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Kapitel 17: Nikodemus
Kapitel 17: Nikodemus
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Auf der Grundlage von Johannes 3,1-17. DM.121 Teilen

Nikodemus bekleidete ein hohes Amt im jüdischen Land. Er war hoch gebildet, besaß große Gaben und war ein angesehenes Mitglied des Hohen Rates. Wie andere war er auch durch Jesu Lehren angerührt worden und fühlte sich trotz seiner bevorzugten Stellung zu dem einfachen Nazarener hingezogen. Die Unterweisungen Jesu hatten ihn außerordentlich beeindruckt, und er wollte mehr von diesen wunderbaren Wahrheiten hören. DM.121.1 Teilen

Die Tatsache, dass Christus Seine Autorität bei der Säuberung des Tempels demonstriert hatte, weckte gezielten Hass von Seiten der Priester und Obersten. Sie fürchteten die Macht dieses Fremden. Eine solche Kühnheit von einem unbekannten Galiläer durfte man keinesfalls dulden. So waren sie darauf aus, Seiner Tätigkeit ein Ende zu bereiten. Doch nicht alle stimmten diesem Vorhaben zu. Es gab einzelne, die nicht einem Mann entgegentreten wollten, der so offensichtlich durch Gottes Geist geleitet wurde. Sie erinnerten sich, wie Propheten getötet worden waren, weil sie die Sünden der Führer Israels getadelt hatten. Sie wussten, dass die Unterdrückung der Juden durch eine heidnische Nation die Folge ihrer Hartnäckigkeit war, mit der sie die göttlichen Ermahnungen zurückgewiesen hatten. So befürchteten sie, dass die Priester und Obersten wegen ihrer gegen Jesus gerichteten Anschläge in die Fußtapfen ihrer Väter treten und neues Unglück über das ganze Volk bringen würden. Auch Nikodemus teilte diese Bedenken. Als in einer Sitzung des Hohen Rats besprochen wurde, welche Haltung man Jesus gegenüber einnehmen wolle, mahnte er zu Vorsicht und Mäßigung. Nachdrücklich wies er darauf hin, dass es gefährlich sei, Seine Warnungen unbeachtet zu lassen, wenn dieser Jesus tatsächlich mit göttlicher Autorität ausgestattet wäre. Die Priester wagten es nicht, diesen Rat zu missachten, und so ergriffen sie eine Zeit lang keine offenen Maßnahmen gegen den Heiland. DM.121.2 Teilen

Nikodemus studierte, seit er Jesus gehört hatte, besonders sorgfältig die Weissagungen über den Messias, und je mehr er darin forschte, desto fester wurde er davon überzeugt, dass jener Mann der Eine war,der kommen sollte. Wie viele andere Israeliten war auch er über die Entweihung des Tempels sehr unglücklich gewesen. Er wurde dann Zeuge jenes Geschehens, als Jesus die Käufer und Verkäufer vertrieb. Er nahm die erstaunlichen Bekundungen göttlicher Macht wahr und beobachtete, wie der Heiland mit den Armen umging und die Kranken heilte, er sah auch ihre frohen Blicke und hörte ihre jubelnden Dankesworte. Da konnte er nicht mehr daran zweifeln, dass Jesus von Nazareth der von Gott Gesandte war. DM.121.3 Teilen

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Darum suchte er eifrig nach einer Gelegenheit, mit Jesus zu sprechen. Er scheute sich aber, Ihn offen tagsüber aufzusuchen, denn es wäre für einen Obersten der Juden zu demütigend gewesen, wenn seine Sympathie für einen noch so wenig bekannten Lehrer bekannt geworden wäre. Und wäre solch ein Besuch dem Hohen Rat bekannt geworden, dann hätte er zweifellos dessen Verachtung und Verurteilung auf sich geladen. So entschloss er sich zu einem heimlichen Besuch zu nächtlicher Stunde und entschuldigte dies damit, dass auch andere seinem Beispiel folgen könnten, wenn er am Tag ginge. Er hatte durch Nachforschungen erfahren, dass der Heiland sich gern am Ölberg aufhielt, und nun besuchte er ihn an dieser einsamen Stätte, als alles schon schlief. In der Gegenwart Jesu befiel Nikodemus eine seltsame Schüchternheit, die er durch einen Anschein von Gelassenheit und Würde zu verbergen versuchte. „Meister“, sprach er Jesus an, „wir wissen, dass du bist ein Lehrer von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ Johannes 3,2. Indem er Christi einzigartige Lehrgabe und Seine überwältigende Wundermacht ansprach, hoffte er, sich den Weg zu einem Gespräch zu bahnen. Seine Worte sollten Vertrauen ausdrücken, doch in Wirklichkeit offenbarten sie nur Unglauben. Er anerkannte Jesus nicht als Messias, sondern sah in Ihm nur einen von Gott gesandten Lehrer. DM.122.1 Teilen

