte und die sie nicht zu verstehen schienen. Als sie wieder auf die jüngsten Ereignisse zu sprechen kamen, sehnte sich Jesus danach, sie zu trösten. Er sah ihren tiefen Kummer und verstand die widerstreitenden, wirren Gedanken, die in ihnen die Frage aufkommen ließen: Konnte dieser Mann, der sich so sehr erniedrigen ließ, der Christus sein? Sie konnten ihren Kummer nicht mehr zurückhalten und weinten. Jesus wusste, dass sie Ihn sehr liebten. Er wollte so gerne ihre Tränen abwischen und sie mit Fröhlichkeit und Jubel erfüllen. Aber zuerst musste Er ihnen einige Lehren erteilen, die sie nicht mehr vergessen würden. DM.639.2 Teilen

„Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen. Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu Ihm: Bist du der Einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?“ Sie erzählten Ihm nun von ihrer Enttäuschung über den Meister, „der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk“; aber die „Hohepriester und Obersten“, sagten sie, haben ihn „zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt“. Mit vor Enttäuschung wundem Herzen und mit zitternden Lippen fügten sie hinzu: „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen würde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist.“ Lukas 24,17-21. DM.639.3 Teilen

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Wie seltsam, dass sich die Jünger nicht an Jesu Worte erinnerten und auch nicht daran dachten, dass Er die Ereignisse der letzten Tage vorhergesagt hatte! Sie machten sich nicht bewusst, dass sich der letzte Teil Seiner Weissagung genauso erfüllen würde wie der erste und dass Er schließlich am dritten Tag auferstünde. Daran hätten sie denken müssen. Sogar die Priester und Obersten hatten es nicht vergessen. Am Tag, „der auf den Rüsttag folgt, kamen die Hohepriester und Pharisäer zu Pilatus und sprachen: Herr, wir haben daran gedacht, dass dieser Verführer sprach, als er noch lebte: Ich will nach drei Tagen auferstehen.“ Matthäus 27,62.63. Die Jünger aber hatten sich an diese Worte nicht erinnert. „Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ Lukas 24,25.26. Die Jünger fragten sich erstaunt, wer dieser Fremde sei, der das Innere ihres Wesens ergründen konnte und mit solchem Ernst, mit solcher Zärtlichkeit und Teilnahme und dabei doch so hoffnungsvoll zu ihnen sprach. Zum ersten Mal seit dem Verrat Jesu fassten sie wieder etwas Mut. Oft blickten sie ihren Begleiter ernst an und dachten, dass seine Aussagen genau den Worten entsprachen, die Jesus gesprochen hatte. Höchstes Erstaunen erfasste sie, und ihre Herzen begannen in freudiger Erwartung schneller zu schlagen. Beginnend beim Buch Mose, dem Anfang der biblischen Geschichte, erklärte Ihnen Christus alle Schriftstellen, die sich auf Ihn bezogen. Hätte Er sich ihnen sofort zu erkennen gegeben, wären sie zufrieden gewesen, und in der Fülle ihrer Freude würden sie nichts weiter verlangt haben. Und doch war es für sie notwendig, die Sinnbilder und Weissagungen des Alten Testamentes zu verstehen, die auf Jesus hindeuteten; denn darauf sollte ihr Glaube ja gegründet sein. Christus tat kein Wunder, um sie zu überzeugen, sondern Er sah es als Seine erste Aufgabe an, ihnen die heiligen Schriften zu erklären. DM.640.1 Teilen

Sie hatten Seinen Tod als Vernichtung all ihrer Hoffnungen angesehen, und nun zeigte Jesus ihnen aus den Propheten, dass gerade Sein Kreuzestod der stärkste Beweis für ihren Glauben sei. Indem Jesus jene Jünger lehrte, wies Er auf die Wichtigkeit des Alten Testamentes hin als ein Zeugnis Seiner Sendung. Viele angebliche Christen legen heute das Alte Testament zur Seite und behaupten, dass es nicht länger von Bedeutung sei. Doch dies lehrte Christus keineswegs. Er selbst schätzte es so hoch, dass Er einmal sagte: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ Lukas 16,31. Es ist die Stimme Christi, die durch den Mund der Patriarchen und Propheten von Adam an bis zur Endzeit hin spricht. Der Heiland wird im Alten Testament genauso klar offenbart wie im Neuen Testament. Gerade das Licht der prophetischen Vergangenheit lässt das Leben Jesu und die Lehren des Neuen Testaments in aller Wahrheit und Schönheit hervortreten. Wohl ist Christi Wunderwirken ein Beweis Seiner Gottheit, aber ein bedeutend stärkerer Beweis, dass Er der Erlöser der Welt ist, wird durch den Vergleich der alttestamentlichen Prophezeiungen mit der Geschichte des Neuen Testamentes erbracht. DM.640.2 Teilen

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Anhand der alttestamentlichen Prophezeiungen gab Jesus den Jüngern ein genaues Bild davon, welche Aufgabe Er in menschlicher Gestalt übernehmen sollte. Ihre Erwartung eines Messias, der Seinen Thron und Seine Herrschermacht in Übereinstimmung mit menschlichen Wünschen aufrichten müsste, hatte sie in die Irre geführt. Diese Auffassung wirkte sich störend darauf aus, Sein Herabsteigen von der höchsten bis zu niedrigsten Stellung, die überhaupt eingenommen werden konnte, recht zu begreifen. Christus wünschte, dass die Vorstellungen Seiner Jünger in jeder Hinsicht klar und wahr wären. Sie mussten soweit wie möglich alles verstehen lernen, was mit dem Leidenskelch zusammenhing, der Ihm bestimmt worden war. Er zeigte ihnen, dass der schreckliche Kampf, den sie jetzt noch nicht begreifen konnten, die Erfüllung des Bundes bedeutete, der vor Grundlegung der Welt beschlossen worden war. Christus musste sterben, wie jeder Gesetzesübertreter sterben muss, wenn er in seiner Sünde beharrt. Dies war also notwendig, aber das Ende soll keine Niederlage, sondern ein herrlicher, ewiger Sieg sein. Jesus sagte ihnen auch, dass jede Anstrengung gemacht werden muss, um die Welt von der Sünde zu befreien. Seine Nachfolger müssen leben, wie Er gelebt, und wirken, wie Er gewirkt hat — mit ernstem und beharrlichem Eifer. DM.641.1 Teilen

So sprach der Herr mit den Jüngern und öffnete ihr geistiges Verständnis, damit sie die heiligen Schriften verstehen konnten. Obwohl die Jünger müde waren, erlahmte die Unterhaltung nicht. Worte des Lebens und der Zuversicht flossen von den Lippen des Heilandes. Aber ihre Augen wurden noch gehalten. Als Er ihnen von der Zerstörung Jerusalems erzählte, blickten sie auf die verurteilte Stadt und weinten. Auch jetzt noch ahnten sie kaum, wer ihr Weggefährte war. Sie dachten nicht, dass der Herr, von dem sie gesprochen hatten, an ihrer Seite ging, denn Jesus sprach von sich selbst, als wäre Er ein anderer. Sie hielten Ihn für einen der Besucher, die zum Passahfest gekommen waren und nun wieder heimwärts zogen. Er ging ebenso vorsichtig wie sie über die spitzen Steine und hielt ab und zu mit ihnen an, um von der Mühe des Weges auszuruhen. So schritten sie auf dem bergigen Weg voran, während der Eine neben ihnen herging, der bald Seine Stellung zur Rechten Gottes einnehmen würde und der von sich sagen konnte: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“. Matthäus 28,18. DM.641.2 Teilen

642

Währenddessen war die Sonne untergegangen, und bevor die Reisenden ihr Heim erreichten, hatten die Bauern auf dem Feld ihre Arbeit verlassen. Als die Jünger ihr Haus betreten wollten, schien es, als wolle der Fremde seine Reise fortsetzen. Doch die Jünger fühlten sich zu Ihm hingezogen, und sie sehnten sich danach, mehr von Ihm zu hören. Sie baten Ihn: „Bleibe bei uns.“ Der Herr aber schien die Einladung nicht annehmen zu wollen; darum nötigten sie Ihn dringender: „Denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.“ Da gab Jesus ihrer Bitte nach und „er ging hinein, bei ihnen zu bleiben“. Lukas 24,29. DM.642.1 Teilen

Hätten die Jünger den Herrn nicht so dringend genötigt, so würden sie nicht erfahren haben, dass ihr Reisegefährte der auferstandene Herr gewesen war. Christus drängt Seine Gemeinschaft niemandem auf. Er nimmt sich aber aller an, die Ihn brauchen. Gern tritt Er in die bescheidenste Hütte und erfreut das Herz des Allergeringsten. Sind die Menschen aber zu gleichgültig, um an den himmlischen Gast zu denken oder Ihn zu bitten, bei ihnen zu bleiben, so geht Er weiter. Viele erleiden auf diese Weise einen großen Verlust. Sie kennen dann Christus nicht besser als die Jünger auf dem Weg nach Emmaus. DM.642.2 Teilen

Ein einfaches Abendessen ist bald bereitet und wird dem Gast vorgesetzt, der am Kopfende des Tisches Platz genommen hat. Da streckt Jesus Seine Hand aus und segnet die Speise. Die Jünger stutzen. Ihr Begleiter breitet die Hände genauso aus, wie es ihr Meister zu tun pflegte. Sie blicken wieder hin — und siehe da, sie erkennen die Nägelmale an Seinen Händen. Beide rufen zugleich aus: Es ist der Herr Jesus! Er ist von den Toten auferstanden! DM.642.3 Teilen

Sie erheben sich, um Ihm zu Füßen zu fallen und Ihn anzubeten, aber Er ist ihren Blicken entschwunden. Sie schauen auf den Platz, auf dem der gesessen hat, dessen Körper vor Kurzem noch im Grab ruhte, und sagen zueinander: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“ Lukas 24,32. Mit solch großer Neuigkeit, die mitzuteilen ist, können sie nicht einfach sitzen und reden. Müdigkeit und Hunger sind vergessen. Sie lassen ihre Mahlzeit unberührt, und voller Freude brechen sie sofort auf und eilen den gleichen Weg, den sie kamen, wieder in die Stadt zurück, um den Jüngern diese Botschaft zu bringen. An einigen Stellen ist der Weg unsicher, aber sie klettern über schroffe Steine und eilen auf glattem Fels dahin. Sie sehen und wissen nicht, dass sie unter dem Schutz dessen stehen, der vorher mit ihnen diesen Weg gegangen ist. Mit dem Stab in der Hand drängen sie vorwärts und möchten gern noch schneller gehen, als sie es jetzt schon wagen. Sie verlieren ihren Pfad und finden ihn wieder. Manchmal rennend, manchmal stolpernd, eilen sie weiter mit ihrem unsichtbaren Begleiter während der ganzen Wegstrecke an ihrer Seite. DM.642.4 Teilen

