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Kapitel 24: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns?“
Kapitel 24: „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns?“
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Auf der Grundlage von Matthäus 13,53-58; Markus 6,1-6; Lukas 4,16. DM.175 Teilen

Auf den heiteren Tagen des Dienstes Christi in Galiläa lag ein Schatten. Die Bewohner Nazareths lehnten Jesus ab. „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und seine Brüder Jakobus und Joseph und Simon und Judas?“ Matthäus 13,55. DM.175.1 Teilen

In Seiner Kindheit und Jugendzeit hatte Jesus gemeinsam mit Seinen Brüdern an den Gottesdiensten in der Synagoge von Nazareth teilgenommen. Seit Er jedoch Seinen Dienst begonnen hatte, war Er nicht mehr bei ihnen gewesen. Trotzdem war es ihnen nicht verborgen geblieben, was mit Ihm geschehen war. Als er nun wieder unter ihnen erschien, steigerten sich ihr Interesse und ihre Erwartung außerordentlich. Hier waren die vertrauten Gestalten und Gesichter derer, die Ihn von klein auf kannten. Hier lebten Seine Mutter, Seine Brüder und Seine Schwestern, und alle blickten auf Ihn, als Er am Sabbat die Synagoge betrat und unter den Andächtigen Platz nahm. DM.175.2 Teilen

Bei den gewöhnlichen Gottesdiensten verlas der Älteste einen Abschnitt aus den Propheten und ermahnte das Volk, weiter auf den zu hoffen, der da kommen, ein herrliches Reich gründen und alle Unterdrückung beenden sollte. Er versuchte seine Hörer dadurch zu ermutigen, dass er die Beweise für das baldige Erscheinen des Messias wiederholte. Er beschrieb die Herrlichkeit Seiner Ankunft und hob besonders den Gedanken hervor, dass der Gesalbte als Heerführer kommen und Israel befreien werde. DM.175.3 Teilen

War ein Rabbiner zum Gottesdienst in der Synagoge anwesend, dann wurde erwartet, dass er die Predigt hielt. Den prophetischen Textabschnitt dagegen durfte jeder Israelit vorlesen. An diesem Sabbat nun wurde Jesus gebeten, den Gottesdienst zu übernehmen. Er „stand auf und wollte lesen. Da wurde ihm das Buch des Propheten Jesaja gereicht“. Lukas 4,16.17. Der von Ihm gelesene Schriftabschnitt wurde nach dem allgemeinem Verständnis auf den Messias bezogen: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen und den Blinden, dass sie sehen sollen und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn“. Lukas 4,18.19. „Und als er das Buch zutat, gab er‘s dem Diener ... Und aller Augen in der Synagoge sahen auf ihn ... Und sie gaben alle Zeugnis von ihm und wunderten sich, dass solche Worte der Gnade aus seinem Munde kamen.“ Lukas 4,20.22. Jesus stand vor den Leuten als lebendige Erfüllung der Weissagungen, die sich auf Ihn bezogen. Als Er die Texte erklärte, die Er gelesen hatte, sprach Er vom Messias als Einem, der den Unterdrückten hilft, die Gefangenen befreit, die Kranken heilt, den Blinden das Augenlicht wiedergibt und vor der Welt das Licht der Wahrheit offenbart. DM.175.4 Teilen

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Seine beeindruckende Art und der wunderbare Inhalt Seiner Worte begeisterten die Hörer mit einer nie zuvor verspürten Kraft. Der Strom des göttlichen Einflusses durchbrach jedes Hindernis. Wie Mose sahen sie den Unsichtbaren. Als ihre Herzen durch den Geist Gottes bewegt wurden, antworteten sie mit inbrünstigem Amen und lobten den Herrn. DM.176.1 Teilen

