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Kapitel 14: Wir haben den Messias gefunden
Kapitel 14: Wir haben den Messias gefunden
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Auf der Grundlage von Markus 1,2-8; Lukas 3,1-18; Johannes 1,19-51. DM.92 Teilen

Der Täufer Johannes predigte und taufte bei Bethabara jenseits des Jordans. Nicht weit von dieser Stelle entfernt hatte Gott einst den Lauf des Flusses aufgehalten, bis das Volk Israel hindurchgegangen war. Unweit davon war auch die Stadtfestung Jericho durch himmlische Heere gestürmt worden. Alle diese Erinnerungen wurden wieder wachgerufen und verliehen der Botschaft des Täufers besondere Bedeutung. Würde der Gott, Der einst so wunderbar gewirkt hatte, erneut Seine Macht für die Befreiung Israels offenbaren? Diese Gedanken bewegten die Herzen des Volkes, so dass sie sich täglich zahlreich an den Ufern des Jordans versammelten. DM.92.1 Teilen

Die Predigten von Johannes waren im Volk auf ein so großes Echo gestoßen, dass sie die Aufmerksamkeit der geistlichen Oberen erforderten. Die Römer sahen misstrauisch auf jede öffentliche Versammlung, weil sie darin die Gefahr einer Empörung sahen, und jedes mögliche Anzeichen für einen Volksaufstand erregte die Befürchtungen der jüdischen Führung. Johannes hatte die Autorität des Hohen Rates nicht anerkannt und diesen nicht um Erlaubnis für sein Wirken gebeten. Er hatte sowohl die Leiter und das Volk als auch Pharisäer und Sadduzäer gleichermaßen getadelt. Dennoch folgte das Volk ihm eifrig. Das Interesse an seinem Werk schien ständig zu wachsen. Obwohl er beim Hohen Rat nie nach Anerkennung gesucht hatte, rechnete ihn dieser als öffentlichen Lehrer unter seine Gerichtsbarkeit. DM.92.2 Teilen

Diese Körperschaft setzte sich aus Mitgliedern zusammen, die aus der Priesterschaft gewählt wurden, sowie aus den Obersten und Lehrern des Volkes. Der Hohepriester war normalerweise der Vorsitzende. Alle Mitglieder dieses Rates waren zwar ältere Männer, jedoch keine Greise. Es waren gelehrte Männer, die nicht allein in der jüdischen Religion und Geschichte, sondern auch in den allgemeinen Wissenschaften bewandert waren. Sie durften keine körperlichen Gebrechen haben, mussten Ehemänner und Väter sein, um sich mehr als andere menschlich und rücksichtsvoll benehmen zu können. Ihr Versammlungsort war ein mit dem Tempel in Jerusalem verbundener Raum. Zur Zeit der jüdischen Unabhängigkeit war der Hohe Rat oder Sanhedrin der Oberste Nationale Gerichtshof und besaß sowohl weltliche als auch geistliche Autorität. Obwohl er jetzt den römischen Statthaltern untergeordnet war, übte er trotzdem einen großen Einfluss in bürgerlichen und religiösen Angelegenheiten aus. DM.92.3 Teilen

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Der Hohe Rat konnte es nicht lange hinausschieben, die Tätigkeit von Johannes zu untersuchen. Einige erinnerten sich an die Offenbarung des alten Zacharias im Tempel und an die Weissagung des Vaters, die seinen Sohn als Vorläufer des Messias gekennzeichnet hatte. In den Unruhen und Veränderungen der letzten 30 Jahre hatte man diese Hinweise weitgehend aus den Augen verloren. Nun aber dachte man daran in der Erregung, die durch den Dienst des Johannes entstanden war. DM.93.1 Teilen

