Portrait von Ellen White
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Kapitel 4: Pfingsten
Kapitel 4: Pfingsten
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[Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 2,1-39.] WA.33 Teilen

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Als die Jünger vom Ölberg nach Jerusalem zurückkehrten, suchten die Menschen in ihren Gesichtern Spuren des Kummers, der Verwirrung und der Niedergeschlagenheit; aber sie entdeckten nur Fröhlichkeit und Siegesfreude. Die Jünger klagten nicht über enttäuschte Hoffnungen. Sie hatten ja den auferstandenen Heiland gesehen, und die Worte seiner Abschiedsverheißung klangen ihnen noch in den Ohren. WA.37.1 Teilen

Gehorsam dem Befehl Christi warteten sie in Jerusalem auf die Verheißung des Vaters: auf die Ausgießung des Heiligen Geistes. Sie warteten nicht untätig. Nach dem biblischen Bericht waren sie „allewege im Tempel und priesen Gott“. Lukas 24,53. Sie kamen ferner zusammen, um in Jesu Namen dem Vater ihre Bitten vorzulegen. Sie wußten, dass sie einen Vertreter im Himmel, einen Fürsprecher am Throne Gottes hatten. WA.37.2 Teilen

Ehrfürchtig beugten sie sich im Gebet und stützten sich auf die Zusicherung: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater etwas bitten werdet, so wird er’s euch geben in meinem Namen. Bisher habt ihr nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei.“ Johannes 16,23.24. Immer höher streckten sie die Hand des Glaubens empor mit der starken Begründung: „Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur rechten Gottes und vertritt uns.“ Römer 8,34. WA.37.3 Teilen

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Während die Jünger auf die Erfüllung der Verheißung warteten, demütigten sie sich in aufrichtiger Reue und bekannten ihren Unglauben. Da sie sich an die Worte erinnerten, die Christus vor seinem Tode zu ihnen gesprochen hatte, verstanden sie nun deren volle Bedeutung. Wahrheiten, die ihrem Gedächtnis entschwunden waren, wurden ihnen wieder lebendig, und sie erinnerten sich gegenseitig daran. Sie machten sich Vorwürfe, den Heiland mißverstanden zu haben. Wie ein Schaubild zogen alle Begebenheiten seines wundervollen Lebens an ihnen vorüber. Als sie über sein reines, heiliges Leben nachdachten, erschien ihnen angesichts der Aufgabe, das Liebenswerte des Wesens Christi durch ihr eigenes Leben bezeugen zu dürfen, keine Mühe zu schwer, kein Opfer zu groß. Wie ganz anders würden sie handeln, könnten sie die vergangenen drei Jahre noch einmal durchleben! Könnten sie doch den Meister wiedersehen, was täten sie dann nicht alles, um ihm zu zeigen, wie innig sie ihn liebten und wie aufrichtig sie es bereuten, ihn je durch ein Wort oder eine Tat des Unglaubens betrübt zu haben. Doch sie trösteten sich mit dem Gedanken, dass ihnen vergeben war. Und sie waren entschlossen, soweit wie möglich ihren Unglauben durch mutiges Bekennen Christi vor der Welt wiedergutzumachen. WA.38.1 Teilen

Ernsthaft beteten die Jünger um die Befähigung, Menschen begegnen und ihnen im täglichen Umgang Worte sagen zu können, durch die Sünder zu Christus geführt würden. Alle Meinungsverschiedenheiten und alles Streben nach Macht gaben sie auf und schlossen sich zu einer wahrhaft christlichen Gemeinschaft zusammen. Je näher sie Gott kamen, desto mehr erkannten sie, welch ein Vorrecht ihnen zuteil geworden war, so eng mit Christus verbunden zu sein. Traurigkeit erfüllte ihre Herzen, wenn sie daran dachten, wie oft sie ihn durch die Trägheit ihrer Gedanken und durch ihren Mangel an Verständnis für die Lehren, die er zu ihrem Besten mitzuteilen versuchte, betrübt hatten. WA.38.2 Teilen

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Diese Tage der Vorbereitung waren Tage gründlicher Herzensprüfung. Die Jünger spürten ihre geistliche Not und baten den Herrn um „die Salbung von dem, der heilig ist“ (1.Johannes 2,20), um für das Werk der Seelenrettung tauglich zu werden. Sie flehten nicht nur für sich um Segen, sondern empfanden eine Bürde für das Seelenheil anderer. Ihnen wurde bewußt, dass das Evangelium der Welt gebracht werden müsse; deshalb verlangten sie nach der Kraft, die Christus verheißen hatte. WA.39.1 Teilen

In der Zeit der Patriarchen war das Wirken des Heiligen Geistes oftmals in bemerkenswerter Weise offenbar geworden, doch nie in seiner ganzen Fülle. Nun baten die Jünger demütig und dem Wort des Heilandes gehorsam um diese Gabe, und Christus unterstützte sie darin durch seine Fürsprache im Himmel. Er erhob Anspruch auf die Gabe des Geistes, um sie über sein Volk ausgießen zu können. „Und als der Tag der Pfingsten erfüllt war, waren sie alle beieinander an einem Ort. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie eines gewaltigen Windes und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen.“ Apostelgeschichte 2,1.2. WA.39.2 Teilen

Der Geist kam in solcher Fülle auf die wartenden, betenden Jünger, dass er jedes Herz erfaßte. Der Ewige offenbarte sich machtvoll seiner Gemeinde. Es schien, als sei diese Kraft jahrhundertelang zurückgehalten worden und als freute sich der Himmel nun, die Reichtümer der Gnadengaben des Geistes auf die Gemeinde ausschütten zu können. Unter dem Einfluß des Geistes vermischten sich Worte der Reue und des Bekennens mit Lobpreisungen für vergebene Sünden. Worte des Dankes und der Weissagung waren zu hören. Der Himmel neigte sich herab, um die Weisheit der unvergleichlichen, unbegreiflichen Liebe wahrzunehmen und anzubeten. Bewundernd riefen die Apostel: „Darin steht die Liebe!“ 1.Johannes 4,10. Sie ergriffen die verliehene Gabe. Und was war die Folge? Mit neuer Kraft ausgerüstet und in das blitzende Licht des Himmels getaucht, brach sich das Schwert des Geistes Bahn gegenüber dem Unglauben. Tausende wurden an einem Tage bekehrt. WA.39.3 Teilen

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„Es ist euch gut, dass ich hingehe“, so hatte Christus zu den Jüngern gesagt. „Denn wenn ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden ... Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.“ Johannes 16,7.13. WA.40.1 Teilen

Christi Himmelfahrt war das Zeichen dafür, dass seine Nachfolger den verheißenen Segen empfangen sollten. Darauf sollten sie warten, ehe sie ihr Werk aufnahmen. Als Christus zu den Toren des Himmels eingegangen war, wurde ihm der Thron übergeben, wobei ihn die Engel anbeteten. Sobald diese feierliche Handlung beendet war, kam der Heilige Geist in reicher Fülle auf die Jünger herab. So wurde Christus in der Tat mit jener Klarheit verklärt, die er von Ewigkeit her beim Vater gehabt hatte. Durch die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten teilte der Himmel mit, dass die Einsetzung des Erlösers geschehen war. Er hatte den Heiligen Geist vom Himmel gesandt zum Zeichen, dass er nun als Priester und König alle Gewalt im Himmel und auf Erden erhalten habe und der Gesalbte über sein Volk sei. WA.40.2 Teilen

„Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen, und sie wurden alle voll des heiligen Geistes und fingen an zu predigen in andern Zungen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“ Apostelgeschichte 2,3.4. In der Gestalt feuriger Zungen ruhte der Heilige Geist auf den Versammelten. Dies war ein Sinnbild der Gabe, die den Jüngern verliehen wurde und sie befähigte, fließend Sprachen zu sprechen, die sie vorher nicht gekannt hatten. Die Erscheinung des Feuers bezeichnete den glühenden Eifer, mit dem die Apostel arbeiten würden, und die Kraft, die ihr Werk begleiten sollte. WA.40.3 Teilen

„Es waren aber Juden zu Jerusalem wohnend, die waren gottesfürchtige Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist.“ Apostelgeschichte 2,5. In der Zeit der Zerstreuung hatten sich die Juden fast über die ganze damals bewohnte Welt verbreitet und in ihrer Verbannung verschiedene Sprachen gelernt. Viele dieser Juden weilten in Jerusalem, um an den gerade stattfindenden Festlichkeiten teilzunehmen. Unter den Anwesenden waren alle bekannten Sprachen vertreten. Diese Vielzahl von Sprachen hätte sich bei der Verkündigung des Evangeliums als ein großes Hindernis ausgewirkt. Deshalb glich Gott das Unvermögen der Apostel in wunderbarer Weise aus. Der Heilige Geist vollbrachte für sie, was sie Zeit ihres Lebens nicht erreicht hätten. Nun konnten sie die Wahrheiten des Evangeliums weithin verkündigen; denn sie redeten fehlerfrei in den Sprachen derer, auf die sich ihre Arbeit erstreckte. Diese wunderbare Gabe war der Welt gegenüber ein starker Beweis dafür, dass der Auftrag der Jünger das Siegel des Himmels trug. Von dieser Zeit an war die Sprache der Apostel rein, einfach und genau, ob sie sich nun ihrer Muttersprache oder einer fremden Sprache bedienten. WA.40.4 Teilen

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„Da nun diese Stimme geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn ein jeglicher seine Sprache, darin wir geboren sind?“ Apostelgeschichte 2,6-8. WA.41.1 Teilen

Diese wunderbare Bekundung versetzte die Priester und Obersten in Wut, aber sie wagten es nicht, ihrem Haß freien Lauf zu lassen, weil sie fürchteten, sich damit der Gewalttätigkeit des Volkes auszusetzen. Sie hatten den Nazarener hingerichtet, und nun standen seine Diener da, ungelehrte Männer aus Galiläa, und erzählten in allen damals geläufigen Sprachen die Geschichte seines Lebens und Wirkens. Entschlossen, die wunderbare Kraft der Jünger natürlich zu erklären, behaupteten die Priester, die Jünger seien durch übermäßigen Genuß des neuen, für das Fest bestimmten Weines betrunken. Einige der Unwissendsten unter den Anwesenden nahmen diese Unterstellung als wahr hin, die Verständigen aber wußten, dass sie falsch war; denn jene, die die verschiedenen Sprachen verstanden, bezeugten, mit welcher Genauigkeit die Jünger sie gebrauchten. WA.41.2 Teilen

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In Erwiderung auf die Anschuldigung seitens der Priester zeigte Petrus, dass dieses Geschehen eine deutliche Erfüllung der Prophezeiung Joels sei, in der vorausgesagt werde, dass eine solche Kraft auf Menschen kommen werde, um sie für ein besonderes Werk zu befähigen. „Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr zu Jerusalem seid, das sei euch kundgetan, und lasset meine Worte zu euren Ohren eingehen. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnet, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das it’s, was durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist: ‚Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.‘“ Apostelgeschichte 2,14-18. WA.42.1 Teilen

Klar und kraftvoll legte Petrus Zeugnis ab von dem Tod und der Auferstehung Christi: „Ihr Männer von Israel, höret diese Worte: Jesus von Nazareth, den Mann, von Gott unter euch erwiesen mit Taten und Wundern und Zeichen, welche Gott durch ihn tat unter euch, wie ihr selbst wisset: ihn, der durch Ratschluß und Vorsehung Gottes dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und getötet. Den hat Gott auferweckt und aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, dass er sollte von ihm gehalten werden.“ Apostelgeschichte 2,22-24. WA.42.2 Teilen

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Petrus berief sich nicht auf die Lehren Christi, um seine Behauptung zu beweisen, denn er wußte, dass das Vorurteil seiner Zuhörer so groß war, dass seine Worte über dieses Thema ohne Wirkung bleiben würden. Stattdessen sprach er von David, den die Juden als einen der Stammväter ihres Volkes schätzten. „David spricht von ihm: ‚Ich habe den Herrn allezeit vor Augen, denn er ist an meiner Rechten, auf dass ich nicht wanke. Darum ist mein Herz fröhlich, und meine Zunge frohlocket; auch mein Fleisch wird ruhen in der Hoffnung. Denn du wirst meine Seele nicht bei den Toten lassen, auch nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe ...‘ Ihr Männer, liebe Brüder, lasset mich frei reden zu euch von dem Erzvater David. Er ist gestorben und begraben, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag. Da er nun ein Prophet war und wußte, dass ihm Gott verheißen hatte mit einem Eide, dass sein Nachkomme sollte auf seinem Thron sitzen, hat er’s vorausgesehen und geredet von der Auferstehung des Christus, dass er nicht bei den Toten gelassen ist und sein Fleisch die Verwesung nicht gesehen hat. Diesen Jesus hat Gott auferweckt; des sind wir alle Zeugen.“ Apostelgeschichte 2,25-32. WA.43.1 Teilen

Welch ein Schauspiel! Seht, wie aus allen Richtungen die Menschen kommen, um von den Jüngern die Wahrheit über Jesus zu erfahren! Sie drangen herein und füllen den Tempel. Priester und Oberste sind anwesend. Ihre Angesichter blicken noch finster und feindselig drein; ihre Herzen sind noch erfüllt von unversöhnlichem Haß gegen Christus, und ihre Hände sind noch nicht gereinigt von dem Blut, das sie bei der Kreuzigung des Erlösers der Welt vergossen haben. Sie hatten gedacht, Apostel vorzufinden, die durch Gewalttat und Mord eingeschüchtert wären; stattdessen sind diese Männer aller Furcht enthoben und vom Heiligen Geist erfüllt und verkünden mit Macht die Göttlichkeit Jesu. Unerschrocken erklären sie, dass der unlängst so Erniedrigte, Verspottete, von grausamen Händen Gegeißelte und Gekreuzigte der Fürst des Lebens sei, den Gott nun zu seiner Rechten erhoben habe. WA.43.2 Teilen

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Einige Zuhörer der Apostel hatten selbst an der Verurteilung und Hinrichtung Christi mitgewirkt und eingestimmt in den Ruf des lärmenden Haufens, der seine Kreuzigung forderte. Als Jesus und Barabbas im Gerichtssaal vor ihnen standen und Pilatus fragte: „Welchen wollt ihr, dass ich euch losgebe?“ (Matthäus 27,17), da schrien sie: „Nicht diesen, sondern Barabbas.!“ Johannes 18,40. Daraufhin lieferte Pilatus ihnen Christus aus mit den Worten: „Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn, denn ich finde keine Schuld an ihm.“ Johannes 19,6. „Ich bin am Blut dieses Gerechten unschuldig.“ Sie aber riefen: „Sein Blut über uns und über unsere Kinder!“ Matthäus 27,24.25 (Menge). WA.44.1 Teilen

Nun erfuhren sie von den Jüngern, dass sie Gottes Sohn gekreuzigt hatten. Priester und Oberste zitterten. Schuldgefühl und Angst ergriffen das Volk. „Als sie aber das hörten, gig’s ihnen durchs Herz, und sprachen zu Petrus und zu den andern Aposteln: Ihr Männer, liebe Brüder, was sollen wir tun?“ Apostelgeschichte 2,37. Unter den Zuhörern befanden sich fromme, in ihrem Glauben aufrichtige Juden. Die Vollmacht, die aus den Worten des Redners sprach, überzeugte sie davon, dass Jesus wirklich der Messias war. WA.44.2 Teilen

„Petrus sprach zu ihnen: ‚Tut Buße und lasse sich ein jeglicher taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr empfangen die Gabe des heiligen Geistes.‘ Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung und aller, die ferne sind, soviele der Herr, unser Gott, herzurufen wird.“ Apostelgeschichte 2,38.39. WA.44.3 Teilen