Als Jesus jedoch erklärte: „Heute ist dies Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren“ (Lukas 4,21), fühlten sie sich plötzlich ermahnt, über sich selbst nachzudenken, und über den Anspruch von dem, der zu ihnen gesprochen hatte. Er hatte sie, die Israeliten, Nachkommen Abrahams, so dargestellt, als lebten sie in Knechtschaft. Er hatte zu ihnen gesprochen wie zu Gefangenen, die von der Macht des Bösen erlöst werden müssten; wie zu Leuten, die in der Finsternis lebten und das Licht der Wahrheit benötigten. Ihr Stolz war gekränkt, und Befürchtungen wurden in ihnen geweckt. Jesu Worte wiesen darauf hin, dass Sein Werk für sie ganz und gar nicht ihren Wünschen entsprechen würde; und ihre Taten könnten zu genau geprüft werden. Obwohl sie den frommen Schein sorgfältig wahrten, schreckten sie doch vor dem prüfenden Blick Seiner klaren, forschenden Augen zurück. DM.176.2 Teilen

„Wer ist dieser Jesus?“, fragten sie. Er, der die Herrlichkeit des Messias für sich in Anspruch nahm, war der Sohn eines Zimmermanns und hatte gemeinsam mit Seinem Vater Joseph Sein Handwerk ausgeübt. Die Leute von Nazareth hatten gesehen, wie Er sich bergauf und bergab plagte, sie kannten Seine Brüder und Schwestern und wussten über Sein Leben und Seine Tagesarbeit Bescheid. Sie hatten miterlebt, wie aus dem Kind ein Jugendlicher und aus dem Jugendlichen ein Mann wurde. Obwohl Sein Leben makellos geblieben war, glaubten sie dennoch nicht, dass Er der Verheißene war. Welch ein Gegensatz bestand zwischen Seiner Lehre vom neuen Reich und jener Auslegung, die sie von ihren Ältesten gehört hatten! Jesus hatte nichts über eine Befreiung von den Römern gesagt. Sie hatten von Seinen Wundern gehört und deshalb gehofft, Er würde Seine Macht zu ihrem Vorteil einsetzen; doch sie hatten keinerlei Anzeichen einer solchen Absicht gesehen. Als sie dem Zweifel die Tür öffneten, wurden ihre Herzen so sehr verhärtet, dass sie nicht einmal für einen Augenblick erweicht wurden. Satan war entschlossen, zu verhindern, dass an jenem Tag blinde Augen geöffnet oder in Sklaverei gehaltene Menschenseelen befreit würden. Mit aller Kraft versuchte er, sie in ihrem Unglauben zu bestärken. Zwar waren sie von der Überzeugung aufgerüttelt worden, dass ihr Erlöser zu ihnen sprach; doch für sie hatte dieses ihnen gegebene Zeichen keine Bedeutung. DM.176.3 Teilen

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Nun enthüllte Jesus ihnen ihre geheimen Gedanken als Beweis Seiner Göttlichkeit. „Und er sprach zu ihnen: Ihr werdet mir freilich dies Sprichwort sagen: Arzt, hilf dir selber! Denn wie große Dinge haben wir gehört, die in Kapernaum geschehen sind! Tue so auch hier in deiner Vaterstadt! Er sprach aber: Wahrlich, ich sage euch: Kein Prophet gilt etwas in seinem Vaterland. Aber wahrhaftig, ich sage euch: Es waren viele Witwen in Israel zurzeit des Elia, als der Himmel verschlossen war drei Jahre und sechs Monate und eine große Hungersnot herrschte im ganzen Lande, und zu keiner von ihnen wurde Elia gesandt als allein zu einer Witwe nach Sarepta im Gebiet von Sidon. Und viele Aussätzige waren in Israel zurzeit des Propheten Elisa, und keiner von ihnen wurde rein als allein Naeman aus Syrien.“ Lukas 4,23-27. DM.177.1 Teilen