Statt diesen Gruß zu erwidern, blickte Jesus auf den Sprecher, als wollte Er in dessen Seele lesen. In seiner unendlichen Weisheit erkannte Er in ihm einen Menschen, der nach Wahrheit suchte. Er wusste um den Grund seines Besuchs, und wollte die Überzeugung des Besuchers noch vertiefen und kam deshalb direkt zur Sache, indem Er ernst, aber freundlich sagte: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“. Johannes 3,3. DM.122.2 Teilen

Nikodemus war in der Erwartung zum Herrn gekommen, eine angeregte Diskussion mit Ihm zu führen. Jesus aber breitete vor ihm die Grundlagen der Wahrheit aus. Er sagte zu Nikodemus, dass er mehr eine geistliche Erneuerung brauche als theoretisches Wissen, dass er ein neues Herz nötig habe und nicht nur die Befriedigung seiner Wissbegierde, dass er ein neues Leben von oben her erhalten müsse, bevor er himmlische Dinge schätzen könne. Solange diese Änderung der Neuschaffung nicht stattfinde, nützt es Nikodemus nichts, mit Ihm über Seine Autorität und Aufgabe zu reden. Nikodemus hatte die Predigt von Johannes dem Täufer über Bekehrung und Taufe gehört und wie er die Leute auf den Einen hingewiesen hatte, der mit dem Heiligen Geist taufen werde. Nikodemus spürte, dass es unter den Juden einen Mangel an geistlicher Gesinnung gab und dass sie weitgehend von Frömmelei und weltlichem Ehrgeiz geleitet wurden. So hatte er durch das Kommen des Messias auf eine Besserung dieser Dinge gehofft. Doch die herzergreifende Botschaft des Täufers hatte ihn nicht von seiner eigenen Sünde überzeugt. Er war ein strenger Pharisäer und stolz auf seine guten Werke. Auch wurde er von vielen sehr geschätzt wegen seiner wohltätigen und großzügigen Gesinnung bezüglich der Unterhaltung des Tempeldienstes. Er war sich des göttlichen Wohlwollens gewiss und deshalb erschreckt von dem Gedanken an ein Reich, das für ihn in seiner momentanen Verfassung zu rein wäre. Das Bild von der Wiedergeburt, das Christus hier benutzte, war Nikodemus nicht ganz unbekannt. Die vom Heidentum zum Glauben Israels Bekehrten wurden oft mit neugeborenen Kindern verglichen. Darum musste Nikodemus auch begriffen haben, dass Jesu Worte nicht buchstäblich gemeint sein konnten. Aufgrund seiner israelitischen Abstammung aber meinte er, einen Platz im Reich Gottes sicher zu haben. Er meinte, keine Bekehrung nötig zu haben. Deshalb überraschten ihn die Worte des Heilands. Ihn ärgerte die unmittelbare Anwendung dieses Bildes auf ihn. Der Stolz des Pharisäers kämpfte in ihm mit dem aufrichtigen Verlangen eines nach Wahrheit Suchenden. Er wunderte sich, dass Christus so mit ihm sprach — ohne jede Rücksicht auf seine Position als Oberster in Israel. DM.122.3 Teilen