Petrus wies die ihres Unrechts Überführten nachdrücklich auf die Tatsache hin, dass sie Christus nur verworfen hatten, weil sie sich von den Priestern und Obersten hatten täuschen lassen. Wenn sie fortführen, diese Männer um Rat zu fragen, und Christus erst anerkennen wollten, wenn jene sich auch dazu entschlossen, nahmen sie ihn nie an. Obwohl diese einflußreichen Männer Frömmigkeit vorschützten, waren sie doch begierig nach irdischem Reichtum und weltlicher Ehre. Sie waren nicht bereit, zu Christus zu kommen und sich von ihm erleuchten zu lassen. WA.44.4 Teilen

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Unter dem Einfluß dieses himmlischen Lichtes standen den Jüngern nun die Schriftstellen, die Christus ihnen erklärt hatte, im Glanz der vollkommenen Wahrheit vor Augen. Fortgenommen war nun der Schleier, der sie daran gehindert hatte, das Ende dessen zu sehen, was ungültig geworden war, und sie verstanden mit völliger Klarheit den Zweck der Sendung Christi und das Wesen seines Reiches. Kraftvoll konnten sie vom Heiland reden. Als sie ihren Zuhörern nun den Erlösungsplan erklärten, wurden viele überführt und überzeugt. Sie, brachen innerlich mit den von den Priestern eingeprägten Überlieferungen und abergläubischen Vorstellungen und nahmen die Lehren des Heilandes an. WA.45.1 Teilen

„Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und wurden hinzugetan an dem Tage bei dreitausend Seelen.“ Apostelgeschichte 2,41. WA.45.2 Teilen

Die Obersten der Juden hatten erwartet, dass Christi Werk mit seinem Tode enden werde; stattdessen waren sie Zeugen der wunderbaren Ereignisse am Pfingsttag. Sie hörten die Jünger in bisher ungekannter Kraft und Entschiedenheit Christus predigen und sahen ihre Worte durch Zeichen und Wunder bestätigt. In Jerusalem, der Hochburg jüdischen Glaubens, bekannten Tausende freimütig ihren Glauben an Jesus von Nazareth als den Messias. WA.45.3 Teilen

Die Jünger waren über die große Seelenernte erstaunt und hocherfreut. Sie betrachteten diese wunderbare Ernte nicht als Ergebnis ihrer Bemühungen, sondern erkannten ganz klar, dass sie nur die Arbeit anderer fortsetzten. Seit Adams Fall hatte Christus den Samen seines Wortes erwählten Dienern anvertraut, um sie in Menschenherzen zu säen. Er selbst hatte während seines Erdenlebens die Saat der Wahrheit ausgestreut und mit seinem Blut begossen. Die Bekehrungen jetzt zu Pfingsten waren die Frucht dieses Säens, die Ernte der Arbeit Christi. Durch sie offenbarte sich die Kraft seiner Lehre. WA.45.4 Teilen

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So klar und überzeugend die Schlußfolgerungen der Apostel auch waren, sie allein hatten doch nicht das Vorurteil beseitigen können, das so vielen Beweisen widerstanden hatte. Aber der Heilige Geist überführte mit göttlicher Kraft die Herzen von deren Richtigkeit. Die Worte der Apostel waren wie scharfe Pfeile des Allmächtigen und überzeugten die Menschen davon, welch schreckliche Schuld sie durch die Verwerfung und Kreuzigung des Herrn der Herrlichkeit auf sich geladen hatten. WA.46.1 Teilen

Unter der Anleitung Christi waren die Jünger dahin geführt worden, ihr Bedürfnis nach dem Heiligen Geist zu empfinden, während ihre Belehrung durch den Geist sie erst richtig befähigte, ihr Lebenswerk durchzuführen. Sie waren nicht mehr unwissend und ungebildet, nicht länger eine Anzahl unabhängiger Teile oder einander abstoßender, nicht zueinander passender Elemente. Hinfort setzten sie ihre Hoffnung nicht mehr auf weltliche Größe, sondern waren „einmütig“, „ein Herz und eine Seele“. Apostelgeschichte 2,46; Apostelgeschichte 4,32. Christus füllte ihre Gedanken aus, die Förderung seines Reiches war ihr Ziel. In Gesinnung und Charakter waren sie ihrem Meister ähnlich geworden, und die Menschen „wußten auch von ihnen, dass sie mit Jesus gewesen waren“. Apostelgeschichte 4,13. WA.46.2 Teilen

Pfingsten brachte ihnen die himmlische Erleuchtung. Die Wahrheiten, die sie nicht erfassen konnten, solange Christus bei ihnen war, öffneten sich ihnen nun. Mit nie zuvor gekannter freudiger Glaubenszuversicht nahmen sie die Lehren der Heiligen Schrift an. Für sie war es fortan nicht mehr nur eine Sache des Glaubens, dass Christus der Sohn Gottes war; sie wußten, dass er, wenn auch in Menschlichkeit gehüllt, wirklich der Messias war. Sie verkündigten der Welt ihre Erfahrung mit einer Bestimmtheit, die die Überzeugung in sich trug, dass Gott mit ihnen war. WA.46.3 Teilen

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Zuversichtlich konnten sie den Namen Jesu aussprechen. War er nicht ihr Freund und älterer Bruder? In enger Verbindung mit Christus gebracht, waren sie in sein himmlisches Reich versetzt. In welch begeisternde Sprache kleideten sie ihre Gedanken, wenn sie für ihn Zeugnis ablegten! Ihre Herzen waren mit einer so überfließenden, tiefen und weitreichenden Güte erfüllt, dass es sie drängte, als Zeugen der Macht Christi bis ans Ende der Welt zu gehen. Von ganzem Herzen sehnten sie sich danach, das von ihm begonnene Werk fortzuführen. Sie erkannten die Größe ihrer Schuld dem Himmel gegenüber und die Verpflichtung zu ihrem Dienst. Gestärkt durch die Gabe des Heiligen Geistes gingen sie voller Eifer daran, die Siege des Kreuzes zu mehren. Der Geist belebte sie und sprach durch sie. Der Friede Christi strahlte von ihren Angesichtern. Sie hatten ihr Leben seinem Dienst geweiht, und ihr ganzes Wesen bekundete, welche Entscheidung sie getroffen hatten. WA.47.1 Teilen

Kapitel 5: Die Gabe des Geistes
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Als Christus seinen Jüngern den Heiligen Geist verhieß, näherte er sich dem Abschluß seines Dienstes auf Erden. In der klaren Erkenntnis der Sündenlast, die auf ihm als dem Sündenträger ruhen sollte, stand er im Schatten des Kreuzes. Bevor er sich als Sühnopfer hingab, unterrichtete er seine Jünger, welch überaus wichtige und vollkommene Gabe er seinen Nachfolgern verleihen wollte — eine Gabe, die ihnen die unversiegbare Quelle seiner Gnade erschließen sollte. Er sagte: „Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei ewiglich: den Geist der Wahrheit, welchen die Welt nicht kann empfangen, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr aber kennet ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.“ Johannes 14,16.17. Der Heiland wies auf die Zeit hin, da der Heilige Geist kommen und als sein Stellvertreter ein großes Werk ausrichten sollte. Dem Bösen, das sich seit Jahrhunderten angehäuft hatte, sollte durch die Kraft des Heiligen Geistes widerstanden werden. WA.49.1 Teilen

Was bewirkte letztlich die Ausgießung des Heiligen Geistes am Tage der Pfingsten? Die frohe Kunde von einem auferstandenen Heiland wurde in die entlegensten Gebiete der bewohnten Welt gebracht. Als die Jünger das Evangelium von der erlösenden Gnade verkündigten, schlossen sich Herzen der Macht dieser Botschaft auf. Die Gemeinde erlebte, wie ihr von überallher Bekehrte zuströmten. Abtrünnige wandten sich ihr erneut zu. Sünder vereinten sich mit den Gläubigen, um die kostbare Perle zu suchen. Einige der erbittertsten Gegner des Evangeliums wurden seine Verteidiger. So erfüllte sich die Weissagung: „Zu der Zeit wird der Herr die Bürger Jerusalems beschirmen, und es wird zu dieser Zeit geschehen, dass der Schwache unter ihnen sein wird wie David und das Haus David wie Gott, wie der Engel des Herrn vor ihnen her.“ Sacharja 12,8. Jeder Christ sah in seinem Bruder eine Offenbarung der göttlichen Liebe und des göttlichen Wohlwollens. Eines war für sie wichtig, nur eines war des Nachstrebens wert: Christi Charakter zu offenbaren und für die Ausbreitung seines Reiches zu wirken. WA.49.2 Teilen

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„Mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen.“ Apostelgeschichte 4,33. Durch ihre Arbeit wurden der Gemeinde auserwählte Männer hinzugefügt, die das Wort der Wahrheit empfingen und fortan ihr Leben der Aufgabe weihten, andern jene Hoffnung zu vermitteln, die ihre Herzen mit Friede und Freude erfüllte. Drohungen konnten sie weder daran hindern noch sie einschüchtern. Der Herr sprach durch sie, und wenn sie von Ort zu Ort zogen, predigten sie den Armen das Evangelium und wirkten Wunder der göttlichen Gnade. WA.50.1 Teilen

So mächtig kann Gott wirken, wenn sich Menschen unter die Herrschaft seines Geistes stellen! WA.50.2 Teilen

Die Verheißung des Heiligen Geistes ist nicht auf ein bestimmtes Zeitalter oder ein bestimmtes Volk beschränkt. Christus erklärte, dass seine Nachfolger bis ans „Ende“ unter dem Einfluß seines Geistes stehen werden. Von jenem Pfingsttage an bis in die Gegenwart wurde der Tröster denen gesandt, die sich dem Herrn und seinem Dienst hingaben. Zu allen, die Christus als persönlichen Heiland annahmen, kam der Heilige Geist als Ratgeber, Seligmacher, Führer und Gewährsmann. Je enger die Gläubigen mit Gott wandelten, desto klarer und machtvoller bezeugten sie die Liebe ihres Erlösers und seine rettende Gnade. Die Männer und Frauen, die in den Jahrhunderten der Verfolgungen und Prüfungen in hohem Maße sich der Gegenwart des Heiligen Geistes in ihrem Leben erfreuten, standen als Zeichen und Wunder in der Welt. Vor Engeln und Menschen offenbarten sie die umwandelnde Kraft der erlösenden Liebe. WA.50.3 Teilen

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Alle, die Pfingsten Kraft aus der Höhe empfingen, blieben dadurch nicht vor weiteren Anfechtungen und Versuchungen verschont. Satan, der Feind aller Wahrheit, wollte sie ihrer christlichen Erfahrung berauben und griff sie immer wieder an, wenn sie für Wahrheit und Gerechtigkeit eintraten. Sie mussten daher mit allen ihnen von Gott verliehenen Kräften danach streben, als Männer und Frauen „zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des Christus“ (Epheser 4,13, EB) zu gelangen. Täglich beteten sie erneut um die Gnade, der Vollkommenheit immer näher zu kommen. Durch das Wirken des Heiligen Geistes lebten sogar die Schwächsten ihren Glauben an Gott aus und erfuhren dabei, wie sich die ihnen anvertrauten Kräfte mehrten und heilig, rein und edel wurden. Da sie sich demütig dem Einfluß des Heiligen Geistes hingaben, empfingen sie von der Fülle Gottes und wurden in sein Ebenbild umgewandelt. WA.51.1 Teilen

Der Ablauf der Zeit hat nichts an der Verheißung Christi, den Heiligen Geist als seinen Stellvertreter zu senden, geändert. Es liegt keineswegs an Einschränkungen seitens Gottes, wenn die Reichtümer seiner Gnade nicht erdwärts zu den Menschen fließen. Wenn die Erfüllung seiner Verheißung nicht so wahrgenommen wird, wie es sein könnte, liegt es daran, dass die Verheißung nicht so geschätzt wird, wie es sein sollte. Wären alle willens dazu, so würden sie auch alle mit dem Geist erfüllt werden. Wo man aber nur wenig über den Mangel an Heiligem Geist nachdenkt, zeigen sich geistliche Dürre, geistliche Finsternis, geistlicher Verfall und geistlicher Tod. Wo immer minderwertige Dinge die Aufmerksamkeit beanspruchen, wird es an der göttlichen Kraft fehlen, die zum Wachstum und Wohlergehen der Gemeinde nötig ist und die alle anderen Segnungen nach sich zieht. Und das, obwohl sie in unermeßlicher Fülle angeboten wird. WA.51.2 Teilen

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Da dies das Mittel ist, durch das wir Kraft empfangen können, warum hungern und dürsten wir dann nicht nach der Gabe des Geistes? Warum reden wir nicht von ihr, beten wir nicht um sie und predigen wir nicht über sie? Wenn schon Eltern ihren Kindern gute Gaben geben, „wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen“ (Lukas 11,13), die ihm dienen! Jeder Diener des Evangeliums sollte um die tägliche Taufe mit dem Geist Gottes bitten. Mitarbeiter Christi sollten gruppenweise zusammenkommen und um besondere Hilfe und himmlische Weisheit flehen, damit sie klug zu planen und richtig zu handeln vermögen. Vor allem sollten sie Gott bitten, seine erwählten Boten in den Missionsgebieten mit der reichen Fülle seines Geistes zu taufen. Die Gegenwart des Heiligen Geistes wird der Wahrheitsverkündigung der Mitarbeiter Gottes eine Macht verleihen, wie sie keine Ehre und Herrlichkeit der Welt zu geben vermag. WA.52.1 Teilen

Wo der geweihte Diener Gottes auch sein mag, der Heilige Geist ist bei ihm. Die an die Jünger gerichteten Worte gelten auch uns. Ihr Tröster ist unser Tröster. Der Heilige Geist rüstet mit der Kraft aus, die ringende, kämpfende Menschen in jeder Notlage, inmitten des Hasses der Welt aufrecht erhält, und verleiht Erkenntnis der eigenen Fehler und Schwächen. Wenn in Sorge und Leid der Ausblick dunkel und die Zukunft verworren erscheint und wir uns hilflos und einsam fühlen, bringt der Heilige Geist als Antwort auf das Gebet des Glaubens dem Herzen Trost. WA.52.2 Teilen

Unter außergewöhnlichen Umständen Begeisterung zu zeigen ist keineswegs ein Beweis dafür, dass jemand ein Christ ist. Heiligkeit ist nicht Verzückung, sondern völlige Übergabe des eigenen Willens an Gott. Heiligkeit bedeutet, von einem jeglichen Wort zu leben, das aus dem Munde Gottes geht; den Willen unseres Vaters im Himmel zu tun; ihm in Anfechtungen und in der Finsternis ebenso wie im Licht zu vertrauen; im Glauben und nicht im Schauen zu wandeln; sich auf Gott in bedingungslosem unerschütterlichem Vertrauen zu verlassen und in seiner Liebe zu ruhen. WA.52.3 Teilen

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Es ist für uns nicht wichtig, genau erklären zu können, was der Heilige Geist ist. Christus sagt, dass er der „Tröster“ ist, „der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht“. Johannes 15,26. Er erklärt ferner deutlich, dass der Heilige Geist bei seinem Werk, Menschen in alle Wahrheit zu leiten, „nicht aus sich selber reden“ wird. Johannes 16,13. WA.53.1 Teilen

Das Wesen des Heiligen Geistes ist ein Geheimnis. Menschen können es nicht erklären, weil Gott es ihnen nicht offenbart hat. Schwärmerische Menschen mögen Schriftstellen zusammenbringen und auf ihnen einen menschlichen Gedankenbau errichten; aber die Annahme solcher Ansichten vermag die Gemeinde nicht zu stärken. Gegenüber Geheimnissen, die für das menschliche Verständnis zu tief sind, ist Schweigen Gold. WA.53.2 Teilen