Es war schon lange her, seit Israel einen Propheten hatte und man solch eine Reformation miterleben konnte, wie sie jetzt im Entstehen war. Das Gebot, die Sünden zu bekennen, schien neu und erschreckend. Viele von den Leitern wollten nicht hingehen, um sich die Aufrufe und Anklagen von Johannes anzuhören, denn sie befürchteten, von Johannes ihrer Lebensgeheimnisse überführt zu werden. Doch seine Predigt war eine direkte Ankündigung des Messias. Es war gut bekannt, dass die 70 Wochen aus den Weissagungen Daniels, die sich auf die Ankunft des Messias beziehen, fast um waren, und jeder wollte am Zeitalter der nationalen Herrlichkeit teilhaben, das dann erwartet wurde. Die Begeisterung des Volkes war so groß, dass sich der Hohe Rat genötigt sah, dem Wirken von Johannes entweder zuzustimmen oder es zu verwerfen. Ihre Macht über das Volk hatte schon bedenklich abgenommen. Es stellte sich ihnen die ernste Frage, wie sie ihre Autorität aufrecht halten sollten. In der Hoffnung, zu irgendeinem Entschluss zu kommen, sandte man eine Abordnung von Priestern und Leviten an den Jordan, um sich mit dem neuen Lehrer zu befassen. DM.93.2 Teilen

Eine große Volksmenge war beisammen und lauschte seinen Worten, als die Abgeordneten dem Jordan näher kamen. Die hochmütigen Rabbiner trugen mit autoritärer Mine ein betont vornehmes Wesen zur Schau, um das Volk zu beeindrucken und die Ehrerbietung des Propheten herauszufordern. Respektvoll, ja geradezu furchtsam teilte sich die Menge beim Herannahen der Priester, um sie hindurch zu lassen. Die großen Männer in ihren prächtigen Gewändern, stolz auf Rang und Macht, standen jetzt vor dem Prediger in der Wüste. „Wer bist du?“, wollten sie wissen. Johannes, der ihre Gedanken erriet, antwortete: „Ich bin nicht der Christus.“ Sie fragten ihn: „Was denn? Bist du Elia?“ Er sprach: „Ich bin‘s nicht.“ „Bist du der Prophet?“ „Nein.“ Da sprachen sie zu ihm: „Was bist du denn? dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst?“ „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Richtet den Weg des Herrn! wie der Prophet Jesaja gesagt hat.“ Johannes 1,19-23. DM.93.3 Teilen

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Die Schriftstelle, auf die Johannes hier verwies, war jene herrliche Weissagung: „Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott. Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist ... Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat‘s geredet“. Jesaja 40,1-5. DM.94.1 Teilen

Wenn im Altertum ein König durch weniger bevölkerte Teile eines Gebiets reiste, wurde dem fürstlichen Wagen eine Abteilung vorausgeschickt, um die Erhebungen des Weges abzutragen und Vertiefungen aufzufüllen, damit der König sicher und unbehindert reisen konnte. Dieses Bild verwendete der Prophet, um das Wirken des Evangeliums zu veranschaulichen. „Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden.“ Wenn der Geist Gottes mit Seiner wunderbar aufrüttelnden Kraft die Seele berührt, demütigt er den menschlichen Stolz. Weltliche Vergnügungen, sowie Ehre und Macht werden als wertlos angesehen. Die „Anschläge und alles Hohe, das sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes“, werden zunichte, und jeder Gedanke wird gefangen genommen „unter den Gehorsam Christi“. 2.Korinther 10,5. Dann stehen Demut und selbstlose Liebe hoch in Kurs, die sonst unter den Menschen wenig geschätzt werden. Das macht das Werk des Evangeliums aus, von dem die Botschaft des Johannes ein Teil war. DM.94.2 Teilen

