Portrait von Ellen White
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Kapitel 44: Aus dem Haus des Kaisers
Kapitel 44: Aus dem Haus des Kaisers
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Das Evangelium hat von jeher seine größten Erfolge unter den einfachen Bevölkerungsschichten erzielt. „Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Gewaltige, nicht viele Edle sind berufen.“ 1.Korinther 1,26. So war auch nicht zu erwarten, dass Paulus als ein armer Gefangener ohne Freunde imstande sein würde, die Aufmerksamkeit der wohlhabenden und einflussreichen Kreise Roms auf sich zu ziehen. Ihnen zeigte sich die Weltstadt mit ihren Lastern von der verlockendsten Seite, und hielt sie widerstandslos gefangen. Aber jene, die das Opfer von Willkür und Bedrückung waren, die hart arbeiten mussten und Not litten oder als Sklaven ihr Leben fristeten, lauschten freudig den Worten des Paulus. Sie fanden im Glauben an Christus eine Hoffnung und einen Frieden, der sie trotz ihres beschwerlichen Loses froh werden ließ. DAp.303.1 Teilen

Wenn auch das Werk des Apostels zunächst unter den Einfachen und Geringen seinen Anfang nahm, gewann es doch immer mehr Einfluss, der schließlich sogar den Palast des Kaisers erreichte. DAp.303.2 Teilen

Rom war damals die Hauptstadt der Welt. Die stolzen Cäsaren erließen Gesetze für fast alle Völker auf Erden. Kaiser und Hofbeamte wussten entweder nichts von dem demütigen Nazarener, oder sie betrachteten ihn mit Hass und Spott. Und doch fand das Evangelium, das von der bescheidenen Unterkunft des Gefangenen ausging, in weniger als zwei Jahren Eingang auch in die kaiserlichen Gemächer. Paulus war zwar gefesselt wie ein Übeltäter, „aber Gottes Wort ist nicht gebunden“. 2.Timotheus 2,9. Einst hatte Paulus öffentlich mit Vollmacht den Glauben an Christus verkündigt und durch Zeichen und Wunder unleugbare Beweise der Göttlichkeit Christi gegeben. Mutig und entschlossen war er vor die Weisen Griechenlands getreten und hatte durch sein Wissen und seine Redegabe die Einwände der stolzen Philosophen zum Schweigen gebracht. Unerschrocken hatte er vor Königen und Statthaltern gestanden und überzeugend von der Gerechtigkeit, der Selbstbeherrschung und dem künftigen Gericht gesprochen, so dass die stolzen Herrscher schließlich zitterten, als nähmen sie die Schrecken des Tages des Herrn schon wahr. DAp.303.3 Teilen

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Jetzt, da der Apostel lediglich auf seine Unterkunft angewiesen war und nur denen die Wahrheit verkündigen konnte, die zu ihm kamen, boten sich ihm keine derartigen Gelegenheiten mehr. Er hatte nicht, wie einst Mose und Aaron, den Auftrag von Gott erhalten, vor den ruchlosen Kaiser hinzutreten und im Namen des großen „Ich bin“ (2.Mose 3,14) seine Grausamkeit und Gewalttätigkeit zu bestrafen. Und doch wurde gerade zu dieser Zeit, als der bedeutendste Verfechter des Evangeliums von aller öffentlichen Arbeit so gut wie abgeschnitten war, ein großer Sieg für das Evangelium errungen, denn sogar aus dem Hof des Kaisers wurden der Gemeinde Glieder hinzugefügt. DAp.304.1 Teilen

Dabei hätte man sich kaum eine Umgebung denken können, die dem Christentum abträglicher gewesen wäre als die des römischen Hofes. Es schien, als ob Nero aus seiner Seele die letzte Spur des Göttlichen, ja selbst des Menschlichen ausgelöscht und dafür Satans Wesen angenommen hätte. Sein Gefolge und seine Höflinge waren im allgemeinen nicht anders als er: zügellos, verkommen und verdorben. So schien es für das Christentum unmöglich, am Hof und im Palast Neros Fuß zu fassen. DAp.304.2 Teilen

Doch wie in manch anderem Fall erwies sich auch hier die Behauptung des Paulus als Wahrheit, dass die Waffen, mit denen wir kämpfen, „mächtig im Dienste Gottes“ sind, „Festungen zu zerstören“. 2.Korinther 10,4. Sogar in Neros Haus errang das Kreuz seine Siege. Von dem lasterhaften Gefolge eines noch lasterhafteren Fürsten bekehrten sich einige und wurden Gottes Kinder. Sie waren nicht nur im geheimen Christen, sondern bekannten sich öffentlich zu ihrem Herrn und schämten sich ihres Glaubens nicht. DAp.304.3 Teilen

Wie konnte das Christentum dort Eingang finden und festen Fuß fassen, da doch bereits seine bloße Duldung unmöglich schien? In seinem Brief an die Philipper nennt Paulus es eine Frucht seiner Gefangenschaft, dass sich einige aus dem Haus Neros zum Glauben bekehrt haben. Weil er befürchtete, sie könnten meinen, durch seine Leiden würde der Fortschritt des Evangeliums behindert, versicherte er: „Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten.“ Philipper 1,12. DAp.304.4 Teilen

Als die Christengemeinden erfuhren, dass Paulus Rom besuchen werde, erwarteten sie zuerst einen bedeutenden Sieg des Evangeliums in dieser Stadt. Paulus hatte die göttliche Wahrheit bereits in viele Länder getragen und in vielen großen Städten verkündigt. Sollte es diesem Kämpfer des Glaubens nicht auch in der Hauptstadt der Welt gelingen, Menschen für Christus zu gewinnen? DAp.304.5 Teilen

Ihre Hoffnung war jedoch geschwunden, als sie erfuhren, dass Paulus als Gefangener nach Rom gekommen war. Zuversichtlich hatten sie erwartet, dass das Evangelium, wenn es erst einmal in dieser Weltstadt Eingang gefunden habe, rasch zu allen Völkern dringen und sich zu einer vorherrschenden Macht entfalten werde. Wie groß war ihre Enttäuschung! Nun, menschliche Erwartungen mögen fehlschlagen, doch Gottes Absichten sind damit noch lange nicht gescheitert. DAp.304.6 Teilen

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Nicht durch seine Predigten, sondern durch seine Fesseln lenkte Paulus die Aufmerksamkeit des Hofes auf den christlichen Glauben. Selbst ein Gefangener, befreite er viele von den Fesseln, mit denen die Sünde sie gefangen hielt. Doch damit nicht genug: „Viele Brüder in dem Herrn haben aus meiner Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind desto kühner geworden, Gottes Wort zu reden ohne Scheu“ (Philipper 1,14), erklärte er. DAp.305.1 Teilen

Die Geduld und Freudigkeit des Paulus während seiner langen Haft, sein Mut und sein Glaube waren eine ständige Predigt. Seine Geisteshaltung, so ganz anders als die der Welt, legte Zeugnis davon ab, dass eine höhere Macht als eine irdische in ihm wohnte. Durch sein Beispiel wurden die Christen angespornt, des Herrn Sache mit mehr Eifer in der Öffentlichkeit zu vertreten, in der Paulus nun nicht mehr wirken konnte. So übten die Fesseln des Apostels einen nachhaltigen Einfluss aus. Wenn es auch so aussah, als wäre seine Kraft gebrochen und als könnte er nichts mehr tun, wurden doch Garben für Christus von den Feldern eingesammelt, die ihm völlig unzugänglich zu sein schienen. DAp.305.2 Teilen

Noch vor dem Ende dieser zweijährigen Gefangenschaft konnte Paulus sagen: „Denn hier weiß jeder — und das gilt sogar für die Soldaten der Palastwache ?, dass ich für Christus in Ketten liege.“ Philipper 1,13 (NL). Und unter denen, die den Philippern Grüße sandten, erwähnte er besonders „die aus dem Haus des Kaisers.“ Philipper 4,22. DAp.305.3 Teilen

Wie der Mut, so erringt auch die Geduld ihre Siege. Nicht nur durch kühnen Unternehmungsgeist, sondern auch durch geduldiges Ausharren in Anfechtungen können Menschen für Christus gewonnen werden. So kann ein Christ, der selbst bei schmerzlichem Verlust und im Leid Geduld und Zuversicht bekundet, ja sogar dem Tod in unerschütterlichem Glauben und mit innerem Frieden entgegensieht, für das Evangelium mehr ausrichten, als er durch ein langes Leben in treuer Arbeit hätte erreichen können. Oftmals mag, wenn ein Mitarbeiter Gottes aus seinem Wirken herausgerissen wird und wir in unserer menschlichen Kurzsichtigkeit dies beklagen, die göttliche Fügung in Wirklichkeit dazu dienen, ein Werk zu vollbringen, das auf andere Weise niemals hätte getan werden können. DAp.305.4 Teilen

Kein Nachfolger Christi sollte denken, dass er nur so lange brauchbar sei und ihm ein Lohn zustehe, wenn er öffentlich und tatkräftig für Gott und seine Botschaft wirken kann. Christi treue Zeugen werden nie beiseite gestellt. Gott gebraucht sie ständig, in Gesundheit wie in Krankheit, im Leben und im Tod. Wurden Christi Knechte durch den Hass Satans verfolgt und in ihrer öffentlichen Tätigkeit behindert, warf man sie sogar ins Gefängnis oder schleppte sie zum Schafott oder zum Scheiterhaufen, dann diente all dies doch nur dazu, der Wahrheit zu einem größeren Sieg zu verhelfen. Besiegelten diese Getreuen ihr Zeugnis sogar mit ihrem eigenen Blut, so entschieden sich oftmals Menschen, die bisher von Zweifel und Ungewissheit hin- und hergerissen wurden, für den Glauben an Christus und stellten sich mutig auf seine Seite. Der Asche der Märtyrer entwuchs eine reiche Ernte für Gott. DAp.305.5 Teilen

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Der Eifer und die Treue des Apostels Paulus und seiner Mitarbeiter sowie der Glaube und Gehorsam derer, die sich unter Schwierigkeiten zum Christentum bekehrten, strafen alle Lauheit und allen Unglauben im Dienst für Christus. Paulus und seine Gefährten hätten sich sagen können, dass es vergeblich sei, die Bediensteten Neros zur Buße und zum Glauben an Christus zu rufen, waren sie doch schweren Versuchungen und heftigem Widerstand ausgesetzt sowie von furchtbaren Hindernissen umgeben. Selbst wenn sie von der Wahrheit überzeugt wären, wie könnten sie Gott gehorsam sein? Aber Paulus dachte nicht so. Im Glauben verkündigte er das Evangelium, und unter denen, die ihm zuhörten, gab es etliche, die sich zum Gehorsam um jeden Preis entschlossen. Ungeachtet aller Hindernisse und Gefahren wollten sie das Licht annehmen und darauf vertrauen, dass Gott ihnen helfen werde, es für andere leuchten zu lassen. DAp.306.1 Teilen

Es wandten sich nicht nur einige aus dem Haus des Kaisers der Wahrheit zu, sie blieben sogar nach ihrer Bekehrung noch dort. Obwohl ihre Umgebung ihnen nicht mehr zusagte, sahen sie doch keine Veranlassung, den Platz zu verlassen, auf den ihre Pflicht sie stellte. Dort hatten sie die Wahrheit gefunden, und dort blieben sie auch, um durch ihren veränderten Lebenswandel und Charakter die umwandelnde Kraft des Glaubens zu bezeugen. DAp.306.2 Teilen

Kann jemand, der es versäumt, ein Zeuge Christi zu sein, seine Verhältnisse dafür verantwortlich machen? Lasst uns an die Christen am Hof des Kaisers denken, an den sittlichen Tiefstand dort, an die Verwahrlosung des Hofes. Wir können uns für ein Leben des Glaubens kaum Verhältnisse vorstellen, die noch größere Opfer und härteren Einsatz fordern als die, in denen sich diese Bekehrten befanden. Dennoch blieben sie inmitten dieser Schwierigkeiten und Gefahren treu. Wohl mag ein Christ mit dem Hinweis auf scheinbar unüberwindliche Hindernisse versuchen, sich zu entschuldigen, dass er der Wahrheit, wie sie sich in Jesus darstellt, nicht gehorchen könne. Niemals aber kann er dafür einen zwingenden Entschuldigungsgrund anführen. Könnte er es, so wäre damit erwiesen, dass Gott ungerecht sei, da er seinen Kindern Bedingungen des Heils auferlege, die unerfüllbar sind. DAp.306.3 Teilen