Die Aufgabe des Heiligen Geistes umreißt Christus deutlich mit den Worten: „Wenn derselbe kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht.“ Johannes 16,8. Der heilige Geist überführt von der Sünde. Wenn der Sünder sich dem belebenden Einfluß des Geistes öffnet, wird er zur Umkehr bewegt, und ihm wird bewußt, wie wichtig es ist, den göttlichen Forderungen zu gehorchen. WA.53.3 Teilen

Dem reumütigen Sünder, der nach Gerechtigkeit hungert und dürstet, offenbart der Heilige Geist das Lamm Gottes, „welches der Welt Sünde trägt“. Johannes 1,29. „Derselbe wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.“ Johannes 16,14. „Aber der Tröster, der heilige Geist, welchen mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch erinnern alles des, was ich euch gesagt habe.“ Johannes 14,26. WA.53.4 Teilen

54

Der Geist wird als erneuernde Kraft gegeben, die das Heil wirksam machen soll, das durch den Tod unseres Erlösers erworben worden ist. Beständig sucht der Geist die Aufmerksamkeit der Menschen auf das große Opfer zu lenken, das am Kreuz zu Golgatha gebracht wurde, der Welt die Liebe Gottes zu offenbaren und dem von seiner Schuld überführten Sünder die Kostbarkeiten der Heiligen Schrift zu eröffnen. WA.54.1 Teilen

Hat der Heilige Geist Erkenntnis der Sünde bewirkt und den Maßstab der Gerechtigkeit vorgehalten, zieht er die Neigungen ab von den vergänglichen Dingen dieser Erde und erfüllt das Herz mit dem Verlangen nach Heiligkeit. „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen“ (Johannes 16,13), erklärte der Heiland. Wenn Menschen willig sind, sich formen zu lassen, wird es zu einer Heiligung ihres ganzen Wesens kommen. Was der Heilige Geist von Gott empfängt, wird er ihnen einprägen. Durch seine Macht wird der Lebensweg so klar, dass niemand zu irren braucht. WA.54.2 Teilen

Von Anfang an hat Gott seinen Heiligen Geist dazu benutzt, durch menschliche Werkzeuge seine Absicht mit dem gefallenen Menschengeschlecht zu verwirklichen. Das zeigte sich bereits im Leben der Patriarchen. Auch der Gemeinde in der Wüste zurzeit Moses gab Gott seinen „guten Geist, um sie zu unterweisen“. Nehemia 9,20. In den Tagen der Apostel wirkte er durch die Kraft des Heiligen Geistes machtvoll für seine Gemeinde. Dieselbe Kraft die die Erzvater stärkte, Kaleb und Josua Glauben und Mut verlieh und das Werk der Urgemeinde erfolgreich gestaltete, hat Gottes treue Kinder zu allen Zeiten aufrecht erhalten. In der Kraft des Heiligen Geistes bereiteten die waldensischen Christen in dunkler Zeit der Reformation den Weg. Und eben dieselbe Kraft ließ die Bemühungen edler Männer und Frauen erfolgreich sein, die die Voraussetzung schufen für die heutige Evangeliumsverkündigung und für die Übersetzung der Bibel in die Sprachen und Dialekte aller Völker und Stämme. WA.54.3 Teilen

55

Auch heute noch gebraucht Gott seine Gemeinde, um auf Erden seinen Plan kundzutun. Boten des Kreuzes gehen von Stadt zu Stadt und von Land zu Land, um den Weg für das zweite Kommen Christi zu bereiten. Gottes Gesetz wird zur Richtschnur erhoben. Der Geist des Allmächtigen bewegt Menschenherzen, und alle, die sich seinem Einfluß hingeben, werden Zeugen für Gott und seine Wahrheit. Vielerorts teilen geheiligte Männer und Frauen andern das Licht mit, das ihnen den Weg zur Erlösung durch Christus klargemacht hat. Und da sie, wie jene, die zu Pfingsten mit dem Geist getauft wurden, ihr Licht stets leuchten lassen, empfangen sie immer mehr von der Kraft des Heiligen Geistes. Auf diese Weise soll die Erde von der Herrlichkeit Gottes erleuchtet werden. WA.55.1 Teilen

Es gibt aber auch Menschen, die nicht weislich jede sich bietende Gelegenheit nutzen, sondern untätig auf eine besondere Zeit geistlicher Erquickung warten, durch die ihre Fähigkeit, andere zu erleuchten, sich beträchtlich vergrößern würde. Sie vernachlässigen die gegenwärtigen Pflichten und Vorrechte und lassen ihr Licht trübe brennen, während sie einer Zeit entgegensehen, in der sie ohne eigene Anstrengung besondere Segnungen empfangen, durch die sie umgewandelt und zum Dienst befähigt werden. WA.55.2 Teilen

Tatsache ist: Wenn in der Endzeit Gottes Werk auf Erden seinem Abschluß entgegengeht, werden die ernsten Bemühungen geweihter Gläubiger unter der Führung des Heiligen Geistes von Zeichen göttlicher Gunst begleitet sein. Unter dem Bild des Früh- und Spätregens, wie er im Orient zur Saat- bzw. Erntezeit fällt, kündigten die hebräischen Propheten der Gemeinde Gottes in außergewöhnlichem Maß die Gabe geistlicher Gnade an. Mit der Ausgießung des Geistes in den Tagen der Apostel setzte der Frühregen ein, und das Ergebnis war herrlich. Bis zum Ende der Zeit wird der Heilige Geist in der wahren Gemeinde gegenwärtig bleiben. WA.55.3 Teilen

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Aber für die Zeit kurz vor Abschluß der Ernte der Welt wird eine besondere Verleihung geistlicher Gnade verheißen, wodurch die Gemeinde auf das Kommen des Menschensohnes vorbereitet werden soll. Diese Ausgießung des Geistes wird mit dem Fallen des Spätregens verglichen. Um diese vermehrte Kraft sollen die Christen „den Herrn der Ernte“ (Matthäus 9,38) „zur Zeit des Spätregens“ bitten. Als Antwort „wird der Herr, der die Wolken macht, euch auch Regen genug geben für jedes Gewächs auf dem Felde“. Sacharja 10,1. „Und ihr, Kinder Zions, freuet euch und seid fröhlich im Herrn, eurem Gott, der euch gnädigen Regen gibt und euch herabsendet Frühregen und Spätregen wie zuvor.“ Joel 2,23. WA.56.1 Teilen

Wenn aber die Glieder der Gemeinde Gottes heute keine lebendige Verbindung mit der Quelle allen geistlichen Wachstums haben, werden sie auch nicht bereit sein zurzeit der Ernte. Halten sie jetzt ihre Lampen nicht in Ordnung und am Brennen, wird ihnen auch keine zusätzliche Gnade zuteil, wenn sie ihrer besonders bedürfen. WA.56.2 Teilen

Nur diejenigen, denen ständig neu Gnade zufließt, werden soviel Kraft besitzen, wie sie täglich bedürfen und wie der Einsatz ihrer Fähigkeiten erfordert. Anstatt auf eine zukünftige Zeit zu schauen, in der sie auf besondere Weise mit geistlicher Kraft für das Werk der Seelenrettung ausgestattet werden, übergeben sie sich Gott täglich, damit er sie zu Gefäßen mache, wie er sie gebrauchen kann. Täglich nützen sie die Gelegenheiten zum Dienst, die sich in ihrer Umgebung bieten. Täglich zeugen sie für den Meister, wo sie auch sein mögen, sei es im bescheidenen Wirkungskreis daheim oder bei nützlicher Arbeit in der Öffentlichkeit. WA.56.3 Teilen

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Für den Mitarbeiter, der sich dem Herrn geweiht hat, ist es ein wunderbarer Trost zu wissen, dass selbst Christus während seines Erdenlebens seinen Vater täglich um erneuten Zufluß der benötigten Gnade bat. Durch diese Gemeinschaft mit Gott konnte er andere stärken und segnen. Seht, wie der Heiland sich im Gebet vor seinem Vater beugt! Obwohl er Gottes Sohn ist, stärkt er seinen Glauben im Gebet. Aus der Gemeinschaft mit dem Himmel schöpft er die Kraft, dem Bösen zu widerstehen und den Bedürfnissen seiner Mitmenschen zu dienen. Als älterer Bruder der Menschen kennt er die Not derer, die zwar von Schwachheit umgeben sind und in einer Welt der Sünde und Versuchung leben, ihm aber doch dienen möchten. Er weiß, dass die Boten, die er als tauglich aussenden will, schwache, irrende Menschen sind. Aber allen, die sich rückhaltlos in seinen Dienst stellen, verspricht er göttliche Hilfe. Sein eigenes Beispiel beweist, dass ernstes, anhaltendes Gebet zu Gott im Glauben — einem Glauben, der zum Bewußtsein völliger Abhängigkeit von Gott und ungeteilter Hingabe an sein Werk führt — den Menschen den Beistand des Heiligen Geistes im Kampf gegen die Sünde zu verschaffen vermag. WA.57.1 Teilen

Jeder Mitarbeiter, der dem Beispiel Jesu folgt, wird darauf vorbereitet sein, die Kraft zu empfangen und anzuwenden, die der Herr seiner Gemeinde verheißen hat, damit die Ernte der Erde zur Reife kommt. Wenn die Boten des Evangeliums morgens vor dem Herrn knien und ihr Gelübde der Hingabe erneuern, wird er ihnen die Gegenwart seines Geistes und dessen belebende, heiligende Kraft schenken. Sie werden an die Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben gehen in der Gewißheit, dass die unsichtbare Anwesenheit des Heiligen Geistes sie befähigt, „Mitarbeiter Gottes“ zu sein. WA.57.2 Teilen

Kapitel 6: An der Pforte des Tempels

[Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 3; Apostelgeschichte 4,1-31.] WA.57 Teilen

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Die Jünger Christi waren sich ihrer Untüchtigkeit wohl bewußt, und in Demut und im Gebet verband sich ihre Schwachheit mit seiner Stärke, ihre Unwissenheit mit seiner Weisheit, ihre Unwürdigkeit mit seiner Gerechtigkeit, ihre Armut mit seinem unerschöpflichen Reichtum. So gestärkt und ausgerüstet, zögerten sie nicht, im Dienst des Meisters voranzugehen. WA.59.1 Teilen

Nicht lange nach der Ausgießung des Heiligen Geistes und unmittelbar nach einer Zeit ernsten Gebetes gingen Petrus und Johannes zum Gottesdienst hinauf in den Tempel. Da sahen sie an der Schönen Pforte einen Gelähmten sitzen. Er war vierzig Jahre alt, und von Geburt an war sein Leben qualvoll und von körperlicher Gebrechlichkeit. Dieser unglückliche Mann hatte schon lange gewünscht, Jesus zu sehen und von ihm geheilt zu werden. Aber er war nahezu hilflos und von dem Tätigkeitsbereich des Großen Arztes weit entfernt. Schließlich hatten ihn einige Freunde auf sein Bitten hin an die Pforte des Tempels getragen. Dort musste er erfahren, dass der, auf den er seine Hoffnungen gesetzt hatte, auf grausame Weise getötet worden war. WA.59.2 Teilen

Seine Enttäuschung erweckte das Mitgefühl derer, die wußten, wie sehnlich er gehofft hatte, von Jesus geheilt zu werden. Täglich brachten sie ihn deshalb zum Tempel, damit er von den Vorübergehenden ein Almosen zur Linderung seiner Not erhielte. Als Petrus und Johannes vorbeikamen, bat er auch sie um ein Almosen. Die Jünger sahen ihn mitleidig an, und Petrus sagte: „Sieh uns an! Und er sah sie an und wartete, dass er etwas von ihnen empfinge. Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht.“ Apostelgeschichte 3,4-6. WA.59.3 Teilen

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Als Petrus seine Armut eingestand, senkte der Krüppel enttäuscht den Blick. Aber über sein Gesicht glitt ein Hoffnungsschimmer, als der Apostel fortfuhr: „Was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth stehe auf und wandle! Und griff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Alsbald standen seine Füße und Knöchel fest, und er sprang auf, konnte gehen und stehen und ging mit ihnen in den Tempel, wandelte und sprang und lobte Gott. Und es sah ihn alles Volk wandeln und Gott loben. Sie kannten ihn auch, dass er’s war, der um Almosen gesessen hatte vor der schönen Tür des Tempels; und sie wurden voll Wunderns und Entsetzens über das, was ihm widerfahren war. Als er aber sich zu Petrus und Johannes hielt, lief alles Volk zu ihnen in die Halle, die da heißt Salomos, und wunderten sich sehr.“ Apostelgeschichte 3,6-11. Die Leute waren erstaunt, dass die Jünger ähnliche Wunder vollbringen konnten wie Jesus. Doch hier stand dieser Mann: vierzig Jahre lang ein hilfloser Krüppel, nun aber in der Lage, seine Glieder zu bewegen, frei von Schmerzen und glücklich im Glauben an Jesus. WA.60.1 Teilen

Als die Jünger sahen, wie erstaunt die Leute waren, fragte Petrus: „Ihr Männer von Israel, was wundert ihr euch darüber oder was sehet ihr auf uns, als hätten wir diesen wandeln gemacht durch unsre eigene Kraft oder Frömmigkeit?“ Apostelgeschichte 3,12. Er versicherte ihnen, dass die Heilung im Namen und durch die Verdienste Jesu von Nazareth gewirkt worden sei, den Gott von den Toten auferweckt hatte. Die Apostel erklärten: „Das Vertrauen auf den Namen Jesus hat den Mann, der hier steht und den ihr alle kennt, gesund gemacht. Der Name Jesus hat in ihm Glauben geweckt und ihm die volle Gesundheit geschenkt, die ihr an ihm seht.“ Apostelgeschichte 3,16 (GN). WA.60.2 Teilen

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Ganz offen sprachen die Apostel von der schweren Sünde, die die Juden begangen hatten, indem sie den Fürsten des Lebens verworfen und getötet hatten. Aber sie waren darauf bedacht, ihre Zuhörer nicht zur Verzweiflung zu treiben. Petrus sagte deshalb: „Ihr aber verleugnetet den Heiligen und Gerechten und batet, dass man euch den Mörder schenkte; aber den Fürsten des Lebens habt ihr getötet. Den hat Gott auferweckt von den Toten; des sind wir Zeugen ... Nun, liebe Brüder, ich weiß, dass ir’s in Unwissenheit getan habt wie auch eure Obersten. Gott aber hat so erfüllt, was er durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigt hat, dass sein Christus leiden sollte.“ Apostelgeschichte 3,14.15.17.18. Er machte ihnen klar, dass der Heilige Geist sie auffordere zu bereuen und umzukehren, und er versicherte ihnen, dass es für sie keine Hoffnung auf Erlösung gäbe, wenn nicht durch die Gnade dessen, den sie gekreuzigt hatten. Nur durch den Glauben an ihn könnten ihre Sünden vergeben werden. WA.61.1 Teilen

Er rief: „So tut nun Buße und bekehret euch, dass eure Sünden getilgt werden, auf dass da komme die Zeit der Erquickung von dem Angesicht des Herrn ... Ihr seid der Propheten und des Bundes Kinder, welchen Gott gemacht hat mit euren Vätern, da er sprach zu Abraham: ‚Durch dein Geschlecht sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden.‘ Für euch zuvörderst hat Gott erweckt seinen Knecht Jesus und hat ihn zu euch gesandt, euch zu segnen, dass ein jeglicher sich bekehre von seiner Bosheit.“ Apostelgeschichte 3,19.25.26. WA.61.2 Teilen

So predigten die Jünger die Auferstehung Christi. Viele Zuhörer hatten auf dieses Zeugnis gewartet, und als sie es nun hörten, glaubten sie. Christi Worte kamen ihnen wieder ins Gedächtnis, und sie stellten sich auf die Seite derer, die das Evangelium annahmen. Der vom Heiland gesäte Same ging auf und brachte Frucht. WA.61.3 Teilen

