Portrait von Ellen White
A-   A+
A-   A+
Bücher
Achtung, noch nicht 100% für das Handy optimiert.
Ich arbeite parallel an der APP.
Kapitel 27: „So du willst, kannst du mich wohl reinigen ...“
Kapitel 27: „So du willst, kannst du mich wohl reinigen ...“
197

Auf der Grundlage von Matthäus 8,2-4; Matthäus 9,1-8; Matthäus 8,32-43; Markus 1,40-45; Markus 2,1-12; Lukas 5,12-28. DM.197 Teilen

Von allen im Orient bekannten Krankheiten wurde der Aussatz [Lepra] am meisten gefürchtet. Sein ansteckender und unheilbarer Verlauf und die schreckliche Wirkung auf seine Opfer erfüllten selbst den Tapfersten mit Furcht. Unter den Juden hielt man den Aussatz für ein göttliches Strafgericht als Folge der Sünde und bezeichnete ihn deshalb als Schicksalsschlag oder „Fingerzeig Gottes“. Da die Krankheit letztendlich tödlich ausging, wurde sie als Sinnbild der Sünde betrachtet. Das Zeremonialgesetz erklärte einen Aussätzigen für unrein. Wie ein bereits Toter war er von menschlichen Ansiedlungen ausgeschlossen. Was immer er berührte, wurde dadurch unrein; selbst die Luft wurde durch seinen Atem verdorben. Wer verdächtig war, unter dieser Krankheit zu leiden, musste sich den Priestern vorstellen, die ihn zu untersuchen und seinen Fall zu entscheiden hatten. Nachdem jemand für aussätzig erklärt war, wurde er von seiner Familie und auch vom ganzen Volk getrennt und blieb fortan dazu verurteilt, nur mit denen zusammen zu leben, die ebenso leiden mussten. Die Forderungen des Gesetzes waren unerbittlich. Selbst für Könige und Oberste gab es keine Ausnahme. So musste etwa ein Herrscher, der von der schrecklichen Krankheit erfasst wurde, seine Regentschaft aufgeben und sich von der Gesellschaft fernhalten. DM.197.1 Teilen

Getrennt von Freunden und Verwandten musste der Aussätzige den Fluch seiner Krankheit tragen. Er war verpflichtet, sein Unglück offen bekanntzugeben, seine Kleider zu zerreißen und laute Warnrufe auszustoßen, damit jeder seine ansteckende Nähe meiden konnte. Wenn einer jener einsamen Ausgestoßenen klagend rief: „Unrein! Unrein!“, dann galt dies als ein Signal, das man mit Furcht und Abscheu zur Kenntnis nahm. DM.197.2 Teilen

In der Gegend, in der Jesus lebte und wirkte, gab es viele solcher Leidenden. Als die Nachricht von Jesu Wirken diese Aussätzigen erreichte, erwachte in ihnen ein wenig Hoffnung. Seit den Tagen des Propheten Elisa war es nicht mehr vorgekommen, dass ein Aussätziger geheilt worden war. Sie wagten es deshalb nicht, darauf zu hoffen und etwas von Jesus zu erwarten, was Er noch nie zuvor irgendjemandem zuteil werden ließ. Im Herzen eines dieser Aussätzigen war jedoch der Glaube erwacht; nur wusste er nicht, wie er Jesus erreichen konnte. Wie sollte es für ihn, der von der Verbindung mit seinen Mitmenschen ausgeschlossen war, möglich sein, zum Heiland zu kommen? Und wenn er es versuchte, würde Jesus ihn heilen? Würde Er sich herablassen, einen Menschen zu beachten, von dem man glaubte, dass er unter dem Gericht Gottes stand? Würde Er nicht wie die Pharisäer und Ärzte einen Fluch über ihn aussprechen und ihm befehlen, aus der Nähe der Menschen zu fliehen? Er dachte über alles nach, was ihm von Jesus erzählt worden war. Nicht einer, der Hilfe gesucht hatte, war abgewiesen worden. Da entschloss sich der Unglückliche, Jesus zu suchen. War ihm auch der Zutritt zur Stadt verwehrt, so war es vielleicht doch möglich, dass er dem Herrn auf einer abgelegenen Gebirgsstraße begegnete, oder er fände Ihn, wenn er außerhalb der Stadt lehrte. Diese Hoffnung ließ ihn über alle Schwierigkeiten hinwegsehen. DM.197.3 Teilen