643

Die Nacht ist dunkel, aber die Sonne der Gerechtigkeit scheint auf die eilenden Jünger. Ihr Herz droht vor Freude zu zerspringen. Sie fühlen sich wie in einer neuen Welt, haben sie doch erfahren: Christus ist ein lebendiger Heiland! Sie brauchen Ihn nicht länger als Toten zu betrauern. Er ist auferstanden — immer und immer wieder sagen sie es vor sich hin. Diese Botschaft dürfen sie den Trauernden bringen. Sie müssen ihnen die wunderbare Geschichte von ihrem Weg nach Emmaus erzählen; sie müssen berichten, wer sich ihnen auf dem Weg angeschlossen hat. So tragen sie die größte Botschaft, die je der Welt gegeben wurde — eine frohe Botschaft, auf der alle Hoffnung der menschlichen Familie für Zeit und Ewigkeit ruht. DM.643.1 Teilen

Kapitel 84: „Friede sei mit euch!“
644

Auf der Grundlage von Lukas 24,33-48; Johannes 20,19-29. DM.644 Teilen

Endlich haben die beiden Jünger Jerusalem erreicht. Sie gehen durch das östliche Tor, das bei festlichen Gelegenheiten nachts geöffnet ist. In den Häusern ist alles dunkel und still, aber die beiden Wanderer finden ihren Weg durch die engen Gassen beim Schein des aufgehenden Mondes. Sie gehen zu dem Obergemach, in dem Jesus den letzten Abend vor Seinem Tod verbrachte. Sie wissen, dass sie hier ihre Brüder finden werden. So spät es auch ist, wissen sie, dass die Jünger doch nicht eher zur Ruhe gehen werden, als sie Genaues über den Verbleib des Leichnams ihres Herrn erfahren. Die Tür zum Gemach ist fest verschlossen. Sie klopfen an, aber keine Antwort erfolgt — alles bleibt still. Dann nennen sie ihre Namen, und endlich wird vorsichtig die Tür entriegelt. Sie treten ein und mit ihnen noch ein anderer, ein unsichtbarer Gast. Dann wird die Tür wieder verriegelt, um Spione fernzuhalten. DM.644.1 Teilen

Die Wanderer finden alle in höchster Erregung. Die im Raum versammelt sind, stimmen immer wieder ein Lobpreis und Dank an und rufen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.“ Lukas 24,34. Die Männer von Emmaus, von ihrem eiligen Marsch noch ganz außer Atem, erzählen darauf die wunderbare Geschichte, wie Jesus ihnen erschienen ist. Sie haben gerade ihren Bericht beendet, und einige meinen noch, sie könnten es nicht glauben, da es zu schön wäre, um wahr zu sein, als auf einmal noch eine andere Gestalt vor ihnen steht. Aller Augen richten sich auf den Fremden. Niemand hat um Einlass gebeten, keine Schritte wurden vernommen. Die Jünger sind bestürzt und fragen sich, was das bedeuten solle. Doch da hören sie eine Stimme, die keinem anderen gehört als ihrem Meister Jesus Christus. Klar und deutlich kommen die Worte von Seinen Lippen: „Friede sei mit euch!“ „Sie erschraken aber und fürchteten sich, meinten, sie sähen einen Geist. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin‘s selbst. Fasst mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und die Füße.“ Lukas 24,37-40. Die Jünger blickten auf Seine grausam durchbohrten Hände und Füße. Sie erkannten auch Seine Stimme, die ihnen wie keine andere in Erinnerung geblieben war. „Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? Und sie legten ihm vor ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm‘s und aß vor ihnen.“ „Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen.“ Lukas 24,41-43; Johannes 20,20. An Stelle ihres Zweifels traten Freude und Glauben. Mit Empfindungen, die nicht mehr in Worte zu kleiden waren, bekannten sie sich zu ihrem auferstandenen Heiland. DM.644.2 Teilen

645

Bei Jesu Geburt hatte der Engel den Menschen Frieden und Wohlgefallen verkündigt. Nun, da Jesus zum ersten Mal nach Seiner Auferstehung den Jüngern erschien, begrüßte Er sie mit dem Wort: „Friede sei mit euch!“ Jesus ist immer bereit, denen inneren Frieden zu schenken, deren Seelen mit Zweifeln und Ängsten erfüllt sind. Er wartet darauf, dass wir Ihm unser Herz öffnen und zu Ihm sagen: Bleibe bei uns! Er spricht: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“ Offenbarung 3,20. DM.645.1 Teilen

Die Auferstehung Jesu war ein Sinnbild der Auferstehung von allen, die in Ihm schlafen. Das Aussehen des auferstandenen Heilandes, Sein Wesen und Seine Art zu sprechen waren Seinen Jüngern vertraut. Wie Jesus von den Toten auferstand, so werden alle, die in Ihm ruhen, auch auferstehen. Wir werden unsere Freunde wiedererkennen, wie die Jünger Jesus erkannten. Mögen sie im irdischen Leben verunstaltet, krank und verkrüppelt gewesen sein — sie werden schön gestaltet und in vollkommener Gesundheit auferstehen. Und doch wird in dem verklärten Leib ihre Identität vollständig gewahrt sein. „Dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ 1.Korinther 13,12. In Angesichtern, die in dem von Jesu Antlitz ausgehenden Licht hell glänzen werden, werden wir die Züge unserer Lieben wiedererkennen. DM.645.2 Teilen

Als Jesus Seinen Jüngern erschien, erinnerte Er sie an die Worte, die Er vor Seinem Tod zu ihnen gesprochen hatte, dass sich nämlich alles erfüllen müsse, was im Gesetz Moses, in den Propheten und in den Psalmen über Ihn geschrieben stehe. „Da öffnete er ihnen das Verständnis, sodass sie die Schrift verstanden, und sprach zu ihnen: So steht‘s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem und seid dafür Zeugen.“ Lukas 24,45-48. DM.645.3 Teilen

Die Jünger fingen an, das Wesen und den Umfang ihrer Aufgabe zu begreifen. Sie sollten der Welt die herrlichen Wahrheiten verkündigen, die Jesus ihnen anvertraut hatte. Die Ereignisse Seines Lebens, Sein Tod, Seine Auferstehung, die Weissagungen, die darauf hinwiesen, die Heiligkeit des Gesetzes Gottes, das Geheimnis des Erlösungsplanes, die Macht Christi zur Vergebung der Sünden — all dies konnten sie aus eigener Erfahrung und Anschauung bezeugen. Nun sollten sie es der Welt bekannt machen. Sie sollten das Evangelium des Friedens und der Erlösung durch Buße und die Kraft des Heilandes verkündigen. DM.645.4 Teilen

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„Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und sprach zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Johannes 20,22.23. Der Heilige Geist war noch nicht offenbart, denn Christus war noch nicht verherrlicht worden. Die volle Gabe des Heiligen Geistes wurde ihnen nicht vor der Himmelfahrt des Herrn zuteil. Erst wenn sie Ihn empfangen hatten, konnten sie ihren Auftrag ausführen, der Welt das Evangelium zu verkündigen. Jetzt erhielten sie den Heiligen Geist aus einem besonderen Grund. Bevor die Jünger ihre Aufgabe in der Gemeinde erfüllen konnten, gab Jesus ihnen erst Seinen Geist. Er vertraute ihnen damit eine besonders heilige Gabe an und wollte ihnen die Tatsache einprägen, dass sie ohne diesen Geist ihren Dienst nicht ausführen konnten. DM.646.1 Teilen

Der Heilige Geist ist der Atem des geistlichen Lebens in der Seele. Jemanden mit dem göttlichen Geist auszurüsten bedeutet, ihn mit dem Leben Christi zu füllen. Der Geist durchdringt den Empfänger mit den Eigenschaften Christi. Nur wer auf diese Weise von Gott unterwiesen ist, wer die nach innen gerichtete Wirksamkeit des Geistes spürt und in wem sich das christusähnliche Leben offenbart, der kann als Bevollmächtigter der Gemeinde dienen. DM.646.2 Teilen

„Welchen ihr die Sünden erlasst“, sagte Christus, „denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“ Johannes 20,22.23. Der Herr gibt damit niemandem die Freiheit, über andere ein Urteil zu fällen. Schon in der Bergpredigt forderte Jesus Seine Zuhörer auf, diese Angewohnheit zu lassen, denn das Richten steht allein Gott zu. Der Gemeinde aber als Organisation ist vom Herrn eine Verantwortung für jedes einzelne Mitglied auferlegt. Gegenüber denen, die in Sünde fallen, hat die Gemeinde die Pflicht, zu warnen, zu belehren und, falls es möglich ist, zu bessern. „Weise zurecht, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre“ (2.Timotheus 4,2), sagt der Herr. Bleibe ehrlich gegenüber jedem Unrecht. Warne jeden, der in Gefahr ist. Überlasse niemanden dem Selbstbetrug und nenne die Sünde bei ihrem richtigen Namen. Verkündige, was Gott über die Lüge, über das Brechen des Sabbats, über Stehlen, Abgötterei und jede andere Sünde gesagt hat: „Die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben.“ Galater 5,21. Wenn sie aber in ihrer Sünde beharren, wird das Gericht, das du ihnen aus der Heiligen Schrift angekündigt hast, im Himmel über sie ausgesprochen werden. Indem sie beschließen zu sündigen, verstoßen sie Christus. Die Gemeinde muss zeigen, dass sie deren Taten nicht gutheißt, oder sie selbst entehrt ihren Herrn. Sie muss über die Sünde ebenso urteilen wie Gott. Sie muss die Übertretungen genauso behandeln, wie Gott es vorgeschrieben hat, dann wird ihre Handlungsweise im Himmel bestätigt werden. Wer die Vollmacht der Gemeinde verachtet, der verachtet damit die Autorität Christi. DM.646.3 Teilen

647

Doch diese Darstellung hat noch eine angenehmere Seite. „Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen.“ Johannes 20,23. Dieser Gedanke soll überwiegen. Blickt bei der Arbeit für die Irrenden mit beiden Augen auf den Heiland! Die Hirten sollten die Herde von des Herrn Weide mit liebevoller Fürsorge leiten. Den Irrenden sollten sie von der vergebenden Gnade des Herrn erzählen und den Sünder ermutigen, seine Taten zu bereuen und an den zu glauben, der vergeben kann. Lasst die Diener Gottes im Namen des göttlichen Wortes verkünden: „Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ 1.Johannes 1,9. Alle Reumütigen haben die Zusicherung: „Er wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsere Sünden in die Tiefen des Meeres werfen.“ Micha 7,19. DM.647.1 Teilen