Die Rabbiner setzten ihre Befragung fort: „Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet?“ Johannes 1,25. Das Wort „der Prophet“ bezog sich auf Mose. Die Juden waren der Meinung, dass Mose von den Toten auferstehen und zum Himmel auffahren würde. Sie wussten nicht, dass er längst auferstanden war. Als der Täufer seinen Dienst begann, dachten viele, er wäre der von den Toten auferstandene Mose, denn er schien sehr genaue über die Prophezeiungen und die Geschichte Israels Bescheid zu wissen. Sie glaubten auch, dass vor dem Kommen des Messias Elia persönlich erscheinen würde. Dieser Erwartung begegnete Johannes mit einer Verneinung, doch hatten seine Worte eine tiefere Bedeutung. Jesus sagte später, indem Er auf Johannes verwies: „Wenn ihr‘s annehmen wollt: er ist Elia, der da kommen soll“. Matthäus 11,14. Johannes kam im Geist und in der Kraft Elias, um ein solches Werk zu tun, wie es auch Elia tat. Hätten die Juden ihn angenommen, dann wäre es auch für sie ausgeführt worden. Doch sie nahmen seine Botschaft nicht an, denn für sie war er nicht der Elia. So konnte er auch für sie nicht die Aufgabe ausführen, die zu tun er gekommen war. DM.94.3 Teilen

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Viele von denen, die sich am Jordan versammelten, waren bei der Taufe Jesu dabei gewesen, doch das dort gegebene Zeichen war nur wenigen offenbart worden. Während der vorangegangenen Monate der Tätigkeit des Täufers hatten viele es abgelehnt, den Bußruf zu beachten. Dadurch hatten sie ihre Herzen verhärtet und ihr Verstand wurde verdunkelt. Als der Himmel bei der Taufe Jesu von Ihm Zeugnis ablegte, nahmen sie es nicht wahr. Augen, die sich niemals glaubensvoll Ihm, dem Unsichtbaren, zugewandt hatten, sahen nicht die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. Ohren, die niemals Seiner Stimme gelauscht hatten, hörten auch nicht die Worte des Zeugnisses. Genauso ist es auch heute. Oft ist die Gegenwart Christi und der dienenden Engel in den Zusammenkünften der Menschen offenbar geworden, und dennoch gibt es viele, die nichts davon wissen. Sie bemerken nichts Ungewöhnliches. Doch einigen Leuten wurde die Gegenwart des Heilands enthüllt. Frieden und Freude belebten ihre Herzen. Sie wurden getröstet, ermutigt und gesegnet. DM.95.1 Teilen

Die Abgesandten aus Jerusalem hatten Johannes weiter gefragt: „Warum taufst du denn?“, und sie erwarteten seine Antwort. Plötzlich, als sein Blick über die Menge flog, strahlten seine Augen, sein Gesicht hellte auf und er war tief bewegt. Mit ausgestreckten Händen rief er: „Ich taufe mit Wasser; aber Er ist mitten unter euch getreten, den Ihr nicht kennt. Der wird nach mir kommen, und ich nicht wert bin, dass ich Seine Schuhriemen löse“. Johannes 1,26.27. DM.95.2 Teilen

Das war eine klare, unmissverständliche Botschaft, die dem Hohen Rat gebracht werden sollte. Die Worte von Johannes konnten auf niemand anderen angewandt werden, als auf den schon lange Verheißenen. Der Messias befand sich unter ihnen! Erstaunt blickten die Priester und Obersten um sich, um denjenigen zu entdecken, von dem Johannes gesprochen hatte, aber Er war in der großen Menschenmenge nicht zu sehen. DM.95.3 Teilen

Als Johannes bei der Taufe Jesu auf Ihn als das Lamm Gottes wies, fiel neues Licht auf die Aufgabe des Messias. Die Gedanken des Propheten wurden auf die Worte Jesajas gelenkt: „Wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“. Jesaja 53,7. Während der folgenden Wochen studierte Johannes mit neuem Interesse die Weissagungen und Lehren des Opferdienstes. Er unterschied zwar nicht klar die zwei Phasen der Tätigkeit Christi — einmal als leidendes Opfer, zum anderen als siegreicher König —, doch er sah, dass Sein Kommen eine tiefere Bedeutung hatte, als es von den Priestern oder vom Volk erkannt wurde. Als er Jesus bei dessen Rückkehr aus der Wüste unter der Menge erblickte, hoffte er zuversichtlich, dass Er dem Volk einige Zeichen Seines wahren Charakters gäbe. Fast ungeduldig wartete er darauf, dass der Heiland Seine Mission erklärte, doch kein Wort wurde gesprochen, und kein Zeichen gegeben. Jesus reagierte nicht auf die Ankündigung des Täufers, sondern mischte sich unter die Anhänger von Johannes und gab weder ein äußerliches Zeichen Seiner besonderen Aufgabe, noch unternahm er etwas, um die Aufmerksamkeit auf Sich zu lenken. Am nächsten Tag sah Johannes Jesus herankommen. DM.95.4 Teilen

