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Kapitel 19: Am Jakobsbrunnen
Kapitel 19: Am Jakobsbrunnen
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Auf der Grundlage von Johannes 4,1-42; Lukas 9,52-53. DM.133 Teilen

Auf dem Weg nach Galiläa ging Jesus auch durch Samaria. Es war mittags, als Er das schöne Tal Sichem erreichte, an dessen Eingang der Jakobsbrunnen lag. Ermüdet von der Reise, ruhte sich der Heiland dort aus, während die Jünger losgingen, um Nahrung zu kaufen. DM.133.1 Teilen

Die Juden und die Samariter waren bittere Feinde. Sie vermieden es, so weit wie möglich, miteinander in Kontakt zu kommen. Die Rabbiner erlaubten nur für den Notfall, in Handelsverbindung mit den Samaritern zu treten. Jeder gesellige Umgang mit ihnen aber war verpönt. Ein Jude würde weder etwas von einem Samariter leihen, noch jede Freundlichkeit oder sogar ein Glas Wasser oder Stück Brot annehmen. Durchaus übereinstimmend mit dieser Sitte ihres Volkes kauften die Jünger lediglich die notwendige Nahrung. Weiter gingen sie nicht. Von einem Samariter irgendeine Gunst zu erbitten oder nach einer Wohltat zu trachten, lag selbst den Jüngern Christi fern. Jesus saß schwach vor Hunger und Durst am Brunnen. Er hatte mit Seinen Jüngern seit dem Morgen eine lange Wanderung hinter sich, dazu knallte jetzt die heiße Mittagssonne hernieder. Sein Durst verstärkte sich bei dem Gedanken, dass ihm kühles, erfrischendes Wasser so nahe und doch unerreichbar war, da Er weder Strick noch Krug hatte und der Brunnen tief war. Er teilte das Los aller menschlichen Kreatur, und Er wartete, bis jemand käme, um hier Wasser zu schöpfen. DM.133.2 Teilen

Da kam eine Frau aus Samaria zum Brunnen und füllte ihren Krug mit Wasser, doch schien sie Jesu Gegenwart überhaupt nicht zu bemerken. Als sie schon wieder gehen wollte, bat der Heiland sie um einen Schluck Wasser. Eine solche Bitte würde kein Orientale abschlagen. Im Morgenland galt das Wasser als Gottesgabe. Dem durstigen Wanderer einen Schluck Wasser zu geben, wurde als eine so heilige Pflicht angesehen, dass die Araber der Wüste keine Mühe scheuten, um sie zu erfüllen. Die Feindschaft, die zwischen Juden und Samaritern bestand, hielt jedoch diese Frau davon ab, Jesus eine Freundlichkeit zu erweisen. Der Heiland versuchte aber, das Herz dieser Frau zu gewinnen, indem Er taktvoll, aus göttlicher Liebe heraus, um eine Gunst bat, statt eine zu gewähren. Ein Angebot hätte abgeschlagen werden können, Vertrauen aber weckt Vertrauen. Der König des Himmels kam zu dieser ausgestoßenen Menschenseele und bat um einen Dienst von ihrer Hand. Er, der den Ozean entstehen ließ, der dem Wasser der großen Tiefe gebot; Er, der die Quellen der Erde öffnete, ruhte müde am Jakobsbrunnen und war selbst für einen Schluck Wasser auf die Freundlichkeit einer Fremden angewiesen. DM.133.3 Teilen