Mit dankbarem Herzen sollte die Reue des Sünders von der Gemeinde angenommen, der Bußfertige aus der Finsternis des Unglaubens in das Licht des Glaubens und der Gerechtigkeit geführt und seine zitternde Hand in die ihm liebevoll dargebotene Hand Jesu gelegt werden. Solch eine Art der Vergebung wird im Himmel gutgeheißen. Nur in diesem Sinne besitzt die Gemeinde die Macht, dem Sünder zu vergeben, denn das Lösen von der Sünde kann nur durch die Verdienste von Christus erreicht werden. Weder einem Menschen noch einer Vereinigung von Menschen ist die Macht gegeben, die Seele von Schuld zu befreien. Christus beauftragte Seine Jünger, die Vergebung der Sünden in Seinem Namen allen Völkern zu predigen, aber sie selbst waren nicht ermächtigt worden, auch nur die geringste Sünde wegzunehmen. In Jesu Namen allein ist Heil, und es ist auch „kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden“. Apostelgeschichte 4,12. DM.647.2 Teilen

Als Jesus zum ersten Mal Seinen Jüngern im Obergemach erschienen war, hatte Thomas gefehlt. Er hörte zwar die Berichte der anderen und erhielt genügend Beweise für die Auferstehung des Herrn, dennoch erfüllten Schwermut und Unglaube sein Herz. Als er die Jünger von den wunderbaren Bekundungen des auferstandenen Heilandes erzählen hörte, stürzte ihn das nur noch in tiefere Verzweiflung. Wenn Jesus wirklich von den Toten auferstanden wäre, dann bestünde fortan keine Hoffnung mehr auf ein buchstäblich irdisches Königreich. Auch verletzte es seine Eitelkeit, wenn er daran dachte, dass sein Meister sich allen Jüngern außer ihm offenbart haben sollte. Er war daher entschlossen, das Gehörte nicht zu glauben, und brütete eine ganze Woche lang über seinem Elend, das ihm im Gegensatz zu der Hoffnung und dem Glauben seiner Brüder umso dunkler erschien. Während dieser Zeit hatte Thomas wiederholt erklärt: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich‘s nicht glauben.“ Johannes 20,25. Er wollte nicht durch die Augen seiner Brüder sehen oder einen Glauben üben, der sich auf ihr Zeugnis stützte. Er liebte seinen Herrn von ganzem Herzen, aber er hatte Eifersucht und Unglauben in sein Herz und in seine Gedankenwelt eindringen lassen. DM.647.3 Teilen

648

Einem Teil der Jünger diente das vertraute obere Gemach als vorläufige Unterkunft, und abends versammelten sich dort alle außer Thomas. Eines Abends entschied sich auch Thomas, mit den anderen Jüngern zusammenzukommen. Trotz seines Unglaubens hegte er die schwache Hoffnung, dass jene gute Nachricht doch wahr sein könnte. Während des Abendessens sprachen die Jünger über die Beweise, die Jesus ihnen in den Prophezeiungen gegeben hatte. Plötzlich „kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch“! Johannes 20,26. DM.648.1 Teilen

Dann blickte Er zu Thomas und sagte: „Reiche einen Finger her und siehe meinen Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Johannes. 20,27 DM.648.2 Teilen

Diese Worte zeigten, dass dem Herrn die Gedanken und Worte des Thomas gut bekannt waren. Der zweifelnde Jünger wusste, dass niemand seiner Mitjünger den Herrn in der vergangenen Woche gesehen hatte. Sie konnten Jesus nichts von seinem Unglauben erzählt haben. Da erkannte er seinen Herrn und wollte keinen weiteren Beweis. In überströmender Freude warf er sich Jesus zu Füßen und rief: „Mein Herr und mein Gott!“ Johannes 20,28. DM.648.3 Teilen

Jesus nahm sein Bekenntnis an, tadelte ihn aber mit freundlicher Milde wegen seines Unglaubens: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Johannes 20,29. DM.648.4 Teilen

Das Glaubensbekenntnis von Thomas hätte den Heiland mehr gefreut, würde er dem Zeugnis seiner Brüder geglaubt haben. Folgte die Welt heute dem Beispiel von Thomas, dann glaubte niemand an die Erlösung, denn alle, die Christus annehmen, müssen sich auf das Zeugnis anderer stützen. DM.648.5 Teilen

Viele, die zum Zweifel neigen, entschuldigen sich damit, dass sie behaupten, sie würden gewiss glauben, wenn sie den Beweis bekämen, den Thomas von seinen Gefährten bekommen hatte. Sie erkennen aber nicht, dass sie nicht nur diesen Beweis, sondern noch weitaus mehr Zeugnisse haben. Viele, die ähnlich wie Thomas darauf warten, dass ihnen jeder Anlass zum Zweifel aus dem Weg geräumt wird, werden nie ihre Wünsche verwirklicht sehen. Allmählich werden sie immer tiefer in den Unglauben verstrickt. Wer sich dazu erzieht, nur auf die schwierige Seite zu schauen, zu murren und zu klagen, erkennt nicht, was er tut. Er sät den Samen des Zweifels und wird auch eine Ernte des Zweifels einbringen. In einer Zeit, in der Glaube und Vertrauen besonders wichtig sind, werden sich so viele nicht in der Lage sehen, zu hoffen und zu glauben. DM.648.6 Teilen

649

Durch Sein Verhalten gegenüber Thomas gab Jesus Seinen Nachfolgern eine gute Lehre. Sein Beispiel zeigt uns, wie wir die Schwachen im Glauben und die Zweifler behandeln sollen. Jesus überhäufte Thomas nicht mit Vorwürfen, noch ließ Er sich mit ihm auf Streitfragen ein. Er offenbarte sich dem Zweifelnden. Thomas hatte äußerst unvernünftig gehandelt, als er vorschrieb, unter welchen Bedingungen er glauben wolle. Jesus aber brach durch Seine großmütige Liebe und Rücksicht alle Schranken nieder. Der Unglaube wird selten durch Wortgefechte überwunden. Er greift gewöhnlich zur Selbstverteidigung und findet immer neue Unterstützung und Entschuldigungsgründe. Doch lasst Jesus in Seiner Liebe und Barmherzigkeit als den gekreuzigten Heiland offenbart werden, und viele einst unwillige Lippen werden das Bekenntnis des Thomas nachsprechen: „Mein Herr und mein Gott!“ DM.649.1 Teilen

Kapitel 85 Noch einmal am See Genezareth
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Auf der Grundlage von Johannes 21,1-22. DM.650 Teilen

Christus hatte mit Seinen Jüngern vereinbart, sie in Galiläa zu treffen; und bald nach dem Ende der Passahwoche machten sie sich dorthin auf. Ihre Abwesenheit von Jerusalem während des Passahfestes wäre als Abneigung und Abfall gedeutet worden. Deshalb blieben sie bis zum Schluss der Festwoche und eilten dann erst freudig heimwärts, um ihren Herrn zu treffen, wie Er es geboten hatte. Sieben der Jünger wanderten zusammen. Sie waren in das schlichte Gewand der Fischer gekleidet. Wohl waren sie arm an irdischen Gütern, doch reich in der Erkenntnis und im Ausleben der Wahrheit, was ihnen in himmlischer Sicht den höchsten Rang als Lehrer eintrug. Sie hatten zwar keine Prophetenschulen besucht, waren aber drei Jahre lang von dem besten Erzieher, den die Welt je gekannt hat, unterrichtet worden. Unter Seinem Einfluss waren sie edler, verständiger und vollkommener geworden — Werkzeuge, durch die andere Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit geführt werden konnten. DM.650.1 Teilen

Die meiste Zeit, die Jesu Lehrtätigkeit einnahm, hatten sie in der Nähe des Sees Genezareth verbracht. Als die Jünger sich an einem Ort versammelten, wo sie kaum gestört werden konnten, sahen sie sich immer wieder durch die Umgebung an Jesus und Seine mächtigen Taten erinnert. Auf diesem See war Er ihnen, auf den Wellen schreitend, zu Hilfe gekommen, als ihre Herzen sich fürchteten und der wilde Sturm sie dem Untergang entgegen trieb. Hier war der Sturm durch Sein Wort gestillt worden. Sie konnten den Strand überschauen, wo mehr als 10000 Menschen mit wenigen kleinen Broten und Fischen gespeist worden waren. Nicht weit davon entfernt lag Kapernaum, der Schauplatz so vieler Wunder. Als die Jünger nun die Landschaft betrachteten, waren sie in Gedanken ganz bei ihrem Heiland. DM.650.2 Teilen

Es war ein angenehmer Abend, und Petrus, der sich noch viel von seiner einstigen Begeisterung für Boote und Fischfang bewahrt hatte, machte den Vorschlag, auf den See hinauszufahren und die Netze auszuwerfen. Alle waren mit seinem Plan einverstanden, denn sie brauchten Nahrung und Kleidung, und der Erlös aus einem erfolgreichen nächtlichen Fischzug würde ihren Bedarf decken. So fuhren sie in ihrem Boot hinaus, doch sie fingen nichts. Sie plagten sich die ganze Nacht — ohne Erfolg. Während jener langen Nachtstunden unterhielten sie sich über ihren abwesenden Herrn und riefen sich die wunderbaren Ereignisse ins Gedächtnis zurück, die sie in der Zeit Seines öffentlichen Dienstes am See erlebt hatten. Sie fragten sich, was die Zukunft ihnen bringen würde, und der Ausblick auf die kommende Zeit machte sie traurig. Die ganze Zeit über folgte ihnen vom Ufer aus ein einsamer Beobachter mit Seinen Blicken, während Er selbst unbemerkt blieb. Endlich dämmerte der Morgen. Das Boot war dem Ufer schon sehr nahe gekommen, und jetzt sahen die Jünger einen Fremden am Strand stehen, der sie mit den Worten ansprach: „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Als sie die Frage verneinten, sagte der Fremde zu ihnen: „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten‘s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.“ Johannes 21,5.6. DM.650.3 Teilen

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Johannes aber erkannte den Fremden und rief Petrus zu: „Es ist der Herr!“ Petrus war so übermütig und so voller Freude, dass er sich ungeduldig gleich vom Boot aus ins Wasser warf und bald neben seinem Herrn stand. Die anderen Jünger fuhren im Boot heran und zogen das mit Fischen gefüllte Netz hinter sich her. „Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.“ Johannes 21,7.9. Sie waren zu überrascht, um zu fragen, woher das Feuer und die Speise stammten. Jesus sagte zu ihnen: „Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!“ Johannes 21,10. Da rannte Petrus zu dem Netz, das er hatte fallen lassen, und half seinen Brüdern, es an Land zu ziehen. Nachdem sie diese Arbeit erledigt hatten und alle Vorbereitungen getroffen waren, bat Jesus Seine Jünger, mit Ihm zu speisen. Er brach das Brot und verteilte es unter sie und wurde nunmehr von allen sieben erkannt und anerkannt. Das Wunder von der Speisung der 5000 am Berghang kam ihnen auf einmal wieder ins Gedächtnis; doch zeigten sie eine merkwürdige Scheu, und schweigend schauten sie den auferstandenen Heiland an. DM.651.1 Teilen