Als die Jünger „zum Volk redeten, traten zu ihnen die Priester und der Hauptmann des Tempels und die Sadduzäer, die verdroß, dass sie das Volk lehrten und verkündigten an Jesus die Auferstehung von den Toten“. Apostelgeschichte 4,1. WA.61.4 Teilen

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Nach Christi Auferstehung hatten die Priester überall die Lüge verbreitet, Jesu Leichnam sei von den Jüngern gestohlen worden, während die römischen Wachsoldaten schliefen. Es überrascht daher nicht, dass sie ungehalten waren, als Petrus und Johannes die Auferstehung dessen predigten, den sie umgebracht hatten. Besonders erregt darüber waren die Sadduzäer. Sie spürten, dass ihre Lieblingslehre in Gefahr geriet und ihr Ansehen auf dem Spiel stand. WA.62.1 Teilen

Da die Zahl der zum neuen Glauben Bekehrten schnell zunahm, waren Pharisäer und Sadduzäer sich einig darin, dass ihr Einfluß noch stärker gefährdet würde als zu Jesu Lebzeiten auf Erden, wenn man diese neuen Lehrer ungehindert gewähren ließe. Mit Hilfe einiger Sadduzäer verhaftete deshalb der Tempelhauptmann Petrus und Johannes und nahm sie in Gewahrsam, weil es an diesem Tag für ein Verhör zu spät war. WA.62.2 Teilen

Die Feinde der Jünger konnten sich nicht mehr der Tatsache verschließen, dass Christus von den Toten auferstanden war. Der Beweis war zu eindeutig, als dass man daran hätte zweifeln können. Dennoch verhärteten die Schriftgelehrten ihre Herzen und weigerten sich, die schreckliche Tat der Kreuzigung Jesu zu bereuen. WA.62.3 Teilen

Den jüdischen Obersten waren genügend Beweise gegeben worden, dass die Apostel unter göttlicher Eingebung redeten und handelten, aber beharrlich widersetzten sie sich der Botschaft der Wahrheit. Christus war nicht so gekommen, wie sie es erwartet hatten. Zeitweise waren sie zwar davon überzeugt gewesen, dass er Gottes Sohn sei, doch sie hatten diese Überzeugung erstickt und ihn gekreuzigt. Gnädig gab Gott ihnen weitere Beweise und bot ihnen auch jetzt eine Gelegenheit, sich zu ihm zu wenden. Er ließ ihnen durch die Jünger sagen, dass sie den Lebensfürsten getötet hatten, gleichzeitig aber forderte er sie durch diese schreckliche Anklage zur Umkehr auf. Doch die jüdischen Lehrer fühlten sich in ihrer Selbstgerechtigkeit sehr sicher und weigerten sich zuzugeben, dass die Männer, von denen sie der Kreuzigung Christi beschuldigt wurden, unter der Leitung des Heiligen Geistes redeten. WA.62.4 Teilen

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Da sich die Priester zur Auflehnung gegen Christus entschieden hatten, trieb sie jeder Widerstand erneut an, die einmal gewählte Richtung weiter zu verfolgen. In ihrer Halsstarrigkeit wurden sie immer entschlossener. Nicht, dass sie sich nicht hätten unterwerfen können; sie konnten es, wollten es aber nicht. Sie waren schuldig und hatten den Tod verdient, hatten sie doch den Sohn Gottes getötet; aber nicht deshalb allein wurden sie vom Heil getrennt, sondern weil sie Gott widerstrebten. Beharrlich verwarfen sie das Licht und verschlossen sich den Schuldsprüchen des Geistes. Der Einfluß, der die Kinder des Ungehorsams beherrscht, wirkte in ihnen und veranlaßte sie, die Männer zu schmähen, durch die Gott wirkte. Die Boshaftigkeit ihrer Empörung steigerte sich mit jeder weiteren Tat des Widerstrebens gegen Gott und gegen die Botschaft, die er seinen Dienern zu verkündigen aufgetragen hatte. Unbußfertigkeit trieb die jüdischen Führer täglich tiefer in die Auflehnung und bereitete eine Ernte dessen vor, was sie gesät hatten. WA.63.1 Teilen

Gott zürnt den Unbußfertigen nicht nur deshalb, weil sie gesündigt haben, sondern vor allem weil sie — obwohl zur Umkehr gerufen — in ihrem Widerstand beharren und trotz des ihnen verliehenen Lichtes die Sünden der Vergangenheit wiederholen. Hätten sich die jüdischen Obersten der überzeugenden Macht des Heiligen Geistes unterworfen, wäre ihnen vergeben worden; aber sie wollten nicht einlenken. Genauso kommt der Sünder durch fortwährendes Widerstreben schließlich dahin, dass der Heilige Geist ihn nicht mehr beeinflussen kann. WA.63.2 Teilen

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Am Tage nach der Heilung des Krüppels traten Hannas und Kaiphas mit den anderen Würdenträgern des Tempels zum Verhör zusammen. Die Gefangenen wurden ihnen vorgeführt. In demselben Raum und vor einigen dieser Männer hatte Petrus seinen Herrn schändlich verleugnet. Daran erinnerte er sich, als er zu seinem eigenen Verhör erschien. Ihm bot sich nun eine Gelegenheit, seine Feigheit wiedergutzumachen. WA.64.1 Teilen

Die Anwesenden, die sich entsannen, welche Rolle Petrus bei dem Verhör seines Meisters gespielt hatte, bildeten sich ein, ihn durch Androhung von Gefangenschaft und Tod einschüchtern zu können. Aber der Petrus, der Christus in der Stunde größter Not verleugnet hatte, war leidenschaftlich und voller Selbstvertrauen gewesen und unterschied sich himmelweit von dem Petrus, der nun zur Vernehmung vor dem Hohen Rat stand. Nach seinem Fall hatte er sich bekehrt. Nun war er nicht mehr stolz und großsprecherisch, sondern bescheiden und selbstkritisch. Er war vom Heiligen Geist erfüllt und mit dessen Hilfe entschlossen, den Makel seiner Abtrünnigkeit zu beseitigen und den Namen zu ehren, den er vorher verleugnet hatte. WA.64.2 Teilen

Bisher hatten es die Priester vermieden, die Kreuzigung oder die Auferstehung Jesu zu erwähnen, aber um ihr Ziel zu erreichen, mussten sie die Angeklagten fragen, wie die Heilung des Kranken vor sich gegangen war: „Aus welcher Kraft oder in welchem Namen habt ihr das getan?“ Apostelgeschichte 4,7. WA.64.3 Teilen

Mit heiliger Kühnheit und in der Kraft des Geistes erklärte Petrus furchtlos: „Ihr hier und alle Leute in Israel sollt wissen: Dieser Mann steht gesund vor euch, weil der Name Jesu Christi aus Nazareth eine Macht ist. Ihr habt Jesus gekreuzigt, aber Gott hat ihn vom Tod erweckt. Auf diesen Jesus bezieht sich das Wort in den heiligen Schriften: ‚Der Stein, den die Maurer — das seid ihr! — für unbrauchbar hielten, hat sich als der wichtigste erwiesen.‘ Jesus Christus und sonst keiner kann die Rettung bringen. Nirgends auf der ganzen Welt hat Gott einen anderen Namen bekanntgemacht, durch den wir gerettet werden könnten.“ Apostelgeschichte 4,10-12 (GN). WA.64.4 Teilen

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Diese mutige Verteidigungsrede erschreckte die jüdischen Führer. Sie hatten angenommen, dass die Jünger von Furcht und Verwirrung überwältigt würden, wenn man sie vor den Hohen Rat stellte. Statt dessen redeten diese Zeugen, wie Christus gesprochen hatte, mit einer Überzeugungskraft, die ihre Gegner zum Schweigen brachte. Des Petrus Stimme war frei von aller Furcht, als er von Christus sagte: „Der Stein, den die Maurer — das seid ihr! — für unbrauchbar hielten, hat sich als der wichtigste erwiesen“, als der Eckstein. WA.65.1 Teilen

Petrus bediente sich einer den Priestern wohl vertrauten Redewendung. Schon die Propheten hatten von dem verworfenen Stein gesprochen, und Christus hatte einmal von sich selbst gesagt: „Habt ihr nie gelesen in der Schrift: ‚Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Von dem Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsren Augen‘? Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volke gegeben werden, das seine Früchte bringt. Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird er zermalmen.“ Matthäus 21,42-44. WA.65.2 Teilen

Als die Priester die furchtlosen Worte der Apostel hörten, erkannten sie, „dass sie mit Jesus gewesen waren.“ Apostelgeschichte 4,13. WA.65.3 Teilen

Von den Jüngern wird berichtet, dass sie am Schluß des wunderbaren Erlebens der Verklärung Christi „sahen ... niemand als Jesus allein“. Matthäus 17,8. „Jesus allein“ — in diesen Worten liegt das Geheimnis des Lebens und der Kraft begründet, das die Geschichte der Urgemeinde kennzeichnet. Als die Jünger Christi Worte zum ersten Male hörten, spürten sie, dass sie ihn brauchten. Sie suchten ihn, fanden ihn und folgten ihm nach. Immer waren sie mit ihm: im Tempel, bei Tisch, am Bergeshang und auf dem Felde. Wie Schüler bei ihrem Lehrer waren sie bei ihm und empfingen täglich von ihm Lehren der ewigen Wahrheit. WA.65.4 Teilen

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Auch nach der Himmelfahrt des Heilandes waren sich die Apostel der göttlichen Gegenwart, voller Liebe und Licht, bewußt. Der Heiland, der mit ihnen gewandelt war, der mit ihnen geredet, gebetet und ihrem Herzen Hoffnung und Trost zugesprochen hatte, war mit der Botschaft des Friedens auf den Lippen von ihnen in den Himmel aufgenommen worden. Als der Triumphwagen der Engel ihn aufnahm, vernahmen sie seine Worte: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Matthäus 28,20. In menschlicher Gestalt war er zum Himmel aufgefahren. Sie wußten, dass er auch vor Gottes Thron ihr Freund und Heiland blieb, dass seine Zuneigung zu ihnen unveränderlich war und dass er immer mit der leidenden Menschheit verbunden sein würde. Sie wußten, er würde das Verdienst seines Blutes vor Gott geltend machen und mit seinen durchbohrten Händen und Füßen an den Preis erinnern, den er für seine Erlösten bezahlt hatte. Dieser Gedanke verlieh ihnen die Kraft, um seinetwillen Schmach zu erdulden. Ihre Verbindung zu ihm war jetzt inniger als zu der Zeit, da er persönlich bei ihnen gewesen war. Licht, Liebe und Kraft des innewohnenden Christus strahlten von ihnen aus, so dass sich die Menschen darüber wunderten. WA.66.1 Teilen

Den Worten, die Petrus bei seiner Verteidigung sprach, drückte Christus sein Siegel auf. Neben dem Jünger stand als glaubwürdiger Zeuge der Mann, der auf so wunderbare Weise geheilt worden war. Der Anblick dieses Mannes, der wenige Stunden zuvor noch ein hilfloser Krüppel gewesen und dessen Gesundheit nun völlig wiederhergestellt war, verlieh den Worten des Petrus überzeugendes Gewicht. Priester und Oberste schwiegen. Sie konnten den Bericht des Petrus nicht widerlegen, waren aber dennoch fest entschlossen, der Verkündigung der Jünger Einhalt zu gebieten. WA.66.2 Teilen

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Das krönende Wunder Christi — die Auferweckung des Lazarus — hatte die Priester in dem Entschluß bekräftigt, Jesus und seine herrlichen Werke aus der Welt zu schaffen, die ihren Einfluß auf das Volk zerstörten. Zwar hatten sie ihn gekreuzigt, aber hier wurde ihnen nun bewiesen, dass sie weder das Wunderwirken in seinem Namen noch die Verkündigung der Wahrheit aufhalten konnten. Schon hatten die Heilung des Gelähmten und die Predigt der Apostel ganz Jerusalem in Aufregung versetzt. WA.67.1 Teilen

Um ihre Verwirrung zu verbergen und sich untereinander beraten zu können, ließen die Priester und Obersten die Apostel wegführen. Sie waren sich darüber einig, dass es zwecklos wäre, die Heilung dieses Mannes abzustreiten. Gern hätten sie das Wunder als Betrug hingestellt, aber das war unmöglich, weil es am hellen Tage vor einer großen Menschenmenge geschehen und bereits Tausenden bekannt geworden war. Für um so notwendiger empfanden sie es daher, dass dem Wirken der Jünger ein Ende bereitet werden müsse, da dieser Jesus sonst viele Nachfolger gewinnen würde. Sie selbst würden die Gunst des Volkes verlieren, denn es würde sie für schuldig am Mord des Gottessohnes erklären. WA.67.2 Teilen

Aber obwohl die Priester die Jünger zu vernichten wünschten, wagten sie lediglich, ihnen strengste Bestrafung anzudrohen, falls sie fortfuhren, im Namen Jesu zu reden oder zu wirken. Erneut vor den Hohen Rat gerufen, befahlen sie ihnen, weder zu reden noch zu lehren im Namen Jesu. Petrus und Johannes antworteten jedoch: „Richtet ihr selbst, ob es vor Gott recht sei, dass wir euch mehr gehorchen als Gott. Wir könn’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten von dem, was wir gesehen und gehört haben.“ Apostelgeschichte 4,19.20. WA.67.3 Teilen

Gern hätten die Priester diese Männer wegen ihrer unerschütterlichen Treue zu ihrer heiligen Berufung bestraft, aber sie fürchteten das Volk, „denn sie lobten alle Gott über das, was geschehen war.“ Apostelgeschichte 4,21. Deshalb wurden die Apostel nach wiederholten Strafandrohungen und Einschüchterungsversuchen auf freien Fuß gesetzt. WA.67.4 Teilen

68

Während Petrus und Johannes eingesperrt waren, hatten die anderen Jünger — in Kenntnis der Feindseligkeit der Juden — unaufhörlich für ihre Brüder gebetet, denn sie fürchteten, dass sich die Christus zugefügten Grausamkeiten wiederholen könnten. Kaum waren die Apostel wieder frei, suchten sie die andern Jünger auf, um ihnen vom Ausgang des Verhörs zu berichten. Die Freude der Gläubigen war groß. „Da sie das hörten, erhoben sie ihre Stimme einmütig zu Gott und sprachen: Herr, der du Himmel und Erde und das Meer und alles, was darinnen ist, gemacht hast; der du durch den heiligen Geist, durch den Mund unsres Vaters David, deines Knechtes, gesagt hast: ‚Warum toben die Heiden, und die Völker nehmen sich vor, was umsonst ist? Die Könige der Erde treten zusammen, und die Fürsten versammeln sich zuhauf wider den Herrn und wider seinen Christus‘: wahrlich ja, sie haben sich versammelt in dieser Stadt wider deinen heiligen Knecht Jesus, welchen du gesalbt hast Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Völkern von Israel, zu tun, was deine Hand und dein Rat zuvor bedacht hat, dass es geschehen sollte. Und nun, Herr, siehe an ihr Drohen und gib deinen Knechten, mit allem Freimut zu reden dein Wort, und strecke deine Hand aus, dass Heilungen und Zeichen und Wunder geschehen durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus.“ Apostelgeschichte 4,24-30. WA.68.1 Teilen

Die Jünger beteten um mehr Kraft für die Ausübung ihres Dienstes, denn sie erkannten, dass sie demselben entschlossenen Widerstand begegnen würden, dem Christus auf Erden hatte entgegentreten müssen. Noch während ihre einmütigen Gebete im Glauben himmelwärts stiegen, erfolgte die Antwort. Die Stätte, an der sie versammelt waren, erbebte, und sie wurden erneut mit dem Heiligen Geist ausgerüstet. Mutigen Herzens gingen sie wieder daran, das Wort Gottes in Jerusalem zu verkündigen. „Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus, und große Gnade war bei ihnen allen.“ Apostelgeschichte 4,33. Gott segnete ihre Bemühungen wunderbar. WA.68.2 Teilen