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Erfüllt von der Herrlichkeit Gottes, streckte der Prophet seine Hände aus und rief: „Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! Das ist der, von dem ich sagte: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. Und ich kannte ihn nicht; aber damit er Israel offenbar würde, darum bin ich gekommen, mit Wasser zu taufen. ... Ich sah den Geist wie eine Taube vom Himmel herabsteigen, und er blieb auf ihm. Und ich kannte ihn nicht; aber der mich sandte, mit Wasser zu taufen, der sprach zu mir: Der, auf den du den Geist herabsteigen und auf ihm bleiben siehst, der ist‘s, der mit Heiligem Geist tauft. Und ich habe es gesehen und bezeuge, dass dieser der Sohn Gottes ist.“ Johannes 1,29-34. DM.96.1 Teilen

War dieser der Christus? Ehrfürchtig und verwundert sahen die Menschen auf den, der gerade als Sohn Gottes bezeichnet worden war. Sie wurden durch die Worte von Johannes tief bewegt. Er hatte zu ihnen im Namen Gottes gesprochen. Sie hatten ihm Tag für Tag zugehört, als er ihre Sünden rügte, und waren täglich immer mehr überzeugt worden, dass er vom Himmel gesandt sei. Aber wer war Dieser, der größer als Johannes der Täufer sein sollte? In Seiner Kleidung und Haltung war nichts, was nach einem besonderen Rang aussah. Er schien ein gewöhnlicher Mensch zu sein — ebenso gekleidet wie sie mit dem bescheidenen Gewand der Armen. DM.96.2 Teilen

Unter der Menge gab es einige, die bei Jesu Taufe die göttliche Herrlichkeit gesehen und die Stimme Gottes gehört hatten. Doch seitdem hatte sich das Aussehen des Heilandes sehr verändert. Bei der Taufe sahen sie Sein Angesicht durch das Licht vom Himmel verklärt, jetzt war es bleich, matt und abgezehrt. Er wurde nur vom Propheten erkannt. Als aber die Leute Ihn anschauten, sahen sie ein Angesicht, in dem sich göttliches Erbarmen mit bewusster Stärke verband. Jeder Blick, jeder Gesichtsausdruck war von Demut und unaussprechlicher Liebe geprägt. Er schien von einer Atmosphäre geistlichen Einflusses auszugehen. Während Sein Benehmen sanft und anspruchslos war, beeindruckte Er die Menschen durch eine verborgene Macht, die jedoch nicht ganz unsichtbar bleiben konnte. War dies Der, auf den Israel so lange gewartet hatte? DM.96.3 Teilen

Jesus kam in Armut und Erniedrigung, damit Er sowohl unser Vorbild als auch unser Erlöser sein konnte. Wenn Er in königlicher Pracht erschienen wäre, wie hätte Er Demut lehren können? Und wie hätte Er solch herausfordernde Wahrheiten wie in der Bergpredigt äußern können? Wo wäre die Hoffnung der Niedrigen denn geblieben, wenn Jesus nur gekommen wäre, um als König unter den Menschen zu leben? DM.96.4 Teilen

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Der Menge schien es dennoch unmöglich, dass dieser Eine, von Johannes angekündigt, mit ihren hohen Erwartungen im Zusammenhang stehen sollte. Deshalb waren viele enttäuscht und äußerst verwirrt. DM.97.1 Teilen