198

Der Aussätzige gelangt in die Nähe des Herrn. Jesus lehrt gerade am See, und das Volk hat sich um Ihn versammelt. Aus der Ferne fängt der Aussätzige einige Worte Jesu auf. Er sieht, dass dieser Seine Hände den Kranken auflegt und erlebt, dass Lahme, Blinde, Gichtbrüchige und andere Kranke sich nach der Berührung gesund erheben und Gott für ihre Erlösung preisen. Der Glaube wächst im Herzen des Aussätzigen; er nähert sich der Menge immer mehr; er vergisst die ihm auferlegten Beschränkungen, die Gefährdung der Gesunden, übersieht die Furcht und das Entsetzen, womit ihn alle ansehen. Er ist nur erfüllt von der seligen Hoffnung, geheilt zu werden. DM.198.1 Teilen

Er selbst bietet einen ekelerregenden Anblick. Die Krankheit hat seinen Körper völlig entstellt und sein verwesender Körper sieht schrecklich aus. Entsetzt weichen die Menschen vor ihm zurück. Sie bedrängen sich gegenseitig in ihrer Ungeduld, aus seiner Nähe zu fliehen. Einige versuchen ihn daran zu hindern, zu Jesus zu gelangen, aber vergeblich. Er sieht und hört sie nicht; ihre Schreckensrufe beeindrucken ihn nicht. Er sieht nur den Sohn Gottes und hört nur die Stimme, die den Sterbenden Leben verkündet. Nachdem er sich zu Jesus durchgekämpft hatte, wirft er sich Ihm zu Füßen und ruft: „Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen“. Matthäus 8,2. DM.198.2 Teilen

Jesus erwiderte: „Ich will‘s tun; sei rein!“ Matthäus 8,2.3. Gleichzeitig legte Er Seine Hand auf den Kranken. Sofort ging eine große Veränderung in dem Aussätzigen vor: Sein Fleisch wurde gesund, seine Kraft belebte sich und seine Muskeln wurden fest. Die raue, schuppige Hautoberfläche des Aussätzigen verschwand, und stattdessen bildete sich eine gesunde Hautfarbe, genauso wie bei einem gesunden Kind. Jesus befahl dem Mann, das an ihm vollzogene Wunder nicht weiterzuerzählen, sondern sich umgehend mit einer Opfergabe zum Tempel zu begeben. Eine solche Gabe wurde damals nur angenommen, wenn die Priester den Opfernden untersucht und für völlig geheilt befunden hatten. So unwillig sie auch dieser Aufgabe nachkommen mochten, sie konnten dem aber nicht ausweichen. DM.198.3 Teilen

199

Die Worte der Schrift zeigen, wie nachdrücklich der Heiland dem Geheilten gebot, unbedingt zu schweigen und dafür rasch zu handeln. „Daraufhin schickte Jesus ihn sofort weg und befahl ihm: ‚Geh zum Priester und lass dich von ihm untersuchen. Sprich unterwegs mit niemandem. Nimm das Opfer mit, das Mose für die Heilung von Aussatz vorgeschrieben hat. Das soll für alle ein Beweis deiner Heilung sein.‘“ Markus 1,43.44 (NL). Hätten die Priester die Einzelheiten der Heilung des Aussätzigen gekannt, dann würde ihr Hass gegen Christus sie vielleicht dazu verleitet haben, ein ungerechtes Urteil zu fällen. Jesus wünschte, dass der Geheilte sich im Tempel vorstellte, bevor irgendwelche Gerüchte über das Wunder die Priester erreichten. Nur so konnte eine neutrale Entscheidung gesichert und dem geheilten Aussätzigen erlaubt werden, sich erneut mit seiner Familie und seinen Freunden zu vereinen. DM.199.1 Teilen