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Verwundert über seine Selbstbeherrschung, antwortete er dem Herrn ironisch: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist?“ Johannes 3,4. Damit offenbarte er wie viele andere, denen die schneidende Wahrheit ins Gewissen dringt, die Tatsache, dass der natürliche Mensch nichts vom Geist Gottes vernimmt. In ihm ist nichts, was auf geistliche Dinge anspricht — denn geistliche Dinge müssen geistlich beurteilt werden. Der Heiland aber trat nicht Argumenten mit weiteren Argumenten entgegen. Ernst und würdevoll hob Er seine Hand und betonte nachdrücklich: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen“. Johannes 3,5. Nikodemus verstand, dass Christus sich hier auf die Wassertaufe bezog und auf die Erneuerung des Herzens durch den Geist Gottes. Er war davon überzeugt, dass er in der Gegenwart dessen stand, den Johannes der Täufer vorhergesagt hatte. Jesus sprach weiter: „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist“. Johannes 3,6. Von Natur aus ist das Herz böse. „Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer!“ Hiob 14,4. Keine menschliche Erfindung kann eine mit Sünden beladene Seele heilen. „Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft wider Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag‘s auch nicht.“ Römer 8,7. DM.123.1 Teilen

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„Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches Zeugnis, Lästerung.“ Matthäus 15,19. Die Quelle des Herzens muss gereinigt werden, ehe der Strom klar werden kann. Wer versucht, den Himmel durch seine eigenen Werke, durch das Halten der Gebote zu erreichen, versucht Unmögliches. Es gibt keine Sicherheit für den, der nur eine gesetzliche Religion, eine äußere Frömmigkeit besitzt. Das Leben des Christen hat nichts mit einer Veränderung oder Verbesserung des alten Lebens zu tun, sondern es ist eine Umwandlung der Natur. Das Ich und die Sünde sterben, und es beginnt ein ganz neues Leben. Dieser Wechsel kann nur durch das kräftige Wirken des Heiligen Geistes geschehen. Nikodemus konnte es immer noch nicht begreifen, was der Herr ihm sagen wollte. Darum benutzte nun Jesus das Bild vom Wehen des Windes, um verständlicher zu werden: „Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist“. Johannes 3,8. DM.124.1 Teilen

Man hört den Wind in den Zweigen der Bäume, in dem Rascheln der Blätter und der Blumen. Und doch ist er unsichtbar. Niemand weiß, woher er kommt und wohin er geht. Ebenso ist es mit dem Wirken des Heiligen Geistes am Herzen. Dieser Vorgang kann ebenso wenig erklärt werden wie das Brausen des Windes. Jemand mag nicht die genaue Zeit, den Ort oder einzelne Umstände seiner Bekehrung angeben können, und trotzdem ist er bekehrt. So unsichtbar wie der Wind weht, wirkt Christus beständig auf das Herz ein. Nach und nach, dem Einzelnen vielleicht ganz unbewusst, werden Eindrücke hervorgerufen, die ihn zu Christus ziehen. Diese Eindrücke können dadurch empfangen werden, dass man über Ihn nachdenkt, in der Heiligen Schrift liest oder das Wort Gottes in der Predigt hört. Dann plötzlich, wenn der Geist immer stärker und unmittelbarer geworden ist, ergibt sich der Mensch freudig dem Herrn Jesus. Viele nennen dies eine plötzliche Bekehrung, und doch war es nur das Ergebnis des langen, geduldigen Werbens des Geistes Gottes. DM.124.2 Teilen

Während der Wind selbst unsichtbar ist, bewirkt er etwas, das man sehen und spüren kann. So offenbart sich das Wirken des Geistes in jeder Handlung des Bekehrten. Sobald der Geist Gottes ins Herz einzieht, verändert Er das Leben. Sündhafte Gedanken werden abgewiesen, böse Taten aufgegeben. Liebe, Demut und Frieden nehmen die Stelle von Ärger, Neid und Zank ein. Traurigkeit verwandelt sich in Freude, und das Angesicht spiegelt das Licht des Himmels wider. Keiner sieht die Hand, die die Last aufhebt, oder erblickt das Licht, das von den himmlischen Vorhöfen herab leuchtet. Der Segen kommt, wenn ein Mensch sich im Glauben Gott übergibt. Dann schafft diese unsichtbare Kraft, die man nicht sehen kann, ein neues Wesen nach dem Bild Gottes. Durch unser begrenztes Denken ist es unmöglich, das Werk der Erlösung zu verstehen. Dieses Geheimnis übersteigt jede menschliche Erkenntnis! Doch wer vom Tod zum Leben durchdringt, der nimmt wahr, dass es eine göttliche Tatsache ist. Den Anfang unserer Erlösung lernen wir bereits auf Erden durch die persönliche Erfahrung kennen. Die Auswirkungen reichen bis in die Ewigkeit. Während Jesus sprach, drangen einige Lichtstrahlen der Wahrheit in das Herz des Obersten. Der milde, besänftigende Einfluss des Heiligen Geistes beeindruckte sein Herz. Und doch verstand er die Worte des Heilandes nicht ganz. Er war nicht so sehr von der Notwendigkeit der Wiedergeburt beeindruckt, wie von der Art und Weise ihres Zustandekommens, und fragte verwundert: „Wie kann solches zugehen?“ DM.124.3 Teilen