Wer in seinem Herzen fest entschlossen ist, Gott zu dienen, wird auch Gelegenheit finden, für ihn zu zeugen. Schwierigkeiten werden für den kein Hindernis sein, der entschlossen ist, „zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit“ (Matthäus 6,33) zu trachten. In der Kraft, die der Gläubige durch das Gebet und dem Erforschen des Wortes Gottes erlangt, wird er der Tugend nachstreben und dem Laster absagen. Wenn er aufschaut auf Jesus, den „Anfänger und Vollender des Glaubens“, der „viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat“ (Hebräer 12,2f) wird auch der Gläubige bereit, Verachtung und Spott zu ertragen. Gott, dessen Wort die Wahrheit ist, hat ausreichend Hilfe und Gnade für alle Lebenslagen zugesagt. Seine ewigen Arme umfangen den, der bei ihm Hilfe sucht. In ihm sind wir sicher geborgen und können sprechen: „Wenn ich mich fürchte, so hoffe ich auf dich.“ Psalm 56,4. Gott wird seine Verheißung an denen wahrmachen, die auf ihn hoffen. DAp.306.4 Teilen

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Durch sein eigenes Beispiel zeigte der Heiland, dass seine Nachfolger „in der Welt“ leben können, ohne „von der Welt“ (Johannes 17,11.14) zu sein. Er kam nicht, um an ihren trügerischen Vergnügungen teilzunehmen, um sich von ihren Sitten bestimmen zu lassen und sich ihrer Praktiken zu bedienen, sondern um den Willen seines Vaters zu tun und „zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“. Lukas 19,10. Behält der Christ dieses Ziel im Auge, wird er unbefleckt bleiben, wo immer er sich befindet. Ganz gleich, welche Position er einnimmt und wie seine Verhältnisse sein mögen, die Kraft wahrer Frömmigkeit wird sich in einer treuer Pflichterfüllung ausdrücken. DAp.307.1 Teilen

Ein christlicher Charakter entwickelt sich nicht, wenn man vor Anfechtung verschont bleibt, sondern wenn man mitten drin steht. Widerspruch und Widerstand führen den Nachfolger Christi zu größerer Wachsamkeit und lassen ihn ernster zu seinem mächtigen Helfer beten. Anfechtungen, die wir ertragen, bewirken Geduld, Wachsamkeit, Festigkeit und ein tiefes, bleibendes Gottvertrauen. Der Sieg des christlichen Glaubens besteht darin, dass der Nachfolger Jesu befähigt wird, zu leiden und dennoch stark zu sein, zu unterliegen und eben dadurch zu überwinden, sich fortgesetzt in den Tod zu geben und trotzdem zu leben, das Kreuz zu tragen und dadurch die Krone der Herrlichkeit zu bekommen. DAp.307.2 Teilen

Kapitel 45: Geschrieben von Rom
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Auf Grundlage der Briefe an die Kolosser und Philipper DAp.308 Teilen

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Schon früh in seinem Glaubensleben hatte der Apostel Paulus besondere Gelegenheit erhalten, tiefer in den göttlichen Willen über die Nachfolge Jesu einzudringen. Er ward „entrückt bis an den dritten Himmel“, ja, er ward „entrückt in das Paradies und hörte unaussprechliche Worte, welche ein Mensch nicht sagen darf“. Er selbst bezeugte, dass er viele „Gesichte und Offenbarungen des Herrn“ empfangen habe. In seiner Erkenntnis der Glaubensgrundsätze des Evangeliums stand er daher keinem der „hohen Apostel“ nach. 2.Korinther 12,2.4.1.11. Er hatte auch ein klares Verständnis, „welches da sei die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe“ der „Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft“. Epheser 3,18f. DAp.309.1 Teilen

Paulus konnte nicht alles berichten, was er in der Vision gesehen hatte, denn einige seiner Zuhörer hätten seine Worte missbraucht. Was ihm offenbart worden war, befähigte ihn aber, als Leiter und verständiger Lehrer zu wirken, und es beeinflusste auch die Botschaften, die er in späteren Jahren den Gemeinden sandte. Die Eindrücke, die er während einer Vision empfangen hatte, waren ihm stets vor Augen. Das ermöglichte ihm, eine treffende Darstellung des christlichen Charakters zu vermitteln. Mündlich und schriftlich verkündigte er eine Botschaft, die seitdem der Gemeinde immer wieder Hilfe und Kraft gegeben hat. Zu den Gläubigen unserer Zeit spricht diese Botschaft deutlich von den Gefahren, die der Gemeinde drohen, und von den falschen Lehren, denen sie künftig zu begegnen haben wird. DAp.309.2 Teilen

Der Apostel wünschte allen, an die er seine Briefe mit Ratschlägen und Mahnungen richtete, dass sie „nicht mehr unmündig seien“ und sich nicht „bewegen und umhertreiben lassen von jeglichem Wind der Lehre“, sondern dass „alle hinankommen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur Reife des Mannesalters, zum vollen Maß der Fülle Christi“. Epheser 4,14.13. Ernstlich bat er die Nachfolger Jesu, die unter den Heiden wohnten, nicht mehr zu leben, „wie die Heiden wandeln in der Nichtigkeit ihres Sinnes. Ihr Verstand ist verfinstert, und sie sind fremd geworden dem Leben, das aus Gott ist, durch die ... Verstockung ihres Herzens“. Epheser 4,17f. „So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, und kauft die Zeit aus.“ Epheser 5,15f. Er ermutigte die Gläubigen, vorwärts zu schauen auf das Kommen Christi, der „die Gemeinde geliebt hat und hat sich selbst für sie dahingegeben ... damit er sie vor sich stelle als eine Gemeinde, die herrlich sei und keinen Flecken oder Runzel oder etwas dergleichen habe, sondern die heilig und untadelig sei“. Epheser 5,25.27. DAp.309.3 Teilen

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Diese Botschaften, die nicht aus menschlicher Kraft, sondern durch göttliche Vollmacht niedergeschrieben sind, enthalten solche Lehren, mit denen sich jeder vertraut machen und an die man sich zu eigenem Vorteil immer wieder erinnern sollte. Sie kennzeichnen praktische Frömmigkeit und legen Nachdruck auf Grundsätze, die in jeder Gemeinde befolgt werden sollten. Deutlich wird darin der Weg zum ewigen Leben gewiesen. DAp.310.1 Teilen

Was Paulus in seinem Brief den „Gläubigen Brüdern in Christus“ und den „Heiligen zu Kolossä“ (Kolosser 1,2) während seiner Gefangenschaft in Rom schrieb, bringt seine Freude über ihre Standhaftigkeit im Glauben zum Ausdruck, von der Epaphras ihm berichtet hatte. Er hat — so heißt es wörtlich — „uns auch kundgetan ... eure Liebe im Geist. Darum lassen wir auch von dem Tag an, an dem wir‘s gehört haben, nicht ab, für euch zu beten und zu bitten, dass ihr erfüllt werdet mit der Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht, dass ihr des Herrn würdig lebt, ihm in allen Stücken gefallt und Frucht bringt in jedem guten Werk und wachst in der Erkenntnis Gottes und gestärkt werdet mit aller Kraft durch seine herrliche Macht zu aller Geduld und Langmut.“ Kolosser 1,8-11. DAp.310.2 Teilen

In diese Worte fasste Paulus seine Wünsche für die Gläubigen in Kolossä. Was für ein hohes Lebensziel weisen sie doch dem Nachfolger Jesu! Sie zeigen die wunderbaren Möglichkeiten eines Christenlebens auf und lassen erkennen, wie unbegrenzt die Segnungen sind, die Gottes Kinder empfangen können. Wachsen sie weiterhin in der Erkenntnis Gottes, dann können sie in der christlichen Erfahrung vorankommen, bis er sie „durch seine herrliche Macht zu aller Geduld und Langmut ... tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht“ und sie versetzt hat „in das Reich seines lieben Sohnes“. Kolosser 1,11-13. DAp.310.3 Teilen

Der Apostel erhöhte Christus vor seinen Brüdern als den einen, durch den Gott alle Dinge geschaffen und ihre Erlösung bewirkt hat. Er erklärte, dass die Hände, die die Welten im Nichts tragen und alles in Gottes Universum in einer wunderbaren Ordnung erhalten, dieselben Hände sind, die für uns ans Kreuz genagelt wurden. „In ihm“, so schrieb Paulus, „ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Reiche oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm.“ Kolosser 1,16f. „Auch euch, die ihr einst fremd und feindlich gesinnt wart in bösen Werken, hat er nun versöhnt durch den Tod seines sterblichen Leibes, damit er euch heilig und untadelig und makellos vor sein Angesicht stelle.“ Kolosser 1,21f. DAp.310.4 Teilen

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Der Sohn Gottes ließ sich herab, die Gefallenen hochzuheben. Er verließ die sündlosen Welten in der Höhe, die neunundneunzig, die ihn liebten, und kam auf diese Erde. Er wurde „um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen“. Jesaja 53,5. In allen Dingen wurde er seinen Brüdern gleich. Er wurde Fleisch wie wir und erfuhr, was es bedeutet, hungrig, durstig und müde zu sein. Er hielt sich durch Nahrung am Leben und stärkte sich durch Schlaf. Er war ein Fremdling und Gast auf Erden. Er war „in der Welt“, aber nicht „von der Welt“, versucht und angefochten, wie Männer und Frauen auch heute versucht und angefochten werden, doch dabei lebte er sündlos. Stets verständnisvoll und mitfühlend, rücksichtsvoll gegen andere, stellte er in seinem Wesen den Charakter Gottes dar. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns ... voller Gnade und Wahrheit.“ Johannes 1,14. DAp.311.1 Teilen

Umgeben von den Sitten und Einflüssen des Heidentums, waren die Gläubigen Kolosser in der Gefahr, sich von dem schlichten Evangelium wegziehen zu lassen. Paulus warnte sie davor und wies auf Christus hin, den einzig zuverlässigen Führer. „Ich lasse euch aber wissen“, schrieb er ihnen, „welchen Kampf ich um euch führe und um die in Laodizea und um alle, die mich nicht von Angesicht gesehen haben, damit ihre Herzen gestärkt und zusammengefügt werden in der Liebe und zu allem Reichtum an Gewissheit und Verständnis, zu erkennen das Geheimnis Gottes, das Christus ist, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. DAp.311.2 Teilen

Ich sage das, damit euch niemand betrüge mit verführerischen Reden. Denn obwohl ich leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch und freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe. Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschen und auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus. Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.“ Kolosser 2,1-10. DAp.311.3 Teilen

Christus hat vorausgesagt, dass Verführer auftreten und dass durch ihren Einfluss der „Unglaube wird überhandnehmen“ und „die Liebe in vielen erkalten“. Matthäus 24,12. Er hatte die Jünger gewarnt, dass von dieser Seite der Gemeinde größere Gefahren drohten als von der Verfolgung durch ihre Feinde. Wiederholt warnte Paulus die Gläubigen vor diesen Irrlehrern. Vor dieser Gefahr sollten sie sich hüten, denn durch die Aufnahme falscher Lehrer öffneten sie Irrtümern die Tür, so dass es dem Feind ermöglicht würde, das geistliche Unterscheidungsvermögen zu trüben und das Vertrauen derer zu erschüttern, die noch jung im Glauben stünden. Christus sei die Richtschnur, nach der sie jede Lehre prüfen müssten. Alles, was mit seinem Wort nicht übereinstimmt, sollten sie zurückweisen. Christus ist um unserer Sünde willen gekreuzigt, von den Toten auferstanden und gen Himmel gefahren — so lautet der Inbegriff der Heilsbotschaft, die sie lernen und weitergeben sollten. DAp.311.4 Teilen