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Die Frau sah, dass Jesus ein Jude war. In ihrer Überraschung vergaß sie, den Wunsch des Heilandes zu erfüllen, versuchte jedoch, den Grund dafür zu erfahren. „Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist, und ich eine samaritische Frau?“ Jesus antwortete: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser.“ Johannes 4,9.10. Du wunderst dich, dass ich dich um so eine kleine Gefälligkeit bitte wie um einen Schluck Wasser aus dem Brunnen an diesem Ort. Hättest du mich darum gebeten, so würde ich dir vom Wasser des ewigen Lebens gegeben haben. Die Frau hatte die Worte Jesu nicht verstanden, aber sie spürte deren ernste Bedeutung. Ihr leichtes, herausforderndes Wesen änderte sich. Sie sagte, in der Meinung, Jesus spräche von dem Wasser dieses Brunnens: „Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du denn lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken ...“. Johannes 4,11.12. Sie sah nur einen müden Wanderer vor sich, verstaubt und durstig, und verglich Ihn in Gedanken mit dem verehrten Patriarchen Jakob. Sie glaubte — und das ist ganz natürlich —, dass kein anderer Brunnen dem gleichen könnte, den die Vorväter gebaut hatten. Sie sah zurück in die Zeit der Väter und schaute vorwärts auf das Kommen des Messias. Und dabei stand die Hoffnung der Väter — der Messias — neben ihr, und sie erkannte Ihn nicht. Wie viele durstige Menschenseelen befinden sich heute in unmittelbarer Nähe der lebendigen Quelle, dennoch suchen sie die Lebensquelle in der Ferne! „Sprich nicht in deinem Herzen: ‚Wer will hinauf gen Himmel fahren?‘ — nämlich um Christus herab zu holen — oder: ‚Wer will hinab in die Tiefe fahren?‘ — nämlich Christus von den Toten heraufzuholen —, sondern was sagt sie: ‚Das Wort ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen.‘ Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ Römer 10,6-9. Jesus beantwortete die Ihn betreffende Frage nicht sofort, sondern sagte feierlich: „Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird ewiglich nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm ein Brunnen des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“ Johannes 4,13.14. DM.134.1 Teilen

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Wer seinen Durst an den Quellen dieser Welt stillen will, wird immer wieder durstig werden, denn die Menschen sind überall unbefriedigt. Sie sehnen sich nach etwas, das ihre Seele beruhigt. Dieses Verlangen kann nur Einer stillen. Christus ist das Bedürfnis der Welt und die Sehnsucht der Völker. Die göttliche Gnade, die Er allein weitergeben kann, ist wie lebendiges Wasser, das die Seele belebt, sie reinigt und erfrischt. DM.135.1 Teilen

Jesus meinte damit nicht, dass ein einziger Schluck vom Wasser des Lebens genügte. Wer von der Liebe Jesu probierte, wünscht sich ständig davon; er sucht nichts anderes. Die Reichtümer, Ehren und Vergnügen der Welt haben keinerlei Anziehungskraft mehr für ihn, sondern der beständige Ruf seines Herzens lautet: Mehr von dir! Und Er, der der Seele ihre Bedürftigkeit offenbart, wartet darauf, den geistlichen Hunger und Durst zu stillen, denn menschliche Mittel und Wege vermögen es nicht. Die Zisternen werden leer und die Teiche trocknen aus, aber unser Erlöser ist eine unerschöpfliche Quelle. Wir können trinken und immer wieder schöpfen und finden ständig frischen Vorrat. In dem Christus wohnt, hat die Quelle des Segens in sich, den „Brunnen des Wassers, ... das in das ewige Leben quillt“. Aus dieser Quelle kann er genügend Kraft und Gnade schöpfen, um alle Bedürfnisse zu stillen. DM.135.2 Teilen

Als Jesus von dem lebendigen Wasser sprach, sah Ihn die Frau verwundert an. Er hatte ihr Interesse geweckt und ließ in ihr ein Verlangen nach jener Gabe entstehen, von der Er sprach. Sie erkannte, dass Er nicht das Wasser vom Jakobsbrunnen meinte, denn davon trank sie täglich und wurde doch immer wieder durstig. „Herr“, sagte sie zu Ihm, „gib mir solches Wasser, damit ich nicht dürste!“ Plötzlich gab der Herr der Unterhaltung eine andere Wendung. Ehe diese Frau die Gabe empfangen konnte, die Er ihr gerne schenken wollte, musste sie nicht nur ihre Sünde bekennen, sondern auch ihren Heiland erkennen. Er sprach zu ihr: „Gehe hin, rufe deinen Mann und komm her!“ Sie sprach: „Ich habe keinen Mann.“ Mit dieser Antwort hoffte sie, alle weiteren Fragen zu umgehen. Doch der Heiland fuhr fort: „Du hast recht gesagt: Ich habe keinen Mann. Fünf Männer hast du gehabt, und den du hast, der ist nicht dein Mann; da hast du recht gesagt.“ Johannes 4,15-18. DM.135.3 Teilen