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Der Grundsatz, den die Jünger so furchtlos vertraten, als sie auf das Verbot, nicht mehr in Jesu Namen zu lehren, antworteten: „Richtet ihr selbst, ob es vor Gott recht sei, dass wir euch mehr gehorchen als Gott“, ist derselbe, den die Evangeliumsverkündiger in den Tagen der Reformation aufrecht zu erhalten suchten. Als die deutschen Fürsten im Jahre 1529 auf dem Reichstag zu Speyer zusammenkamen und ihnen des Kaisers Erlaß vorgelegt wurde, der die Religionsfreiheit einschränkte und jede weitere Verbreitung der reformatorischen Lehren verbot, schien es, dass die Hoffnung der Welt zunichte gemacht werden sollte. Würden die Fürsten den Erlaß annehmen? Sollten die Menschen, die noch in der Finsternis lebten, vom Licht des Evangeliums ausgeschlossen bleiben? Entscheidendes für die Welt stand auf dem Spiel. Die Bekenner des reformatorischen Glaubens kamen zusammen und beschlossen einmütig: „Wir verwerfen diesen Erlaß. In Fragen des Gewissens kommt es nicht auf die Mehrheit an.“ (D‘Aubigne: Geschichte der Reformation, Buch 13, Kapitel 5.) WA.69.1 Teilen

Dieser Grundsatz muss auch heute von uns hochgehalten werden. Das Banner der Wahrheit und der religiösen Freiheit, von den Begründern der Evangeliumsgemeinde und von Gottes Zeugen der vergangenen Jahrhunderte hochgehalten, ist in dieser letzten Auseinandersetzung unsern Händen anvertraut worden. Die Verantwortung für diese große Gabe ruht auf denen, die Gott mit der Erkenntnis seines Wortes gesegnet hat. Dieses Wort sollte für uns höchste Autorität sein. Die irdische Regierung sollten wir als gottgegebene Ordnung anerkennen und innerhalb ihres rechtmäßigen Bereiches den Gehorsam ihr gegenüber als heilige Pflicht lehren. Widersprechen ihre Ansprüche aber den Ansprüchen Gottes, müssen wir Gott mehr gehorchen als den Menschen. Gottes Wort steht für einen Christen über jeder menschlichen Gesetzgebung. Ein „So spricht der Herr“ kann nicht durch ein „So spricht die Gemeinde (Kirche)“ oder ein „So spricht der Staat“ aufgehoben werden. Die Krone Christi ist höher zu achten als die Diademe irdischer Machthaber. WA.69.2 Teilen

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Wir werden nicht aufgefordert, der Obrigkeit zu trotzen. Unsere Worte, gesprochen oder geschrieben, sollten wir sorgfältig abwägen, damit wir alles meiden, was den Anschein erwecken könnte, als stünden wir Gesetz und Ordnung feindlich gegenüber. Wir sollten nichts sagen oder tun, das uns unnötig den Weg versperren könnte. In Christi Namen sollen wir vorangehen und für die Wahrheit eintreten, die uns anvertraut ist. Wollen Menschen uns dies verbieten, müssen wir wie die Apostel sagen: „Wir könn’s ja nicht lassen, dass wir nicht reden sollten von dem, was wir gesehen und gehört haben.“ Apostelgeschichte 4,20. WA.70.1 Teilen

Kapitel 7: Warnung vor Heuchelei

[Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 4,32-5,11.] WA.70 Teilen

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Als die Jünger das Evangelium in Jerusalem verkündigten, bekannte sich Gott zu ihrem Wort, und eine große Zahl wurde gläubig. Viele dieser ersten Gläubigen wurden durch den blinden Haß der Juden sofort von ihren Familien und Freunden getrennt. Deshalb wurde es notwendig, sie mit Nahrung und Unterkunft zu versorgen. In der Bibel heißt es: „Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte“ (Apostelgeschichte 4,34), und dann wird erzählt, wie dies erreicht wurde. Gläubige, die Geld und Besitz hatten, opferten diese freudig, um der Notlage zu begegnen. Sie verkauften ihre Häuser oder Grundstücke, brachten das Geld und „legten es zu der Apostel Füßen; und man gab einem jeglichen, je nachdem einer in Not war“. Apostelgeschichte 4,35. WA.71.1 Teilen

Diese Freigebigkeit der Gläubigen war eine Folge der Ausgießung des Heiligen Geistes. Die zum Evangelium Bekehrten waren „ein Herz und eine Seele“ (Apostelgeschichte 4,32) und kannten nur ein gemeinsames Anliegen: die erfolgreiche Durchführung des ihnen anvertrauten Auftrags. Geiz hatte in ihrem Leben keinen Raum. Ihre Liebe zu den Glaubensgeschwistern und zu der Sache, für die sie nun eintraten, war größer als ihre Liebe zu Geld und Besitz. Ihre Werke zeugten davon, dass sie den Wert ihrer Mitmenschen höher schätzten als irdischen Wohlstand. WA.71.2 Teilen

So wird es immer sein, wenn Gottes Geist vom Leben Besitz ergreift. Diejenigen, deren Herzen von der Liebe Christi erfüllt sind, werden dem Beispiel dessen folgen, der um unseretwillen arm wurde, damit wir „durch seine Armut reich“ (2.Korinther 8,9) würden. Alle aus Gottes Hand empfangenen Gaben, wie Geld, Zeit und Einfluß, werden sie nur als Mittel zur Förderung der Evangeliumsverkündigung schätzen. So war es in der Urgemeinde. Wäre in der Gemeinde von heute erkennbar, dass sich ihre Glieder durch die Kraft des Geistes von den Dingen dieser Welt abgewandt haben und willens sind, Opfer zu bringen, damit ihre Mitmenschen das Evangelium zu hören bekommen, dann würde die verkündigte Wahrheit einen machtvollen Einfluß auf die Hörer ausüben. WA.71.3 Teilen

72

In schroffem Gegensatz zu dem Beispiel der Wohltätigkeit der Gläubigen stand das Verhalten von Ananias und Saphira. Ihre Erfahrung, von inspirierter Hand niedergeschrieben, ist ein dunkler Fleck in der Geschichte der Urgemeinde. Gemeinsam mit anderen hatten diese vorgeblichen Jünger die Predigt des Evangeliums aus dem Munde der Apostel hören dürfen. Sie erlebten mit anderen Gläubigen, dass auf das Gebet der Apostel hin „erbebte die Stätte, da sie versammelt waren; und sie wurden alle des heiligen Geistes voll“. Apostelgeschichte 4,31. Eine starke Gewißheit war über alle Anwesenden gekommen, und Ananias und Saphira hatten unter dem Einfluß des Geistes Gottes gelobt, dem Herrn den Erlös aus dem Verkauf eines Grundstückes zu geben. WA.72.1 Teilen

Später betrübten Ananias und Saphira den Heiligen Geist dadurch, dass sie den Regungen des Geizes nachgaben. Sie bedauerten ihr Versprechen und verloren bald den wohltuenden Einfluß des Segens, der ihre Herzen begeistert hatte, Großes für die Sache Christi zu tun. Sie meinten, voreilig gewesen zu sein und ihren Entschluß noch einmal überlegen zu müssen. Also besprachen sie die Angelegenheit miteinander und entschlossen sich, ihr Gelübde nicht zu erfüllen. Da sie aber wußten, dass diejenigen, die sich von ihrem Besitz getrennt hatten, um die Not der Brüder zu lindern, bei den Gläubigen hoch angesehen waren, schämten sie sich, ihre Brüder wissen zu lassen, dass ihre geizigen Herzen begehrten, was sie Gott feierlich geweiht hatten. Deshalb entschlossen sie sich, ihren Besitz zwar zu verkaufen, dann aber nur so zu tun, als ob sie den ganzen Erlös der gemeinsamen Kasse zufließen ließen. In Wirklichkeit behielten sie einen großen Teil des Geldes für sich. So wollten sie ihren Lebensunterhalt auf Kosten der Gemeindekasse sichern und gleichzeitig die Hochachtung ihrer Geschwister gewinnen. WA.72.2 Teilen

73

Aber Gott haßt Heuchelei und Falschheit. Ananias und Saphira erwiesen sich Gott gegenüber als Betrüger; sie belogen den Heiligen Geist, und ihre Sünde wurde durch ein schnelles, schreckliches Gericht geahndet. Als Ananias seine Gabe brachte, sagte Petrus: „Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den heiligen Geist belogest und entwendetest etwas vom Gelde des Ackers? Hättest du ihn doch wohl mögen behalten, da du ihn hattest; und da er verkauft war, war es auch in deiner Gewalt. Warum hast du dir solches in deinem Herzen vorgenommen? Du hast nicht Menschen, sondern Gott belogen. Als Ananias aber diese Worte hörte, fiel er nieder und gab den Geist auf. Und es kam eine große Furcht über alle, die dies hörten.“ Apostelgeschichte 5,3-5. WA.73.1 Teilen

„Hättest du ihn doch wohl mögen behalten, da du ihn hattest“, sprach Petrus. Ananias war keineswegs gedrängt worden, sein Eigentum dem Gemeinwohl zu opfern. Er hatte aus freiem Entschluß gehandelt. Aber durch seinen Versuch, die Jünger zu täuschen, hatte er den Allmächtigen belogen. WA.73.2 Teilen

„Und es begab sich über eine Weile, bei drei Stunden, da kam seine Frau herein und wußte nicht, was geschehen war. Aber Petrus sprach zu ihr: Sage mir, habt ihr den Acker so teuer verkauft? Sie sprach: Ja, so teuer. Petrus aber sprach zu ihr: Warum seid ihr denn eins geworden, zu versuchen den Geist des Herrn? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, sind vor der Tür und werden dich hinaustragen. Und alsbald fiel sie zu seinen Füßen und gab den Geist auf. Da kamen die Jünglinge und fanden sie tot, trugen sie hinaus und begruben sie neben ihren Mann. Und es kam eine große Furcht über die ganze Gemeinde und über alle, die dieses hörten.“ Apostelgeschichte 5,7-11. WA.73.3 Teilen

74

In seiner unendlichen Weisheit sah Gott, dass diese außerordentliche Bekundung seines Zornes notwendig war, um die junge Gemeinde vor sittlichem Verfall zu bewahren. Ihre Gliederzahl wuchs schnell. Die Gemeinde wäre gefährdet worden, wenn mit der schnellen Zunahme von Bekehrten Männer und Frauen hinzugetan worden wären, die unter dem Vorwand, Gott zu dienen, den Mammon anbeteten. Dieses Urteil bestätigt, dass Menschen Gott nicht täuschen können, dass er die verborgenen Sünden des Herzens aufdeckt und sich nicht spotten läßt. Es sollte der Gemeinde zur Warnung dienen und sie dahin führen, Schein und Heuchelei zu meiden und sich davor zu hüten, Gott berauben zu wollen. WA.74.1 Teilen

Nicht nur der Urgemeinde, sondern allen künftigen Geschlechtern sollte dieses Beispiel zeigen, wie sehr Gott Habsucht, Betrug und Heuchelei haßt. Ananias und Saphira hatten zuerst Habsucht genährt. Das Verlangen, etwas von dem zu behalten, was sie dem Herrn versprochen hatten, führte sie schließlich zu Betrug und Heuchelei. WA.74.2 Teilen

Gott hat die Verkündigung des Evangeliums von der Arbeit und den Gaben seines Volkes abhängig gemacht. Freiwillige Gaben und der Zehnte bilden die Einkünfte im Werk des Herrn. Von den uns Menschen anvertrauten Mitteln beansprucht Gott einen bestimmten Teil — den Zehnten. Er stellt es jedem frei, ob er mehr geben will oder nicht. Aber wenn das Herz eines Menschen unter dem Einfluß des Heiligen Geistes zu dem Gelübde bewegt wird, einen bestimmten Betrag zu geben, so hat er von da an kein Recht mehr auf den geweihten Teil. Werden Versprechen dieser Art Menschen gegenüber abgegeben, so gelten sie als bindend. Sollte das aber nicht erst recht zutreffen, wenn sie Gott gegenüber gemacht werden? Sind Versprechen infolge einer Gewissensentscheidung weniger bindend als schriftliche Vereinbarungen unter Menschen? WA.74.3 Teilen

75

Wenn das göttliche Licht mit ungewöhnlicher Klarheit und Kraft das Herz erleuchtet, verliert die gewohnheitsmäßige Selbstsucht ihre Macht, und an ihre Stelle tritt die Bereitschaft, für Gottes Werk Gaben darzubringen. Niemand aber sollte annehmen, dass er sein Versprechen ohne Satans Protest einlösen könne. Satan sieht es nicht gern, wenn das Reich des Erlösers auf Erden gebaut wird. Deshalb flüstert er den Menschen ein, das Opfer sei zu groß und hindere sie in ihren Bemühungen, Eigentum zu erwerben oder die Wünsche der Familie zufriedenzustellen. WA.75.1 Teilen

Gott segnet Menschen mit irdischen Gütern, damit sie zur Förderung seines Werkes beitragen können. Er sendet Sonnenschein und Regen und bringt die Pflanzen zum Blühen. Er schenkt Gesundheit und die Fähigkeit, Mittel zu erwerben. Alle Segnungen kommen aus seiner gütigen Hand. Er seinerseits möchte, dass Männer und Frauen ihre Dankbarkeit dadurch erweisen, dass sie ihm einen Teil davon als Zehnten und Gaben, Dankopfer, Hebopfer und Sündopfer zurückerstatten. Flössen dem göttlichen Plan entsprechend diese Mittel — der Zehnte von allem Einkommen und freiwillige Gaben — in die Schatzkammer des Herrn, würden sie im Überfluß für den Fortschritt des Werkes Gottes vorhanden sein. WA.75.2 Teilen

Doch die Herzen der Menschen werden durch Selbstsucht verhärtet und werden — ähnlich wie Ananias und Saphira — versucht, einen Teil dessen zurückzubehalten, was Gott gehört, und dennoch vorzugeben, Gottes Forderungen zu erfüllen. Viele geben ihr Geld verschwenderisch für den eigenen Genuß aus. Viele Männer und Frauen denken nur an ihr eigenes Vergnügen und stillen alle ihre Wünsche, während sie Gott unwillig eine kärgliche Gabe bringen. Sie vergessen, dass der Herr eines Tages eine genaue Abrechnung über die Verwendung seiner Güter verlangen wird und dass er die kärgliche Gabe für seine Schatzkammer ebensowenig annehmen wird wie damals die Gabe des Ananias und der Saphira. WA.75.3 Teilen

76

Durch die strenge Bestrafung jener Meineidigen möchte Gott uns lehren, wie tief verhaßt und verächtlich ihm Betrug und Heuchelei sind. Dadurch dass Ananias und Saphira vortäuschten, alles gegeben zu haben, logen sie den Heiligen Geist an und verloren zugleich dieses und das zukünftige Leben. Derselbe Gott, der sie bestrafte, verurteilt auch heute alle Unaufrichtigkeit. Lügenhafte Lippen sind ihm ein Greuel. Er erklärt, dass in die heilige Stadt „wird nicht hineingehen irgendein Unreines und nicht, der da Greuel tut und Lüge, sondern allein, die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes“. Offenbarung 21,27. Laßt es uns mit der Wahrheit genau nehmen. Laßt sie ein Teil unseres Lebens werden. Schindluder treiben mit der Wahrheit und um selbstsüchtiger Pläne willen heucheln, bedeutet Schiffbruch am Glauben. „So stehet nun, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit.“ Epheser 6,14. Wer Unwahrheiten ausspricht, verkauft seine Seele für einen Schleuderpreis. Es mag so scheinen, als leisteten ihm seine Lügen in Notlagen gute Dienste, und er mag sich durch sie gewisse geschäftliche Vorteile versprechen, die er auf ehrliche Weise meint nicht erreichen zu können. Aber schließlich kommt er dahin, dass er selber niemandem mehr vertrauen kann. Da er selbst lügt, glaubt er auch dem Wort anderer nicht. WA.76.1 Teilen