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„Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bist du ein Meister in Israel und weißt das nicht?“ Johannes 3,9.10. Sicher sollte einer, dem die geistliche Erziehung seines Volkes anvertraut worden war, nicht in Unkenntnis über diese wichtigen Wahrheiten sein. Seine Worte enthielten die Lehre, dass Nikodemus wegen seiner geistlichen Unwissenheit lieber sehr bescheiden von sich hätte denken sollen, statt sich wegen der klaren Botschaft der Wahrheit aufzuregen. Christus sprach zu ihm jedoch mit einer solchen feierlichen Würde und in einer in Blick und Sprache zum Ausdruck kommenden aufrichtigen Liebe, dass Nikodemus nicht beleidigt sein konnte, als ihm seine demütigende Situation bewusst wurde. DM.125.1 Teilen

Als Jesus ihm erklärte, dass Seine Mission auf Erden nicht darin bestehe, ein zeitliches, sondern ein ewiges Reich aufzurichten, war sein Zuhörer doch verwirrt. Jesus merkte das und fügte hinzu: „Glaubt ihr nicht, wenn ich euch von irdischen Dingen sage, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch von himmlischen Dingen sage?“ Johannes 3,12. Wenn Nikodemus die Lehre Christi nicht verstehen konnte, die das Wirken der Gnade am Herzen veranschaulichte, wie sollte er dann die Natur Seines herrlichen himmlischen Reiches erfassen! Konnte er die Art und Weise des Wirkens Jesu auf Erden nicht begreifen, dann konnte er auch Sein Werk im Himmel nicht verstehen. DM.125.2 Teilen

Die Juden, die Jesus aus dem Tempel getrieben hatte, behaupteten, Kinder Abrahams zu sein. Dennoch waren sie vor Jesus geflohen, weil sie die Herrlichkeit nicht ertragen konnten, die sich in Ihm offenbarte. Mit diesem Verhalten bewiesen sie, dass sie durch die Gnade Gottes nicht vorbereitet waren, an den geheiligten Diensten im Tempel teilzunehmen. Sie waren eifrig darauf bedacht, stets den Anschein der Heiligkeit zu erwecken, doch vernachlässigten sie die Heiligkeit des Herzens. Während sie Eiferer der Buchstaben des Gesetzes waren, übertraten sie es ständig dem Geist nach. Ihr großes Bedürfnis war genau jene Umwandlung, die Christus dem Nikodemus erklärt hatte — eine geistliche Neugeburt, eine Reinigung von Sünde und eine Erneuerung der Erkenntnis und Frömmigkeit. Im Hinblick auf diese Erneuerung gab es für die Blindheit Israels keine Entschuldigung. Unter der Eingebung des Heiligen Geistes hatte schon Jesaja geschrieben: „Nun sind wir alle wie die Unreinen, und alle unsre Gerechtigkeit ist wie ein beflecktes Kleid“. Jesaja 64,5. David betete: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist“. Psalm 51,12. Und durch Hesekiel ist uns die Verheißung gegeben worden: „Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln“. Hesekiel 36,26.27. DM.125.3 Teilen