Die Zuhörerin zitterte. Eine geheimnisvolle Hand wendete die Blätter ihrer Lebensgeschichte um und brachte das zum Vorschein, was sie für immer zu verbergen gehofft hatte. Wer war dieser Mann, der die Geheimnisse ihres Lebens so genau kannte? Sie musste unwillkürlich an die Ewigkeit denken, an das zukünftige Gericht, wenn alles, was jetzt verborgen ist, offenbar werden wird. In diesem Bewusstsein erwachte ihr Gewissen. Sie konnte nichts bestreiten, aber sie versuchte, diesem unangenehmen Thema auszuweichen. Ehrfurchtsvoll sagte sie: „Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist.“ Johannes 4,19. Dann brachte sie die Rede auf religiöse Streitfragen, um ihr Gewissen zu beruhigen. Wenn dieser Mann ein Prophet war, dann konnte Er ihr auch sicherlich alles erklären, was ihr bisher so strittig schien. DM.135.4 Teilen

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Geduldig ließ der Heiland der Samariterin bei der Führung des Gesprächs freie Hand. Inzwischen wartete Er auf eine Gelegenheit, ihrem Herzen erneut die Wahrheit nahezubringen. „Unsere Väter haben auf diesem Berg angebetet“, sprach die samaritische Frau, „und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, da man anbeten solle“. Johannes 4,20. Vor ihren Blicken lag der Berg Garizim, dessen Tempel verwüstet war. Nur der Altar stand noch. Der Ort der Anbetung war zwischen Juden und Samaritern ein Streitpunkt. Einige der samaritischen Vorfahren hatten einst zu Israel gehört; aber ihrer Sünden wegen ließ es der Herr zu, dass sie von einem heidnischen Volk überwunden wurden. Schon viele Generationen hindurch lebten sie mit Götzenanbetern zusammen, deren Religion ihre eigene allmählich durchdrungen hatte. Sie behaupteten allerdings, dass ihre Götzen sie nur an den lebendigen Gott, den Herrscher des ganzen Weltalls, erinnern sollten, trotz allem waren sie so weit gekommen, ihre Götzenbilder zu verehren. DM.136.1 Teilen

Als der Tempel in Jerusalem zurzeit Esras wieder gebaut wurde, wollten die Samariter den Juden bei seinem Aufbau helfen. Das wurde ihnen aber verweigert, und es entstand eine bittere Feindschaft zwischen beiden Völkern. Die Samariter bauten sich deshalb ihren Tempel auf dem Berg Garizim. Hier beteten sie Gott an in Übereinstimmung mit den mosaischen Bräuchen, obwohl sie den Götzendienst nicht völlig aufgegeben hatten. Aber das Unglück verfolgte sie. Ihr Tempel wurde von Feinden zerstört, und sie schienen unter einem Fluch zu stehen. Dennoch hielten sie an ihren Traditionen und der Form des Gottesdienstes fest. Sie wollten den Tempel in Jerusalem nicht als Haus Gottes anerkennen und auch nicht zugeben, dass die jüdische Religion der ihren überlegen war. DM.136.2 Teilen

Auf die Frage der Samariterin antwortete Jesus: „Glaube mir, Frau, es kommt die Zeit, dass ihr weder auf diesem Berge noch in Jerusalem den Vater anbeten werdet. Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden“. Johannes 4,21.22. Jesus hatte damit bewiesen, dass Er frei war von dem jüdischen Vorurteil gegen die Samariter. Nun versuchte Er sogar das Vorurteil der Samariterin gegen die Juden zu beseitigen. Während Er darauf hinwies, dass der Glaube der Samariter durch den Götzendienst verdorben war, erklärte Er, dass die großen Wahrheiten über die Erlösung den Juden anvertraut seien und dass aus ihrem Volk auch der Messias kommen sollte. In den heiligen Schriften hatten sie eine klare Darstellung vom Wesen Gottes und von den Grundsätzen seiner Regierung. Jesus rechnete Sich selbst zu den Juden, denen Gott die Erkenntnis über Seine Person gegeben hatte. Er wollte gerne die Gedanken Seiner Zuhörerin über äußere Formen und über alle Streitfragen hinausheben. „Es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Johannes 4,23.24. DM.136.3 Teilen