Die Worte, welche die Priester und Rabbiner so gern hören wollten, dass Jesus nun die Königsherrschaft in Israel wieder aufrichten würde, blieben ungesagt. Auf so einen König hatten sie unablässig gewartet. Solch einen König wollten sie gern willkommen heißen. Doch jemand, der in ihren Herzen ein Königreich der Gerechtigkeit und des Friedens aufrichten wollte, den würden sie nicht annehmen. DM.97.2 Teilen

Am nächsten Tag, während in seiner Nähe zwei Jünger standen, sah Johannes Jesus unter dem Volk. Wieder erhellte sich das Angesicht des Propheten von der Herrlichkeit des Unsichtbaren, als er ausrief: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“ Diese Worte begeisterten die Jünger, obwohl sie nicht ganz deren Sinn verstanden. Was bedeutete der Name, den Johannes Ihm gab — „Gottes Lamm“? Der Täufer hatte es nicht erklärt. DM.97.3 Teilen

Die Jünger verließen Johannes und suchten Jesus auf. Einer der beiden war Andreas, der Bruder von Simon; der andere war Johannes, der Evangelist. Sie wurden die ersten Jünger Christi. Getrieben von einem unwiderstehlichen Impuls, folgten sie Ihm und wollten gern mit Ihm reden, dennoch schwiegen sie vor Ehrfurcht — überwältigt von dem Gedanken: „Ist dieser der Messias?“ DM.97.4 Teilen

Jesus wusste, dass Ihm die Jünger folgten. Sie waren die Erstlingsfrucht Seines Dienstes, und das Herz des göttlichen Lehrers freute sich, als diese Menschen von Seiner Gnade bewegt wurden. Doch als Er sich umwandte, fragte Er nur: „Was sucht ihr?“ Johannes 1,38.39. Er wollte ihnen die Freiheit lassen, umzukehren oder ihr Verlangen auszusprechen. DM.97.5 Teilen

Die Jünger waren sich aber nur eines bewusst: Die Gegenwart des Einen erfüllte ihre Gedanken. Sie sprachen: „Rabbi, wo wohnst du?“ In einer kurzen Unterhaltung am Wege konnten sie nicht das empfangen, wonach sie sich sehnten. Sie wollten mit Jesus allein sein, zu Seinen Füßen sitzen und Seine Worte hören. Da sprach der Herr zu ihnen: „Kommt und seht! Sie kamen und sahen‘s und blieben den Tag bei ihm“. Johannes 1,39. DM.97.6 Teilen

Hätten Johannes und Andreas den ungläubigen Geist der Priester und Obersten gehabt, dann wären sie nicht als Lernende zu den Füßen des Herrn gesessen, sondern wären zu Ihm als Kritiker gekommen, um über Seine Worte zu richten. Auf diese Weise verschließen sich viele die Tür für die wertvollsten Gelegenheiten. Doch diese Jünger Christi handelten anders. Sie hatten den Ruf des Heiligen Geistes in der Predigt von Johannes dem Täufer erwidert. Nun erkannten sie auch die Stimme des himmlischen Lehrers. So waren ihnen die Worte Jesu voller Frische, Wahrheit und Schönheit. Göttliche Erleuchtung erhellte die Lehren der alttestamentlichen Schriften. Die alten Themen der Wahrheit erscheinen ihnen in einem ganz neuen Licht. Es sind Reue, Glaube und Liebe, die den Menschen befähigen, die himmlische Weisheit zu erhalten. Der Glaube, der durch die Liebe wirkt, ist der Schlüssel zur Erkenntnis, und jeder, der „liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.“ 1.Johannes 4,7. DM.97.7 Teilen

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Der Jünger Johannes war ein Mensch, von ernstem, tiefem Gemüt, inbrünstig und dennoch nachdenklich. Er hatte angefangen, die Herrlichkeit Christi zu erkennen — nicht den weltlichen Prunk und die Macht, auf die zu hoffen er gelehrt worden war, sondern „seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit, wie sie der einzige [Sohn] von seinem Vater hat, voll Gnade und Wahrheit“. Johannes 1,14 (Zürcher). Er war vom Nachdenken über dieses wunderbare Thema ganz in Anspruch genommen. DM.98.1 Teilen