Bei Ananias und Saphira wurde ihr Versuch, Gott zu betrügen, schnell bestraft. Dieselbe Sünde hat sich in der Geschichte der Gemeinde noch oft wiederholt und wird auch in unserer Zeit von vielen begangen. Wenn sie auch nicht gleich das sichtbare Mißfallen Gottes zu erregen scheint, ist sie doch in seinen Augen nicht weniger verabscheuungswert als zurzeit der Apostel. Wir sind gewarnt. Gott hat seinen Abscheu vor dieser Sünde klar bekundet. Alle, die sich der Heuchelei und dem Geiz hingeben, können sicher sein, dass sie ihre eigenen Seelen verderben. WA.76.2 Teilen

Kapitel 8: Vor dem Hohen Rat

[Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 5,12-42.] WA.76 Teilen

79

Ausgerechnet das Kreuz, dieses Werkzeug der Schande und Folter, brachte der Welt Hoffnung und Heil. Die Jünger waren nur einfache Leute ohne Reichtum und mit nichts anderem als dem Wort Gottes ausgerüstet. Dennoch gingen sie in der Kraft Christi hinaus, verkündeten die wunderbare Geschichte von Krippe und Kreuz und überwanden jeden Widerstand. Ohne irdische Ehre und Anerkennung waren sie doch Helden des Glaubens. Von ihren Lippen kamen Worte göttlicher Beredsamkeit, die die Welt aufrüttelten. WA.79.1 Teilen

In Jerusalem, wo die schärfsten Vorurteile und die verworrensten Meinungen über den vorherrschten, der als Übeltäter gekreuzigt worden war, predigten die Jünger weiterhin unerschrocken Worte des Lebens, wobei sie Christi Werk, Sendung, Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt den Juden darlegten. Staunend hörten die Priester und Obersten das klare, mutige Zeugnis der Apostel. Die Kraft des auferstandenen Heilands war tatsächlich über die Jünger gekommen. Ihre Tätigkeit wurde von Zeichen und Wundern begleitet, so dass die Zahl der Gläubigen täglich wuchs. Am Rande der Straßen, die die Jünger gehen mussten, legten die Leute ihre Kranken „auf Betten und Bahren ..., damit, wenn Petrus käme, zum wenigsten sein Schatten einige von ihnen überschattete“. Apostelgeschichte 5,15. Da brachte man auch solche, die von unreinen Geistern gequält wurden. Die Menge scharte sich um sie, und die Geheilten priesen Gott und verherrlichten den Namen des Erlösers. WA.79.2 Teilen

80

Die Priester und Obersten stellten fest, dass Christus mehr verehrt wurde als sie. Als die Sadduzäer, die nicht an eine Auferstehung glaubten, die Apostel erklären hörten, dass Christus vom Tode auferstanden sei, wurden sie wütend. Sie erkannten nämlich, dass ihre Lehre verworfen und die Sekte der Sadduzäer nicht mehr lange bestehen würde, wenn den Aposteln erlaubt würde, weiterhin den auferstandenen Heiland zu predigen und in seinem Namen Wunder zu wirken. Auch die Pharisäer waren ärgerlich, als sie merkten, dass die Lehren der Jünger dahin führen würden, die Bedeutung der jüdischen Zeremonien zu untergraben und den Opferdienst hinfällig zu machen. WA.80.1 Teilen

Bisher waren alle Bemühungen, die Verkündigung dieser neuen Lehre zu unterdrücken, vergeblich gewesen. Nun aber beschlossen Sadduzäer und Pharisäer, gemeinsam dem Wirken der Jünger Einhalt zu gebieten, da es ihre Schuld am Tode Jesu bewies. Zornerfüllt legten die Priester gewaltsam Hand an Petrus und Johannes und warfen sie ins Gefängnis. WA.80.2 Teilen

Die Leiter des jüdischen Volkes hatten offensichtlich versäumt, Gottes Absicht mit seinem auserwählten Volk auszuführen. Diejenigen, die der Herr zu Hütern der Wahrheit gemacht hatte, hatten sich als treulos erwiesen. Deshalb erwählte Gott andere, sein Werk zu tun. In ihrer Blindheit ließen diese Führer ihrem angeblich gerechten Zorn gegen jene freien Lauf, welche die von ihnen hochgehaltenen Lehren beiseite setzten. Sie wollten nicht einmal die Möglichkeit einräumen, dass sie selbst das Wort nicht richtig verstanden oder die Schrift falsch ausgelegt oder verkehrt angewandt hatten. Sie handelten wie Menschen, die ihre Vernunft verloren hatten, und fragten: Mit welchem Recht dürfen diese Lehrer, von denen einige nur einfache Fischer sind, Meinungen darlegen, die dem widersprechen, was wir die Leute gelehrt haben? Und weil sie entschlossen waren, die Verkündigung dieser Gedanken zu unterdrücken, nahmen sie die gefangen, die sie verbreiteten. WA.80.3 Teilen

81

Die Jünger ließen sich durch diese Behandlung weder einschüchtern noch niederdrücken. Der Heilige Geist rief ihnen Christi Worte ins Gedächtnis: „Gedenket an mein Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr; haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen; haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten. Aber das alles werden sie euch tun um meines Namens willen; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat.“ Johannes 15,20.21. „Sie werden euch in den Bann tun. Ja, es kommt die Stunde, dass wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst damit ... Aber solches habe ich zu euch geredet, damit, wenn die Stunde kommen wird, ihr daran gedenket, dass ih’s euch gesagt habe. Solches aber habe ich euch von Anfang nicht gesagt, denn ich war bei euch.“ Johannes 16,2.4. WA.81.1 Teilen

Der Gott des Himmels, der mächtige Herrscher des Weltalls, nahm nun die Angelegenheit der gefangenen Jünger selbst in die Hand, denn hier stritten Menschen gegen sein Werk. In der Nacht öffnete der Engel des Herrn die Gefängnistüren und sagte zu den Jüngern: „Gehet hin und tretet auf und redet im Tempel zum Volk alle Worte des Lebens.“ Apostelgeschichte 5,20. Dieser Befehl stand in offenem Widerspruch zu der Anweisung der jüdischen Oberen. Aber erwiderten die Apostel etwa: „Das können wir nicht tun, erst müssen wir die Obersten befragen und ihre Erlaubnis einholen“? Nein! Gott hatte gesagt: „Gehet!“, und sie gehorchten. Sie gingen „frühe in den Tempel und lehrten“. Apostelgeschichte 5,21. WA.81.2 Teilen

Als Petrus und Johannes vor den Gläubigen erschienen und berichteten, wie sie der Engel mitten durch die Schar der Wachsoldaten geführt und aufgefordert habe, die unterbrochene Arbeit wieder aufzunehmen, verwunderten sich die Brüder und wurden froh. WA.81.3 Teilen

82

Unterdessen riefen der Hohepriester und „die mit ihm waren ... den Hohen Rat und alle Ältesten in Israel“ zusammen. Apostelgeschichte 5,21. Die Priester und Obersten hatten beschlossen, die Jünger des Aufruhrs zu bezichtigen, sie des Mordes an Ananias und Saphira zu beschuldigen und ihnen eine Verschwörung gegen die Autorität der Priester anzulasten. Damit hofften sie den Pöbel so zu erregen, dass er die Sache selbst in die Hand nähme und mit den Jüngern so verführe wie mit Jesus. Sie wußten aber auch, dass viele, die die Lehren Christi nicht annahmen, der willkürlichen Herrschaft der jüdischen Obrigkeit jedoch überdrüssig waren und eine Veränderung herbeisehnten. Wenn diese Unzufriedenen, so befürchteten die Priester, die von den Aposteln verkündigten Wahrheiten annehmen und Jesus als Messias anerkennen würden, könnte sich der Unwille des ganzen Volkes gegen die religiösen Führer richten und sie für den Mord an Christus verantwortlich machen. Um dies zu verhindern, wollten sie scharf durchgreifen. WA.82.1 Teilen

Als sie nach den Gefangenen schickten, um sie vorführen zu lassen, erschraken sie sehr über den Bericht, dass man die Gefängnistüren zwar fest verriegelt vorgefunden habe und die Wache davorgestanden hätten, dass aber die Gefangenen nirgends zu finden seien. WA.82.2 Teilen

Bald traf die aufregende Kunde ein: „Siehe, die Männer, die ihr ins Gefängnis geworfen habt, stehen im Tempel und lehren das Volk. Da ging hin der Hauptmann mit den Dienern und holten sie, nicht mit Gewalt; denn sie fürchteten sich vor dem Volk, dass sie gesteinigt würden.“ Apostelgeschichte 5,25.26. WA.82.3 Teilen

Obwohl die Apostel wunderbar aus dem Gefängnis befreit worden waren, blieben sie nicht vor Verhör und Strafe bewahrt. Als Christus noch bei ihnen war, hatte er ihnen gesagt: „Ihr aber, sehet euch vor! Denn sie werden euch überantworten den Gerichten, und in den Synagogen werdet ihr geschlagen werden, und vor Fürsten und Könige werdet ihr geführt werden um meinetwillen, ihnen zum Zeugnis.“ Markus 13,9. Durch die Entsendung eines Engels zu ihrer Befreiung gab Gott ihnen einen Beweis seiner Liebe und die Zusicherung seiner Gegenwart. Nun war es an ihnen, für den zu leiden, dessen Evangelium sie predigten. WA.82.4 Teilen

83

Die Geschichte der Propheten und Apostel enthält viele hervorragende Beispiele der Treue zu Gott. Christi Zeugen haben lieber Gefangenschaft, Folter und selbst den Tod erlitten, als Gottes Gebote zu übertreten. Was hier über Petrus und Johannes berichtet wird, gehört zum Heldenhaftesten im christlichen Zeitalter. Als sie zum zweitenmal vor den Männern standen, die es auf ihre Vernichtung abgesehen zu haben schienen, war weder Furcht noch Angst in ihren Worten und in ihrem Auftreten zu erkennen. Und als der Hohepriester sagte: „Wir haben euch doch mit Ernst geboten, dass ihr nicht solltet lehren in diesem Namen. Und sehet, ihr habt Jerusalem erfüllt mit eurer Lehre und wolltet dieses Menschen Blut über uns bringen“, antwortete Petrus: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Apostelgeschichte 5,28.29. WA.83.1 Teilen

Ein Engel des Himmels hatte sie aus dem Gefängnis befreit und ihnen geboten, im Tempel zu lehren. Sie befolgten seine Anordnungen und gehorchten somit dem göttlichen Befehl. Und darin mussten sie fortfahren, koste es, was es wolle. WA.83.2 Teilen

Als nun der Geist der Weissagung auf die Jünger herabkam, wurden die Angeklagten zu Anklägern und beschuldigten die Ratsversammlung des Mordes an Christus. Petrus erklärte: „Der Gott unsrer Vater hat Jesus auferweckt, welchen ihr an das Holz gehängt und getötet habt. Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zum Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden. Und wir sind Zeugen dieser Geschichten und der heilige Geist, welchen Gott gegeben hat denen, die ihm gehorchen.“ Apostelgeschichte 5,30-32. WA.83.3 Teilen

Über diese Worte wurden die Juden so aufgebracht, dass sie beschlossen, die Rechtsprechung selbst in die Hand zu nehmen und ohne weiteres Verhör und ohne von römischen Beamten dazu ermächtigt zu sein, die Gefangenen hinzurichten. Bereits schuldig am Tode Christi, wollten sie ihre Hände nun auch mit dem Blut seiner Jünger beflecken. WA.83.4 Teilen

84

Aber in der Ratsversammlung saß ein Mann, der in den Worten der Jünger die Stimme Gottes erkannte. Das war Gamaliel, ein Pharisäer von gutem Ruf, ein gelehrter und hochgestellter Mann. Sein klarer Verstand sagte ihm, dass das von den Priestern geplante gewaltsame Vorgehen schreckliche Folgen nach sich ziehen würde. Ehe er sich an die Anwesenden wandte, bat er, die Gefangenen zu entfernen. Er wußte sehr wohl, mit was für Leuten er es zu tun hatte, und dass die Mörder Christi nicht zögern würden, ihre Absicht auszuführen. WA.84.1 Teilen

Dann sprach er wohlüberlegt und ruhig: „Ihr Männer von Israel, sehet euch vor mit diesen Menschen, was ihr tun wollt. Denn vor diesen Tagen stand auf Theudas und gab vor, er wäre etwas, und hingen ihm an eine Zahl Männer, bei vierhundert; der ist erschlagen, und alle, die ihm zufielen, sind zerstreut und zunichte geworden. Danach stand auf Judas aus Galiläa in den Tagen der Schätzung und machte viel Volks abfällig ihm nach; und der ist auch umgekommen, und alle, die ihm zufielen, sind zerstreut. Und nun sage ich euch: Lasset ab von diesen Menschen und lasset sie gehen! Ist der Rat oder das Werk aus den Menschen, so wid’s untergehen; it’s aber aus Gott, so könnt ihr sie nicht hindern; auf dass ihr nicht erfunden werdet als solche, die wider Gott streiten wollen.“ Apostelgeschichte 5,35-39. WA.84.2 Teilen

Die Priester erkannten, dass diese Ansichten vernünftig waren, und sahen sich genötigt, Gamaliel zuzustimmen. Doch ihr Vorurteil und ihren Haß konnten sie kaum zurückhalten. Nur widerstrebend entließen sie die Jünger, nachdem sie sie vorher geschlagen und nachdrücklich bei Gefahr ihres Lebens geboten hatten, ja nicht mehr im Namen Jesu zu predigen. „Sie (die Jünger) gingen aber fröhlich von des Rates Angesicht, dass sie würdig gewesen waren, um Seines Namens willen Schmach zu leiden, und hörten nicht auf, alle Tage im Tempel und hin und her in den Häusern zu lehren und zu predigen das Evangelium von Jesu Christus.“ Apostelgeschichte 5,41.42. WA.84.3 Teilen

85

Kurz vor seiner Kreuzigung hatte Christus seinen Jüngern ein Vermächtnis des Friedens hinterlassen: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Johannes 14,27. Dieser Friede kommt nicht durch Gleichstellung mit der Welt. Christus erkaufte niemals Frieden durch Kompromisse mit dem Bösen. Der Friede, den Christus seinen Jüngern hinterließ, ist mehr von innerer als äußerer Art und sollte seinen Zeugen immer trotz Kampf und Streit verbleiben. WA.85.1 Teilen

Christus sagte von sich: „Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen sei, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Matthäus 10,34. Obwohl er der Fürst des Friedens war, verursachte er dennoch Spaltung. Er, der gekommen war, eine frohe Botschaft zu verkündigen und Hoffnung und Freude in den Herzen der Menschen zu wecken, löste gerade dadurch einen Kampf aus, der tief brennt und heftige Leidenschaften im Herzen aufsteigen läßt. Und er warnte seine Nachfolger mit den Worten: „In der Welt habt ihr Angst.“ Johannes 16,33. „Aber vor diesem allem werden sie die Hände an euch legen und euch verfolgen und werden euch überantworten in ihre Synagogen und Gefängnisse und vor Könige und Fürsten ziehen um meines Namens willen ... Ihr werdet aber überantwortet werden von den Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden; und sie werden euer etliche töten.“ Lukas 21,12.16. WA.85.2 Teilen