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Hier wird die gleiche Wahrheit ausgesprochen, die Jesus schon Nikodemus offenbart hatte, als Er sagte: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ Johannes 3,3. Menschen werden dem Himmel nicht näher gebracht, indem sie einen heiligen Berg oder einen geweihten Tempel aufsuchen. Die Religion ist nicht nur auf äußere Formen und Handlungen beschränkt. Die Religion, die von Gott kommt, ist auch die einzige, die zu Gott führt. Um Ihm in der richtigen Weise zu dienen, müssen wir durch den Geist Gottes neu geboren werden. Dieser wird unsere Herzen reinigen und unseren Sinn erneuern und uns befähigen, Gott zu erkennen und zu lieben. Er wird in uns die Bereitschaft wecken, allen Seinen Anforderungen gehorsam zu sein. Dies allein ist wahre Anbetung. Sie ist die Frucht der Wirksamkeit des Geistes Gottes. Jedes aufrichtige Gebet ist durch den Geist eingegeben, und Gott akzeptiert ein solches Gebet. Wo immer jemand nach Gott sucht, da bekundet sich das Wirken des Geistes, und Gott wird sich jenem Menschen mitteilen. Nach solchen Anbetern sucht Er. Er wartet darauf, sie anzunehmen und sie zu Seinen Söhnen und Töchtern zu machen. DM.137.1 Teilen

Jesu Worte machten schon während ihrer Unterhaltung großen Eindruck auf die Samariterin. Weder von den Priestern ihres Volkes noch von den Juden hatte sie jemals solche Gedanken gehört. Als der Heiland ihr vergangenes Leben vor ihr enthüllt hatte, war sie sich ihrer großen Not bewusst geworden. Sie erkannte den Durst ihrer Seele, den die Wasser des Brunnens von Sichar nicht stillen konnte. Sie war bisher nie mit etwas in Berührung gekommen, das ihr Verlangen so nach Höherem geweckt hätte. Jesus hatte sie davon überzeugt, dass Er ihr Leben genau kannte. Dennoch fühlte sie, dass Er ihr Freund war, der Mitleid mit ihr hatte und sie liebte. Obwohl sie sich durch Seine reine Gegenwart in ihrer Sünde verdammt fühlte, hatte Er kein Wort des Tadels gesprochen, sondern ihr von Seiner Gnade erzählt, die ihre Seele erneuern könnte. Sie wurde von Seinem Charakter überzeugt, und sie fragte sich, ob dieser Mann nicht der lang ersehnte Messias sei. Sie sagte zu Ihm: „Ich weiß, dass der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin‘s, der mit dir redet.“ Johannes 4,25.26. DM.137.2 Teilen

Als die Frau diese Worte hörte, glaubte sie in ihrem Herzen. Sie nahm die wunderbare Verkündigung aus dem Mund des göttlichen Lehrers an. Ihr Gemüt war empfänglich und sie war bereit, die herrlichste Offenbarung zu erfassen, denn die heiligen Schriften interessierten sie, und der Heilige Geist hatte ihre Seele auf eine größere Erkenntnis vorbereitet. Sie kannte die Verheißung des Alten Testamentes: „Einen Propheten wie mich wird dir der Herr, dein Gott, erwecken aus dir und aus deinen Brüdern; dem sollt ihr gehorchen.“ 5.Mose 18,15. Sie hatte sich immer schon danach gesehnt, diese Verheißung zu verstehen. Nun fiel ein Lichtstrahl in ihre Seele. Das Wasser des Lebens — das geistliche Leben, das Christus jeder durstigen Seele gibt — war ihrem Herzen geschenkt worden. Gottes Geist wirkte an ihr. DM.137.3 Teilen

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Die schlichte Darstellung, die Jesus dieser Frau gab, hätte Er den selbstgerechten Juden nicht geben können. Christus war zurückhaltender, wenn Er mit ihnen sprach. Was den Juden vorenthalten wurde und die Jünger später geheim halten sollten, offenbarte Er dieser Samariterin. Jesus sah, dass sie diese Erkenntnis benutzen würde, um andere an Seiner Gnade teilhaben zu lassen. DM.138.1 Teilen