Andreas wollte gern die Freude weitergeben, die sein Herz erfüllte. Er suchte seinen Bruder Simon auf und rief: „Wir haben den Messias gefunden“. Johannes 1,41. Simon brauchte keine weitere Aufforderung. Auch er hatte der Predigt von Johannes dem Täufer gelauscht und eilte nun zum Heiland. Christi Auge ruhte auf ihm, während es seinen Charakter und den Lauf seines Lebens sah: Seine impulsive Natur, sein liebendes, teilnahmsvolles Herz, sein Ehrgeiz und sein Selbstvertrauen, die Geschichte seines Falls, seine Reue, sein Wirken und sein Märtyrertod — all das sah der Erlöser und sagte: „Du bist Simon, des Johannes Sohn; du sollst Kephas heißen, das wird verdolmetscht: Fels“. Johannes 1,42. DM.98.2 Teilen

„Als Jesus am nächsten Tag beschloss, nach Galiläa zu gehen, begegnete er Philippus und sagte zu ihm: ‚Komm mit und folge mir nach.‘“ Joh. 1,43; NL Philippus gehorchte dieser Aufforderung und wurde sofort ein Mitarbeiter Christi. DM.98.3 Teilen

Philippus rief Nathanael. Dieser war unter der Menge gewesen, als der Täufer auf Jesus als Lamm Gottes hinwies. Als Nathanael Jesus sah, war er enttäuscht. Konnte dieser Mann, der die Spuren von Arbeit und Armut an sich trug, wirklich der Messias sein? Doch Nathanael wollte Jesus nicht verwerfen; die Botschaft des Täufers hatte ihn überzeugt. DM.98.4 Teilen

Als Philippus ihn jetzt rief, hatte Nathanael sich gerade in einen stillen Hain zurückgezogen, um über die Ankündigung von Johannes und über die Prophezeiung hinsichtlich des Messias nachzudenken. Er betete: Wenn der von Johannes Angekündigte der Erlöser sei, dann möge es ihm kundgetan werden, und die Gegenwart des Heiligen Geistes versicherte ihm, dass Gott Sein Volk besucht und ein „Horn des Heils“ aufgerichtet habe. Lukas 1,69. Philippus wusste, dass sein Freund die Weissagungen studierte, und während Nathanael gerade unter einem Feigenbaum betete, fand er ihn. Oft hatten sie an diesem abgelegenen Ort, von Laubwerk verborgen, zusammen gebetet. Die Mitteilung: „Wir haben den gefunden, von welchem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben“ schien Nathanael eine direkte Antwort auf sein Gebet zu sein. Doch Philippus hatte noch einen zaghaften Glauben. Er fügte mit leisem Zweifel hinzu: „Jesus, Josephs Sohn von Nazareth.“ Erneut wurde Nathanaels Vorurteil wach, und er rief: „Was kann von Nazareth Gutes kommen?“ DM.98.5 Teilen

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Philippus ließ sich auf keine Diskussion ein. Er sagte nur: „Komm und sieh es!“ Johannes 1,45.46. „Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist. Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.“ Johannes 1,47.48. DM.99.1 Teilen

Das genügte. Der göttliche Geist, der sich zu Nathanaels einsamem Gebet unter dem Feigenbaum bekannt hatte, sprach jetzt zu ihm in den Worten Jesu. Obwohl noch in Zweifeln und zu Vorurteilen neigend, war Nathanael mit dem aufrichtigen Verlangen nach Wahrheit zu Jesus gekommen, und nun wurde sein Verlangen gestillt. Sein Glaube übertraf noch den Glauben dessen, der ihn zu Jesus gebracht hatte. Er antwortete dem Herrn: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!“ Johannes 1,49. Hätte sich Nathanael der Führung der Rabbiner anvertraut, würde er Jesus nie gefunden haben. Durch eigenes Erleben und Berühren wurde er ein Jünger Jesu. Ebenso lassen sich noch heute viele Menschen aus Vorurteil vom Guten fernhalten. Wie ganz anders gestaltete sich ihr Leben, wenn sie „kommen und sehen“ würden! DM.99.2 Teilen