Diese Weissagung hat sich in bemerkenswerter Weise erfüllt. Von jeder Beleidigung, Schmach und Grausamkeit, zu der Satan menschliche Herzen anstiften konnte, wurden Jesu Nachfolger heimgesucht. Und dies wird sich immer wieder in gleicher Weise erfüllen, denn das fleischliche Herz ist noch immer dem Gesetz Gottes feindlich gesinnt und will sich seinen Befehlen nicht fügen. Die Welt lebt heute keineswegs mehr in Einklang mit Christi Grundsätzen als in den Tagen der Apostel. Derselbe Haß, der einst das Geschrei „Kreuzige ihn, kreuzige ihn!“ hervorbrachte, derselbe Haß, der die Verfolgung der Jünger auslöste, wirkt noch in den Kindern des Ungehorsams. Genau dieser Geist brachte im finsteren Mittelalter Männern und Frauen Gefangenschaft, Verbannung und Tod. Er ersann die qualvollen Foltern der Inquisition, plante und vollführte das Blutbad der Bartholomäusnacht und zündete die Feuer von Smithfield an; mit der gleichen feindseligen Tatkraft wirkt er noch heute in den nicht wiedergeborenen Herzen. Die Geschichte der Wahrheit war immer auch ein Bericht vom Kampf zwischen Recht und Unrecht. Die Evangeliumsverkündigung erfolgte stets unter Widerstand, Gefahr, Verlust und Leiden. WA.85.3 Teilen

86

Woher nahmen jene, die in der Vergangenheit um Christi willen Verfolgung erlitten, die Kraft? Aus ihrer Gemeinschaft mit Gott, mit dem Heiligen Geist und mit Jesus Christus. Schmach und Verfolgung vermochten viele von ihren irdischen Freunden zu trennen, nicht aber von der Liebe Christi. Nie wird der kampfumtoste Gläubige von seinem Heiland inniger geliebt, als wenn er um der Wahrheit willen leidet. „Ich werde ihn lieben“, sagt Christus, „und mich ihm offenbaren.“ Johannes 14,21. Wird der Gläubige um der Wahrheit willen vor ein irdisches Gericht gestellt, steht Christus ihm zur Seite. Wird er hinter Gefängnismauern festgehalten, offenbart sich Christus ihm und tröstet sein Herz mit seiner Liebe. Erleidet er um Christi willen den Tod, so spricht der Heiland zu ihm: Den Leib töten mögen sie, aber der Seele können sie nicht schaden. Matthäus 10,28. „Solches habe ich mit euch geredet, dass ihr in mir Frieden habet. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Johannes 16,33. „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Jesaja 41,10. „Die auf den Herrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben wie der Berg Zion. Wie um Jerusalem Berge sind, so ist der Herr um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit.“ Psalm 125,1.2. „Er wird sie aus Bedrückung und Frevel erlösen, und ihr Blut ist wert geachtet vor ihm.“ Psalm 72,14. „Der Herr Zebaoth wird sie schützen, und die Schleudersteine werden fressen und niederwerfen und Blut trinken wie Wein und voll davon werden wie die Becken und wie die Ecken des Altars. Und der Herr, ihr Gott, wird ihnen zu der Zeit helfen, der Herde seines Volks; denn wie edle Steine werden sie in seinem Lande glänzen.“ Sacharja 9,15.16. WA.86.1 Teilen

Kapitel 9: Die sieben Almosenpfleger

[Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 6,1-7.] WA.86 Teilen

89

„In den Tagen aber, da der Jünger viel wurden, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde wider die hebräischen, darum dass ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung.“ Apostelgeschichte 6,1. WA.89.1 Teilen

Die Urgemeinde setzte sich aus Menschen der verschiedensten Stände und Nationen zusammen. Bei der Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten waren „Juden zu Jerusalem wohnend, die waren gottesfürchtige Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist“. Apostelgeschichte 2,5. Unter denen, die sich zum jüdischen Glauben bekannten und in Jerusalem versammelt waren, befanden sich auch einige, die man Griechen nannte. Zwischen ihnen und den palästinensischen Juden bestand schon lange Zeit Mißtrauen, ja sogar Feindschaft. WA.89.2 Teilen

Die Herzen derer, die sich durch die Predigt der Apostel bekehrt hatten, waren von Christi Liebe bewegt und miteinander verbunden worden. Ungeachtet ehemaliger Vorurteile lebten sie nun in Eintracht miteinander. Satan wußte, dass er machtlos sein würde, den Fortschritt der Evangeliumsverkündigung zu hindern, solange diese Einigkeit bestand. Deshalb versuchte er, Vorteile aus ihrer früheren Denkungsart zu ziehen in der Hoffnung, dadurch Uneinigkeit in die Gemeinde tragen zu können. WA.89.3 Teilen

Als die Zahl der Jünger zunahm, vermochte der Feind bei einigen, die schon früher eifersüchtig auf ihre Glaubensbrüder geblickt und bei den geistlichen Führern Fehler entdeckt hatten, Argwohn zu wecken. So „erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde wider die hebräischen“. Veranlaßt wurde die Unzufriedenheit durch die angebliche Vernachlässigung der griechischen Witwen bei der täglichen Verteilung der Unterstützung. Eine solche ungleiche Behandlung wäre dem Geist des Evangeliums zuwider gewesen. Und nun gelang es Satan, Argwohn zu erregen. Daher musste unverzüglich alles getan werden, um jeden Anlaß zur Unzufriedenheit zu beseitigen und zu verhindern, dass der Feind triumphieren könnte, durch seine Bemühungen die Gläubigen gespaltet zu haben. WA.89.4 Teilen

90

Die Jünger Jesu hatten in ihren Erfahrungen einen Wendepunkt erreicht. Unter der weisen Führung der Apostel, die in der Kraft des Heiligen Geistes einmütig wirkten, hatte sich das ihnen anvertraute Werk rasch entwickelt. Die Gemeinde vergrößerte sich ständig, und diese Zunahme an Gliedern legte den Verantwortlichen zunehmend schwere Lasten auf. Weder ein einzelner Mann noch eine Gruppe von Männern hätten auf die Dauer diese Last allein tragen können, ohne das künftige Wohlergehen der Gemeinde zu gefährden. Es erwies sich als notwendig, auch andere an der Verantwortung, die in den Anfängen des Gemeindelebens von einigen wenigen getragen worden war, teilnehmen zu lassen. Die Apostel mussten jetzt einen wichtigen Schritt zur Errichtung einer dem Evangelium entsprechenden Ordnung in der Gemeinde tun, indem sie einige der Lasten, die sie bisher allein getragen hatten, anderen anvertrauten. WA.90.1 Teilen

Die Apostel riefen die Gläubigen zusammen, um unter der Leitung des Heiligen Geistes einen Plan zu entwerfen, der einen besseren Einsatz der in der Gemeinde vorhandenen Kräfte zum Ziel hatte. Die Apostel erklärten, die Zeit sei gekommen, dass die geistlichen Führer, die die Aufsicht über die Gemeinde hatten, von der Spendenverteilung an die Armen und von ähnlichen Lasten enthoben werden sollten, um frei zu sein für das Werk der Evangeliumsverkündigung. „Darum, ihr lieben Brüder, sehet euch um nach sieben Männern, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, welche wir bestellen mögen zu diesem Dienst. Wir aber wollen anhalten am Gebet und am Amt des Wortes.“ Apostelgeschichte 6,3.4. Dieser Rat wurde befolgt, und durch Gebet und Handauflegung wurden sieben auserwählte Männer feierlich in ihre Pflichten als Almosenpfleger eingesetzt. WA.90.2 Teilen

91

Die Berufung der Sieben zur Aufsicht über besondere Zweige des Werkes erwies sich als ein großer Segen für die Gemeinde. Diese Helfer achteten sorgfältig auf die persönlichen Bedürfnisse der einzelnen Glieder wie auch auf die allgemeinen finanziellen Angelegenheiten der Gemeinde. Durch ihre kluge Handlungsweise und ihr gottesfürchtiges Beispiel wurden sie dadurch eine wichtige Hilfe für ihre Mitarbeiter, dass sie die verschiedenen Gemeindebelange zusammenfaßten und als gemeinsames Ganzes verbanden. WA.91.1 Teilen

Dass dieser Schritt dem Willen Gottes entsprach, zeigten die unmittelbaren segensreichen Folgen. „Das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger ward sehr groß zu Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.“ Apostelgeschichte 6,7. Diese Seelenernte war auf zweierlei zurückzuführen: auf die den Aposteln eingeräumte größere Freiheit sowie auf den Eifer und die Kraft, in der die sieben Diakone wirkten. Die Tatsache, dass diese Brüder vor allem zur Fürsorge für die Armen eingesetzt worden waren, schloß die Unterweisung in der Glaubenslehre nicht aus. Im Gegenteil, sie waren durchaus in der Lage, andere in der Wahrheit zu unterrichten, und dieser Aufgabe widmeten sie sich mit großem Ernst und gutem Erfolg. WA.91.2 Teilen

Der Urgemeinde war ein sich ständig ausweitendes Werk anvertraut worden: überall dort, wo aufrichtige Menschen zum Dienst für Christus willig waren, sollte sie Mittelpunkte des Lichtes und Segens schaffen. Über die ganze Welt sollte sich die Verkündigung des Evangeliums ausdehnen. Diesen wichtigen Auftrag konnten die Boten des Kreuzes nur erfüllen, wenn sie in christlicher Einmütigkeit miteinander verbunden blieben und so der Welt offenbarten, dass sie mit Christus eins waren in Gott. Hatte ihr göttlicher Führer nicht gebetet: „Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, dass sie eins seien gleichwie wir“? Johannes 17,11. Und hatte er nicht von seinen Jüngern gesagt: „Die Welt haßte sie; denn sie sind nicht von der Welt“? Johannes 17,14. Hatte er nicht zum Vater gefleht, dass sie „vollkommen eins seien“ (Johannes 17,23), „damit die Welt glaube, du habest mich gesandt“? Johannes 17,21. Ihr geistliches Leben und ihre geistliche Kraft waren abhängig von einer innigen Verbindung mit dem, der sie beauftragt hatte, das Evangelium zu predigen. WA.91.3 Teilen

92

Die Kraft des Heiligen Geistes und das Mitwirken der Engel des Himmels konnten die Jünger nur dann erwarten, wenn sie eins mit Christus waren. Mit Hilfe dieser göttlichen Kräfte vermochten sie der Welt gegenüber eine geschlossene Front zu bilden und siegreich in dem Kampf zu bleiben, den sie unaufhörlich gegen die Mächte der Finsternis führen mussten. Würden sie weiterhin vereint wirken, würden himmlische Boten ihnen den Weg bahnen. Viele Herzen könnten auf den Empfang der Wahrheit vorbereitet und für Christus gewonnen werden. Solange sie vereint blieben, würde die Gemeinde „schön wie der Mond, klar wie die Sonne, gewaltig wie ein Heer“ (Hohelied 6,10) vorangehen. Nichts könnte ihr ständiges Umsichgreifen aufhalten. Die Gemeinde schritte von Sieg zu Sieg und erfüllte herrlich ihren göttlichen Auftrag, der Welt das Evangelium zu verkündigen. WA.92.1 Teilen

Die Gemeinde in Jerusalem sollte in ihrem Aufbau ein Vorbild für die zu errichtenden Gemeinden an allen anderen Orten sein, wo Boten der Wahrheit Menschen für die Frohbotschaft gewönnen. Diejenigen, denen die Leitung der Gemeinde anvertraut worden war, sollten nicht über Gottes Erbteil herrschen, sondern als weise Hirten „die Herde Gottes“ weiden und „Vorbilder der Herde“ (1.Petrus 5,2.3) sein. Die Diakone sollten Männer sein, „die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind“. Apostelgeschichte 6,3. Alle aber sollten vereint für das Recht einstehen und es mit Festigkeit und Entschlossenheit wahren. So könnten sie einen einigenden Einfluß auf die ganze Gemeinde ausüben. WA.92.2 Teilen

93

Als in der späteren Geschichte der Frühchristenheit sich in verschiedenen Teilen der Welt einzelne Gruppen von Gläubigen zu Gemeinden zusammenschlossen, wurde der innere Aufbau der Gemeinde weiter vervollkommnet, um Ordnung und einmütiges Handeln zu gewährleisten. Jedes Glied wurde ermahnt, seine Aufgabe gut zu erfüllen und die ihm anvertrauten Gaben weise zu gebrauchen. Einige wurden vom Heiligen Geist mit besonderen Gaben ausgestattet — „aufs erste Apostel, aufs andre Propheten, aufs dritte Lehrer, danach Wundertäter, danach Gaben, gesund zu machen, Helfer, Regierer, mancherlei Zungen“. 1.Korinther 12,28. Alle diese verschiedenen Arbeiter sollten in der Gemeinde einträchtig zusammenwirken. WA.93.1 Teilen

„Es sind mancherlei Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind mancherlei Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind mancherlei Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirket alles in allen. In einem jeglichen offenbaren sich die Gaben des Geistes zu gemeinem Nutzen. Einem wird gegeben durch den Geist, zu reden von der Weisheit; dem andern wird gegeben, zu reden von der Erkenntnis, nach demselben Geist; einem andern der Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern Weissagung; einem andern, Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern, die Zungen auszulegen. Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeglichen das Seine zu, wie er will. Denn gleichwie ein Leib ist und hat doch viele Glieder, alle Glieder aber des Leibes, wie wohl ihrer viel sind, doch ein Leib sind: so auch Christus.“ 1.Korinther 12,4-12. WA.93.2 Teilen

94

Große Verantwortungen ruhen auf denen, die zur Leitung der Gemeinde Gottes auf Erden berufen sind. Als Mose zurzeit der Theokratie allein die Lasten für sein Volk zu tragen suchte, unter deren Schwere er bald zusammenbrechen musste, riet ihm sein Schwiegervater Jethro zu einer weisen Verteilung der Verantwortlichkeiten: „Vertritt du das Volk vor Gott und bringe ihre Anliegen vor Gott und tu ihnen die Satzungen und Weisungen kund, dass du sie lehrest den Weg, auf dem sie wandeln, und die Werke, die sie tun sollen.“ 2.Mose 18,19.20. Ferner empfahl Jethro, Männer einzusetzen „als Oberste über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn“. Das sollten redliche Leute sein, „die Gott fürchten, wahrhaftig sind und dem ungerechten Gewinn feind“. Sie sollten „das Volk allezeit richten“ (2.Mose 18,21.22) und so Mose der ermüdenden Verpflichtung entheben, zahllose Geringfügigkeiten zu verhandeln, die auch von geweihten Helfern geregelt werden könnten. WA.94.1 Teilen

Die Zeit und Kraft derer, die nach Gottes Vorsehung in der Gemeinde leitende und verantwortliche Stellungen einnehmen, sollten wichtigen Angelegenheiten gewidmet sein, die besonders Weisheit und Herzensgröße bedürfen. Es entspricht nicht Gottes Plan, wenn man solche Männer um das Schlichten geringfügiger Streitfälle bittet, zu deren Regelung auch andere befähigt sind. Jethro hatte Mose vorgeschlagen: „Nur wenn es eine größere Sache ist, sollen sie diese vor dich bringen, alle geringeren Sachen aber sollen sie selber richten. So mach dr’s leichter und laß sie mit dir tragen.“ 2.Mose 18,22. WA.94.2 Teilen

Entsprechend diesem Rat erwählte Mose „redliche Leute aus ganz Israel und machte sie zu Häuptern über das Volk, zu Obersten über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn, dass sie das Volk allezeit richteten, die schwereren Sachen vor Mose brächten und die kleineren Sachen selber richteten“. 2.Mose 18,25.26. WA.94.3 Teilen