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Die Warnungen des Wortes Gottes vor den Gefahren, die der christlichen Gemeinde von allen Seiten drohten, gelten auch uns heute. Wie in den Tagen der Apostel Männer versuchten, den Glauben an die Heilige Schrift durch Überlieferung und Philosophie zu untergraben, so versucht in unserer Zeit der Feind der Gerechtigkeit durch gefällige Gedankengänge der „höheren Kritik“, der Entwicklungstheorie, des Spiritualismus, der Theosophie und des Pantheismus, Menschen auf verbotene Pfade zu locken. Vielen ist die Bibel wie eine Lampe ohne Öl, weil sie sich spekulativen Anschauungen zugewandt haben, die zu Missverständnissen und Verwirrung führen. Durch die „höhere Kritik“, die alles zergliedert und zerpflückt und sich auf Mutmaßungen stützt, wird der Glaube an die Bibel als eine göttliche Offenbarung zerstört. Sie beraubt Gottes Wort der Kraft, das Leben des Menschen zu beherrschen, emporzuheben und zu begeistern. Durch den Spiritismus werden viele gelehrt, Lustgewinn sei das höchste Gesetz, Zügellosigkeit sei Freiheit, und jeder sei nur sich selbst verantwortlich. DAp.312.1 Teilen

Der Nachfolger Jesu wird diesen „verführerischen Reden“ (Kolosser 2,1-10) widerstehen, vor denen der Apostel die gläubigen Kolosser warnte. Zwar wird er auf solche vergeistigenden Auslegungen der Schrift stoßen, sollte sie aber nicht annehmen. Seine Stimme sollte die ewigen Wahrheiten der Heiligen Schrift unmissverständlich bejahen. Seinen Blick fest auf Christus gerichtet, sollte er unbeirrt auf dem ihm vorgezeichneten Weg vorwärts schreiten und alle Anschauungen zurückweisen, die nicht mit der Lehre Christi übereinstimmen. Gottes Wahrheit sollte Thema seiner Betrachtung und seines Nachsinnens sein, und er sollte die Bibel als Sprachrohr Gottes hinnehmen, durch das der Herr unmittelbar zu ihm spricht. So wird er die Weisheit finden, die göttlichen Ursprungs ist. DAp.312.2 Teilen

Die Erkenntnis Gottes, wie sie sich in Christus offenbart hat, ist das Wissen, das alle haben müssen, die gerettet werden wollen. Diese Erkenntnis bewirkt eine Umwandlung des Charakters. Findet sie Eingang im Leben, so gestaltet sie den Menschen neu nach dem Bilde Christi. Gott lädt Seine Kinder ein, diese Erkenntnis zu empfangen, denn ohne sie ist alles andere vergänglich und wertlos. DAp.312.3 Teilen

Die Grundlage der Charakterbildung eines Nachfolgers Jesu ist in jeder Generation und in allen Ländern dieselbe, nämlich die Grundsätze, die das Wort Gottes enthält. Die einzige zuverlässige und sichere Richtschnur ist, das zu tun, was Gott sagt. „Die Befehle des Herrn sind richtig.“ Psalm 19,9. „Wer das tut, wird nimmermehr wanken.“ Psalm 15,5. Mit dem Wort Gottes traten die Apostel den Irrlehren damals entgegen und erklärten: „Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist.“ 1.Korinther 3,11. DAp.312.4 Teilen

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Bei ihrer Bekehrung und Taufe hatten sich die Kolosser verpflichtet, mit den Anschauungen und Gewohnheiten zu brechen, die bisher ein Bestandteil ihres Lebens gewesen waren, um fortan ihrem Treueid Christus gegenüber nachzukommen. Paulus erinnerte sie in seinem Brief daran und bat sie dringend, nicht zu vergessen, dass sie, um ihr Versprechen halten zu können, unablässig dem Bösen widerstehen müssten, das versuchen würde, die Herrschaft über sie zu erlangen: „Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott.“ Kolosser 3,1-3. DAp.313.1 Teilen

„Darum, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!“ 2.Korinther 5,17. Durch die Kraft Christi sind Männer und Frauen in der Lage, die Fesseln sündhafter Gewohnheiten zu sprengen und der Selbstsucht abzusagen. Durch sie wurden Frevler ehrerbietig, Trunkenbolde nüchtern und Lasterhafte rein. Menschen, die von Sünden gezeichnet waren, verwandelte sie in das Ebenbild Gottes. Solch eine Umwandlung ist das größte aller Wunder. Dass Gottes Wort solche Veränderung zu bewirken vermag, gehört zu seinen tiefsten Geheimnissen. Wir können es nicht verstehen, sondern nur glauben, was die Schrift darüber sagt: Es kommt daher, „dass Christus in euch wohnt und euch die Hoffnung auf die künftige Herrlichkeit verbürgt“. Kolosser 1,27 (Albrecht). DAp.313.2 Teilen

Gewinnt Gottes Geist die Herrschaft über Herz und Sinn, dann stimmt der Bekehrte ein neues Lied an, denn er hat erfahren, dass sich in ihrem Leben Gottes Verheißung erfüllt hat: Seine Übertretungen sind ihm vergeben, und seine Sünden sind bedeckt. Er hat Buße getan vor Gott für die Übertretung des göttlichen Gesetzes und vertraut auf Christus, der gestorben ist, um uns zu rechtfertigen. „Gerecht geworden durch den Glauben“, hat er nun „Frieden mit Gott durch unsren Herrn Jesus Christus.“ Römer 5,1. DAp.313.3 Teilen

Wer als Christ so eine Erfahrung machen durfte, sollte nicht die Hände in den Schoß legen und zufrieden sein mit dem, was für ihn geschehen ist. Wer in das Reich Gotte eingehen möchte, der wird bald spüren, dass alle Mächte und Leidenschaften des sündigen Wesens, verstärkt durch die Mächte des Reiches der Finsternis, sich gegen ihn erheben werden. Täglich muss er sich deshalb erneut Gott weihen und mit dem Bösen kämpfen. Alte Gewohnheiten und angeborene Neigungen zum Bösen werden um die Oberhand streiten. Darum muss er vor ihnen stets auf der Hut sein und sich bemühen, in der Kraft Christi zu siegen. DAp.313.4 Teilen

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„So tötet nun die Glieder“, schrieb Paulus den Kolossern, „die auf Erden sind ... In dem allen seid auch ihr einst gewandelt, als ihr noch darin lebtet. Nun aber leget alles ab von euch, Zorn, Grimm, Bosheit, Lästerung, schandbare Worte aus eurem Munde ... So ziehet nun an als die Auserwählten Gottes, als die Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und vertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; gleichwie der Herr euch vergeben hat, so auch ihr. Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit. Und der Friede Christi regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leibe; und seid dankbar.“ Kolosser 3,5.7.8.12-15. DAp.314.1 Teilen

Der Brief an die Kolosser enthält wertvolle Lehren für alle, die im Dienst Christi stehen. Er enthält Lehren, die die Beharrlichkeit bei der Verfolgung eines Zieles und die Erhabenheit des Strebens aufzeigen, wie sie sich im Leben von dem bekunden, der den Heiland richtig darstellt. Wenn nun der Gläubige allem absagt, was ihn daran hindern könnte, auf dem schmalen Weg zum Himmel voranzukommen, oder was andere von diesem Weg abzuhalten vermag, dann wird sein Alltag von Barmherzigkeit, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld und von der Liebe Christi sprechen. DAp.314.2 Teilen

Wir haben eine Kraft nötig, die uns zu einem höheren, reineren und edleren Leben befähigt. Wir denken noch zu viel an die Welt und zu wenig an das Reich Gottes. DAp.314.3 Teilen

Der Christ darf sich in seinen Bemühungen, das von Gott gesteckte Ziel zu erreichen, durch nichts entmutigen lassen. Durch die Gnade und Kraft Christi ist allen Menschen sittliche und geistliche Vollkommenheit verheißen. Jesus ist die Quelle der Kraft, der Ursprung des Lebens. Er führt uns zu seinem Wort und reicht uns Blätter vom Baum des Lebens zur Gesundung unserer von Sünde erkrankten Seele. Er leitet uns zum Thron Gottes und legt uns ein Gebet in den Mund, durch das wir in enge Verbindung mit ihm gebracht werden. Um unsertwillen setzt er alle Macht des Himmels in Bewegung. Mit jedem Schritt kommen wir mit seiner unerschöpflichen Kraft in Berührung. DAp.314.4 Teilen

Dem Wachstum von denjenigen, die erfüllt werden möchten „mit Erkenntnis seines Willens in aller geistlichen Weisheit und Einsicht“ (Kolosser 1,9), setzt Gott keine Grenzen. Durch Gebet, Wachsamkeit, Wachstum in der Erkenntnis und Einsicht sollen sie gestärkt werden „mit aller Kraft durch seine herrliche Macht“. Kolosser 1,11. Dadurch werden sie vorbereitet, für andere zu wirken. Der Heiland möchte, dass geläuterte und geheiligte Menschenkinder seine Gehilfen seien. Für diese große Gnade wollen wir ihm danken, da er „euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht und uns errettet hat von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes.“ Kolosser 1,12f. DAp.314.5 Teilen

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Wie an die Kolosser, schrieb Paulus auch an die Philipper einen Brief, während er sich als Gefangener in Rom befand. Die Philippergemeinde hatte ihm durch Epaphroditus, der von Paulus „mein Gehilfe und Mitstreiter und euer Bote und Helfer für mich“ (Philipper 2,25) genannt wird, Gaben gesandt. Während seines Aufenthaltes in Rom war Epaphroditus „todkrank“ geworden, wie Paulus schrieb, „aber Gott hat sich über ihn erbarmt; nicht allein aber über ihn, sondern auch über mich, auf dass ich nicht eine Traurigkeit über die andere hätte“. Philipper 2,27. Als die Gläubigen zu Philippi von der Krankheit des Epaphroditus hörten, wurden sie so mit Sorge um ihn erfüllt, dass er beschloss, zu ihnen zurückzukehren. Paulus schrieb dazu: „Er hatte nach euch allen Verlangen und war tief bekümmert, darum dass ihr gehört hattet, dass er krank gewesen sei ... Ich sende ihn nun desto eilender, auf dass ihr ihn sehet und wieder fröhlich werdet und ich auch weniger Traurigkeit habe. So nehmet ihn nun auf in dem Herrn mit allen Freuden und habt solche Leute in Ehren. Denn um des Werkes Christi willen ist er dem Tod so nahe gekommen, da er sein Leben gering achtete, um mir zu dienen an eurer Statt.“ Philipper 2,26.28-30. DAp.315.1 Teilen

Durch Epaphroditus sandte Paulus den Gläubigen zu Philippi einen Brief, in dem er ihnen für die übermittelten Gaben dankte. Mehr als alle anderen Gemeinden hatten die Philipper freigeb für den Unterhalt von Paulus gesorgt. „Ihr aber von Philippi wisst“, schrieb der Apostel in seinem Brief, „dass von Anfang meiner Predigt des Evangeliums an, als ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft gehabt hat im Geben und Nehmen als ihr allein. Denn auch nach Thessalonich sandtet ihr für meinen Bedarf einmal und danach noch einmal. Nicht, dass ich das Geschenk suche; sondern ich suche die Frucht, damit sie euch reichlich zugerechnet werde. Denn ich habe alles und habe überflüssig. Ich habe die Fülle, da ich empfing durch Epaphroditus, was von euch kam: ein lieblicher Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig.“ Philipper 4,15-18. DAp.315.2 Teilen

„Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke — welches ich allezeit tue in allem meinem Gebet für euch alle und tue das Gebet mit Freuden ?, für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute; und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird‘s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu Wie es denn recht und billig ist, dass ich so von euch allen denke, weil ich euch in meinem Herzen habe, die ihr alle mit mir an der Gnade teilhabt in meiner Gefangenschaft und wenn ich das Evangelium verteidige und bekräftige. Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Christus Jesus. Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi, erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes.“ Philipper 1,2-11. DAp.315.3 Teilen