Niemand wird zur errettenden Erkenntnis der Wahrheit finden, der sich der Führung menschlicher Autoritäten anvertraut. Wir müssen wie Nathanael das Wort Gottes selbst studieren und um die Erleuchtung durch den Heiligen Geist bitten. Er, der Nathanael unter dem Feigenbaum erblickte, wird auch uns an unserem verborgenen Anbetungsort sehen. Engel aus der himmlischen Welt des Lichts sind denen nahe, die demütig nach göttlicher Führung suchen. DM.99.3 Teilen

Mit der Berufung von Johannes, Andreas, Simon, Philippus und Nathanael begann die Gründung der christlichen Gemeinde. Johannes der Täufer wies zwei seiner Jünger zu Jesus. Der eine von diesen, Andreas, fand seinen Bruder und rief ihn zum Heiland. Dann wurde Philippus berufen, und der ging, um Nathanael zu suchen. Diese Beispiele sollten uns die Wichtigkeit von persönlichen Aufrufen an unsere Verwandten, Freunde und Nachbarn deutlich machen. Es gibt solche, die zeitlebens bekennen, mit Christus zu leben, doch sich noch nie persönlich darum bemüht haben, auch nur einen Menschen zum Heiland zu führen. Sie überlassen diese Arbeit dem Prediger. Dieser mag für seine Aufgabe zwar gut befähigt sein, aber er kann nicht das tun, was Gott den Gliedern seiner Gemeinde aufgetragen hat. DM.99.4 Teilen

Es gibt auch viele, die den Dienst aus einem liebenden, christlichen Herzen benötigen. Viele sind schon verloren gegangen, die hätten gerettet werden können, wenn ihre Nachbarn, Freunde und Bekannten sich persönlich um sie bemüht hätten. Viele warten darauf, persönlich angesprochen zu werden. Besonders in der Familie, in der Nachbarschaft und am Wohnort gibt es als Missionare Christi Arbeit für uns. Sind wir Christen, dann wird dieser Dienst uns eine Freude sein. Wir gelten nicht eher als bekehrt, als bis in uns ein Verlangen geboren wurde, anderen mitzuteilen, welchen kostbaren Freund wir in Jesus gefunden haben. Die rettende und heiligende Wahrheit lässt sich nicht im Herzen verschließen. DM.99.5 Teilen

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Alle, die dem Herrn geweiht sind, werden Kanäle des Lichtes sein. Gott macht sie zu Seinen Werkzeugen, um anderen vom Reichtum Seiner Gnade zu erzählen. Er hat verheißen: „Ich will sie und alles, was um meinen Hügel her ist, segnen und auf sie regnen lassen zu rechter Zeit. Das sollen gnädige Regen sein“. Hesekiel 34,26. DM.100.1 Teilen

Philippus sprach zu Nathanael: „Komm und sieh es!“ Er bat ihn nicht, das Zeugnis von anderen anzunehmen, sondern Christus selbst zu sehen. Seitdem Jesus zum Himmel aufgefahren ist, sind Seine Nachfolger Seine Beauftragten unter den Menschen; und einer der wirksamsten Wege, um Menschen für Ihn zu gewinnen, besteht darin, Seinen Charakter in unserem täglichen Leben zu veranschaulichen. Unser Einfluss, den wir auf andere ausüben, hängt nicht so sehr von dem ab, was wir sagen, sondern von dem, was wir sind. Die Menschen mögen unser logisches Denken bekämpfen, sich dem widersetzen und unsere Aufforderungen abweisen, doch ein Leben selbstloser Liebe ist ein Argument, dem sie nicht widersprechen können. Ein beständiges Leben, gekennzeichnet durch die Sanftmut Christi, ist eine Macht in der Welt. DM.100.2 Teilen