Als die Jünger von ihrem Auftrag zurück kamen, waren sie überrascht, ihren Meister im Gespräch mit der Samariterin zu finden. Er hatte den erfrischenden und so sehr begehrten Schluck Wasser nicht bekommen und fand auch nicht die Zeit, die von den Jüngern gebrachte Speise zu essen. Nachdem die Frau gegangen war, baten die Jünger Ihn, etwas zu essen. Der Heiland aber saß still und nachdenklich. Sein Angesicht strahlte von einem inneren Licht, und sie fürchteten, Seine Gemeinschaft mit Gott zu stören. Sie wussten aber, dass Er hungrig und matt war, und fühlten sich verpflichtet, Ihn an Seine leiblichen Bedürfnisse zu erinnern. Jesus anerkannte ihre liebevolle Fürsorge und sagte: „Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nicht wisst.“ Verwundert fragten sich die Jünger, wer ihm Nahrung gebracht haben konnte. Doch der Herr erklärte ihnen: „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Wer“. Johannes 4,34. Jesus freute sich, dass Seine Worte das Gewissen der Samariterin geweckt hatten. Er sah, dass diese Frau vom Wasser des Lebens gläubig trank, und Sein eigener Hunger und Durst waren gestillt. DM.138.2 Teilen

Die Erfüllung Seiner Aufgabe, um derentwillen Er den Himmel verlassen hatte, stärkte Ihn für Seine Arbeit und erhob Ihn über die menschlichen Bedürfnisse. Es war Ihm wichtiger, einer hungernden und dürstenden Menschenseele mit der Wahrheit zu dienen, als selbst leibliche Nahrung zu genießen. Dies war ihm eine Freude und eine Erfrischung, denn Wohltätigkeit war Sein Leben! DM.138.3 Teilen

Unser Heiland wünscht sich, angenommen zu werden. Er hungert nach dem Mitgefühl und der Liebe derer, die Er mit Seinem eigenen Blut erkauft hat. Mit innigem Verlangen sehnt Er sich danach, dass sie zu Ihm kommen und das Leben empfangen. Wie eine Mutter auf das erste erkennende Lächeln ihres Kindes achtet, das dadurch sein erwachendes Verständnis anzeigt, so wartet Christus auf den Ausdruck dankbarer Liebe, der Ihm zeigt, dass das geistliche Leben in den Herzen der Menschen erwacht ist. DM.138.4 Teilen

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Die Worte Jesu hatten die Samariterin mit Freude erfüllt. Die wunderbare Offenbarung überwältigte sie fast. Sie ließ ihren Krug stehen und eilte in die Stadt, um den anderen Leuten dort diese Botschaft zu bringen. Jesus wusste, warum sie gegangen war, und der zurückgelassene Wasserkrug sprach unmissverständlich von der Wirkung Seiner Worte. Es war ihr Herzenswunsch, von dem lebendigen Wasser zu trinken. Sie vergaß den Zweck ihres Kommens und auch des Heilandes Durst, den sie doch stillen wollte. Sie eilte mit freudig erregtem Herzen in die Stadt zurück, um den anderen Leuten das kostbare Licht mitzuteilen, das sie selbst empfangen hatte. DM.139.1 Teilen

„Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei!“ So rief sie den Leuten in der Stadt zu. Und ihre Worte berührten ihre Herzen. Ein neuer Ausdruck war an ihrem Gesicht zu sehen, eine Veränderung in ihrem ganzen Auftreten. Es interessierte die Menschen, Jesus zu sehen, und sie gingen „aus der Stadt und kamen zu ihm“. Johannes 4,29.30. DM.139.2 Teilen

Jesus saß noch immer am Rand des Brunnens; Sein Blick wanderte über die sich vor Ihm ausbreitenden reifenden Kornfelder, die von der leuchtenden Sonne berührt wurden. Er wies Seine Jünger auf dieses Bild hin und knüpfte eine Belehrung daran: „Sagt ihr nicht: Es sind noch vier Monate, dann kommt die Ernte? Siehe, ich sage euch: Hebt eure Augen auf und seht in das Feld, denn es ist weiß zur Ernte“. Johannes 4,35. Während Er so sprach, blickte Er auf die Schar, die schnell dem Brunnen zueilte. Es waren noch vier Monate bis zur Erntezeit des Getreides, aber hier war schon eine Ernte reif für den Schnitter. DM.139.3 Teilen