Lebhaft erinnerten sie sich an das Geschehen am See, als Jesus ihnen geboten hatte, Ihm zu folgen. Sie dachten daran, wie sie auf Seinen Befehl hin auf den See hinausgefahren waren und ihre Netze ausgeworfen hatten und wie der Fischzug eine so reiche Beute erbracht hatte, dass die Netze zu zerreißen drohten. Dann waren sie von Jesus aufgefordert worden, ihre Fischerboote zu verlassen, und Er hatte ihnen versprochen, aus ihnen Menschenfischer zu machen. Um ihnen dieses Erlebnis wieder lebendig werden zu lassen und dessen Eindruck zu vertiefen, hatte Er abermals das Wunder des Fischzuges vollbracht. Dieses Wunder stellte eine Erneuerung des göttlichen Auftrages an die Jünger dar. Es führte ihnen vor Augen, dass der Tod ihres Meisters ihre Verpflichtung nicht verringert hatte, die ihnen vom Herrn zugewiesene Aufgabe zu erfüllen. Obwohl sie auf den persönlichen Umgang mit dem Herrn und auf das Bestreiten ihres Lebensunterhaltes aus ihrem früheren Beruf würden verzichten müssen, würde sich der auferstandene Heiland dennoch um sie kümmern. Solange sie Seinen Auftrag ausführten, würde Er für ihre Bedürfnisse sorgen. Mit der Anweisung, ihr Netz rechts vom Schiff auszuwerfen, hatte der Heiland eine bestimmte Absicht verfolgt. An jener Seite stand Er am Ufer — das war die Seite des Glaubens. Arbeiteten sie mit Ihm zusammen, indem sie ihre menschlichen Bemühungen mit Seiner göttlichen Macht verbänden, dann könnte der Erfolg nicht ausbleiben. DM.651.2 Teilen

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Noch eine weitere Lehre, die besonders Petrus anging, musste Jesus ihnen erteilen. Dass Petrus den Herrn verleugnet hatte, war ein schändlicher Gegensatz zu seinen früheren Treueversprechen gewesen. Er hatte den Herrn entehrt und sich das Misstrauen seiner Brüder zugezogen. Diese glaubten, dass er seine frühere Stellung unter ihnen nicht mehr einnehmen dürfe, und auch er selbst fühlte, dass er das Vertrauen in ihn verscherzt hatte. Ehe er nun berufen wurde sein Apostelamt wieder aufzunehmen, musste er vor ihnen allen den Beweis für seine Reue erbringen. Andernfalls hätte seine Schuld, obwohl er sie bereute, seinen Einfluss als Diener Christi untergraben können. DM.652.1 Teilen

Der Heiland schenkte ihm Gelegenheit, das Vertrauen seiner Brüder wieder zu gewinnen und soweit wie möglich die Schmach zu beseitigen, die sein schändliches Verhalten dem Evangelium von der Herrlichkeit Jesu Christi gebracht hatte. Hierdurch wurde allen Nachfolgern Christi eine Lehre gegeben. Das Evangelium schließt keinen Kompromiss mit der Sünde, es kann kein Unrecht entschuldigen. Geheime Sünden sollten Gott im Verborgenen bekannt werden, offenkundige Sünden aber erfordern ein öffentliches Bekenntnis. Wenn die Jünger sündigen, trifft der Vorwurf Christus. Das veranlasst Satan zum Triumph und lässt schwache Menschen straucheln. Indem der Jünger Reue beweist, soll er, soweit es in seiner Macht steht, die Schmach beseitigen. Während Jesus gemeinsam mit Seinen Jüngern am Ufer speiste, fragte Er Petrus: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben?“ Johannes 21,15. Dabei wies Er auf seine Gefährten. Petrus hatte einst erklärt: „Wenn sie auch alle Ärgernis nehmen, so will ich doch niemals Ärgernis nehmen an dir.“ Matthäus 26,33. Doch jetzt konnte er sich besser beurteilen. „Ja, Herr“, antwortete er, „du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Johannes 21,15. Das ist keine leidenschaftliche Versicherung, dass seine Liebe die seiner Brüder übersteige. Er gibt nicht einmal seiner eigenen Meinung über den Wert seiner Hingabe Ausdruck. Vielmehr bittet er den, der alle Beweggründe des Herzens kennt, seine Aufrichtigkeit zu beurteilen: „Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Und Jesus fordert ihn auf: „Weide meine Lämmer!“ Johannes 21,15. Abermals prüfte der Herr Petrus, indem Er Seine Frage wiederholte: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Diesmal fragte Er Petrus nicht, ob dieser Ihn mehr liebe als seine Brüder. Doch auch die zweite Antwort glich der ersten, sie war frei von übertriebenen Beteuerungen: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Jesus sagte ihm darauf: „Weide meine Schafe!“ Johannes 21,16. Aber noch einmal stellte der Heiland die prüfende Frage: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?“ Da wurde Petrus traurig, glaubte er doch, dass Jesus an seiner Liebe zweifele. Er wusste, dass sein Herr Grund hatte, ihm zu misstrauen. So antwortete er mit schmerzendem Herzen: „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Und wieder wies Jesus ihn an: „Weide meine Schafe!“ Johannes 21,17. Dreimal hatte Petrus seinen Herrn öffentlich verleugnet, und dreimal verlangte Jesus von ihm nun die Versicherung seiner Liebe und Treue, wobei die wiederholte, gezielte Frage Petrus wie ein spitzer Pfeil ins wunde Herz drang. Vor den versammelten Jüngern enthüllte Jesus, wie tief Petrus seine Tat bereute, und ließ dadurch erkennen, wie gründlich sich der einst so ruhmredige Jünger gedemütigt hatte. DM.652.2 Teilen

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Petrus war von Natur aus vorschnell und unbeherrscht, und Satan hatte diese Wesensmerkmale zu seinem Vorteil benutzt, um ihn zu Fall zu bringen. Kurz vor jener schändlichen Tat hatte Jesus zu Petrus gesagt: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“ Lukas 22,31.32. Diese Zeit war jetzt gekommen, die Umwandlung im Wesen von Petrus war allen deutlich. Die eindringlichen, prüfenden Fragen des Herrn hatten keine vorschnelle, selbstzufriedene Antwort hervorgerufen. Seine Demütigung und seine Reue hatten Petrus besser als je zuvor darauf vorbereitet, ein Hirte der Herde zu sein. DM.653.1 Teilen

Die erste Aufgabe, die Jesus Petrus anvertraute, als er ihn in den Dienst wieder einsetzte, war das Hüten der Lämmer. Das war eine Tätigkeit, in der Petrus bisher nur wenig Erfahrungen gesammelt hatte. Sie würde von ihm viel Sorgfalt und Einfühlungsvermögen, viel Geduld und Ausdauer erfordern. Es war ein Ruf, denen zu dienen, die jung im Glauben waren. Er sollte die Unwissenden belehren, ihnen die Schrift öffnen und sie zu nützlichen Mitarbeitern im Dienst für Jesus erziehen. Bis jetzt war Petrus weder für diese Aufgabe tauglich gewesen, noch verstand er deren Wichtigkeit. Aber gerade dazu berief ihn der Herr nun. Sein Leid und seine Reue hatten ihn dafür vorbereitet. Vor seinem Fall hatte Petrus immer wieder unüberlegt, aus einem plötzlichem Antrieb heraus gesprochen. Stets war er bereit gewesen, andere zurechtzuweisen und seine eigene Meinung kundzutun, bevor er sich über sich selbst oder über das, was er zu sagen hatte, völlig im Klaren war. Der bekehrte Petrus aber handelte ganz anders. Er behielt wohl seine frühere Begeisterung, doch die Gnade Christi leitete seinen Eifer in die richtigen Bahnen. Er war nicht mehr heftig, selbstvertrauend und überheblich, sondern ruhig, beherrscht und gelehrig. Er konnte sowohl die Lämmer als auch die Schafe der Herde Christi weiden. DM.653.2 Teilen

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Jesu Handlungsweise gegenüber Petrus war für diesen wie für seine Brüder sehr lehrreich. Er zeigte ihnen, dass sie dem Übertreter mit Geduld, Mitgefühl und vergebender Liebe zu begegnen hatten. Obwohl Petrus seinen Herrn verleugnet hatte, schwankte die Liebe, mit der Jesus ihn trug, niemals. Ebensolche Liebe sollte der Unterhirte für seine Schafe und Lämmer aufbringen, die seiner Obhut übergeben waren. Indem er sich seiner eigenen Schwäche und seines Versagens erinnerte, sollte Petrus ebenso feinfühlig mit seiner Herde umgehen, wie Jesus an ihm gehandelt hatte. Jesu Frage an Petrus war bedeutungsvoll. Er führte nur eine Bedingung zur Jüngerschaft und zum Dienst an: „Hast du mich lieb?“ Johannes 21,17. Das ist die wichtigste Voraussetzung. Würde Petrus alle möglichen Befähigungen besessen haben, hätte er doch ohne die Liebe Christi kein treuer Hirte über die Herde des Herrn sein können. Erkenntnis, Mildtätigkeit, Beredsamkeit, Dankbarkeit und Eifer sind gute Hilfsmittel im Werk des Herrn, aber wenn ein Diener Christi nicht Jesu Liebe im Herzen trägt, wird sein Dienst erfolglos bleiben. DM.654.1 Teilen

Jesus ging mit Petrus allein, denn es gab einiges, das Er nur mit ihm besprechen wollte. Vor Seinem Tod hatte Jesus zu ihm gesagt: „Wo ich hingehe, kannst du mir diesmal nicht folgen; aber du wirst mir später folgen.“ Darauf hatte Petrus geantwortet: „Herr, warum kann ich dir diesmal nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen.“ Johannes 13,36.37. Als er das sagte, hatte er nur wenig Ahnung davon, über welche Höhen und in welche Tiefen Christus ihm auf dem Weg vorangehen würde. Petrus hatte versagt, als die Prüfung kam, aber wieder sollte er Gelegenheit haben, seine Liebe zu Christus zu beweisen. Damit er für die endgültige Glaubensprüfung gestärkt würde, breitete der Heiland seine Zukunft vor ihm aus. Er offenbarte ihm, dass nach einem fruchtbaren Leben, wenn dann das Alter an seinen Kräften zehrte, er tatsächlich seinem Herrn folgen würde. Jesus sagte ihm: „Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hinwolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hinwillst. Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde.“ Johannes 21,18.19. Jesus machte Petrus ganz offen mit der Art und Weise seines Todes vertraut. Er sagte ihm sogar das Ausstrecken seiner Hände am Kreuz voraus. Erneut forderte Er dann seinen Jünger auf: „Folge mir nach!“ Petrus wurde durch diese Offenbarung nicht entmutigt. Er war bereit, für seinen Herrn jeden Tod zu erleiden. DM.654.2 Teilen