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Die Gnade Gottes stärkte Paulus in seiner Gefangenschaft und gab ihm die Möglichkeit, sich selbst in der Trübsal zu freuen. Voller Glauben und Zuversicht schrieb er seinen Brüdern in Philippi, dass auch seine Gefangenschaft zur Förderung des Evangeliums gedient habe. „Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten. Denn dass ich meine Fesseln für Christus trage, das ist im ganzen Prätorium und bei allen andern offenbar geworden, und die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind umso kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu.“ Philipper 1,12-14. DAp.316.1 Teilen

Diese Erfahrung des Apostels beinhaltet auch für uns eine Lehre, denn sie zeigt auf, wie Gott wirkt. Der Herr kann in Sieg verwandeln, was uns wie Misserfolg und Niederlage erscheint. Wir stehen in Gefahr, Gott zu vergessen und nur auf das Sichtbare zu blicken, anstatt im Glauben auf das Unsichtbare zu schauen. Bricht Unglück oder Missgeschick über uns herein, so sind wir schnell dabei, Gott zu beschuldigen, dass er uns vernachlässige oder grausam sei. Hält er es für angebracht, unsere Brauchbarkeit in irgendeiner Hinsicht zu schmälern, so klagen wir nur darüber, ohne zu bedenken, dass Gott auch auf diese Weise zu unserem Besten wirken könnte. Wir müssen lernen, dass die Züchtigung ein Teil des großen göttlichen Planes ist und dass der von Trübsal geschlagene Christ manchmal mehr für seinen Meister tun kann, als wenn er sonst für ihn tätig ist. DAp.316.2 Teilen

Paulus wies deshalb die Philipper auf den beispielhaften Wandel Jesu Christi hin, „welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, nahm er‘s nicht als einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ Philipper 2,6-8. DAp.316.3 Teilen

„Also, meine Lieben“, fuhr er dann fort, „wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, so seid es nicht allein in meiner Gegenwart, sondern nun auch vielmehr in meiner Abwesenheit und schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist‘s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, zu seinem Wohlgefallen. Tut alles ohne Murren und ohne Zweifel, auf dass ihr seid ohne Tadel und lauter, Gottes Kinder, unsträflich mitten unter einem verderbten und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt, dadurch dass ihr haltet an dem Wort des Lebens, mir zum Ruhm an dem Tage Christi, dass ich nicht vergeblich gelaufen bin noch vergeblich gearbeitet habe.“ Philipper 2,12-16. DAp.316.4 Teilen

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Diese Worte sind aufgeschrieben worden, um jeder kämpfenden Seele eine Hilfe zu sein. Paulus weist nicht nur auf die Vollkommenheit als Ziel hin, sondern zeigt auch, wie es erreicht werden kann. „Schafft, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern. Denn Gott ist‘s, der in euch wirkt“, schrieb Paulus. DAp.317.1 Teilen

Das Werk der Erlösung besteht aus partnerschaftlichem, gemeinsamem Wirken, einem Zusammenwirken zwischen Gott und dem reumütigen Sünder. Das ist unerlässlich für die Bildung einer rechten Charakterhaltung. Der Mensch muss sich ernstlich bemühen, das zu überwinden, was ihn hindern könnte, die Vollkommenheit zu erreichen. Das Gelingen aber hängt ganz und gar von Gott ab. Menschliche Anstrengungen reichen niemals aus. Ohne den Beistand der göttlichen Kraft sind sie nutzlos. Gott und Mensch müssen zusammenwirken. Der Versuchung zu widerstehen, das ist Sache des Menschen, die Kraft dazu muss er aber von Gott nehmen. So stehen auf der einen Seite Gottes unbegrenzte Weisheit, sein Mitleid und seine Macht, auf der anderen Seite dagegen menschliche Schwäche, Sündhaftigkeit und völlige Hilflosigkeit. DAp.317.2 Teilen

Gott möchte, dass wir die Herrschaft über uns selbst erlangen. Aber ohne unsere Bereitschaft, mit ihm zusammenzuwirken, kann er uns nicht helfen. Gottes Geist wirkt durch die dem Menschen verliehenen Kräfte und Fähigkeiten. Von uns aus sind wir nicht imstande, unsere Pläne, Wünsche und Neigungen mit Gottes Willen in Übereinstimmung zu bringen. Sind wir aber bereit, uns willig machen zu lassen, dann wird der Heiland dies für uns vollbringen. „Wir zerstören damit Anschläge und alles Hohe, das sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Gedanken unter den Gehorsam Christi.“ 2.Korinther 10,5. DAp.317.3 Teilen

Wer einen festen, ausgeglichenen Charakter haben und ein ausgeglichener Christ sein will, der muss bereit sein, für Christus alles hinzugeben und zu tun, denn der Erlöser ist mit keinem halben Dienst zufrieden. Täglich muss der Christ lernen, was Übergabe bedeutet. Er muss im Wort Gottes forschen, sich über dessen Bedeutung klar werden und seinen Vorschriften gehorchen. So nur kann er das Ziel christlicher Vollkommenheit erreichen. Tag für Tag hilft Gott ihm, den Charakter so zu vervollkommnen, dass er zurzeit der letzten Prüfung bestehen kann. Der Gläubige wiederum erbringt täglich neu vor Menschen und Engeln den Beweis, was das Evangelium für gefallene Menschen tun kann. DAp.317.4 Teilen

„Ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich‘s ergriffen habe“, schrieb Paulus den Philippern. „Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich nach dem, das da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinod der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.“ Philipper 3,13f. Paulus hatte viel getan. Von der Zeit an, da er seine Treue Christus geschworen hatte, war sein Leben ein unermüdlicher Dienst. Er reiste von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, verkündigte das Wort vom Kreuz, bekehrte viele zum Evangelium und gründete Gemeinden. Ständig trug er Sorge um sie und schrieb ihnen zu ihrer weiteren Unterweisung viele Briefe. Zeitweilig arbeitete er auch in seinem Handwerk, um sein tägliches Brot zu verdienen. Doch bei all diesen Aufgaben verlor er nie das eine Ziel aus dem Auge, der hohen Berufung nachzujagen. Dieses Ziel hatte er ständig im Blick, dem treu zu bleiben, der sich ihm vor den Toren von Damaskus offenbart hatte! Nichts konnte ihn von diesem Ziel abbringen. Das Kreuz von Golgatha zu rühmen — das allein begeisterte ihn in seinen Worten und Taten. DAp.317.5 Teilen

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Der großen Aufgabe, der Paulus trotz aller Mühsal und Schwierigkeiten nachstrebte, sollte jeden christlichen Mitarbeiter veranlassen, sich rückhaltlos dem Dienst Gottes zu weihen. Mag auch die Welt versuchen, mit ihren Lockungen seine Aufmerksamkeit vom Heiland abzulenken, dennoch gilt es, unbeirrt dem Ziel nachzujagen und der Welt, den Engeln und Menschen zu zeigen, dass die Hoffnung, Gott selbst zu schauen, jede Anstrengung und jedes Opfer wert ist. DAp.318.1 Teilen

Obwohl Paulus ein Gefangener war, ließ er sich doch nicht entmutigen. Wie ein Siegeston durchklingt es die Briefe, die er von Rom aus an die Gemeinden sandte. „Freuet euch in dem Herrn allewege“, schrieb er an die Philipper, „und abermals sage ich: Freuet euch! ... Sorget nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden! Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus! Weiter, liebe Brüder: Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was lieblich, was wohllautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach!“ Philipper 4,4-8. DAp.318.2 Teilen

„Mein Gott aber wird ausfüllen all euren Mangel nach seinem Reichtum in der Herrlichkeit in Christus Jesus ... Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geiste!“ Philipper 4,19.23. DAp.318.3 Teilen

Kapitel 46: In Freiheit
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W.ährend das Wirken des Apostels Paulus in Rom unter göttlichem Segen zur Bekehrung vieler und zur Stärkung und Ermutigung der Gläubigen diente, zogen sich düstere Wolken zusammen, die nicht nur seine Sicherheit, sondern auch das Wohl der Gemeinde bedrohten. Bei seiner Ankunft in Rom war er dem Hauptmann der kaiserlichen Wache übergeben worden, einem rechtschaffenen, aufrichtigen Mann, durch dessen Entgegenkommen er sich ziemlich frei bewegen und evangelistisch arbeiten konnte. Aber noch ehe die zweijährige Gefangenschaft zu Ende ging, wurde dieser Mann von einem Beamten abgelöst, von dem Paulus kein besondere Gunst erwarten konnte. DAp.319.1 Teilen

Die Juden agierten jetzt aktiver als zuvor gegen Paulus. Eine willige Helferin war die sittenlosen Frau, die Nero zu seiner zweiten Gemahlin nahm. Sie war zum Judentum übergetreten und nutzte es, um die verbrecherischen Absichten gegen diesen herausragenden Mann des Christentums zu unterstützen. DAp.319.2 Teilen

Paulus konnte vom Kaiser kaum Gerechtigkeit erwarten. Nero war in seiner Lebensführung verkommener, in seinem Charakter ruchloser und zu scheußlichen Grausamkeiten fähiger als alle Herrscher vor ihm. Die Regierungsgewalt hätte keinem gewalttätigeren Herrscher anvertraut werden können. Bereits im ersten Jahr seiner Regierung hatte er seinen jungen Stiefbruder, den rechtmäßigen Thronerben, vergiften lassen. Immer stärker und unaufhaltsamer geriet Nero in den Strudel von Laster und Verbrechen, bis er sogar seine eigene Mutter und später seine Gemahlin ermorden ließ. Es gab keine Gräueltat, zu der er nicht fähig gewesen wäre, keine noch so niederträchtige Handlung, die er nicht hätte ausführen können. In jedem rechtschaffenen Gemüt weckte er Abscheu. DAp.319.3 Teilen

Die Einzelheiten der an seinem Hof begangenen Schlechtigkeiten waren zu gemein und zu schlimm, als dass man sie berichten könnte. Seine Bosheit erregte Abscheu selbst bei vielen, die gezwungen waren, an seinen Verbrechen teilzuhaben. Ständig schwebten sie in Furcht davor, auf welche Ungeheuerlichkeiten er noch verfallen könnte. Doch selbst diese Verbrechen Neros erschütterten die Loyalität seiner Untertanen nicht. Er wurde als unumschränkter Herrscher über die gesamte zivilisierte Welt anerkannt und genoss darüber hinaus Verehrung und Anbetung wie ein Gott. Menschlich gesehen war eine Verurteilung des Apostels vor so einem Richter so gut wie sicher. Solange Paulus Gott treu bliebe, hatte er nichts zu fürchten. Der bisher sein Schutz war, konnte ihn auch jetzt vor dem Hass der Juden und der Macht des Kaisers bewahren. DAp.319.4 Teilen

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Und Gott beschützte seinen Diener. Als Paulus verhört wurde, konnte man die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen nicht aufrechterhalten. Entgegen allen Erwartungen und aus Rücksicht auf die Gerechtigkeit, was für ihn unüblich war, ließ Nero dem Gefangenen die Ketten abnehmen, und er war frei. DAp.320.1 Teilen

Wäre die Verhandlung länger hinausgeschoben worden oder hätte sich Paulus aus irgendeinem Grund bis zum nächsten Jahr in Rom aufgehalten, so wäre er zweifellos bei der dann beginnenden Verfolgung umgekommen. Während seiner Gefangenschaft hatte die Zahl der Bekehrten so zugenommen, dass dadurch die Aufmerksamkeit und Feindschaft der Behörden geweckt wurde. Der Zorn des Kaisers wurde besonders dadurch entfacht, dass sich selbst Mitglieder seines eigenen Hofes zu Christus bekannten. Bald fand er dann auch einen Vorwand für seine erbarmungslose Grausamkeit den Christen gegenüber. DAp.320.2 Teilen