„Schon empfängt Lohn“, sagte Er, „der da schneidet, und sammelt Frucht zum ewigen Leben, auf dass sich miteinander freuen, der da sät und der da schneidet. Denn hier ist der Spruch wahr: Dieser sät, der andere schneidet.“ Johannes 4,36.37. Hiermit kennzeichnete Jesus die hohe Aufgabe, die die Verkündiger des Evangeliums Gott gegenüber zu erfüllen haben. Sie sollen Seine lebendigen Werkzeuge sein, denn Gott verlangt ihren persönlichen Dienst. Ob wir nun säen oder ernten, wir arbeiten für den Herrn. Einer streut den Samen aus, der andere bringt die Ernte ein — beide aber erhalten ihren Lohn. Sie freuen sich gemeinsam über den Erfolg ihrer Arbeit. DM.139.4 Teilen

Jesus sprach zu den Jüngern: „Ich habe euch gesandt, zu schneiden, was ihr nicht gearbeitet habt; andere haben gearbeitet, und ihr seid in ihre Arbeit gekommen“. Johannes 4,38. Der Heiland schaute hier schon voraus auf die große Ernte zu Pfingsten. Die Jünger sollten dies nicht als Ergebnis ihrer eigenen Anstrengungen betrachten. Sie setzten lediglich die Arbeit anderer fort. Seit Adams Fall hatte Christus fortwährend die Saat des Wortes an Seine erwählten Diener weitergegeben, damit sie in die Herzen der Menschen gesenkt würde. Und ein unsichtbarer Mittler, ja eine allgegenwärtige Macht war still, aber wirksam tätig gewesen, um die Ernte hervorzubringen. Der Tau, der Regen und der Sonnenschein der Gnade Gottes waren gegeben worden, um die ausgestreute Saat der Wahrheit zu erfrischen und zu hegen. Christus war nun bereit, die Saat mit Seinem eigenen Blut zu tränken. Seine Jünger hatten das Privileg, mit Gott zusammen zu arbeiten. Sie waren Mitarbeiter Christi und darin Nachfolger der heiligen Männer von früher. Durch die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten wurden Tausende an einem Tag gläubig. Das war das Ergebnis der Aussaat Christi, die Ernte Seines Wirkens. DM.139.5 Teilen

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In den Worten, die Jesus zur Samariterin am Brunnen gesprochen hat, wurde guter Samen gesät. Wie schnell konnte er die Ernte einholen. Die Samariter kamen, hörten Jesus und glaubten an Ihn. Sie scharten sich um Ihn, überhäuften Ihn mit Fragen und nahmen Seine Erklärungen über alles, was ihnen bisher unverständlich gewesen war, aufmerksam auf. Während sie Ihm zuhörten, fing ihre Verwirrung an zu weichen. Sie waren wie ein Volk, das in großer Dunkelheit einem plötzlich aufleuchtenden Licht nachging, bis es den hellen Tag fand. Sie wurden nicht müde, dem Herrn zuzuhören, und wollten sich nicht mit einem kurzen Gespräch zufrieden geben. Sie wollten mehr hören und wünschten auch, dass ihre Freunde in der Stadt diesen wunderbaren Lehrer hören konnten. So luden sie den Herrn ein, mit ihnen zu kommen und in ihrer Stadt zu bleiben. Zwei Tage blieb Jesus in Samarien, und viele dort glaubten an Ihn. DM.140.1 Teilen

Die Pharisäer verachteten die Einfachheit Jesu. Sie leugneten Seine Wunder, forderten aber ein Zeichen, dass Er der Sohn Gottes sei. Die Samariter forderten kein Zeichen. Jesus wirkte auch keine Wunder unter ihnen — nur der Samariterin hatte Er am Brunnen das Geheimnis ihres Lebens offenbart —, und doch nahmen Ihn viele an. In großer Freude sagten sie zu der Frau: „Von nun an glauben wir nicht mehr um deiner Rede willen; denn wir haben selber gehört und erkannt: Dieser ist wahrlich der Welt Heiland“. Johannes 4,42. DM.140.2 Teilen