Bisher hatte Petrus den Herrn dem Fleisch nach gekannt, wie Ihn viele auch heute kennen. Doch er sollte nicht länger eine derartig begrenzte Schau haben. Er hatte Ihn jetzt anders kennengelernt als zu der Zeit, da er mit Ihm in irdischer Gemeinschaft verbunden war. Er hatte Jesus als Mensch geliebt, als einen vom Himmel gesandten Lehrer. Jetzt liebte er Ihn als Gott. Nach und nach hatte er erkannt, dass Jesus ihm „alles in allem“ (1.Korinther 15,28) war. Nun war er bereit, teilzuhaben an Seines Herrn Aufgabe, die Opfer bedeutete. Als er schließlich gekreuzigt werden sollte, wurde er auf seine Bitte hin mit dem Haupt nach unten gekreuzigt. Er hielt es für eine zu große Ehre, auf dieselbe Weise den Tod zu erleiden wie sein Meister. DM.654.3 Teilen

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Für Petrus waren die Worte: „Folge mir nach!“ äußerst lehrreich. Diese Unterweisung war ihm nicht nur für sein Sterben, sondern auch für jeden weiteren Schritt seines Lebens gegeben worden. Bisher hatte Petrus lieber selbständig gehandelt, hatte versucht, von sich aus für das Werk Gottes Pläne auszuarbeiten, statt geduldig zu warten und dann dem Plan Gottes zu folgen. Indem er dem Herrn vorauseilte, konnte er jedoch nichts gewinnen. Jesus fordert ihn auf: „Folge mir nach!“ Lauf mir nicht voran. Dann brauchst du den Heeren Satans nicht allein gegenüberzustehen. Lass mich vorangehen, und der Feind wird dich nicht überwältigen können. DM.655.1 Teilen

Als Petrus gerade neben Jesus ging, sah er, dass Johannes ihnen folgte. Da wurde er von dem Wunsch beseelt, auch dessen Zukunft zu erfahren, und so fragte er Jesus: „Herr, was wird aber mit diesem?“ Jesus antwortete ihm: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“ Johannes 21,21.22. Petrus hätte bedenken sollen, dass sein Herr ihm alles das offenbaren würde, was für ihn zu wissen gut wäre. DM.655.2 Teilen

Eines jeden Pflicht ist es, Christus nachzufolgen, ohne dabei eine unangebrachte Besorgnis über die den anderen aufgetragene Arbeit zu hegen. Als Jesus von Johannes sagte: „Wenn ich will, dass er bleibe, bis ich komme“, gab Er damit keineswegs die Versicherung ab, dass dieser Jünger bis zum zweiten Kommen des Herrn leben werde. Er erläuterte mit diesen Worten lediglich seine uneingeschränkte Macht. Zum andern wollte Er zeigen, dass es die Aufgabe von Petrus in keiner Weise beeinträchtigen würde, wenn es tatsächlich Sein Wille wäre, dass jener Jünger nicht stürbe. Die Zukunft von Johannes wie auch von Petrus lag in den Händen ihres Herrn. Beiden war die Pflicht auferlegt, Ihm im Gehorsam zu folgen. Wie viele Menschen heute gleichen Petrus! Sie kümmern sich um die Angelegenheiten anderer und brennen darauf, deren Pflichten kennen zu lernen, während sie Gefahr laufen, ihre eigenen Aufgaben zu vernachlässigen. Es kommt uns zu, auf Jesus zu schauen und Ihm nachzufolgen. Im Leben und im Charakter anderer Menschen werden wir Fehler und Mängel entdecken. Die menschliche Natur ist mit Schwachheit behaftet; in Jesus Christus aber werden wir Vollkommenheit finden. Indem wir auf Ihn sehen, werden wir verwandelt werden. DM.655.3 Teilen

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Johannes erreichte ein sehr hohes Alter. Er erlebte die Zerstörung Jerusalems und den Untergang des prächtigen Tempels — ein Symbol für die endgültige Vernichtung der Welt. Bis zu seinem Tod folgte er treu seinem Herrn. Der wesentliche Inhalt seines Zeugnisses an die Gemeinden lautete: „Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott ... und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ 1.Johannes 4,7.16. DM.656.1 Teilen

Petrus war wieder in sein Apostelamt eingesetzt worden, doch die ihm von Christus zuteil gewordene Ehre und Vollmacht bedeutete keine Vorrangstellung gegenüber seinen Brüdern. Das hatte Jesus klar herausgestellt, als er auf die Frage von Petrus: „Was wird aber mit diesem?“ die Antwort gab: „Was geht es dich an? Folge du mir nach!“ Johannes 21,21.22. DM.656.2 Teilen

Petrus wurde nicht als Leiter der Gemeinde geehrt. Die Gnade, die ihm Jesus dadurch erwiesen hatte, dass Er ihm seinen Abfall vergab und ihm die Sorge für die Herde anvertraute, sowie seine Treue in der Nachfolge Christi hatten Petrus das Vertrauen seiner Brüder wiedergewonnen. Er besaß großen Einfluss in der Gemeinde. Aber die Lehre, die ihm der Herr am See Genezareth erteilt hatte, bewahrte er für sein ganzes Leben. DM.656.3 Teilen

Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes schrieb er an die Gemeinden: „Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll: Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird er Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.“ 1.Petrus 5,1-4. DM.656.4 Teilen

Kapitel 86 „Gehet hin und lehret alle Völker“
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Auf der Grundlage von Matthäus 28,16-20; Markus 16,15. DM.657 Teilen

Kurz vor Seiner Himmelfahrt versicherte Christus den Jüngern: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Dann sprach er: „Darum .gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.“ Matthäus 28,18.19. DM.657.1 Teilen

„Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur.“ Markus 16,15. Immer wieder wurden diese Worte wiederholt, damit die Jünger deren Bedeutung begriffen. Auf alle Bewohner der Erde, ob Groß oder Klein, Reich oder Arm, sollte das Licht des Himmels kraftvoll und hell scheinen. Die Jünger sollten mit ihrem Erlöser zur Rettung der Welt zusammenarbeiten. Der Auftrag war den zwölf Aposteln schon gegeben worden, als Jesus ihnen im Obergemach begegnete; doch nun sollte er einer größeren Anzahl mitgeteilt werden. Alle Gläubigen, die zusammengerufen werden konnten, waren dort auf einem Berg in Galiläa versammelt. Christus selbst hatte vor Seinem Tod den Zeitpunkt und den Ort der Zusammenkunft bestimmt. DM.657.2 Teilen

Der Engel am Grab hatte die Jünger an Jesu Versprechen erinnert, sie in Galiläa zu treffen. Diese Verheißung wurde den Gläubigen wiederholt, die sich während der Passahwoche in Jerusalem befanden, und durch sie wurde diese vielen Einsamen übermittelt, die den Tod ihres Herrn beklagten. Mit höchstem Interesse blickten sie der Begegnung entgegen. Auf Umwegen gelangten sie an den Versammlungsort. Sie kamen aus allen Richtungen, um sich bei den argwöhnischen Juden nicht verdächtig zu machen. Staunenden Herzens kamen sie herbei und besprachen tief ergriffen, was sie über Christus erfahren hatten. DM.657.3 Teilen

Zur festgesetzten Zeit hatten sich etwa 500 Gläubige in kleinen Gruppen am Bergeshang eingefunden, die sich alle wünschten, soviel wie möglich von denen zu erfahren, die Christus seit Seiner Auferstehung gesehen hatten. Die Jünger gingen von Gruppe zu Gruppe, berichteten über alles, was sie von Jesus gesehen und gehört hatten, und legten die Schrift aus, so wie es Jesus mit ihnen getan hatte. Thomas sprach von seinem Unglauben und erzählte, wie seine Zweifel hinweggefegt worden waren. Plötzlich stand Jesus mitten unter ihnen. Niemand konnte sagen, woher oder wie Er zu ihnen gekommen war. Viele der Anwesenden hatten Ihn nie zuvor gesehen, aber an Seinen Händen und Füßen sahen sie die Nägelmale der Kreuzigung. Sein Angesicht erschien wie das Antlitz Gottes, und als sie Ihn erblickten, beteten sie Ihn an. Einige aber zweifelten. So wird es immer sein. Es sind jene, denen es schwerfällt zu glauben, deshalb begeben sie sich auf die Seite der Zweifelnden. Sie verlieren viel wegen ihres Unglaubens. DM.657.4 Teilen

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Das war die einzige Begegnung, die Jesus mit zahlreichen Gläubigen nach Seiner Auferstehung hatte. Er trat zu ihnen und sagte: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Matthäus 28,18. Die Jünger hatten Ihn schon angebetet, bevor Er zu ihnen sprach, doch diese Worte kamen aus einem Mund, der im Tod verschlossen gewesen war, und das berührte die Anwesenden mit besonderer Kraft. Er war in der Tat der auferstandene Heiland. Viele von den Anwesenden hatten miterlebt, wie Er Seine Macht einsetzte, um Kranke zu heilen und satanische Gewalten unter Seine Herrschaft zu bringen. Sie glaubten, dass es in Seiner Macht läge, Sein Reich in Jerusalem zu errichten, allen Widerstand zu brechen und die Kräfte der Natur zu beherrschen. Er hatte das zornige Meer beruhigt, war auf schäumenden Wellen gegangen, hatte Tote zum Leben erweckt. Nun erklärte Er, dass Ihm „alle Gewalt“ gegeben sei. Seine Worte trugen die Gedanken der Zuhörer über irdische und zeitliche Belange hinaus bis zu himmlischen und ewigen Dingen. Sie erhielten eine außerordentliche Vorstellung von Seiner Würde und Seiner Herrlichkeit. DM.658.1 Teilen

Christi Worte am Bergeshang gaben zu erkennen, dass sein für den Menschen gebrachtes Opfer vollständig und abgeschlossen war. Die Bedingungen für die Versöhnung waren erfüllt worden; die Aufgabe, für die Er in diese Welt gekommen war, hatte Er vollendet. Nun war Er auf dem Weg zum Thron Gottes, um von Engeln, Fürstentümern und Gewalten geehrt zu werden. Er hatte Sein Mittleramt angetreten. Ausgestattet mit unbeschränkter Autorität, erteilte Er den Jüngern Seinen Auftrag: „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Matthäus 28,19.20. DM.658.2 Teilen

Die Juden waren zu Hütern der heiligen Wahrheit bestimmt worden, aber das Pharisäertum hatte sie zu den unzugänglichsten und engstirnigsten Menschen dieser Welt werden lassen. Alles was mit den Priestern und Obersten in Zusammenhang stand — ihre Kleidung und ihre Bräuche, ihre Zeremonien und ihre Überlieferungen —, machte sie untauglich, das Licht der Welt zu sein. Sie selbst, die jüdische Nation,— das war für sie die Welt. Christus jedoch beauftragte Seine Jünger, einen Glauben und eine Anbetung zu verkündigen, die nichts zu tun hatte mit der gesellschaftlichen Stellung oder der Volkszugehörigkeit, einen Glauben, der von allen Völkern, Nationalitäten und Menschengruppen angenommen werden könnte. DM.658.3 Teilen