Indem Jesus Ereignisse aus dem Leben der Propheten erwähnte, ging Er auf die Fragen Seiner Hörer ein. Den Dienern, die Gott zu einer besonderen Aufgabe berufen hatte, wurde nicht erlaubt, etwas für hartherzige und ungläubige Menschen zu tun. Wer aber ein empfängliches Herz besaß und glaubte, erhielt durch die Propheten besondere Beweise Seiner göttlichen Macht. DM.177.2 Teilen

In den Tagen Elias hatten die Israeliten Gott den Rücken gekehrt. Sie hielten an ihren Sünden fest und verwarfen die durch die Boten des Herrn gegebenen Mahnungen des Geistes. So verließen sie selbst den Weg, auf dem Gott sie segnen konnte. Der Herr ging an den Häusern Israels vorbei und fand für Seinen Diener eine Bleibe in einem heidnischen Land bei einer Frau, die nicht zum auserwählten Volk gehörte. Diese Frau fand Gnade, weil sie dem Licht, das sie empfing, gehorcht hatte und weil ihr Herz für das größere Licht, das Gott ihr durch Seinen Propheten sandte, empfänglich war. DM.177.3 Teilen

Aus demselben Grund wurden die Aussätzigen zu Elisas Zeit übergangen. Doch Naeman, ein heidnischer Adelsmann, war in den Dingen, die er als recht erkannt hatte, treu gewesen, und er war sich auch bewusst, wie sehr er Hilfe nötig hatte. Durch die Bereitschaft, die Gnadengaben Gottes zu empfangen, wurde er nicht nur vom Aussatz geheilt, sondern auch mit der Erkenntnis des wahren Gottes gesegnet. DM.177.4 Teilen

Unser Verhältnis zu Gott hängt nicht davon ab, wie viel Licht wir erhalten haben, sondern davon, was wir aus dem machen, das wir empfangen haben. Deshalb stehen Heiden, die nach bestem Vermögen und Verständnis das Rechte zu tun bemüht sind, Gott näher als Menschen, die großes Licht empfangen haben und angeblich Gott dienen, dieses Licht aber nicht beachten und durch ihr tägliches Leben ihrem Bekenntnis widersprechen. Mit Seinen Worten in der Synagoge traf Jesus Seine Hörer an der Wurzel ihrer Selbstgerechtigkeit, indem Er ihnen deutlich die bittere Wahrheit vor Augen führte, dass sie sich von Gott abgewandt und den Anspruch, Sein Volk zu sein, verspielt hatten. Jedes Wort schnitt tief in ihr Herz, als ihnen ihre wirkliche Lage klar gemacht wurde. Jetzt verhöhnten sie den Glauben, den Jesus erst in ihnen entfacht hatte. Sie wollten nicht zugeben, dass jener, der aus Armut und Niedrigkeit hervorgegangen war, mehr darstellte als einen gewöhnlichen Menschen. DM.177.5 Teilen

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Ihr Unglaube erzeugte Groll. Satan hatte sie in seiner Gewalt, und im Zorn erhoben sie ihre Stimme gegen den Heiland. Sie hatten sich von dem abgewandt, dessen Aufgabe es war, zu heilen und wiederherzustellen. Nun zeigten sie die Eigenschaften des Zerstörers. Als sich Jesus auf die den Heiden gewährten Segnungen bezog, wurde der leidenschaftliche Nationalstolz Seiner Hörer so sehr geweckt, dass Seine Worte im Tumult untergingen. Diese Leute bildeten sich viel darauf ein, dass sie das Gesetz hielten; doch nun, da ihre Vorurteile angetastet wurden, waren sie bereit, einen Mord zu begehen. Die Versammlung endete abrupt. Jesus wurde gepackt und aus der Synagoge gezogen sowie aus der Stadt gejagt. Alle schienen begierig darauf zu sein, Ihn umzubringen. Sie trieben Ihn an den Rand eines Abgrunds, um Ihn kopfüber hinabzustürzen. Geschrei und Verwünschungen erfüllten die Luft. Einige warfen sogar mit Steinen nach Ihm, als Er plötzlich aus ihrer Mitte verschwand. Die himmlischen Boten, die in der Synagoge an Seiner Seite gestanden hatten, waren auch hier inmitten der wütenden Menge bei Ihm. Sie schirmten Ihn vor Seinen Feinden ab und brachten Ihn an einen sicheren Ort. So schützten Engel auch Lot und führten ihn sicher aus Sodom heraus. Auf die gleiche Art behüteten sie Elisa in jenem kleinen Gebirgsort. Zwar wimmelten die umliegenden Berge von Pferden und Wagen des Königs von Syrien und von der großen Schar seiner bewaffneten Männer; Elisa aber sah die nahe gelegenen Hänge bedeckt von den Heerscharen Gottes — dort standen Pferde und Feuerwagen um den Diener des Herrn her. DM.178.1 Teilen