Die Samariter glaubten, dass der Messias als Erlöser nicht nur für Juden, sondern für die ganze Welt gekommen war. Der Heilige Geist hatte Ihn durch Mose als einen von Gott gesandten Propheten vorausgesagt. Jakob hatte erklärt, dass diesem alle Völker folgen werden, und Abraham ließ erkennen, dass in dem Einen alle Völker gesegnet werden sollen. Vgl. 1.Mose 49,10; 22,18; 12,3; 26,4; Galater 3,16. Darauf gründeten die Samariter ihren Glauben an den Messias. Die Tatsache, dass die Juden die späteren Propheten missdeutet haben, indem sie dem ersten Kommen Jesu allen Glanz und alle Herrlichkeit Seines zweiten Kommens zuschrieben, hatte die Samariter veranlasst, alle heiligen Schriften bis auf die von Mose gegebenen abzulegen. Doch als der Heiland diese falschen Auslegungen weg wischte, nahmen viele die späteren Weissagungen an und auch die Worte von Christus selbst, die sich auf das Reich Gottes bezogen. Jesus hatte angefangen, die Scheidewand zwischen Juden und Heiden einzureißen und der ganzen Welt die Heilsbotschaft zu verkünden. Und obwohl Er ein Jude war, pflegte Er doch freien Umgang mit den Samaritern und beachtete nicht im Geringsten den pharisäischen Brauch Seines Volkes. Trotz aller Vorurteile nahm Er die Gastfreundschaft dieser verachteten Menschen an. Er schlief unter ihrem Dach, aß mit ihnen an ihrem Tisch die Speise, die sie zubereitet und aufgetragen hatten, Er lehrte auf ihren Straßen und behandelte sie äußerst freundlich und höflich. DM.140.3 Teilen

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Im Tempel zu Jerusalem trennte eine niedrige Mauer den äußeren Hof von allen anderen Teilen des geweihten Gebäudes. An dieser Mauer stand in mehreren Sprachen zu lesen, dass es nur den Juden erlaubt sei, diese Abgrenzung zu überschreiten. Würde ein Heide es gewagt haben, den umgrenzten Bereich zu betreten, hätte er den Tempel entweiht und als Strafe mit seinem Leben bezahlen müssen. Doch Jesus, der Schöpfer des Tempels und Seines Dienstes, zog die Heiden zu sich durch das Band Seiner Zuneigung, während Seine göttliche Gnade ihnen das Heil brachte, das die Juden ablehnten. DM.141.1 Teilen

Der Aufenthalt in Samaria sollte für Seine Jünger, die noch unter dem Einfluss des jüdischen Fanatismus standen, ein besonderer Segen sein. Sie waren der Auffassung, dass die Treue zum eigenen Volk von ihnen verlangte, Feindschaft gegen die Samariter zu hegen. Sie wunderten sich deshalb über das Verhalten Jesu. Sie konnten es jedoch nicht ablehnen, Seinem Beispiel zu folgen. Und während der beiden Tage in Samaria trug ihre Treue zu Ihm dazu bei, dass sie sich mit ihren Vorurteilen zurückhielten; dennoch waren sie in ihrem Herzen unversöhnt. Nur langsam lernten sie, dass ihre Verachtung und ihre Feindseligkeit der Barmherzigkeit und dem Mitgefühl weichen mussten. Doch nach der Himmelfahrt Jesu sahen sie Seine Lehren unter völlig neuem Vorzeichen. Nach der Ausgießung des Heiligen Geistes erinnerten sie sich an die Blicke des Heilandes, an Seine Worte, an Sein achtungsvolles und liebevolles Verhalten gegenüber diesen verachteten Fremden. Als Petrus später nach Samaria reiste, um das Wort zu verkündigen, war sein Wirken vom gleichen Geist erfüllt. Als Johannes nach Ephesus und Smyrna gerufen wurde, erinnerte er sich an die Erfahrung am Brunnen von Sichem. Und so war er voller Dankbarkeit gegenüber dem göttlichen Lehrer. Der die Schwierigkeiten voraussah, die ihnen begegnen würden, hatte ihnen durch Sein eigenes Beispiel geholfen. DM.141.2 Teilen