Um diese Zeit brach in Rom ein Feuer aus, durch die fast die halbe Stadt zerstört wurde. Das Gerücht ging um, Nero selbst habe den Brand legen lassen. Um von ihm abzulenken, gab er sich den Anschein besonderer Großmut, indem er Obdachlosen und Notleidenden Hilfe gewährte. Trotzdem beschuldigte man ihn weiterhin des Verbrechens. Das Volk war aufgebracht. Um alle Verdächtigungen zurückzuweisen und gleichzeitig die Stadt von denen zu säubern, die er fürchtete und hasste, wälzte Nero alle Schuld auf die Christen ab. Diese List hatte Erfolg, und Tausende Nachfolger Christi — Männer, Frauen und Kinder — wurden auf grausame Weise umgebracht. DAp.320.3 Teilen

Davor blieb Paulus bewahrt, denn bald nach seinem Freispruch hatte er Rom verlassen. Die ihm verbliebene Zeit nutzte er dazu, den Gemeinden zu dienen. Besonders lag ihm daran, eine innigere Verbindung zwischen den griechischen und den östlichen Gemeinden herzustellen und das Herz der Gläubigen gegen die Irrlehren zu festigen, die sich einschlichen und den Glauben gefährdeten. DAp.320.4 Teilen

Die vielen Anfechtungen und Sorgen hatten die körperlichen Kräfte von Paulus aufgezehrt. Die Gebrechen des Alters machten sich bemerkbar. Er fühlte, dass seine Arbeit bald getan sein würde. Je mehr sich sein Wirken dem Ende näherte, desto mehr setzte er sich ein. Zielbewusst, entschlussfreudig und stark im Glauben reiste er von Gemeinde zu Gemeinde, von Land zu Land. Wie nur möglich stärkte er die Gläubigen, damit sie treu blieben im Dienst der Menschenrettung für Christus, in den bereits angebrochenen schweren Zeiten standhaft am Evangelium festhielten und als treue Zeugen für Jesus wirkten. DAp.320.5 Teilen

Kapitel 47: Erneut im Gefängnis
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Die Arbeit des Apostels Paulus in den Gemeinden nach seiner Freilassung in Rom konnte seinen Feinden nicht verborgen bleiben. Seit dem Ausbruch der Verfolgung unter Nero sprach man von den Christen als von einer verbotenen Sekte. Ungläubige Juden verfielen nach einiger Zeit auf den Gedanken, Paulus des Verbrechens der Brandstiftung in Rom zu bezichtigen. Keiner von ihnen glaubte ernsthaft, dass er schuldig sei, aber sie wussten, dass eine solche Anklage, wenn man ihr nur einen Schimmer von Wahrscheinlichkeit verlieh, sein Schicksal besiegeln würde. Auf ihr Betreiben wurde Paulus abermals festgenommen und endgültig ins Gefängnis gebracht. DAp.321.1 Teilen

Auf seiner zweiten Reise nach Rom wurde Paulus von einigen seiner Gefährten begleitet. Andere wollten ernsthaft sein Los mit ihm teilen. Doch er erlaubte es nicht, dass sie ihr Leben wegen ihm in Gefahr brachten. Die Aussichten waren für ihn diesmal viel ungünstiger als zurzeit seiner ersten Gefangenschaft. Die Verfolgung unter Nero hatte die Zahl der Christen in Rom bedeutend verringert. Tausende hatten um ihres Glaubens willen den Tod als Märtyrer erlitten. Viele hatten die Stadt schon verlassen, und die zurückblieben, waren niedergeschlagen und eingeschüchtert. DAp.321.2 Teilen

Gleich nach seiner Ankunft in Rom wurde Paulus in einen düsteren Kerker geworfen. Dort sollte er bis an sein Ende bleiben. Er stand unter der Anklage, eines der niedrigsten und schrecklichsten Verbrechen gegen Stadt und Volk begangen zu haben, und wurde deshalb allgemein verachtet. DAp.321.3 Teilen

Die wenigen Freunde, die bisher die Lasten des Apostels mitgetragen hatten, verließen ihn jetzt. Einige flohen, andere besuchten mit Aufträgen die verschiedenen Gemeinden. DAp.321.4 Teilen

Phygelus und Hermogenes gingen zuerst fort. 2.Timotheus 1,15. Dann ließ auch Demas — aus Furcht vor den sich düster zusammenziehenden Wolken von Schwierigkeiten und Gefahren — den verfolgten Apostel im Stich. 2.Timotheus 4,10. Creszens wurde von Paulus zu den Gemeinden in Galatien gesandt, Titus nach Dalmatien, Tychikus nach Ephesus. 2.Timotheus 4,10.12. DAp.321.5 Teilen

322

Aus diesem Erleben heraus schrieb dann Paulus an Timotheus: „Lukas ist allein bei mir.“ 2.Timotheus 4,11. DAp.322.1 Teilen

Noch nie hatte der Apostel Paulus die Unterstützung seiner Brüder so gebraucht wie jetzt, da er, geschwächt durch Alter, mühevolle Arbeit und Gebrechen, in dem feuchten, dunklen Gewölbe eines römischen Gefängnisses eingeschlossen war. Da waren die Dienste des Lukas, des geliebten Jüngers und treuen Freundes, für Paulus eine große Ermutigung und machten es ihm möglich, die Verbindung zu seinen Brüdern und zu der Außenwelt aufrechtzuerhalten. DAp.322.2 Teilen

In dieser schweren Zeit wurde Paulus auch durch die häufigen Besuche des Onesiphorus erfreut. Dieser warmherzige Epheser tat, was in seinen Kräften stand, um Paulus die Kerkerhaft zu erleichtern. Sein geliebter Lehrer war gefesselt um der Wahrheit willen, während er selbst frei umherging. Darum scheute er keine Mühe, das Los des Apostels erträglicher zu machen. DAp.322.3 Teilen

In seinem letzten Brief schrieb Paulus über diesen treuen Jünger: „Der Herr erweise dem Haus des Onesiphorus Barmherzigkeit, weil er mich oft erquickt und sich meiner Ketten nicht geschämt hat; sondern als er in Rom war, suchte er mich umso eifriger und fand mich auch. Der Herr gebe ihm, dass er Barmherzigkeit erlange vom Herrn an jenem Tag!“ 2.Timotheus 1,16-18. DAp.322.4 Teilen

Das Verlangen nach Liebe und Mitgefühl wurde von Gott in das Herz des Menschen eingepflanzt. Auch Christus sehnte sich in der Stunde seines bitteren Kampfes in Gethsemane nach dem Mitgefühl seiner Jünger. Obwohl Paulus alle Leiden und Beschwernisse tapfer zu tragen schien, sehnte er sich nicht weniger nach Mitgefühl und Bruderschaft. Er, der sein Leben im Dienst für andere eingesetzt hatte, empfing nun durch die Besuche des Onesiphorus in seiner Einsamkeit und Verlassenheit Freude und Trost. DAp.322.5 Teilen

Kapitel 48: Paulus vor Nero
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Als Paulus zur Gerichtsverhandlung vor Kaiser Nero geladen wurde, war sein baldiger Tod ziemlich sicher zu erwarten. Das schwere Verbrechen, dessen man ihn beschuldigte, und die feindselige Gesinnung den Christen gegenüber ließen einen günstigen Ausgang kaum erhoffen. DAp.323.1 Teilen

Bei den Griechen und Römern war es üblich, jedem Angeklagten das Recht einzuräumen, sich einen Verteidiger zu nehmen, der ihn vor Gericht vertrat. Durch klare Beweisführung, schlagfertige Rede oder durch Anflehen, Bitten und Tränen gelang es solch einem Verteidiger manchmal, eine günstige Entscheidung für den Angeklagten herauszuholen oder, wenn dies misslang, zumindest die Härte des Urteils zu mildern. Als aber Paulus vor Nero geladen wurde, wagte niemand, für ihn als Ratgeber oder Verteidiger aufzutreten. Kein Freund war anwesend, der die gegen ihn erhobenen Anklagen oder die Argumente zu seiner Verteidigung aufgezeichnet hätte. Keiner der Christen in Rom wagte es, dem Apostel in dieser schweren Stunde beizustehen. DAp.323.2 Teilen

Den einzigen zuverlässigen Bericht über dieses Geschehen gibt Paulus in seinem zweiten Brief an Timotheus: „Bei meinem ersten Verhör stand mir niemand bei, sondern sie verließen mich alle. Es sei ihnen nicht zugerechnet. Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Botschaft ausgebreitet würde und alle Heiden sie hörten, so wurde ich erlöst aus dem Rachen des Löwen.“ 2.Timotheus 4,16f. DAp.323.3 Teilen

Paulus vor Nero — welch ein Gegensatz! Der hochmütige Herrscher, vor dem der Gottesmann sich um seines Glaubens willen zu verantworten hatte, stand auf dem Gipfel weltlicher Macht, irdischen Ansehens und Reichtums. Er hatte aber auch die tiefste Stufe an Laster und Bosheit erreicht. An Macht und Größe konnte sich niemand mit ihm vergleichen. Niemand wagte es, seine Autorität in Frage zu stellen, noch sich seinem Willen zu widersetzen. Fürsten legten ihre Kronen zu seinen Füßen nieder, mächtige Heere marschierten auf seinen Befehl, und die Flaggen seiner Flotten verkündeten Sieg. Sein Statue war in den Gerichtssälen aufgestellt und die Erlasse der Senatoren und die Entscheidungen der Richter waren nichts weiter als ein Echo seines Willens. Millionen beugten sich gehorsam seinen Anordnungen. Der Name Nero ließ die Welt erzittern. Sein Missfallen zu erregen, bedeutete meist den Verlust von Eigentum, Freiheit und dem Leben, sein tadelnder Blick war gefürchteter als die Pest. DAp.323.4 Teilen

324

Ohne Geld, ohne Freunde und Ratgeber stand der Gefangene vor Nero — dem Kaiser, dessen Gesichtszüge ein beschämendes Zeugnis ablegten von den Leidenschaften, die in ihm tobten. Das Antlitz des Angeklagten dagegen kündete von einem Herzen voller Frieden mit Gott. Paulus hatte Armut kennengelernt, Selbstverleugnung geübt und Leiden ertragen. Obwohl seine Feinde ihn ständig verleumdeten, schmähten und beschimpften, hatte er das Banner des Kreuzes furchtlos hochgehalten. Gleich seinem Herrn war er ein heimatloser Wanderer gewesen und hatte wie er gelebt, um ein Segen für die Menschheit zu sein. Wie konnte Nero, dieser launische, jähzornige und lasterhafte Tyrann, das Wesen und die Beweggründe dieses Gottesmannes verstehen oder auch nur zu würdigen wissen! DAp.324.1 Teilen

Die weiträumige Halle war von vielen neugierigen und unruhigen Menschen angefüllt, die sich nach vorne schoben und drängten, um alles zu sehen und zu hören, was dort vor sich ging. Da gab es hochgestellte Persönlichkeiten und einfache Leute, Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Stolze und Bescheidene. Aber den Weg zum wahren Leben und zum Heil kannten sie alle nicht. DAp.324.2 Teilen

Die Juden erhoben gegen Paulus die alten Beschuldigungen des Aufruhrs und der Ketzerei. Gemeinsam mit den Römern bezichtigten sie ihn der Anstiftung des Brandes in der Stadt. Paulus aber bewahrte eine unerschütterliche Ruhe, als man diese Anklagen gegen ihn erhob. Verwundert schauten das Volk und die Richter auf ihn. Sie hatten schon vielen Gerichtsverhandlungen miterlebt, viele Verbrecher beobachtet, aber noch nie einen Mann gesehen, der so eine heilige Ruhe ausstrahlte, wie dieser Gefangene vor ihnen. Die scharfen Augen der Richter, die gewohnt waren, in den Gesichtszügen der Gefangenen zu lesen, suchten bei Paulus vergeblich nach irgendwelchen Anzeichen einer Schuld. Als ihm gestattet wurde, zu den Anklagen Stellung zu nehmen, lauschten alle gespannt seinen Worten. DAp.324.3 Teilen