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Als Mose später siebzig Älteste wählte, die sich mit ihm in die Verantwortung teilen sollten, suchte er sorgfältig Männer als Helfer aus, die Würde, gesundes Urteil und Erfahrung besaßen. In seinen Anweisungen an diese Ältesten anläßlich ihrer Berufung stellte er einige Eigenschaften heraus, die einen Mann befähigen, ein weiser Leiter der Gemeinde zu sein: „Ich gebot euren Richtern zur selben Zeit und sprach: Hört eure Brüder an und richtet recht, wenn einer etwas mit seinem Bruder hat oder mit dem Fremdling, der bei ihm ist. Beim Richten sollt ihr die Person nicht ansehen, sondern sollt den Kleinen hören wie den Großen und vor niemand euch scheuen; denn das Gericht ist Gottes.“ 5.Mose 1,16.17. WA.95.1 Teilen

Gegen Ende seiner Regierung erteilte König David denen, die zu seiner Zeit die Last des Werkes Gottes trugen, einen wichtigen Auftrag. Zu diesem Zeitpunkt versammelte er „nach Jerusalem alle Oberen Israels, nämlich die Fürsten der Stämme, die Obersten über die Ordnungen, die dem König dienten, die Obersten über tausend und über hundert, die Vorsteher über die Güter und Herden des Königs und seiner Söhne, sowie die Kämmerer, die Helden und alle angesehenen Männer“. 1.Chronik 28,1. Sie forderte der greise König auf: „Nun denn — vor den Augen ganz Israels, der Gemeinde des Herrn, und vor den Ohren unseres Gottes — : Haltet und sucht alle Gebote des Herrn, eures Gottes, damit ihr das gute Land besitzt und auf eure Kinder nach euch für alle Zeiten vererbt!“ 1.Chronik 28,8. WA.95.2 Teilen

An Salomo, der dazu ausersehen war, ein ganz besonders verantwortliches Amt zu bekleiden, richtete David die Ermahnung: „Und du, mein Sohn Salomo, erkenne den Gott deines Vaters und diene ihm mit ganzem Herzen und mit williger Seele. Denn der Herr erforscht alle Herzen und versteht alles Dichten und Trachten der Gedanken. Wirst du ihn suchen, so wirst du ihn finden; wirst du ihn aber verlassen, so wird er dich verwerfen ewiglich! So sieh nun zu, denn der Herr hat dich erwählt, dass du ein Haus baust als Heiligtum. Sei getrost und richte es aus!“ 1.Chronik 28,9.10. WA.95.3 Teilen

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Dieselben Grundsätze der Frömmigkeit und Gerechtigkeit, von denen sich die Obersten in Gottes Volk zu Moses und Davids Zeiten leiten lassen sollten, mussten auch von denen befolgt werden, denen die Leitung der neu organisierten Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter übertragen war. In ihrem Bemühen, Ordnung in alle Gemeinden zu bringen und geeignete Männer als Verantwortungsträger einzusetzen, richteten sich die Apostel nach dem im Alten Testament aufgestellten hohen Maßstab für Führerschaft. Sie hielten sich daran, dass jemand, der mit einem leitenden, verantwortlichen Amt in der Gemeinde betraut wird, „soll untadelig sein als ein Haushalter Gottes, nicht eigensinnig, nicht jähzornig, nicht dem Wein ergeben, nicht handelsüchtig, nicht schändlichen Gewinn suchen; sondern gastfrei, gütig, besonnen, gerecht, fromm, enthaltsam, der sich halte an das Wort, das gewiß ist nach der Lehre, auf dass er mächtig sei, zu ermahnen durch die gesunde Lehre und zu überführen, die da widersprechen“. Titus 1,7-9. WA.96.1 Teilen

Die in den urchristlichen Gemeinden eingeführte Ordnung ermöglichte es ihnen, einmütig und zuchtvoll in der „Waffenrüstung Gottes“ voranzugehen. Obgleich die Gruppen von Gläubigen über weite Gebiete verstreut waren, blieben sie doch alle Glieder an einem Leibe und gingen in Einvernehmen und Eintracht miteinander um. Kam es in einer örtlichen Gemeinde — wie später in Antiochien und anderswo — zu Meinungsverschiedenheiten und konnten sich die Gläubigen nicht einig werden, durfte dies doch keinerlei Spaltungen in der Gemeinde hervorrufen. Die strittigen Fragen wurden vielmehr an eine allgemeine Versammlung aller Gläubigen verwiesen. Sie setzte sich aus den Abgeordneten der verschiedenen Ortsgemeinden zusammen, und die verantwortliche Leitung lag in den Händen der Apostel und Ältesten. So wurde den Angriffen Satans gegen abgelegene Gemeinden durch das geschlossene Handeln aller begegnet, wodurch die Pläne des Feindes, die Gemeinde zu trennen und zu vernichten, vereitelt wurden. WA.96.2 Teilen

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„Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens.“ 1.Korinther 14,33. Heute wie damals erwartet er Ordnung und Klarheit in der Verwaltung der Gemeinde. Sein Werk soll gründlich und sorgfältig betrieben werden, so dass er ihm das Siegel seines Wohlgefallens aufdrücken kann. Ein Christ soll mit dem anderen und eine Gemeinde mit der anderen verbunden sein. Das menschliche Werkzeug soll mit dem göttlichen zusammenwirken. Alles Tun soll dem Heiligen Geist untertan bleiben, und alle miteinander sollen vereint der Welt die Frohe Botschaft von der Gnade Gottes verkündigen. WA.97.1 Teilen

Kapitel 10: Der erste christliche Märtyrer

[Auf der Grundlage von Apostelgeschichte 6,5-15; Apostelgeschichte 7.] WA.97 Teilen

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Stephanus, der erste der sieben Diakone, war ein Mann tiefer Frömmigkeit und starken Glaubens. Obwohl er von Geburt Jude war, sprach er griechisch und war mit den Gewohnheiten und Sitten der Griechen vertraut. Deshalb konnte er auch das Evangelium in den Synagogen der griechischen Juden predigen. Er war sehr rührig für die Sache Christi und bekannte unerschrocken seinen Glauben. Gelehrte Rabbiner und Gesetzeslehrer ließen sich in öffentliche Diskussionen mit ihm ein, weil sie meinten, einen leichten Sieg über ihn erringen zu können. Aber „sie vermochten nicht, zu widerstehen der Weisheit und dem Geiste, aus welchem er redete“. Apostelgeschichte 6,10. Er sprach nicht nur in der Kraft des Heiligen Geistes, sondern es wurde auch deutlich, dass er die Prophezeiungen durchforscht hatte und in allen Fragen des Gesetzes bewandert war. Geschickt verteidigte er die Wahrheit, die er vertrat, und überwand seine Gegner. An ihm erfüllte sich die Verheißung: „So nehmet nun zu Herzen, dass ihr nicht sorget, wie ihr euch verantworten sollt. Denn ich will euch Mund und Weisheit geben, welcher nicht sollen widerstehen noch widersprechen können alle eure Widersacher.“ Lukas 21,14.15. WA.99.1 Teilen

Als die Priester und Obersten erkannten, von welcher Kraft die Predigt des Stephanus begleitet war, stieg bitterer Haß in ihnen auf. Anstatt sich von den Beweisen, die er vortrug, überführen zu lassen, beschlossen sie, ihn zu töten und so seine Stimme zum Schweigen zu bringen. Schon verschiedentlich hatten sie die römischen Behörden bestochen, es nicht zu beanstanden, wenn die Juden sich selbst „Recht“ verschafft und Gefangene nach ihren nationalen Gepflogenheiten verhört, verurteilt und hingerichtet hatten. Die Feinde des Stephanus zweifelten nicht daran, dass sie auch jetzt diesen Weg ohne eigene Gefahr einschlagen könnten. Sie beschlossen, es darauf ankommen zu lassen, ergriffen Stephanus und brachten ihn zum Verhör vor den Hohen Rat. WA.99.2 Teilen

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Gelehrte Juden aus den umliegenden Ländern wurden herbeigerufen, um die Beweisführung des Gefangenen zu widerlegen. Auch Saulus von Tarsus war anwesend und spielte eine führende Rolle gegen Stephanus. Er führte die Beredsamkeit und Logik eines Rabbiners ins Feld, um das Volk davon zu überzeugen, dass Stephanus betrügerische und gefährliche Lehren verkündigte. Aber in Stephanus stieß er auf einen, der ein tiefes Verständnis für Gottes Plan hinsichtlich der Ausbreitung des Evangeliums unter allen Völkern besaß. WA.100.1 Teilen

Die Priester und Obersten konnten gegenüber der klaren, besonnenen Weisheit des Stephanus nicht die Oberhand gewinnen. Deshalb faßten sie den Entschluß, an ihm ein warnendes Exempel zu statuieren. Während sie so ihren Haß und ihre Rachsucht befriedigten, wollten sie gleichzeitig andere davon abhalten, seinen Glauben anzunehmen. Zeugen wurden gedungen, die fälschlich behaupteten, Stephanus habe Lästerworte gegen den Tempel und das Gesetz geredet: „Wir haben ihn sagen hören: Dieser Jesus von Nazareth wird diese Stätte zerstören und ändern die Sitten, die uns Mose gegeben hat.“ Apostelgeschichte 6,14. WA.100.2 Teilen

Als Stephanus Auge in Auge seinen Richtern gegenüberstand, um sich wegen der Anklage der Lästerung zu verantworten, erleuchtete ein heiliger Glanz sein Angesicht. „Und sie sahen auf ihn alle, die im Rat saßen, und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht.“ Apostelgeschichte 6,15. Viele, die dieses Licht erblickten, zitterten und verhüllten ihr Angesicht, aber der starrsinnige Unglaube und das Vorurteil der Obersten wankten nicht. WA.100.3 Teilen

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Stephanus wurde nun befragt, ob die gegen ihn vorgebrachten Anklagen der Wahrheit entsprächen. Da begann er seine Verteidigung mit klarer, durchdringender Stimme, die im ganzen Gerichtssaal zu vernehmen war. Mit Worten, die die ganze Versammlung in Bann hielten, gab er einen Überblick über die Geschichte des auserwählten Volkes. Er bewies eine gründliche Kenntnis des jüdischen Gottesdienstes und dessen geistlicher Bedeutung, wie sie durch Christus offenbart worden war. Er wiederholte, was Mose vom Messias geweissagt hatte: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen.“ 5.Mose 18,15. Während er seine Treue zu Gott und zum jüdischen Glauben bekräftigte, wies er zugleich nach, dass das Gesetz, in dem die Juden ihr Heil suchten, Israel nicht vor dem Götzendienst hatte bewahren können. Er machte den Zusammenhang zwischen Jesus und der ganzen jüdischen Geschichte deutlich, wies auf Salomos Tempelbau hin und führte die Worte des Propheten Jesaja an: „Der Allerhöchste wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, wie der Prophet spricht: ‚Der Himmel ist mein Thron und die Erde meiner Füße Schemel; was wollt ihr mir denn für ein Haus bauen‘, spricht der Herr, ‚oder welches ist die Stätte meiner Ruhe? Hat nicht meine Hand das alles gemacht?‘“ Apostelgeschichte 7,48-50. WA.101.1 Teilen

Kaum war Stephanus bis dahin gekommen, da brach ein Tumult unter dem Volk aus. Als er Christus mit den Weissagungen des Alten Testaments in Verbindung brachte und so auch vom Tempel redete, zerriß der Priester — angeblich vor Entsetzen — sein Gewand. Für Stephanus war das ein Zeichen dafür, dass man seine Stimme bald für immer zum Schweigen bringen wollte. Er sah, welchen Widerstand seine Worte hervorriefen, und wußte, dass er sein letztes Zeugnis ablegte. Obgleich er erst bis zur Mitte seiner Predigt gekommen war, schloß er sie plötzlich ab. Seine geschichtliche Darlegung jäh abbrechend, wandte er sich an seine wütenden Richter und rief: „ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem heiligen Geist, wie eure Väter so auch ihr. Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die da zuvor verkündigten das Kommen des Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid. Ihr habt das Gesetz empfangen durch der Engel Dienste und habt’s doch nicht gehalten.“ Apostelgeschichte 7,51-53. WA.101.2 Teilen

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Darüber gerieten die Priester und Obersten außer sich vor Zorn. Sie glichen mehr wilden Tieren als menschlichen Wesen, als sie zähneknirschend über Stephanus herfielen. In den haßerfüllten Gesichtern rings um ihn las der Gefangene, welches Geschick ihm bevorstand; aber er wankte nicht. Alle Todesfurcht war von ihm gewichen. Die erzürnten Priester und der erregte Pöbel konnten ihn nicht schrecken. Das Bild vor ihm entschwand seinen Blicken. Vor seinen Augen standen die Pforten des Himmels weit offen. Er blickte hindurch und schaute die Herrlichkeit am Throne Gottes. Und er sah, als ob sich Christus gerade von seinem Thron erhoben hätte, um seinem Diener beizustehen. Triumphierend rief Stephanus aus: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten Gottes stehen.“ Apostelgeschichte 7,55. WA.102.1 Teilen

Die Beschreibung der Herrlichkeit, die seine Augen wahrnahmen, war unerträglich für seine Verfolger. Um seine Worte nicht zu hören, hielten sie sich die Ohren zu, brachen in lautes Geschrei aus, stürmten auf ihn ein, „stießen ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn ... Stephanus ... betete und sprach: ‚Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!‘ Er kniete aber nieder und schrie laut: ‚Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht!‘ Und als er das gesagt, entschlief er.“ Apostelgeschichte 7,56-59. Kein rechtsgültiges Urteil war gefällt worden, vielmehr waren die römischen Behörden mit hohen Geldsummen bestochen worden, diesen Fall nicht weiter zu untersuchen. WA.102.2 Teilen

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Der Märtyrertod des Stephanus beeindruckte alle Augenzeugen tief. Die Erinnerung an das göttliche Siegel auf seinem Angesicht und seine Worte, die die Herzen aller Hörer bewegt hatten, prägten sich dem Gedächtnis der Anwesenden ein und bezeugten die Wahrheit dessen, was er gepredigt hatte. Sein Tod war eine schwere Prüfung für die Gemeinde, aber er hatte gleichzeitig die Bekehrung Sauls zur Folge, der den Glauben und die Standhaftigkeit dieses Märtyrers nie mehr aus seinem Gedächtnis löschen konnte. WA.103.1 Teilen

Während des Verhörs und des Todes des Stephanus schien Saulus von wahnsinnigem Eifer erfüllt. Hinterher ärgerte er sich über seine eigene geheime Überzeugung, Stephanus sei gerade zu der Zeit von Gott geehrt worden, als die Menschen ihn entehrten. Saulus fuhr fort, die Gemeinde Gottes zu verfolgen, jagte den Gläubigen nach, nahm sie in ihren Häusern fest und lieferte sie den Priestern und Obersten zu Gefängnis und Tod aus. Der Eifer, mit dem er die Verfolgung betrieb, versetzte die Christen zu Jerusalem in Schrecken. Die römischen Behörden unternahmen nichts, dem grausamen Wirken Einhalt zu gebieten, ja, insgeheim unterstützten sie die Juden, um diese für sich zu gewinnen und ihre Gunst zu erwerben. WA.103.2 Teilen

Nach dem Tode des Stephanus wurde Saulus in Anerkennung seiner dabei erworbenen Verdienste zum Mitglied des Hohen Rates gewählt. Eine Zeitlang war er ein mächtiges Werkzeug in der Hand Satans, um dessen empörerische Anschläge gegen den Sohn Gottes auszuführen. Doch bald sollte dieser hartnäckige Verfolger, der jetzt die Gemeinde zu zerstören trachtete, dazu ausersehen werden, sie aufzubauen. Ein Mächtigerer als Satan hatte Saulus dazu erwählt, den Platz des als Glaubenszeugen gestorbenen Stephanus einzunehmen, Christus zu predigen, für des Herrn Namen zu leiden und nah und fern die Botschaft von der Erlösung durch des Heilandes Blut zu verbreiten. WA.103.3 Teilen

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