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Bisher hatte Nikodemus diese Schriftstellen mit nur geringem Verständnis gelesen; nun aber begann er ihre Bedeutung zu begreifen. Er erkannte, dass jemand selbst dann, wenn er das Gesetz dem Buchstaben nach strengstens befolgte und es rein äußerlich ins Leben übertrüge, noch kein Recht hätte, das Königreich des Himmels zu betreten. Menschlich gesehen war sein Leben gerecht und ehrenhaft, doch in der Gegenwart Christi empfand er, dass sein Herz unrein und sein Leben nicht Gott wohlgefällig war. DM.126.1 Teilen

Nikodemus wurde zu Christus gezogen. Als der Heiland ihm das Thema Wiedergeburt erklärte, sehnte er sich danach, diese Umwandlung an sich selbst zu erfahren. Wie konnte dies geschehen? Jesus beantwortete die unausgesprochene Frage mit den Worten: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben“. Johannes 3,14.15. DM.126.2 Teilen

Jetzt konnte Nikodemus den Herrn verstehen, denn dieses Bild der erhöhten Schlange war ihm vertraut. Es machte ihm die Aufgabe des Heilandes auf Erden deutlich. Als damals die Israeliten durch den Biss der feurigen Schlangen am Sterben waren, wies Gott Mose an, eine Schlange aus Messing zu gießen und sie inmitten der Gemeinde aufzurichten. Dann wurde im ganzen Lager bekannt gemacht, dass alle, die auf diese Schlange schauen würden, leben sollten. Das Volk wusste sehr gut, dass in der Schlange selbst keine Macht war, die helfen konnte — sie war ein Sinnbild auf Christus. Wie dieses Bildnis, nach dem Ebenbild der todbringenden Schlangen gemacht, zu ihrem Heil aufgerichtet wurde, so wurde Einer dazu gemacht, um „in der Gestalt des sündigen Fleisches“ (Römer 8,3) ihr Erlöser zu sein. Viele Israeliten meinten, dass der Opferdienst in sich selbst fähig wäre, sie von ihren Sünden zu befreien. Gott wollte sie lehren, dass der Opferdienst nicht mehr Nutzen bringen könnte, als diese Schlange aus Messing. Ihre Gedanken sollten dadurch allein auf Christus gerichtet werden. Sie konnten zur Heilung ihrer Wunden oder zur Vergebung ihrer Sünden nichts anderes aus sich selbst tun, als ihren Glauben an die Gabe Gottes zu bekunden: Sie sollten aufblicken und leben! Wer nun von den Schlangen gebissen worden war, hätte zögern können aufzublicken, hätte bezweifeln können, dass in dem Symbol eine Kraft wirksam sei, hätte eine wissenschaftliche Begründung fordern können — aber es wurde keine Erklärung gegeben. Sie mussten dem Wort Gottes vertrauen, das durch Mose weitergegeben wurde. Eine Weigerung, das Bild anzuschauen, wäre ihr Tod gewesen. DM.126.3 Teilen

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Durch Streitfragen oder lange Erörterungen gelangt keiner zur Erkenntnis der Wahrheit. Wir müssen aufblicken und leben. Nikodemus nahm diese Lehre gläubig an und forschte in der Schrift, anders als bisher — nicht mehr um theoretisches Wissen zu erlangen, sondern göttliches Leben für die Seele. Er fing an, das Königreich des Himmels zu sehen, als er sich einfach der Leitung des Heiligen Geistes unterordnete. Auch heute müssen Tausende dieselbe Wahrheit verstehen lernen, die Nikodemus im Bild der erhöhten Schlange gelehrt worden war. Sie verlassen sich darauf, dass sie ihr Gesetzesgehorsam der Gnade Gottes empfiehlt. Werden sie aufgefordert, auf Jesus zu schauen und zu glauben, dass Er sie allein durch Seine Gnade errette, dann rufen sie aus: „Wie kann solches zugehen?“ Johannes 3,9.10. DM.127.1 Teilen

Wie Nikodemus müssen wir bereit sein, auf dieselbe Art und Weise ins Leben einzugehen wie der größte aller Sünder. Denn außer Christus ist „kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden“. Apostelgeschichte 4,12. Im Glauben empfangen wir die Gnade Gottes, denn der Glaube selbst rettet uns nicht. Er bringt nichts ein, sondern ist gewissermaßen nur die Hand, mit der wir Christus festhalten und uns dessen Verdienste — das Heilmittel gegen die Sünde — aneignen. Ohne die Hilfe des Geistes Gottes können wir ja nicht einmal bereuen. Deshalb sagt die Schrift von Christus: „Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zum Fürsten und Heiland, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben“. Apostelgeschichte 5,31. Reue kommt ebenso von Christus, wie Vergebung. DM.127.2 Teilen