Noch einmal hatte Paulus Gelegenheit, vor einer aufhorchenden Menschenmenge das Banner des Kreuzes aufzurichten. Als er die Menge vor sich erblickte, unter ihnen Juden, Griechen, Römer und Besucher aus verschiedenen Ländern, entbrannte sein Herz von dem Verlangen, ihnen den Weg des Heils zu zeigen. Darüber vergaß er völlig seine Umgebung und die drohenden Gefahren sowie das schreckliche Schicksal, das ihm unmittelbar bevorstand. Er sah nur noch Jesus, den Mittler, der vor Gott für die sündigen Menschen bittet. Mit mehr als menschlicher Beredsamkeit und Kraft verkündigte Paulus seinen Zuhörern das Evangelium. Er wies sie hin auf das für die sündige Menschheit gebrachte Opfer und zeigte auf, dass für die Erlösung des Menschen ein unvorstellbar hoher Preis bezahlt worden war. Gott habe Vorkehrungen getroffen, dass der Mensch seinen Anteil an der Herrschaft Gottes wiedererhalte. Durch Engel sei die Erde mit dem Himmel verbunden, so dass alle Taten der Menschen, ob gut oder böse, vor dem Auge der ewigen Gerechtigkeit offen seien. DAp.324.4 Teilen

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So plädierte der Verteidiger der Wahrheit. Gläubig unter Ungläubigen, treu unter Untreuen, stand er da als Gottes Repräsentant, und seine Stimme klang wie eine Stimme vom Himmel. Weder in seinen Worten noch in seinen Blicken war die geringste Spur von Furcht, Traurigkeit oder Entmutigung zu spüren. Im Bewusstsein seiner Unschuld und angetan mit der Rüstung der Wahrheit (Epheser 6,11-20), erfüllte ihn die Freude, ein Gotteskind zu sein. Seine Worte glichen einem Siegesruf über dem Schlachtgetümmel. Er erklärte, dass die Sache, der er sein Leben geweiht habe, niemals fehlschlagen könne. Möchte er selbst umkommen — das Evangelium könne nie untergehen. Gott lebe, und seine Wahrheit werde den Sieg behalten. Viele, die damals auf Paulus schauten, „sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht.“ Apostelgeschichte 6,15. DAp.325.1 Teilen

Noch nie zuvor hatten die Anwesenden solche Worte gehört. Sie schlugen eine Saite an, die selbst in den Herzen der Verhärtetsten in Schwingung geriet. Lautere, überzeugende Wahrheit überwand den Irrtum. Licht fiel in die Herzen vieler Menschen, die dann später freudig diesen Strahlen folgten. Die Wahrheiten, die an jenem Tag verkündigt wurden, waren dazu bestimmt, ganze Völker zu bewegen und die Zeiten zu überdauern, um selbst dann noch Menschenherzen zu beeinflussen, wenn der, dessen Mund sie gesprochen, längst als Märtyrer gestorben war. DAp.325.2 Teilen

So wie bei dieser Gelegenheit hatte Nero noch nie die Wahrheit vernommen. Niemals hatte die ungeheure Schuld seines Lebens so offen vor ihm gelegen wie jetzt. Das Licht des Himmels drang in sein sündiges Herz ein, und er zitterte vor Schreck bei dem Gedanken an ein Gericht, vor das auch er, der Herrscher der Welt, gefordert werden würde, um für seine Taten den gerechten Lohn zu empfangen. Er fürchtete den Gott des Apostels und wagte nicht, Paulus zu verurteilen, da keine der gegen ihn erhobenen Anklagen aufrecht erhalten werden konnten. Heilige Scheu hielt seinen blutdürstigen Geist noch eine Zeitlang in Schranken. DAp.325.3 Teilen

Für einen Augenblick tat sich dem schuldbeladenen und verhärteten Nero der Himmel auf, und dessen Friede und Reinheit erschienen ihm begehrenswert. In diesem Augenblick erging die Einladung der göttlichen Gnade an ihn. Doch nur ganz flüchtig war ihm der Gedanke an Vergebung willkommen. Dann befahl er, Paulus ins Gefängnis zurückzuführen. Als sich die Tür zum Kerker hinter dem Boten Gottes zutat, schloss sich auch für den römischen Kaiser die Tür der Reue für immer. Kein Strahl des himmlischen Lichtes durchdrang je wieder diese Finsternis. Bald sollten die strafenden Gerichte Gottes über ihn hereinbrechen. DAp.325.4 Teilen

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Nicht lange danach brach Nero zu dem unheilvollen Feldzug nach Griechenland auf, wo er durch unwürdige und erniedrigende Leichtfertigkeit Schande über sich und sein Reich brachte. Nachdem er mit großem Gepränge nach Rom zurückgekehrt war, gab er sich mit seinen Höflingen empörenden Ausschweifungen hin. Während eines Gelages war plötzlich von der Straße her Getümmel zu hören. Ein Bote, den man ausschickte, um zu erfahren, was geschehen sei, kehrte mit der Schreckensnachricht zurück, dass Galba an der Spitze eines Heeres in Eilmärschen gegen Rom vorrücke. Außerdem sei in der Stadt ein Aufstand ausgebrochen. Eine aufgebrachte Volksmenge fülle die Straßen. Sie nähere sich bereits dem Palast und drohe den Kaiser mitsamt seinem Gefolge umzubringen. DAp.326.1 Teilen

Nero konnte sich in dieser Notlage nicht — wie der treue Apostel Paulus — auf einen mächtigen und barmherzigen Gott verlassen. Aus Furcht vor den Leiden und Qualen, die er möglicherweise von der wütenden Volksmenge zu erwarten hatte, wollte der elende Tyrann seinem Leben selbst ein Ende machen. Doch im entscheidenden Augenblick fehlte ihm der Mut dazu. Aller Mannschaft beraubt, floh er schmählich aus der Stadt und suchte sich auf einem nur einige Kilometer entfernten Landgut zu verbergen. Doch vergeblich. Sein Versteck wurde bald entdeckt. Als die ihn verfolgenden Reiter näher kamen, rief er einen Sklaven zu seiner Hilfe herbei und brachte sich eine tödliche Wunde bei. So endete der Tyrann Nero im frühen Alter von 32 Jahren. DAp.326.2 Teilen

Kapitel 49: Paulus schreibt seinen letzten Brief
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Auf Grundlage des 2.Timotheusbriefs DAp.327 Teilen

Vom Gerichtshof des Kaisers kehrte Paulus in seine Zelle zurück. Es war ihm klar, dass er nur eine kurze Frist gewonnen hatte. Seine Feinde würden nicht eher ruhen, bis sie seinen Tod durchgesetzt hätten. Er wusste aber auch, dass zunächst die Wahrheit einen Sieg davongetragen hatte. Dass er den gekreuzigten und auferstandenen Heiland vor der aufmerksam zuhörenden Menge hatte verkündigen dürfen, das war ein Sieg. An jenem Tag war ein Werk begonnen worden, das wachsen und stärker werden sollte. Weder Nero noch alle Feinde Christi würden es jemals hindern oder zerstören können. DAp.327.1 Teilen

Während Paulus Tag für Tag in seiner dunklen Zelle saß und wusste, dass ein Wort oder auch nur ein Wink Neros genügten, um seinem Leben ein Ende zu machen, weilten seine Gedanken oft bei Timotheus, und er beschloss, ihn zu sich zu rufen. Er hatte ihm die Sorge für die Gemeinde Ephesus übertragen und ihn um ihretwillen dort zurückgelassen, ehe er seine letzte Reise nach Rom antrat. Paulus und Timotheus waren einander durch starke und tiefe Zuneigung verbunden. Seit seiner Bekehrung hatte Timotheus die Arbeit und die Leiden des Apostels geteilt. Die Freundschaft zwischen beiden war immer stärker, tiefer und unverletzlicher geworden, bis Timotheus dem im Dienst ergrauten Apostel alles geworden war, was ein Sohn einem geliebten und verehrten Vater sein konnte. Darum war es auch verständlich, dass sich Paulus in seiner Einsamkeit und Verlassenheit danach sehnte, ihn zu sehen. DAp.327.2 Teilen

Aber selbst unter günstigsten Umständen mussten Monate vergehen, ehe Timotheus von Kleinasien aus Rom erreichen konnte. Paulus wusste, dass die Tage seines Lebens gezählt waren, und so fürchtete er, Timotheus könnte zu spät eintreffen, um ihn noch zu sehen. Da auf dem jungen Mann große Verantwortung lag, wollte er ihm unbedingt einige wichtige Ratschläge und Unterweisungen erteilen. Obwohl er ihn dringend bat, ohne jede Verzögerung zu kommen, ließ er für den Fall, dass er seinen letzten Willen Timotheus nicht mehr persönlich würde mitteilen können, ihn niederschreiben. Paulus war liebevoll besorgt um Timotheus, seinen Sohn im Evangelium, sowie um die ihm anbefohlene Gemeinde. Deshalb legte er ihm besonders ans Herz, treu in seinem Amt auszuharren. DAp.327.3 Teilen

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Paulus begann seinen Brief mit dem Gruß: „Meinem lieben Sohn Timotheus: Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn! Ich danke Gott, dem ich diene von meinen Vorfahren her in reinem Gewissen, wenn ich ohne Unterlass deiner gedenke in meinem Gebet Tag und Nacht.“ 2.Timotheus 1,2f. DAp.328.1 Teilen

Dann machte der Apostel den Timotheus darauf aufmerksam, wie nötig es ist, sich im Glauben standhaft zu erweisen. „Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, dass du erweckest die Gabe Gottes, die in dir ist durch die Auflegung meiner Hände. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes.“ 2.Timotheus 1,6-8. Zudem bat Paulus ihn, nicht zu vergessen, dass er „mit einem heiligen Ruf“ berufen worden sei, die Macht dessen zu verkündigen, der „das Leben und ein unvergänglich Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium“. Von sich selbst erklärte er: „Für das ich eingesetzt bin als Prediger und Apostel und Lehrer. Aus diesem Grund leide ich dies alles; aber ich schäme mich dessen nicht; denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag.“ 2.Timotheus 1,9-12. DAp.328.2 Teilen

Während der vielen Jahre seines Dienstes hatte Paulus nie in seiner Treue zu seinem Heiland gewankt. Wo er auch immer gewesen war — ob vor finster dreinblickenden Pharisäern oder römischen Machthabern, vor der wütenden Volksmenge zu Lystra oder den Übeltätern im mazedonischen Kerker, ob er mit den vor panischer Angst zitternden Seeleuten auf dem sturmgeschädigten Schiff verhandelt oder alleingelassen sich vor Nero zu verantworten hatte ?, nie hatte er sich der Sache geschämt, die er vertrat. Das eine große Ziel seines Christenlebens war immer gewesen, dem zu dienen, dessen Namen er einst verachtet hatte. Von diesem Ziel konnte ihn weder Widerstand noch Verfolgung abbringen. Sein Glaube, der durch Erfahrungen gefestigt und durch Opfer geläutert worden war, hatte ihn gestützt und ihm Kraft verliehen. DAp.328.3 Teilen

„So sei nun stark, mein Sohn“, fuhr Paulus fort, „durch die Gnade in Christus Jesus. Und was du von mir gehört hast vor vielen Zeugen, das befiehl treuen Menschen an, die da tüchtig sind, auch andere zu lehren. Leide mit als ein guter Streiter Christi Jesu.“ 2.Timotheus 2,1-3. DAp.328.4 Teilen

Der wahre Diener Gottes wird weder Schwierigkeiten noch Verantwortung scheuen. Aus der Quelle, die denen nie versiegt, die ernstlich nach göttlicher Kraft verlangen, gewinnt er die Stärke, die ihn befähigt, Versuchungen zu begegnen und zu bestehen und die ihm von Gott auferlegten Pflichten zu erfüllen. Die Gnade, die er empfängt, ermöglicht es ihm, Gott und Gottes Sohn besser zu erkennen. Von ganzem Herzen sehnt er sich danach, seinem Meister im Dienst zur Verfügung zu stehen. Je länger er auf dem Weg der Nachfolge voranschreitet, desto mehr wird er gestärkt „durch die Gnade in Christus Jesus“. Diese Gnade befähigt ihn, treu zu bezeugen, was er gehört hat. Die von Gott empfangene Erkenntnis verachtet und vernachlässigt er nicht, sondern vertraut sie treuen Menschen an, die wieder andere lehren. DAp.328.5 Teilen