Zu allen Zeiten waren Engel den treuen Nachfolgern Christi nahe. Die gewaltige Verschwörung des Bösen geht gegen alle Überwinder vor. Doch Christus möchte, dass wir auf das Unsichtbare schauen, auf die Heere des Himmels, die sich zu deren Rettung um alle lagern, die Gott lieben. Vor welchen erkannten und unerkannten Gefahren wir durch das Eingreifen der Engel bewahrt worden sind, werden wir nie erfahren, bis wir im Licht der Ewigkeit die Vorsehung Gottes erkennen werden. Dann wird uns bewusst werden, dass die ganze Familie des Himmels Anteil an der irdischen Familie nahm und dass Boten vom Thron Gottes ausgesandt wurden, die uns Tag für Tag begleiteten. DM.178.2 Teilen

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Als Jesus in der Synagoge einen Abschnitt aus den Schriftrollen des Propheten Jesaja vorlas, endete Er plötzlich vor dem letzten Teil der Beschreibung des messianischen Werkes. Nach den Worten „zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn“ ließ Er die Wendung „und einen Tag der Vergeltung unsres Gottes“ weg. Jesaja 61,2. Diese Aussage ist ebenso sehr wahr wie der erste Teil der Weissagung, und durch Sein Schweigen hat Jesus diese Wahrheit keineswegs geleugnet. Doch gerade bei dieser letzten Aussage verweilten Seine Hörer so gern, und sie sehnten deren Erfüllung herbei. Sie verkündeten die Gerichte Gottes über die Heiden, ohne zu bedenken, dass ihre eigene Schuld weit größer war als die der anderen. Sie selbst brauchten die Gnade, die sie den Heiden versagten, am nötigsten. Jener Tag in der Synagoge, an dem Jesus unter ihnen stand, war ihre Gelegenheit, den Ruf des Himmels anzunehmen. Er, der „sich freut, wenn er barmherzig sein kann“ (Micha 7,18, NL), wollte sie gern vor dem Untergang bewahren, den ihre Sünden nach sich zogen. DM.179.1 Teilen

Ohne einen weiteren Ruf zur Buße konnte Er sie jedoch nicht aufgeben. Gegen Ende Seines Dienstes in Galiläa besuchte Er noch einmal den Ort Seiner Kindheit. Seit man Ihn damals abgewiesen hatte, sprach man von Seiner Predigt und Seinen Wundern im ganzen Land. Jetzt konnte niemand bestreiten, dass Er mehr als menschliche Kraft besaß. Die Leute in Nazareth wussten, dass Er umher zog, um Gutes zu tun und alle zu heilen, die von Satan geknechtet waren. Ringsumher gab es ganze Ortschaften, in denen in keinem Haus auch nur eine Klage wegen Krankheit zu hören war; denn Christus war hindurchgezogen und hatte alle ihre Krankheiten geheilt. Die in jeder Tat Seines Lebens deutlich gewordene Gnade bezeugte, dass Er der Gesalbte Gottes war. DM.179.2 Teilen