Christus hatte noch andere Absichten im Sinn, als Er dem Mann zu schweigen gebot. Der Heiland wusste, dass Seine Feinde immer versuchten, Seine Arbeit zu behindern und die Leute Ihm abspenstig zu machen. Ihm war klar, dass sich andere Betroffene von dieser furchtbaren Krankheit um Ihn scharten, wenn sich die Heilung jenes Aussätzigen überall herumgesprochen hätte. Dann aber wäre der Vorwurf unvermeidlich, dass das Volk durch den Kontakt mit ihnen angesteckt würde. Viele Leprakranke würden die Gabe der Gesundheit nicht so nutzen, dass sie für andere oder für sie selbst zum Segen wäre. Und wenn Er die Aussätzigen um sich versammelte, gäbe Er einen Grund zu dem Vorwurf, Er übertrete die Verbote des Zeremonialgesetzes. Das wäre aber für Seine Evangeliumsverkündigung hinderlich. DM.199.2 Teilen

Die nachfolgenden Ereignisse rechtfertigten Jesu warnende Worte. Sehr viele Menschen hatten die Heilung jenes Aussätzigen miterlebt und warteten gespannt darauf, wie die Entscheidung der Priester ausfallen werde. Als dann der Mann zu seinen Freunden zurückkehrte, gab es große Aufregung. Obwohl er von Jesus zur Zurückhaltung ermahnt worden war, bemühte sich der Geheilte nicht weiter, die Tatsache seiner Genesung zu verbergen. Dies zu verheimlichen, wäre auch wirklich unmöglich gewesen; aber zudem posaunte der Mann seine Heilung überall hinaus. In der Meinung, dass es nur Jesu Bescheidenheit war, die ihm diese Zurückhaltung auferlegte, fing er an, überall von der Vollmacht des Wunderheilers zu berichten. Er konnte nicht verstehen, dass jede Kundgebung dieser Art die Priester und Ältesten mehr in ihrer Absicht bestärkte, Jesus umzubringen. Er empfand nur die Wohltat der wiedergewonnenen Gesundheit als so kostbar und freute sich über die neu gewonnene Lebenskraft. Er war glücklich darüber, seiner Familie und der Gemeinschaft wiedergegeben zu sein, und konnte sich unmöglich dabei zurückhalten, den Arzt zu preisen, der ihn gesund gemacht hatte. Aber die Verbreitung der Angelegenheit führte dazu, dass das Werk des Heilandes behindert wurde. Als Folge pilgerten Menschen in Scharen zu Jesus und Er sah sich deshalb eine Zeit lang gezwungen, Seine Aufgabe zu unterbrechen. DM.199.3 Teilen

200

Jede Handlung Christi hatte weitreichende Absichten. Sie umfasste mehr, als man vom direkten Geschehen her zunächst annehmen mochte. So auch im Fall des geheilten Aussätzigen. Während Jesus allen half, die zu Ihm kamen, sehnte Er sich danach, auch denen Gutes zu tun, die nicht gekommen waren. Während Er die Zöllner, Heiden und Samariter zu sich zog, wünschte Er genauso, die Priester und Schriftgelehrten zu erreichen, die in Vorurteil und Überlieferung befangen waren. Er ließ nichts unversucht, sie anzusprechen. Als Er den geheilten Aussätzigen zu den Priestern schickte, gab Er ihnen einen Beweis, der ihre Vorurteile abbauen sollte. DM.200.1 Teilen

Die Pharisäer behaupteten, dass sich Christi Lehren gegen das Gesetz richteten, das Gott durch Mose gegeben hatte. Diese Anschuldigung widerlegte Jesus mit der Weisung an den wieder rein gewordenen Aussätzigen, eine Opfergabe zu bringen, wie das Gesetz es verlangte. Das war ein ausreichender Hinweis für alle, die sich überzeugen lassen wollten. DM.200.2 Teilen