329

In diesem seinem letzten Brief an Timotheus hielt Paulus dem jüngeren Mitarbeiter das hohe Ziel vor Augen und wies auf die Pflichten hin, die einem Diener Christi aufgetragen sind. Er schreibt: „Bemühe dich darum, dich vor Gott zu erweisen als einen rechtschaffenen und untadeligen Arbeiter, der das Wort der Wahrheit recht austeilt ... Fliehe die Begierden der Jugend! Jage aber nach der Gerechtigkeit, dem Glauben, der Liebe, dem Frieden mit allen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen. Aber die törichten und unnützen Fragen weise zurück; denn du weißt, dass sie nur Streit erzeugen. Ein Knecht des Herrn aber soll nicht streitsüchtig sein, sondern freundlich gegen jedermann, im Lehren geschickt, der Böses ertragen kann und mit Sanftmut die Widerspenstigen zurechtweist, ob ihnen Gott vielleicht Buße gebe, die Wahrheit zu erkennen.“ 2.Timotheus 2,15.22-25. DAp.329.1 Teilen

Der Apostel warnte Timotheus auch vor den Irrlehrern, die versuchen, sich Eingang in die Gemeinde zu verschaffen: „Das sollst du aber wissen, dass in den letzten Tagen schlimme Zeiten kommen werden. Denn die Menschen werden viel von sich halten, geldgierig sein, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos ... sie haben den Schein der Frömmigkeit, aber deren Kraft verleugnen sie; solche Menschen meide!“ 2.Timotheus 3,1-5. DAp.329.2 Teilen

„Mit den Bösen Menschen aber“, fuhr er fort, „und Betrügern wird‘s je länger, desto ärger: sie verführen und werden verführt. Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast und dass du von Kind auf die Heilige Schrift kennst, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.“ 2.Timotheus 3,13-17. DAp.329.3 Teilen

Gott hat ausreichend Vorsorge getroffen, dass der Kampf gegen das Böse in der Welt erfolgreich geführt werden kann. Die Bibel ist die Rüstkammer, die uns die „Waffenrüstung Gottes“ für den Kampf liefert. Unsere Lenden müssen mit Wahrheit umgürtet sein. Gerechtigkeit muss unser Brustharnisch sein. Den „Schild des Glaubens“ müssen wir in den Händen, den „Helm des Heils“ auf unserem Haupt haben, und mit dem „Schwert des Geistes“ in der Hand, „welches ist das Wort Gottes“ (Epheser 6,13-17), können wir uns den Weg durch alte Hindernisse und Wirrsale der Sünde bahnen. DAp.329.4 Teilen

330

Paulus wusste, dass der Gemeinde eine Zeit ernster Gefahr bevorstand und dass diejenigen, die Leitungsaufgaben in den Gemeinden wahrnahmen, treue und gewissenhafte Arbeit würden tun müssen. Der Apostel schrieb deshalb an Timotheus: „So ermahne ich dich inständig vor Gott und Christus Jesus, der da kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich: Predige das Wort, stehe dazu, es sei zurzeit oder zur Unzeit; weise zurecht, drohe, ermahne mit aller Geduld und Lehre.“ 2.Tim. 4,1f DAp.330.1 Teilen

Diese ernste Aufforderung an einen so eifrigen und treuen Menschen wie Timotheus ist ein klares Zeugnis dafür, wie wichtig und verantwortungsvoll der Dienst eines Predigers des Evangeliums ist. Paulus stellte Timotheus vor die Schranken des göttlichen Gerichts und gebot ihm, das Wort zu predigen und nicht Meinungen oder Lehrsätze von Menschen. Er sollte bereit sein, für Gott zu zeugen, wo immer sich dazu Gelegenheit böte, sei es vor großen Versammlungen oder im kleinen Kreis, unterwegs oder im Haus, vor Freunden oder vor Feinden, unter gesicherten Verhältnissen, sowie in Schwierigkeiten und Gefahren, trotz Spott und Verlust. DAp.330.2 Teilen

Paulus befürchtete, dass Timotheus sich durch seine sanfte und nachgiebige Veranlagung dazu verleiten lassen könnte, einem wesentlichen Teil seiner Arbeit auszuweichen. Deshalb empfahl er ihm dringend, in aller Treue die Sünde zu rügen und mit aller Schärfe jene zurechtzuweisen, die sich grober Übertretungen schuldig machten. Jedoch sollte er das „mit aller Geduld und Lehre“ tun. Die Geduld und Liebe Christi sollte er dadurch bekunden, dass er seine Ermahnungen durch die Wahrheit des Wortes begründete und bekräftigte. DAp.330.3 Teilen

Sünde zu hassen und zu strafen, zugleich aber dem Sünder Mitleid und Rücksicht entgegenzubringen, ist eine schwierige Aufgabe. Je ernster wir danach streben, in unserem Herzen und Wandel geheiligt zu werden, desto klarer werden wir die Sünde erkennen und desto entschiedener jedes Abweichen vom Rechten beanstanden. Vor ungebührlicher Strenge dem Sünder gegenüber müssen wir uns vorsehen, andererseits aber dürfen wir nicht die Augen vor dem verabscheuungswürdigen Wesen der Sünde verschließen. So ist es einerseits notwendig, dem Irrenden christliche Geduld und Liebe entgegenzubringen; andererseits aber besteht die Gefahr, eine zu große Duldsamkeit zu bekunden, was ihn zu der Ansicht verleiten könnte, er habe keinen Tadel verdient und dürfe jeden Tadel als unangebracht und ungerechtfertigt abweisen. DAp.330.4 Teilen

Prediger des Evangeliums richten manchmal großen Schaden dadurch an, dass sie in ihrer Nachsicht den Irrenden gegenüber auch die Sünde dulden oder selbst an ihr teilhaben. So lassen sie sich verleiten, zu entschuldigen und zu beschönigen, was Gott verdammt. Mit der Zeit werden sie derart verblendet, dass sie diejenigen noch loben, die sie nach Gottes Willen tadeln sollten. Wer sein geistliches Urteilsvermögen dadurch abstumpft, dass er in sündhafter Milde über das hinwegsieht, was Gott verurteilt, wird sich bald noch mehr versündigen, weil er streng und hart zu denen wird, die Gott annimmt. DAp.330.5 Teilen

331

Durch die Überheblichkeit menschlicher Weisheit, durch Missachtung des Einflusses des Heiligen Geistes und durch Abneigung den Wahrheiten des Wortes Gottes gegenüber lassen sich viele, die vorgeben, Christen zu sein und sich berufen fühlen, andere zu lehren, zur Abkehr von Gottes Forderungen verleiten. Paulus erklärte Timotheus: „Es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht leiden werden; sondern nach ihren eigenen Lüsten werden sie sich selbst Lehrer aufladen, wonach ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit wenden und sich zu den Fabeln kehren.“ 2.Timotheus 4,3f. DAp.331.1 Teilen

Der Apostel bezieht sich hier nicht auf solche, die offen gottlos sind, sondern auf jene, die sich zwar Christen nennen, sich aber von ihren Neigungen leiten lassen und dadurch von ihrem eigenen Ich versklavt werden. Sie wollen nur den Lehren Gehör schenken, die weder ihre Sünden strafen noch ihren genusssüchtigen Wandel verdammen. Da sie sich von dem eindeutigen Wort der treuen Diener Christi verletzt fühlen, suchen sie sich Lehrer, von denen sie gelobt werden und die ihnen schmeicheln. Leider gibt es auch Prediger, die statt des Wortes Gottes menschliche Meinungen predigen. Entgegen ihrer Verantwortung führen sie diejenigen in die Irre, die in ihnen ihre geistlichen Führer sehen. DAp.331.2 Teilen

In den Geboten seines heiligen Gesetzes gab uns Gott eine vollkommene Lebensregel und hat erklärt, dass dieses Gesetz unverändert für alle gültig ist, ja, nicht einmal der kleinste Buchstabe wird bis zum Ende der Zeiten vergehen. Christus kam, um das Gesetz herrlich und groß zu machen. Er zeigte, dass es sich auf der Liebe zu Gott und zum Nächsten gründet und dass alle sittlichen Pflichten im Gehorsam gegenüber diesen Weisungen zusammengefasst sind. In seinem Leben gab uns Christus selbst ein Beispiel solchen Gehorsams gegenüber dem Gesetz Gottes. In der Bergpredigt zeigte er, wie die Forderungen des Gesetzes sich nicht nur auf äußerliche Handlungen, sondern darüber hinaus auch auf Gedanken und Absichten erstrecken. DAp.331.3 Teilen

Gehorchen wir dem Gesetz Gottes, dann können wir „das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste“ verleugnen und „züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt“. Titus 2,12. Aber der Feind aller Gerechtigkeit hat die Welt betört und die Menschen dazu verleitet, dem Gesetz ungehorsam zu sein. Tausende und aber Tausende haben sich, wie Paulus voraussah, von den leicht verständlichen, durchdringenden Wahrheiten des Wortes Gottes abgewandt und sich Lehrer erwählt, die ihnen solche Fabeln anbieten, die sie gern hören wollen. So werden Gottes Gebote sowohl von Predigern als auch von Gemeindegliedern mit Füßen getreten. Dadurch wird der Schöpfer der Welt geschmäht, und Satan frohlockt über den Erfolg seiner Verführungen. DAp.331.4 Teilen

332

Mit der wachsenden Missachtung des Gesetzes Gottes nimmt auch die Abneigung gegen alles Religiöse zu, ferner Stolz, Vergnügungssucht, Ungehorsam den Eltern gegenüber und zügellose Genusssucht. Allenthalben werfen denkende Menschen besorgt die Frage auf: „Was kann getan werden, um diesen erschreckenden Übeln entgegenzutreten?“ Die Antwort gibt Paulus in seiner Ermahnung an Timotheus: „Predige das Wort.“ In der Bibel finden wir die einzigen zuverlässigen Richtlinien für unser Handeln. Sie ist eine Niederschrift des göttlichen Willens, ein Ausdruck himmlischer Weisheit. Sie öffnet dem Menschen das Verständnis für die wichtigen Fragen des Lebens. Alle, die ihre Weisungen beachten, finden in ihr einen nie irrenden Führer, der sie davor bewahrt, ihr Leben mit irregeleiteten Bemühungen zu vergeuden. DAp.332.1 Teilen

Gott hat seinen Willen kundgetan, deshalb ist es töricht, wenn der Mensch bezweifelt, was aus dem Mund des Ewigen gekommen ist. Wo die ewige Weisheit gesprochen hat, gibt es für den Menschen keine Zweifelsfragen zu klären und keine ungewissen Möglichkeiten zu bedenken. Er hat nur noch dem deutlich ausgesprochenen Gotteswillen frei und offen zuzustimmen. Gehorsam ist die höchste Forderung der Vernunft und des Gewissens. DAp.332.2 Teilen

Paulus fuhr mit seinen Ermahnungen fort: „Du aber sei nüchtern allenthalben, leide willig, tu das Werk eines Predigers des Evangeliums, richte dein Amt redlich aus.“ 2.Timotheus 4,5. Er stand vor der Vollendung seines Lebenslaufes und wünschte sich, dass Timotheus seine Stelle einnähme und die Gemeinden vor den vielerlei gearteten Fabeln und Irrlehren bewahrte, durch die der Feind versuchen würde, sie vom schlichten Evangelium abwendig zu machen. Deshalb ermahnte er ihn, alle weltlichen Unternehmungen und Verbindungen zu meiden, die ihn hindern könnten, sich uneingeschränkt dem Werk Gottes zu widmen und mit Freudigkeit Widerspruch, Tadel und Verfolgung zu ertragen, denen er sich durch seine Treue aussetzen würde. Sein Predigtamt würde er dann recht ausrichten, wenn er mit all seinen Kräften denen Gutes täte, für die Christus starb. DAp.332.3 Teilen