Wie werden wir nun gerettet? „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat“, so ist der Menschensohn erhöht worden, und wer von der Schlange betrogen und gebissen wurde, kann aufblicken und leben. „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!“ Johannes 1,29. Das Licht, das uns vom Kreuz entgegen strahlt, zeigt uns die Liebe Gottes. Sie zieht uns zu Ihm hin. Widerstreben wir diesem Ziehen nicht, dann werden wir zum Fuß des Kreuzes geführt, um dort die Sünden zu bereuen, die den Heiland ans Kreuz brachten. Dann erneuert der Heilige Geist durch den Glauben das innere Leben des Menschen. Gedanken und Wünsche werden dem Willen Christi untergeordnet. Herz und Gemüt werden neu geschaffen zum Bild dessen, der in uns wirkt, um sich alle Dinge untertan zu machen. Dann ist das Gesetz Gottes in Herz und Sinn geschrieben, und wir können mit Christus bekennen: „Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern“. Psalm 40,9. Im Gespräch mit Nikodemus erklärte Jesus den Erlösungsplan und sprach über Seine Aufgabe. In keiner späteren Rede hat Er so vollständig das Werk beschrieben, das in den Herzen aller geschehen muss, die das Himmelreich erben wollen. Gleich zu Beginn Seines Dienstes öffnete Er einem Mitglied des Hohen Rates das Verständnis der Wahrheit. Dieser hatte ein sehr empfängliches Gemüt und war ein beglaubigter Lehrer Israels. Im Allgemeinen aber nahmen die geistigen Führer des Volkes die göttliche Wahrheit nicht an. Nikodemus verbarg diese Botschaft drei Jahre in seinem Herzen. Aber der Heiland kannte den Boden, auf dem Er den Samen ausgestreut hatte. Seine Worte, die er zur Nachtzeit auf dem einsamen Berg zu nur einem Zuhörer gesprochen hatte, gingen nicht verloren. DM.127.3 Teilen

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Eine Zeit lang bekannte sich Nikodemus nicht öffentlich zu Jesus, aber er beobachtete Sein Leben und dachte über Seine Lehren nach. In den Sitzungen des Hohen Rates vereitelte er wiederholt manchen Anschlag der Priester, der Jesus zerstören sollte. Als dann der Heiland am Kreuz erhöht wurde, erinnerte sich Nikodemus an die Worte vom Ölberg: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben“. Johannes 3,14.15. Das Licht jener heimlichen Unterredung umleuchtete das Kreuz von Golgatha, und Nikodemus sah in Jesus den Erlöser der Welt. Als nach der Himmelfahrt Jesu die Jünger durch Verfolgungen zerstreut wurden, trat Nikodemus unerschrocken hervor. Er setzte sein Vermögen zur Unterstützung der jungen Gemeinde ein, die die Juden mit dem Tod Christi als ausgetilgt betrachteten. In den gefahrvollen Zeiten stand er nun fest und unerschüttert wie ein Fels im Meer. Er ermutigte den Glauben der Jünger und gab seine Mittel zur Ausbreitung des Evangeliums. Er wurde von denen verhöhnt und verfolgt, die ihn in früheren Jahren geehrt und geachtet hatten. Er verlor seine irdischen Güter; doch sein Glaube, der in jener nächtlichen Unterredung mit Jesus begonnen hatte, schwankte nicht. DM.128.1 Teilen

Nikodemus erzählte Johannes später die Geschichte jenes Gespräches, und dieser schrieb sie zur Unterweisung aller Menschen auf. Noch heute sind diese Wahrheiten genauso wichtig wie in jener ernsten Nacht auf dem Berg in der nächtlichen Stunde, als der jüdische Oberste kam, um von dem demütigen Lehrer aus Galiläa den Weg des Lebens zu erfahren. DM.128.2 Teilen

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