Der Heiland handelt heute noch genauso wie damals, als Er der Samariterin das Wasser des Lebens anbot. Jene, die sich Seine Nachfolger nennen, mögen die Ausgestoßenen verachten und meiden. Aber keinerlei Umstände von Herkunft oder Nationalität oder andere Lebensumstände können den Menschenkindern Seine Liebe entziehen. Einem jeden, wie sündig er auch sein mag, sagt der Herr: Hättest du mich gebeten, ich würde dir lebendiges Wasser gegeben haben. Die Einladung des Evangeliums soll nicht auf wenige Auserwählte beschränkt werden, die uns durch Seine Annahme meinen zu ehren. Die Botschaft soll an alle Menschen gegeben werden. Wo immer Herzen für die Wahrheit offen sind, ist Christus bereit, sie zu belehren. Er offenbart ihnen den Vater und die Art der Anbetung, die dem Herrn, der in aller Menschen Herzen liest, angenehm ist. Zu ihnen spricht Er nicht in Gleichnissen sondern wie damals zur Samariterin am Brunnen bei Sichar: „Ich bin‘s, der mit dir redet.“ DM.141.3 Teilen

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Als Jesus am Jakobsbrunnen verweilte, um auszuruhen, kam Er gerade aus Judäa, wo Sein Wirken nur wenig bewirkt hatte. Er war von den Priestern und Rabbinern abgelehnt worden, und selbst jene, die Seine Jünger sein wollten, hatten Seinen göttlichen Charakter nicht erkannt. Obwohl der Heiland müde und matt war, nutzte Er doch die Gelegenheit, mit der Samariterin zu reden — einer Fremden und Abtrünnigen von Israel, die dazu in offener Sünde lebte. DM.142.1 Teilen

Der Heiland wartete nicht, bis sich viele Zuhörern versammelt hatten. Oft begann Er auch vor nur wenigen Menschen zu lehren; doch die Vorübergehenden blieben einer nach dem andern stehen und hörten zu, bis eine große Menge verwundert und ehrfürchtig zugleich den Worten des göttlichen Lehrers lauschte. Der Diener Gottes darf nicht meinen, zu wenigen Leuten nicht mit demselben Eifer reden zu können wie zu einer großen Versammlung. Vielleicht hört nur ein Mensch die Botschaft; doch wer kann sagen, wie weitreichend sein Einfluss sein wird? Selbst die Jünger hielten es nicht für lohnend, dass sich der Heiland mit der Samariterin beschäftigte. Jesus aber sprach mit dieser Frau ernster und eifriger als mit Königen, Gelehrten oder geistlichen Würdenträgern. Die Lehren, die Er ihr weitergab, sind bis an die entferntesten Orte der Erde gedrungen. DM.142.2 Teilen

Sobald die Samariterin den Heiland gefunden hatte, brachte sie andere Menschen zu Ihm. Sie war in ihrer Missionsarbeit wirksamer als Jesu Jünger. Diese stempelten Samaria als wenig versprechendes Arbeitsfeld ab. Ihre Gedanken waren auf eine große Aufgabe gerichtet, die in der Zukunft geschehen sollte. Darum sahen sie auch nicht die Ernte, die um sie herum einzuholen war. Durch die samaritische Frau, die sie verachteten, waren die Einwohner einer ganzen Stadt zum Heiland gekommen, um von ihm zu hören. Unverzüglich brachte sie das empfangene Licht ihren Landsleuten. DM.142.3 Teilen

Diese Frau stellt das Wirken des praktischen Glaubens dar. Jeder wahre Jünger wird für das Reich Gottes geboren, um ein Missionar zu sein. Wer von dem lebendigen Wasser trinkt, wird selbst eine Quelle des Lebens; der Empfänger wird zum Geber. Die Gnade Christi in der Seele ist wie eine Quelle in der Wüste, die hervorsprudelt, um alle zu erfrischen, und die in allen, die dem Verschmachten nahe sind, das Verlangen nach dem Lebenswasser weckt. DM.142.4 Teilen

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