Wieder lauschten die Nazarener Seinen Worten und wurden vom Geist Gottes bewegt. Doch selbst jetzt wollten sie nicht zugeben, dass dieser Mann, der unter ihnen aufgewachsen war, anders oder größer war als sie selbst. Immer noch nagte die bittere Erinnerung an ihnen, dass Er beansprucht hatte, der Verheißene Gottes zu sein, gleichzeitig aber ihre Zugehörigkeit zu Israel in Abrede stellte Er hatte ihnen doch klar gemacht, dass sie der Gnade Gottes weniger würdig seien als heidnische Männer und Frauen. Deshalb lehnten sie Ihn trotz der Frage: „Woher hat er diese Weisheit und solche Taten?“ (Matthäus 13,54) als den Gesalbten Gottes ab. Wegen ihres Unglaubens konnte der Heiland nicht viel für sie tun. Nur einige wenige Herzen waren bereit für seine Segnungen. Ungern zog Er weiter, um niemals zurückzukehren. Der einmal fest gewurzelte Unglaube behielt die Herrschaft über die Menschen in Nazareth. Genauso beherrschte er den Hohen Rat und das jüdische Volk. Als die Priester und das Volk zum ersten Mal die Offenbarung der Macht des Heiligen Geistes zurückwiesen, war dies der Anfang des Endes. DM.179.3 Teilen

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Um zu beweisen, dass ihr erstes Widerstreben berechtigt war, hatten sie seitdem ständig an den Worten Christi etwas auszusetzen. Ihre Ablehnung des Heiligen Geistes erreichte ihren Höhepunkt am Kreuz von Golgatha, in der Zerstörung der Stadt Jerusalem und in der Zerstreuung des Volkes in alle Himmelsrichtungen. Wie sehr hat Christus sich doch danach gesehnt, vor den Israeliten die wertvollen Schätze der Wahrheit auszubreiten! Aber sie waren geistlich so verblendet, dass ihnen unmöglich die Wahrheiten Seines Reiches enthüllt werden konnten. DM.180.1 Teilen

Sie klammerten sich an ihr Glaubensbekenntnis und an die nutzlosen Zeremonien, als der Himmel ihnen Seine Wahrheit zur Annahme anbot. Sie gaben ihr Geld für Spreu und hohle Hülsen aus; dabei lag das Brot des Lebens in ihrer Reichweite. Warum studierten sie nicht das Wort Gottes und suchten darin, um zu erkennen, ob sie sich im Irrtum befanden? DM.180.2 Teilen

Die alttestamentlichen Schriften enthielten über jede Einzelheit des Dienstes Christi klare Aussagen, und immer wieder zitierte Er Worte aus den prophetischen Büchern mit dem Hinweis: „Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren“. Lukas 4,21. DM.180.3 Teilen

Würden sie aufrichtig die Heilige Schrift durchforscht und ihre eigenen Lehrsätze am Wort Gottes geprüft haben, dann hätte Jesus weder über ihre Unbußfertigkeit zu weinen, noch erklären zu brauchen: „Seht, euer Haus soll euch wüste gelassen werden“. Lukas 13,35. Die Beweise, dass Er der Gesalbte war, hätten sie kennen können, und das Elend, das ihre stolzen Städte in Trümmer legte, wäre abgewandt worden. Aber unrealistischer Fanatismus engte das Denken der Juden ein. Christi Unterweisungen enthüllten ihre charakterlichen Mängel und forderten zur Umkehr. Hätten sie Seine Lehren angenommen, dann hätten sie ihr tägliches Verhalten ändern und die von ihnen gehegten Hoffnungen aufgeben müssen. Wollten sie im Himmel geehrt werden, dann mussten sie auf die Ehre von Menschen verzichten. Der Gehorsam gegenüber den Worten dieses neuen Rabbi hätte sie konträr zu den Auffassungen der großen Denker und Lehrer jener Zeit gestellt. DM.180.4 Teilen