Die Lehre Christi war der Ausdruck einer tief verwurzelten innerlichen Überzeugung und Erfahrung, und jene, die von Ihm lernen, werden Lehrer nach der göttlichen Ordnung sein. Das Wort Gottes, durch jemanden gesprochen, der selbst durch das Wort geheiligt ist, hat eine lebenspendende Kraft, welche die Hörer anzieht und sie davon überzeugt, dass es eine lebendige Wirklichkeit ist. Wenn jemand die Wahrheit in Liebe empfangen hat, wird er dies durch sein Verhalten und den Klang seiner Stimme überzeugend ausdrücken. Er verkündet, was er selbst gehört und gesehen hat und was ihn vom Wort des Lebens berührte, damit auch andere Gemeinschaft mit ihm durch die Erkenntnis Christi haben können. Sein Zeugnis, das von Lippen kommt, die mit einer glühenden Kohle vom Altar berührt worden sind, ist Wahrheit für empfängliche Herzen und heiligt den Charakter. Vgl. Jesaja 6,6f. DM.100.3 Teilen

Wer danach trachtet, anderen Licht zu bringen, wird selbst gesegnet werden. „Das sollen gnädige Regen sein.“ „Wer anderen zu trinken gibt, wird selbst erquickt.“ Hesekiel 34,26; Sprüche 11,25. Gott könnte seine Absicht, Sünder zu retten, auch ohne unsere Mithilfe erreichen, doch damit wir einen Charakter nach dem Vorbild Christi entwickeln, müssen wir an Seinem Werk teilhaben. Um zu Seiner Freude einzugehen — der Freude nämlich, Menschenseelen zu sehen, die durch Sein Opfer erlöst wurden —, müssen wir an Seinem Wirken für ihre Erlösung auch tätig sein. DM.100.4 Teilen

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Nathanaels erste Glaubensbekundung — so hingebungsvoll, ernst und aufrichtig — war daher wie Musik in den Ohren Jesu. Und er „antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir sagte: Ich sah dich unter dem Feigenbaum? Du wirst Größeres sehen als das“. Johannes 1,50. Der Heiland schaute mit Freuden auf die vor Ihm liegende Aufgabe, den Demütigen die Frohe Botschaft zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu heilen und den Gefangenen Satans die Freiheit zu predigen. Beim Gedanken an die wertvollen Segnungen, die Er den Menschen gebracht hatte, fügte Jesus hinzu: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herab fahren über den Menschensohn“. Johannes 1,51. DM.101.1 Teilen

Sinngemäß sagte Christus: Am Ufer des Jordans öffnete sich der Himmel, und der Geist kam auf mich herab wie eine Taube. Diese Szene war nur ein Zeichen, dass ich Gottes Sohn bin. Glaubst du dies nun, dann soll dein Glaube belebt werden. Du wirst den Himmel offen sehen, um nie nie wieder um nie wieder geschlossen zu werden. Ich habe ihn für dich geöffnet. Die Engel Gottes steigen hinauf und tragen die Gebete der Bedürftigen und Bedrückten zum Vater empor und kommen herab, um den Menschenkindern Segen und Hoffnung, Mut, Hilfe und Leben zu bringen. DM.101.2 Teilen

Die Engel Gottes bewegen sich von der Erde zum Himmel und vom Himmel zur Erde. Die Macht Gottes vollbrachte die Wunder Christi an den Kranken und Leidenden durch den Dienst der Engel. Und durch Christus gelangen auch die Segnungen von Gott zu uns, durch den Dienst der himmlischen Boten. Indem Er die menschliche Natur annahm, verband unser Heiland Seine Interessen mit denen der gefallenen Söhne und Töchter Adams, während Er durch seine Göttlichkeit den Thron Gottes umschließt. Dadurch ist Christus das Bindeglied in der Kommunikation des Menschen mit Gott, und Gott mit dem Menschen geworden. DM.101.3 Teilen

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