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Bevor Christus Seine Jünger verließ, machte Er ihnen die Art Seines Reiches verständlich. Er erinnerte sie daran, was Er ihnen früher darüber mitgeteilt hatte. Er erklärte, dass es nicht Seine Absicht gewesen war, ein zeitliches, sondern vielmehr ein geistliches Reich auf dieser Erde zu gründen. Auch wollte Er nicht als irdischer König auf Davids Thron herrschen. Erneut zeigte Er ihnen aus der Schrift, dass alles, was Er erlitten hatte, schon im Himmel in gemeinsamen Beratungen zwischen Ihm und Seinem Vater festgelegt worden war. Und alles war von Menschen vorausgesagt worden, die vom Heiligen Geist geleitet waren. Ihr seht, sagte Er ihnen, dass alles eingetroffen ist, was ich euch über meine Verwerfung als Messias offenbart habe. Ebenso ist alles in Erfüllung gegangen, was ich euch hinsichtlich meiner Demütigung, die ich ertragen, und meines Todes, den ich erleiden sollte, erklärt habe. Am dritten Tag bin ich auferstanden. Studiert noch sorgfältiger in den Schriften, und ihr werdet erkennen, dass sich in allen diesen Dingen die von mir zeugenden Aussagen des prophetischen Wortes erfüllt haben. DM.659.1 Teilen

Christus beauftragte Seine Jünger, die Aufgabe zu erledigen, die Er ihnen überlassen hatte, und sie sollten in Jerusalem damit beginnen. Jerusalem war der Schauplatz gewesen, wo Er sich um der Menschen willen am tiefsten zu ihnen herabgelassen hatte. Dort hatte Er gelitten, dort war Er verworfen und verurteilt worden. Judäa war Sein Geburtsland. Dort war Er, in menschlicher Gestalt, mit Menschen zusammen gewesen, und nur wenige hatten erkannt, wie nahe der Himmel der Erde gekommen war, als Jesus unter ihnen weilte. In Jerusalem musste die Arbeit der Apostel beginnen. DM.659.2 Teilen

Im Blick auf all das, was Christus dort erlitten hatte, und auf die nicht gewürdigte Mühe, die Er sich gegeben hatte, hätten die Jünger wohl ein mehr versprechendes Arbeitsfeld erbitten können. Doch sie erbaten es nicht. Gerade der Boden, auf dem Jesus bereits den Samen der göttlichen Wahrheit ausgestreut hatte, sollte von den Jüngern bearbeitet werden. Die Saat würde aufgehen und eine reiche Ernte hervorbringen. Bei ihrem Dienst würden sie durch die Eifersucht und den Hass der Juden Verfolgung erleiden müssen, doch das hatte auch ihr Meister ertragen, und deshalb wollten sie nicht davor zurückschrecken. Das erste Gnadenangebot sollte den Mördern des Heilandes gelten. DM.659.3 Teilen

Es gab in Jerusalem viele, die heimlich an Jesus geglaubt hatten, und es gab nicht wenige, die durch die Priester und Obersten betrogen worden waren. Auch sie sollte man mit dem Evangelium bekannt machen. Sie mussten zur Sinnesänderung aufgerufen werden. Die herrliche Wahrheit, dass durch Christus allein Vergebung der Sünden erlangt werden kann, sollte gut erklärt werden. Während ganz Jerusalem noch durch die aufregenden Ereignisse der vergangenen Wochen innerlich bewegt war, würde die Predigt des Evangeliums den tiefsten Eindruck hinterlassen. DM.659.4 Teilen

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Aber das Werk durfte hier nicht aufhören. Es sollte bis in die entlegensten Gebiete der Erde getragen werden. Jesus sprach zu Seinen Jüngern: Ihr seid Zeugen dafür, dass ich ein Leben der Selbstaufopferung für diese Welt geführt habe. Auch habt ihr meine Bemühungen um Israel gesehen. Obwohl sie nicht zu mir kommen wollten, um das Leben zu empfangen, und die Priester und Obersten mit mir umgingen, wie es ihnen gefiel, obwohl sie mich verworfen haben, wie es die Schriften vorhersagten, — sie sollen noch eine weitere Gelegenheit haben, den Sohn Gottes anzunehmen. Ihr habt gesehen, dass ich alle bereitwillig annehme, die zu mir kommen und ihre Sünden bekennen. Wer zu mir kommt, den werde ich auf keinen Fall abweisen. Alle, die das wünschen, können mit Gott versöhnt werden und das ewige Leben empfangen. Euch, meinen Nachfolgern, übertrage ich diese Gnadenbotschaft. Sie soll zuerst Israel verkündigt werden, danach allen anderen Nationen, Sprachen und Völkern. Juden und Heiden sollte sie gegeben werden, und alle, die daran glauben, sollen in einer Gemeinde gesammelt werden. DM.660.1 Teilen

Durch die Gabe des Heiligen Geistes sollten die Jünger mit übernatürlicher Kraft ausgerüstet werden und ihr Zeugnis würde sich durch Zeichen und Wunder bestätigen. Wunder würden nicht nur von den Aposteln vollbracht, sondern auch von denen, die ihre Botschaft annähmen. Jesus verhieß: „In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird‘s ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird‘s besser mit ihnen werden.“ Markus 16,17.18. DM.660.2 Teilen

Damals kamen häufig Giftmorde vor. Gewissenlose Menschen aber zögerten nicht, durch derartige Mittel jene zu beseitigen, die ihrem Ehrgeiz im Weg standen. Jesus wusste, dass dadurch auch das Leben Seiner Jünger gefährdet war. Viele würden meinen, Gott einen Dienst zu erweisen, wenn sie Seine Zeugen umbrächten. Deshalb versprach Er ihnen Schutz vor dieser Gefahr. DM.660.3 Teilen

Die Jünger sollten die gleiche Kraft haben, die Jesus besaß, um „alle Krankheit und alle Gebrechen im Volk“ (Matthäus 4,23) zu heilen. Indem sie in Seinem Namen die Krankheiten des Körpers heilten, würden sie Jesu Macht zum Heilen der Menschenseele bezeugen. Eine neue Gabe wurde ihnen nun versprochen. Da die Jünger auch in anderen Ländern predigen sollten, würden sie die Macht erhalten, auch in anderen Sprachen zu reden. Die Apostel und ihre Begleiter waren ungelehrte Männer, doch durch die Ausgießung des Geistes zu Pfingsten wurde ihre Rede — ob in der Mutter- oder Fremdsprache — sowohl in der Wortwahl als auch in der Aussprache klar, einfach und fehlerfrei. So erteilte Jesus den Jüngern ihren Auftrag. Er hatte alle Vorkehrungen für die Durchführung des Werkes getroffen und übernahm selbst die Verantwortung für dessen Erfolg. Solange sie Seinem Wort gehorchten und in Verbindung mit Ihm arbeiteten, würden sie nicht versagen können. Geht zu allen Völkern, gebot Er ihnen. Geht bis zu den entferntesten Teilen der bewohnten Welt und wisst, dass ich auch dort sein werde! Wirkt im Glauben und voller Vertrauen, denn es wird nie geschehen, dass ich euch verlasse. DM.660.4 Teilen

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Jesu Auftrag an Seine Jünger schloss alle Gläubigen ein. Bis zum Ende der Zeiten sind alle, die an Christus glauben, davon betroffen. Es ist ein verhängnisvoller Irrtum anzunehmen, die Aufgabe der Seelenrettung beziehe sich allein auf den ordinierten Geistlichen. Vielmehr ist allen, denen die himmlische Erkenntnis zuteil geworden ist, die Frohbotschaft anvertraut. Wer durch Christus neues Leben empfangen hat, ist dazu ausersehen, an der Errettung seiner Mitmenschen mitzuwirken. Zu diesem Zweck wurde die Gemeinde gegründet, und alle, die gelobt haben, zur Gemeinschaft der Gläubigen zu gehören, haben sich damit verpflichtet, Mitarbeiter Christi zu sein. DM.661.1 Teilen

„Der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm!“ Offenbarung 22,17. Jeder, der Ohren hat zu hören, sollte die Einladung wiederholen. Ungeachtet seiner beruflichen Pflichten sollte es sein erstes Anliegen sein, Menschen für Christus zu gewinnen. Er mag nicht in der Lage sein, vor großen Versammlungen zu sprechen, doch kann er gut für einzelne Menschen arbeiten. Ihnen kann er die Anweisungen weitergeben, die er von Gott erhalten hat. Der Dienst für den Herrn besteht nicht nur im Predigen. Es dienen auch solche, die die Kranken und Leidenden trösten, die den in Not Geratenen helfen und die den Verzagten und Schwachen im Glauben Trost und Stärkung zusprechen. Überall gibt es Menschenseelen, die durch das Bewusstsein ihrer Schuld niedergedrückt sind. Nicht Bedrängnis, schwere Arbeit oder Armut entwürdigen die Menschheit, sondern Schuld und Übeltat. Diese bringen Unruhe und Unzufriedenheit mit sich. Christus erwartet von Seinen Dienern, dass sie von Sünde behafteten Menschen helfen. DM.661.2 Teilen

Die Jünger sollten ihre Aufgabe dort beginnen, wo sie sich befanden. Das schwierigste und am wenigsten versprechende Feld durfte nicht übergangen werden. So soll jeder Mitarbeiter Christi dort beginnen, wo er sich aufhält. In der eigenen Familie mögen Seelen nach Mitgefühl verlangen, gar nach dem Brot des Lebens hungern. Es gibt vielleicht Kinder, die für Christus zu erziehen sind. Schon in unserer nächsten Umgebung finden wir Ungläubige. Deshalb lasst uns gewissenhaft die uns am nächsten liegende Aufgabe erfüllen und dann unsere Bemühungen so weit ausdehnen, wie Gottes Hand uns leiten wird. Das Wirken vieler Menschen mag durch bestimmte Umstände räumlich begrenzt erscheinen; doch wo immer es auch geschieht, erfolgt es im Glauben und mit ganzem Einsatz, so wird es bis an die äußersten Enden der Erde zu spüren sein. Als Christus auf dieser Erde weilte, schien Sein Aufgabenbereich nur auf ein kleines Feld beschränkt zu sein, und doch vernahmen zahllose Menschen aus allen damals bekannten Ländern Seine Botschaft. Gott gebraucht oft die einfachsten Mittel, um die größten Ergebnisse zu erzielen. DM.661.3 Teilen

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Es ist Sein Plan, dass jeder Teil Seines Werkes sich harmonisch auf den anderen stützen soll, so wie ein Rädchen in das andere greift. Der geringste Arbeiter wird, vom Heiligen Geist erfasst, gleichsam unsichtbare Saiten berühren, deren Schwingungen sich bis an die Enden der Erde fortsetzen und durch alle Zeitalter hindurch erklingen werden. DM.662.1 Teilen