In Christi Tagen war die Wahrheit unbeliebt. Sie ist es auch heute noch. Sie war es immer, seit Satan zum ersten Mal dem Menschen Abneigung gegen sie einflößte, indem er ihm Lügen darbot, die zur Selbsterhöhung führten. Treffen wir nicht auch heute Theorien und Lehren an, die nicht im Wort Gottes gegründet sind? Die Menschen hängen ihnen ebenso beharrlich an wie die Juden damals ihren Traditionen. Die jüdischen Führer waren voll geistlichem Hochmut. Ihr Streben nach eigener Ehre zeigte sich sogar bei ihrem Dienst im Tempel. In der Synagoge beanspruchten sie die besten Plätze. Auf den Märkten mochten sie es, gegrüßt zu werden, und es gefiel ihnen, ihren Titel aus dem Mund anderer zu hören. Weil echte Frömmigkeit verschwand, eiferten sie umso mehr für ihre Traditionen und religiösen Formen. Weil ihr Verständnis durch egoistische Vorurteile getrübt war, vermochten sie die Kraft der überzeugenden Worte Christi nicht mit Seinem demütigen Leben in Übereinstimmung zu bringen. Sie erkannten nicht, dass echte Größe auf äußeren Glanz verzichten kann. Die Armut dieses Mannes hielten sie für völlig unvereinbar mit Seinem Anspruch, der Messias zu sein. Sie fragten sich, was Seine Anspruchslosigkeit denn zu bedeuten habe, wenn Er tatsächlich derjenige wäre, der Er zu sein vorgab. DM.180.5 Teilen

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Was würde aus ihrem Volk werden, wenn Er wirklich auf jede Waffengewalt verzichtete? Wie könnten die Macht und der Glanz — so lange erwartet — die Völker dazu bringen, Untertanen der Stadt der Juden zu werden? Hatten die Priester nicht gelehrt, dass Israel die Herrschaft über die ganze Erde ausüben sollte? Hatten sich die großen Religionslehrer etwa geirrt? DM.181.1 Teilen

Es war aber nicht nur der fehlende äußere Glanz in Seinem Leben, das die Juden veranlasste, Jesus abzulehnen. Er war die Verkörperung der Reinheit — sie dagegen waren unrein. Er lebte als Beispiel makelloser Unbescholtenheit unter den Menschen. Sein reines Leben ließ einen Lichtschein auf ihre Herzen fallen. Seine Aufrichtigkeit enthüllte ihre Unaufrichtigkeit. Sie offenbarte die hohle Form ihrer anmaßenden Frömmigkeit und deckte vor ihnen das abstoßende Wesen des Unrechts auf. Ein solches Licht war unerwünscht. Hätte Christus die Aufmerksamkeit auf die Pharisäer gelenkt und ihre Gelehrsamkeit und Frömmigkeit gelobt, dann würden sie Ihn mit Freuden begrüßt haben. DM.181.2 Teilen

Als Er aber vom Himmelreich als einem Reich der Gnade für alle Menschen sprach, rückte Er einen religiösen Aspekt ins Blickfeld, den sie nicht akzeptieren wollten. Ihr eigenes Beispiel und die Lehre hatten nie ausgereicht, den Dienst für Gott begehrenswert erscheinen zu lassen. Als sie sahen, wie Jesus sich gerade um die Menschen bemühte, die sie hassten und von sich weg stießen, weckte das die schlimmsten Leidenschaften ihrer stolzen Herzen. Ungeachtet ihrer Prahlerei, dass Israel als „der Löwe, der da ist vom Geschlecht Juda“ (Offenbarung 5,5), zur Vorherrschaft über alle Nationen erhöht werden solle, konnten sie das Fehlschlagen ihrer ehrgeizigen Hoffnungen leichter ertragen, als den Tadel ihrer Sünden aus dem Mund Christi zu hören und den Vorwurf zu spüren, der allein schon durch das Vorhandensein Seiner Reinheit auf ihnen ruhte. DM.181.3 Teilen

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