Paulus stellte mit seinem Leben die Wahrheiten dar, die er lehrte, und darauf beruhte seine Kraft. Er war sich jederzeit seiner Verantwortung vollständig bewusst und wirkte in enger Verbindung mit dem, der die Quelle der Gerechtigkeit, Gnade und Wahrheit ist. Er klammerte sich an Christi Kreuz, die einzige Bürgschaft des Sieges. Die Liebe des Heilandes war die unvergängliche Triebkraft, die ihn in seinen inneren Konflikten und in seinem Ringen gegen das Böse aufrechterhielt, wenn er im Dienst für Christus ungeachtet der Unfreundlichkeit der Welt und des Widerstandes seiner Feinde voranging. DAp.332.4 Teilen

333

Was die Gemeinde in den gegenwärtigen gefahrvollen Zeiten braucht, ist ein Heer von Mitarbeitern, die sich selbst wie Paulus zu nützlichem Dienst erzogen haben, eine reiche Erfahrung mit Gott besitzen und mit Eifer und Hingabe erfüllt sind. Geheiligte, opferwillige Männer werden benötigt, die weder vor Schwierigkeiten noch vor der Verantwortung zurückschrecken, die tapfer und treu sind, Christus als „Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kolosser 1,27) in ihre Herzen aufgenommen haben und das Wort predigen mit Lippen, die von heiliger Glut berührt wurden. Jesaja 6,6f. Aus Mangel an solchen Mitarbeitern liegt das Werk Gottes am Boden, und unheilvolle Irrtümer verderben, wie durch ein tödliches Gift, die Moral und ersticken die Hoffnung vieler Menschen. DAp.333.1 Teilen

Wer wird dafür an die Stelle unserer alt gewordenen, bewährten Bannerträger treten, die ihre Kräfte um der Wahrheit willen aufgebraucht haben? Werden unsere jungen Leute das heilige Vermächtnis aus den Händen ihrer Väter entgegennehmen? Bereiten sie sich darauf vor, die Lücken auszufüllen, die durch den Tod der Getreuen entstehen? Werden sie den Auftrag des Apostels beachten und den Ruf der Pflicht ernst nehmen trotz aller Versuchungen zu Selbstsucht und Ehrgeiz, wie sie an Jugendliche herantreten? DAp.333.2 Teilen

Paulus schloss seinen Brief mit persönlichen Botschaften an verschiedene Gemeindeglieder. Noch einmal wiederholte er die dringende Bitte, dass Timotheus bald, möglichst noch vor dem Winter zu ihm kommen möge. Er sprach von seiner Einsamkeit, die dadurch verursacht worden war, dass einige seiner Freunde ihn verlassen hatten und andere aus dringenden Gründen abwesend waren. Damit Timotheus ja nicht zögere aus Sorge, die Gemeinde Ephesus benötige ihn dringend, schrieb ihm Paulus, dass er Tychikus bereits abgesandt habe, um seinen Platz dort einzunehmen. DAp.333.3 Teilen

Er erwähnte noch, dass er vor Nero verhört worden sei, dass seine Brüder ihn verlassen hätten und dass ihm allein der gnädige Gott beigestanden habe. Dann schloss Paulus seinen Brief, wobei er seinen geliebten Timotheus der Fürsorge des Oberhirten anempfahl, der weiterhin für seine Herde sorgen würde, wenn auch die Unterhirten den Tod erleiden müssten. DAp.333.4 Teilen

Kapitel 50: Zum Tod verurteilt
335

Paulus hatte während seines letzten Verhörs vor Nero durch seine Worte einen so starken Eindruck auf den Kaiser gemacht, dass dieser die Entscheidung des Verfahrens hinausschob. Er sprach den angeklagten Apostel weder frei noch verurteilte er ihn. Doch bald war der Kaiser sehr verärgert über Paulus. Er war erbittert, weil es ihm nicht gelang, die Ausbreitung des christlichen Glaubens am kaiserlichen Hof zu unterbinden. So beschloss er, den Apostel töten zu lassen, sobald sich ein entsprechender Vorwand dafür fände. Nicht lange danach gab Nero den Entscheid bekannt, nach dem Paulus den Märtyrertod sterben musste. Da er als römischer Bürger nicht der Folterung unterworfen werden durfte, lautete das Urteil auf Enthauptung. DAp.335.1 Teilen

Unauffällig wurde Paulus zur Hinrichtungsstätte geführt. Nur wenige Zuschauer durften zugegen sein, denn seine Verfolger fürchteten, beunruhigt durch seinen starken Einfluss, dass sein Sterben andere veranlassen könnte, sich zum Christentum zu bekehren. Doch selbst die harten Kriegsknechte, die ihn begleiteten, hörten seinen Worten zu, und verwundert sahen sie, wie er heiter, ja sogar freudig dem Tod entgegensah. Seine Bereitschaft, seinen Mördern zu vergeben, und sein bis zum letzten Augenblick unwandelbares Vertrauen auf Christus wurde manchem Zeugen seines Märtyrertodes ein Anstoß zum ewigen Leben. Mehr als einer von ihnen nahm den Heiland an, den Paulus ihnen gepredigt hatte, und besiegelten selbst nur kurze Zeit später den neuen Glauben mit ihrem Blut. DAp.335.2 Teilen

Bis zur letzten Stunde seines Lebens bezeugte Paulus die Wahrheit seiner Worte an die Korinther: „Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben aber solchen Schatz in irdenen Gefäßen, auf dass die überschwängliche Kraft sei Gottes und nicht von uns. Wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängsten uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um und tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, auf dass auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde.“ 2.Korinther 4,6-10. Seine Tüchtigkeit war nicht in ihm selbst begründet, sondern in der Gegenwart und Wirksamkeit des göttlichen Geistes, der ihn völlig erfüllte und all sein Denken dem Willen Christi unterordnete. Der Prophet erklärt: „Wer festen Herzens ist, dem bewahrst du Frieden; denn er verlässt sich auf dich.“ Jesaja 26,3. Dieser himmlische Friede prägte das Antlitz des Apostels und gewann manch eine Seele für das Evangelium. DAp.335.3 Teilen

336

Stets war Paulus von himmlischer Atmosphäre umgeben. Alle, die mit ihm Umgang hatten, spürten seine Gemeinschaft mit Christus. Dass die von ihm verkündigte Wahrheit sich in seinem Leben offenbarte, verlieh seiner Predigt überzeugende Kraft. Hierin liegt die Macht der Wahrheit. Der unbeabsichtigte, unbewusste Einfluss eines geheiligten Lebens ist eine Predigt, die mehr als alles andere vom Christentum überzeugt. Beweisgründe können mitunter, selbst wenn sie unwiderlegbar sind, nur noch stärkeren Widerstand erregen. Von dem Beispiel eines göttlichen Wandels geht aber eine Kraft aus, der man sich unmöglich ganz entziehen kann. DAp.336.1 Teilen

In seiner Sorge für alle, die er nun verlassen sollte und die den Kampf gegen Vorurteil, Hass und Verfolgung aufnehmen mussten, verlor der Apostel die Leiden ganz aus den Augen, die ihm selbst bevorstanden. Die wenigen Christen, die ihn zur Hinrichtungsstätte begleiteten, erinnerte er an die Verheißungen, die denen gelten, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Auf diese Weise konnte er sie stärken und ermutigen. Er versicherte ihnen, dass nichts von dem ausbleiben werde, was der Herr seinen angefochtenen und treuen Kindern verheißen hatte. Selbst wenn sie eine Zeitlang in Anfechtung und Bedrängnis geraten und alle irdischen Annehmlichkeiten entbehren müssten, dürften sie doch aus der Zusicherung der Treue Gottes neuen Mut schöpfen und bekennen: „Ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, er kann mir bewahren, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag.“ 2.Timotheus 1,12. Bald werde die Nacht der Schwierigkeiten und Leiden enden und der frohe Morgen des Friedens und des vollkommenen Tages anbrechen. DAp.336.2 Teilen

Nicht mit Ungewissheit oder Furcht, sondern mit freudiger Hoffnung und sehnsüchtiger Erwartung blickte der Apostel in das wunderbare Jenseits. Als er an der Stätte seines Martyriums stand, sah er weder das Schwert des Scharfrichters noch die Erde, die bald sein Blut aufnehmen sollte. Durch das Blau des Himmels blickte er an jenem Sommertag hinauf zum Thron des Ewigen. DAp.336.3 Teilen

Dieser Mann des Glaubens schaute — wie damals Jakob im Traum — die Himmelsleiter als ein Sinnbild auf Christus, der die Erde mit dem Himmel, den vergänglichen Menschen mit dem unvergänglichen Gott verbunden hat. Er wurde im Glauben gestärkt, als er sich daran erinnerte, wie sich schon die Patriarchen und Propheten auf den verlassen hatten, der auch seine Stütze und sein Trost war, und für den er nun sein Leben hingab. Von diesen heiligen Männern, die von Jahrhundert zu Jahrhundert Zeugnis für ihren Glauben abgelegt hatten, erhielt er die Gewissheit, dass Gott treu ist. Von seinen Mitaposteln, die um des Evangeliums willen vor jüdischem Fanatismus, heidnischem Aberglauben, Verfolgung und Verachtung nicht zurückgeschreckt waren und ihr Leben nicht geschont hatten, wenn inmitten geistlicher Finsternis das Licht vom Kreuz hochgehalten werden musste, vernahm er das klare Zeugnis, dass Jesus Gottes Sohn und der Welt Heiland sei. Von Folterstätten und Scheiterhaufen, aus Kerkern, Höhlen und Klüften der Erde drang der Siegesruf der Märtyrer an sein Ohr. Er hörte das Bekenntnis jener Standhaften, die, obwohl sie verlassen, verfolgt und gepeinigt waren, dennoch furchtlos und ernst ihren Glauben bezeugten und sprachen: „Ich weiß, an wen ich glaube!“ Die um ihres Glaubens willen ihr Leben hingaben, bekundeten damit vor der Welt, dass der, dem sie vertrauten, sie zu erretten vermag. DAp.336.4 Teilen

337

Losgekauft durch das Opfer Christi, und reingewaschen in Seinem Blut von der Sünde und bekleidet mit Seiner Gerechtigkeit, trug Paulus in sich die Gewissheit, dass er in den Augen des Erlösers kostbar war. Sein Leben war verborgen mit Christus in Gott. Er war überzeugt, dass Er, der den Tod überwunden hat, auch das bewahren wird, was ihm anvertraut ist. Er klammerte sich an die Verheißung des Heilandes: „Ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tage.“ Johannes 6,40. Seine Gedanken und Hoffnung waren auf die Wiederkunft seines Herrn gerichtet. Als das Schwert des Henkers fiel und die Schatten des Todes den Märtyrer umfingen, war sein letzter Gedanke — der bei jenem großen Erwachen auch sein erster sein wird ?, dass er dem Herrn des Lebens begegnen werde, der ihn zur Freude der Gesegneten willkommen heißen wird. DAp.337.1 Teilen

Viele Jahrhunderte sind verstrichen, seitdem der betagte Paulus sein Blut als Zeuge für das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi vergoss. Keine treue Hand hat den nachfolgenden Generationen über die letzten Stunden dieses heiligen Mannes genau Bericht erstattet. Durch den Heiligen Geist wurde uns aber sein letztes Zeugnis aufbewahrt. Einem Posaunenton gleich erklang seither seine Stimme durch alle Zeiten. Tausende von Zeugen Christi wurden von seinem Mut beseelt, und in aber Tausenden von schwerbeladenen Herzen wurde ein Widerhall seiner siegesgewissen Freude erweckt: „Ich werde schon geopfert, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten; hinfort ist mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tage geben wird, nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung liebhaben.“ 2.Timotheus 4,6-8. DAp.337.2 Teilen

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