Der Befehl: „Gehet hin in alle Welt!“ darf nie aus den Augen verloren werden. Wir sind aufgerufen, unsere Blicke auf entfernte Gebiete zu richten. Christus reißt die Scheidewand, das trennende Vorurteil der Volkszugehörigkeit, hinweg und lehrt, die Liebe zu allen Angehörigen der menschlichen Familie auszuüben. Er hebt die Menschen über den engen Kreis hinaus, den die Selbstsucht ihnen vorschreibt. Und Er hebt alle nationalen Grenzen und alle künstlich errichteten gesellschaftlichen Unterschiede auf. Christus macht keinen Unterschied zwischen Nachbar und Fremdling, Freund und Feind. Er lehrt uns, jede bedürftige Seele als unseren Bruder und die Welt als unser Arbeitsgebiet anzusehen. DM.662.2 Teilen

Als Jesus gebot: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“ (Matthäus 28,19), da sagte Er auch: „Die Zeichen aber, die folgen werden denen, die da glauben, sind diese: In meinem Namen werden sie böse Geister austreiben, in neuen Zungen reden, Schlangen mit den Händen hochheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird‘s ihnen nicht schaden; auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird‘s besser mit ihnen werden.“ Markus 16,17.18. DM.662.3 Teilen

Diese Verheißung ist so weitreichend wie der Auftrag. Natürlich wird nicht jeder Gläubige alle Gaben erhalten, denn der Geist „teilt einem jeden das Seine zu, wie er will“. 1.Korinther 12,11. Doch sind die Gaben des Geistes jedem Gläubigen soweit verheißen, wie er sie im Dienst für das Werk Gottes benötigt. Dieses Versprechen ist heute noch genauso aktuell und vertrauenswürdig wie in den Tagen der Apostel. Die Zeichen werden sich an denen erweisen, die glauben. Darin besteht der Vorzug der Kinder Gottes, und im Vertrauen sollten sie an all dem festhalten, damit es als Bekräftigung des Glaubens dienen kann. „Auf Kranke werden sie die Hände legen, so wird‘s besser mit ihnen werden.“ Diese Welt ist ein großes Krankenhaus, doch Christus erschien, um die Kranken zu heilen und den Gefangenen Satans die Befreiung zu verkünden. Er hatte selbst Gesundheit und Stärke in sich. So gab Er von Seiner Lebenskraft den Kranken, den Betrübten und den Besessenen. Keinen wies Er ab, der kam, um Seine heilende Kraft zu empfangen. Wohl wusste Er, dass jene, die Ihn um Hilfe baten, durch eigenes Verschulden krank geworden waren, dennoch weigerte Er sich nicht, sie zu heilen. Und wenn die in Christus wirkende Kraft in diese armen Menschen eindrang, wurden sie von ihrer Sündhaftigkeit überzeugt, und viele erfuhren Heilung von ihrer geistlichen und körperlichen Krankheit zugleich. Das Evangelium besitzt heute noch die gleiche Kraft. Weshalb sollten wir dann heute nicht auch die gleichen Ergebnisse erwarten? DM.662.4 Teilen

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Christus spürt den Schmerz eines jeden, der leidet. Wenn böse Geister den menschlichen Körper peinigen, dann fühlt Jesus den Fluch; wenn Fieber die Lebenskraft aufzehrt, empfindet Er die Qual. Er ist heute genauso gern bereit, die Kranken zu heilen, wie damals, als Er persönlich auf Erden weilte. Christi Diener sind Seine Repräsentanten, die Vermittler Seines Wirkens. Durch sie möchte Er Seine heilende Kraft ausüben. DM.663.1 Teilen

In der Heilweise des Heilandes gab es viele Lehren für die Jünger. Bei einer Gelegenheit bestrich er die Augen eines Blinden mit Lehm und gebot ihm: „Geh zum Teich Siloah ... und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.“ Johannes 9,7. DM.663.2 Teilen

Die Heilung konnte nur durch die Kraft des großen Arztes vollbracht werden, und doch benutzte Christus die einfachen Mittel der Natur. Während Er die ärztliche Behandlung durch Medikamente nicht unterstützte, hieß Er den Gebrauch einfacher und natürlicher Heilmittel gut. DM.663.3 Teilen

Zu vielen ehemals Verzweifelten, die geheilt worden waren, sagte Jesus: „Sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre.“ Johannes 5,14. Auf diese Weise lehrte Er, dass Krankheit die Folge der Übertretung der göttlichen Gesetze ist, sowohl der natürlichen als auch der geistlichen. Das große Elend in der Welt bestünde nicht, wenn die Menschen nur in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Schöpfers lebten. DM.663.4 Teilen

Christus war der Führer und Lehrer des alten Israel gewesen und hatte das Volk unterwiesen, dass Gesundheit die Belohnung für den Gehorsam gegen Gottes Gesetz ist. Der große Arzt, der die Kranken in Palästina heilte, hatte einst aus der Wolkensäule zu Seinem Volk gesprochen und ihm erklärt, was es selbst tun müsste und was Gott vollbringen würde. So sagte Er: „Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen und tun, was recht ist vor ihm, und merken auf seine Gebote und halten alle seine Gesetze, so will ich dir keine der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe; denn ich bin der Herr, dein Arzt.“ 2.Mose 15,26. Christus gab den Israeliten bestimmte Anweisungen für ihre Lebensgewohnheiten und versicherte ihnen: „Der Herr wird von dir nehmen alle Krankheit.“ 5.Mose 7,15. Solange sie die Bedingungen erfüllten, bewahrheitete sich an ihnen die Verheißung: „Es war kein Gebrechlicher unter ihren Stämmen.“ Psalm 105,37. DM.663.5 Teilen

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Diese Lehren sind uns gegeben. Wer seine Gesundheit bewahren will, muss bestimmte Bedingungen erfüllen; alle sollten diese Voraussetzungen kennen lernen. Gott ist mit all denen nicht zufrieden, die Seinem Gesetz unwissend gegenüberstehen. In dem Bemühen, die Gesundheit des Körpers und der Seele wiederherzustellen, sollten wir mit Gott zusammenarbeiten. DM.664.1 Teilen

Wir sollten andere unterrichten, wie sie ihre Gesundheit bewahren und wiedergewinnen können. Bei der Heilung von Kranken sollten wir die Heilmittel anwenden, die Gott in der Natur bereitgestellt hat, und sie auf den hinweisen, der allein Genesung schenken kann. Es ist unsere Aufgabe, die Kranken und Leidenden auf den Armen des Glaubens zu Christus zu bringen und sie zu lehren, an den großen Arzt zu glauben. Dazu müssen wir Seinen Verheißungen vertrauen und um die Offenbarung Seiner Macht beten. Der eigentliche Inhalt des Evangeliums ist die Wiederherstellung unserer leiblichen und seelischen Gesundheit. Gott erwartet von uns, dass wir die Kranken, die Hoffnungslosen und die Betrübten auffordern, Seine Stärke in Anspruch zu nehmen. DM.664.2 Teilen

Die Macht der Liebe bekundete sich in jeder von Christus vollbrachten Heilung, und nur wenn wir durch den Glauben an dieser Liebe teilhaben, können wir Werkzeuge Seines Dienstes sein. Versäumen wir es, uns in göttlicher Verbindung mit Christus zusammen zuschließen, dann kann der Strom lebenspendender Kraft nicht ausreichend durch uns auf andere überfließen. Es gab Orte, in denen selbst der Heiland nicht viele machtvolle Taten tun konnte, da deren Bewohner ungläubig waren. So trennt der Unglaube auch heute die Gemeinde von ihrem göttlichen Helfer. Ihr Vertrauen auf ewige Werte ist schwach. Durch so einen Glaubensmangel wird Gott enttäuscht und Seiner Herrlichkeit beraubt. DM.664.3 Teilen

Wenn die Gemeinde das Werk Christi ausführt, besitzt sie die Verheißung Seiner Gegenwart. „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“, sagte Jesus. „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Matthäus 28,19.20. Sein Joch auf sich nehmen, ist eine der ersten Bedingungen für das Erhalten seiner Kraft. Tatsächlich hängt das Leben der Gemeinde davon ab, mit welcher Hingabe sie den Auftrag des Herrn erfüllt. Wenn dieser Auftrag vernachlässigt wird, so sind mit Sicherheit geistlicher Niedergang und Verfall die Folge. Wo nicht tatkräftig für andere gearbeitet wird, da schwindet die Liebe, und der Glaube wird schwach. Christus erwartet von Seinen Dienern, dass sie die Gemeinde in der Evangeliumsarbeit anleiten. Sie sollen die Leute unterweisen, wie sie die Verlorenen suchen und retten können. Aber sind sie mit dieser Aufgabe beschäftigt? Ach, wie viele setzen alles daran, den Lebensfunken in einer Gemeinde zu entfachen, die im Sterben liegt! Wie viele Gemeinden werden wie kranke Lämmer gehütet von denen, die eigentlich die verlorenen Schafe suchen sollten! Und zur gleichen Zeit gehen Millionen und aber Millionen Menschen ohne Christus zugrunde. DM.664.4 Teilen

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Gottes Liebe hat sich um der Menschen willen über alles Verstehen hinaus offenbart, und die Engel sind verwundert, dass die Empfänger dieser Liebesbeweise nur eine oberflächliche Dankbarkeit zeigen. Ebenso sind sie erstaunt, wie wenig die Liebe Gottes von den Menschen gewürdigt wird. Der Himmel ist über die Vernachlässigung von Menschenseelen empört. Wollen wir wissen, was Christus darüber empfindet? Wie würden sich ein Vater und eine Mutter fühlen, wenn sie wüssten, dass ihr in Kälte und Schnee verlorengegangenes Kind von denen übersehen und dem Untergang preisgegeben wurde, die es hätten retten können? Wären sie nicht furchtbar traurig und zugleich sehr entrüstet? Würden sie nicht diese Mörder mit einem Zorn anklagen, heiß wie ihre Tränen und stark wie ihre Liebe? Wenn irgendein Mensch leidet, dann leidet damit ein Kind Gottes, und wer seinen zugrunde gehenden Mitmenschen keine helfende Hand bietet, der fordert den gerechten Zorn von Gott und dem Lamm heraus. Allen denen, die angeblich Gemeinschaft mit Christus haben und sich doch nicht um die Nöte ihrer Mitmenschen kümmern, wird Er am Tag des letzten großen Gerichts erklären: „Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter!“ Lukas 13,27. DM.665.1 Teilen

In dem Missionsauftrag zeigte Jesus Seinen Jüngern nicht nur das Ausmaß, sondern auch den Inhalt ihrer Aufgabe: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“ Matthäus 28,20. Die Jünger sollten das lehren, worin Jesus sie unterwiesen hatte. Das umfasste alles, was Er nicht nur persönlich, sondern auch durch die Propheten und Lehrer des alten Bundes verkündigt hatte. Menschliche Lehren sind davon ausgenommen. In diesem Auftrag finden sich keine Überlieferungen, keine menschlichen Theorien und Beschlüsse oder Gemeindebestimmungen. Auch von kirchlichen Würdenträgern beschlossene Gesetze haben keinen Platz darin. Christi Diener sollen nichts davon verkündigen. Das „Gesetz und die Propheten“, dazu die Berichte über die Worte und Taten Jesu sind den Jüngern als Schatz anvertraut. Und den sollen sie der Welt weitergeben. Christi Name ist ihre Losung und das Zeichen ihrer Bestimmung; Er ist das Band ihrer Einigkeit, die Autorität hinter ihren Handlungen und die Quelle ihres Erfolges. Was nicht Seinen Namen trägt, wird in Seinem Reich nicht anerkannt werden. Das Evangelium soll nicht als leblose Theorie, sondern als eine lebendige Kraft dargestellt werden, die das Leben verändert. Gott wünscht, dass die Empfänger Seiner Gnade zu Zeugen seiner Macht werden. Alle, deren bisheriger Lebensweg dem Herrn ein Gräuel war, nimmt Er bereitwillig auf. Bekennen sie ihre Sünden, dann schenkt Er ihnen Seinen göttlichen Geist, setzt sie in die höchsten Vertrauensstellungen ein und sendet sie in das Lager der Untreuen, damit sie Seine grenzenlose Barmherzigkeit verkündigen. Nach Gottes Willen sollen Seine Diener bezeugen, dass wir als Menschen durch göttliche Gnade einen christusähnlichen Charakter besitzen können und uns der Gewissheit Seiner großen Liebe erfreuen dürfen. Wir sind aufgerufen zu verkündigen, dass Gott erst dann völlig zufrieden ist, wenn alle Menschen bekehrt und erneut in ihre heiligen Befugnisse als Söhne und Töchter des Herrn eingesetzt sind. DM.665.2 Teilen

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In Christus sind die Fürsorge des Hirten, die Zuneigung der Eltern und die unvergleichliche Gnade des barmherzigen Erlösers vereint. Seine Segnungen spendet Er in der angenehmsten Form, und Er begnügt sich nicht, uns diese Segnungen nur anzukündigen, nein, Er stellt sie uns so begehrenswert dar, dass wir sie gern besitzen wollen. So sind Seine Diener angewiesen, die Herrlichkeit dieses unbeschreiblichen Gnadengeschenks zu verkündigen. Die wunderbare Liebe Christi wird dort die Herzen auftauen und bezwingen, wo man mit ständiger Wiederholung von Lehrpunkten nichts erreicht. „Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott ... Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott, siehe, da ist Gott der Herr! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln, und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.“ Jesaja 40,1.9-11. DM.666.1 Teilen

Erzählt den Menschen von dem, der „auserkoren unter vielen Tausenden“ (Hohelied 5,10.16) ist, und an dem alles lieblich ist. Worte allein aber können diese Gedanken nicht ausdrücken. Sie müssen sich im Wesen widerspiegeln und in der Lebensführung zeigen. DM.666.2 Teilen

Christus lässt Sein Bild in jedem Nachfolger erstehen. Alle hat Gott dazu bestimmt, „dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes“. Römer 8,29. In jedem Einzelnen soll sich der Welt Gottes geduldige Liebe, Seine Heiligkeit, Sanftmut, Barmherzigkeit und Wahrheit offenbaren. Die ersten Jünger zogen aus und predigten das Wort. Sie offenbarten Christus durch ihren Lebenswandel, „und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte das Wort durch die mitfolgenden Zeichen“. Markus 16,20. Diese Jünger bereiteten sich auf ihre Aufgabe vor. Noch vor dem Pfingstfest kamen sie zusammen und beseitigten alle Meinungsverschiedenheiten. Sie waren einmütig beieinander und vertrauten Jesu Versprechen, dass sie Seinen Segen erhalten würden, und beteten im Glauben. Sie baten jedoch nicht allein für sich, spürten sie doch die Schwere der Last, für die Errettung von Menschen zu wirken. Das Evangelium sollte bis an die äußersten Enden der Erde getragen werden, und so verlangten sie danach, mit der Kraft ausgerüstet zu werden, die Christus verheißen hatte. Da wurde der Heilige Geist ausgegossen, und Tausende bekehrten sich an einem Tag. DM.666.3 Teilen

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So kann es auch heute sein. Lasst uns statt menschlicher Spekulationen das Wort Gottes predigen. Die Christen sollten ihre Zwistigkeiten beiseitelegen und sich Gott ergeben, um dadurch für die Rettung der Verlorenen wirken zu können. Lasst sie im Glauben um den Segen Gottes bitten, und sie werden ihn erhalten. Die Ausgießung des Geistes in den Tagen der Apostel war der „Frühregen“, und seine Wirkung war machtvoll. Doch der „Spätregen“ (Joel 2,23) wird in noch reicherem Maß ausgegossen werden. Alle, die Leib, Seele und Geist dem Herrn weihen, erhalten ständig neue geistige und körperliche Kraft. Die unerschöpflichen Reichtümer des Himmels stehen ihnen zur Verfügung. Christus gibt ihnen den Odem Seines Geistes und Leben von Seinem Leben. Mit äußerster Kraftentfaltung wirkt der Heilige Geist an Herz und Sinn. Die Gnade Gottes vergrößert und vervielfältigt ihre Fähigkeiten, und die göttliche Vollkommenheit hilft ihnen bei der Rettung von Seelen. Indem sie gemeinsam mit Christus wirken, haben sie auch Anteil an Seiner Vollkommenheit. Trotz ihrer menschlichen Schwäche sind sie fähig, die Taten des Allmächtigen zu vollbringen. DM.667.1 Teilen

Der Heiland wartet sehnlichst darauf, Seine Gnade zu offenbaren und Sein Wesen der ganzen Welt einzuprägen. Sie ist Sein erkauftes Eigentum, und Er will die Menschen frei, rein und heilig machen. Wenn auch Satan bemüht ist, Jesu Absicht zu verhindern, so sind doch durch das für die Welt vergossene Blut Siege zu erringen, die Gott und dem Lamm zur Ehre gereichen werden. Christus wird nicht eher ruhen, als der Sieg vollkommen ist. „Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben.“ Jesaja 53,11. Alle Völker der Erde sollen die frohe Botschaft von Seiner Gnade hören. Zwar werden nicht alle Seine Gnade empfangen, doch „wird [er] Nachkommen haben, die ihm dienen; vom Herrn wird man verkündigen Kind und Kindeskind“. Psalm 22,31. „Das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden“ (Daniel 7,27), und „das Land wird voll Erkenntnis des Herrn sein, wie Wasser das Meer bedeckt“. Jesaja 11,9. „Dass der Name des Herrn gefürchtet werde bei denen vom Niedergang der Sonne und seine Herrlichkeit bei denen von ihrem Aufgang.“ Jesaja 59,19. DM.667.2 Teilen

„Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße der Freudenboten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen, Heil verkündigen, die da sagen zu Zion: Dein Gott ist König! ... Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn der Herr hat sein Volk getröstet ... Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.“ Jesaja 52,7.9.10. DM.667.3 Teilen

Kapitel 87 „Zu meinem Vater und zu eurem Vater“
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Auf der Grundlage von Lukas 24,50-53; Apostelgeschichte 1,9-12. DM.668 Teilen

Für Jesus war die Zeit gekommen, zum Thron Seines Vaters aufzusteigen. Als .göttlicher Überwinder würde Er mit dem Zeichen des Sieges zu den himmlischen Höfen zurückkehren. Vor Seinem Tod hatte Er Seinem Vater erklärt: „Ich habe ... das Werk vollendet, das du mir gegeben hast.“ Johannes 17,4. Nach Seiner Auferstehung blieb Er noch für kurze Zeit auf Erden, damit Seine Jünger Ihn in Seinem auferstandenen und verklärten Leib kennen lernen konnten. Jetzt wollte Er Abschied nehmen. Er hatte deutlich bewiesen, dass Er ein lebendiger Heiland ist. Seine Nachfolger brauchten nun nicht länger an das Grab zu denken, wenn sie an Ihn dachten. Sie konnten ihren Meister als den in Erinnerung behalten, der vor himmlischen Welten verherrlicht worden war. DM.668.1 Teilen

Als Schauplatz für die Himmelfahrt wählte Jesus jenen Ort, der so oft durch Seine Gegenwart geheiligt worden war, als Er noch unter den Menschen weilte. Weder der Berg Zion, auf dem die Stadt Davids lag, noch der Berg Morija, auf dem der Tempel stand, sollten durch dieses Ereignis ausgezeichnet werden. Dort war Jesus gelästert und verworfen worden, dort waren die Wellen der göttlichen Barmherzigkeit an Herzen abgeprallt, die so hart wie Stein waren und von dort war Jesus müde und mit schwerem Herzen fortgegangen, um am Ölberg Ruhe zu finden. Als die Herrlichkeit Gottes vom ersten Tempel gewichen war, hatte sie auf dem östlichen Berg verweilt, als wollte sie die auserwählte Stadt nicht verlassen. Ebenso stand Christus auf dem Ölberg und schaute wehmütigen Herzens auf Jerusalem. Die Haine und Niederungen des Ölbergs waren durch Seine Gebete und Tränen geheiligt worden. An den steilen Hängen hatten sich die begeisterten Schreie der Menge gebrochen, die Ihn zum König ausrief. Auf der einen Seite des Berges hatte Er bei Lazarus in Bethanien ein gastliches Heim gefunden, und im Garten Gethsemane am Fuß des Berges hatte Er allein gebetet und gerungen. Von dort wollte Er nun zum Himmel auffahren. Auf dem Gipfel wird Er auch verweilen, wenn Er wieder erscheinen wird. Nicht als ein Mann der Schmerzen, sondern als siegreicher und triumphierender König wird Er dann auf dem Ölberg stehen, während die große Schar der Erlösten ihren Lobgesang anheben wird: Krönt Ihn, den Herrn aller Herren! Jetzt schritt Jesus mit den elf Jüngern dem Berg zu. Als sie das Jerusalemer Tor passierten, schauten viele der kleinen Gruppe nach, die von einem angeführt wurde, den die Obersten erst kurz zuvor verurteilt und ans Kreuz geschlagen hatten. Die Jünger wussten nicht, dass dies ihr letztes Beisammensein mit dem Meister sein würde. Jesus sprach die ganze Zeit über mit ihnen und wiederholte dabei, was Er ihnen früher schon mitgeteilt hatte. Als sie dann dem Garten Gethsemane näher kamen, blieb Jesus stehen, damit sich die Jünger an die Lehren erinnern konnten, die Er ihnen in der Nacht Seines großen Seelenkampfes gegeben hatte. Erneut betrachtete Er den Weinstock, der Ihm damals dazu gedient hatte, die Gemeinschaft der Gläubigen mit Ihm selbst und mit Seinem Vater darzustellen, und Er sprach abermals von den Wahrheiten, die Er zuvor enthüllt hatte. Um Ihn gab es überall Erinnerungen an Seine unerwidert gebliebene Liebe. Selbst die Jünger, die Ihm so nahe standen, hatten Ihm in der Stunde Seiner Erniedrigung Vorwürfe gemacht und Ihn verlassen. DM.668.2 Teilen

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