Die führenden Persönlichkeiten in Jerusalem hatten Spione ausgesandt, die irgendeinen Vorwand suchen sollten, um Christus töten zu können. Dieser antwortete darauf, indem Er ihnen einen Beweis Seiner Liebe zur Menschheit gab, Seiner Hochachtung vor dem Gesetz und Seiner Macht, von Sünde und Tod zu erretten. So bezog Er das Psalmwort auf sie: „Sie erweisen mir Böses für Gutes und Hass für Liebe.“ Psalm 109,5. Er, der auf dem Berg der Seligpreisungen die Weisung erteilt hatte: „Liebet eure Feinde“ (Matthäus 5,44), erläuterte nun durch Sein Handeln den Grundsatz: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern dagegen segnet.“ 1.Petrus 3,9. DM.200.3 Teilen

Dieselben Priester, die den Aussätzigen verbannt hatten, bescheinigten ihm nun seine Heilung. Dieses Urteil, das öffentlich bekannt gemacht werden musste und eingetragen wurde, war ein wirksames Zeugnis für Jesus. Und da der Geheilte aufgrund der priesterlichen Untersuchung, die keinerlei Spuren der Krankheit an ihm feststellen konnte, wieder in die Gemeinde Israel aufgenommen wurde, war er selbst ein lebender Zeuge für Seinen Wohltäter. Mit Freude brachte er seine Opfergabe und verherrlichte so den Namen Jesu. Die Priester waren von der göttlichen Kraft des Heilandes überzeugt. Sie hatten Gelegenheit, die Wahrheit kennenzulernen und durch das Licht gefördert zu werden. Verachteten sie dieses Licht, so würde es von ihnen weichen, um nie wieder zurückzukehren. Von vielen wurde das Licht verworfen. Dennoch war es nicht vergeblich gegeben! Manches Herz wurde bewegt, nur wurde es noch nicht offenbar. Während Christi Lebenszeit auf Erden schien sein Erlösungswerk bei den Priestern und Lehrern des Volkes auf nur wenig Gegenliebe zu stoßen, aber nach Seiner Himmelfahrt „wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam“. Apostelgeschichte 6,7. DM.200.4 Teilen

201

Jesu Wundertat an dem Aussätzigen veranschaulicht Sein Wirken der Reinigung des Herzens von der Sünde. Der Mann, der zu Jesus kam, war „voll Aussatz“, dessen tödliches Gift seinen ganzen Körper durchdrang. Die Jünger versuchten ihren Meister daran zu hindern, ihn anzurühren; denn wer einen Aussätzigen berührte, verunreinigte sich selbst. Jesus aber wurde dadurch, dass Er Seine Hand auf den Aussätzigen legte, nicht verunreinigt. Seine Berührung übertrug lebenspendende Kräfte, und der Kranke wurde geheilt. So verhält es sich auch mit dem Aussatz der Sünde. Er hat sich tief in den Menschen hineingefressen, ist tödlich und kann unmöglich durch menschliche Kraft geheilt werden. „Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis zum Haupt ist nichts Gesundes an euch, sondern Beulen und Striemen und frische Wunden.“ Jesaja 1,5.6. Wenn aber Jesus im Herzen des Menschen wohnt, wird kein Makel ihn je erreichen; seine Gegenwart übt eine heilende Kraft auf den Sünder aus. Wer Jesus zu Füßen fällt und im Glauben sagt: „Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen“, wird die Antwort hören: „Ich will‘s tun; sei rein!“ Matthäus 8,2.3. DM.201.1 Teilen

In einigen Fällen gewährte Jesus nicht gleich den gewünschten Segen; aber bei dem Aussatz wurde die Bitte sofort erfüllt. Bitten wir um irdische Segnungen, so mag die Erhörung unseres Gebets verzögert werden oder Gott mag uns etwas anderes geben als das Erbetene. Wenn wir aber um Befreiung von Sünde bitten, hilft Er sofort. Es ist Sein Wille, uns von der Sünde zu befreien, uns zu Seinen Kindern zu machen und uns zu ermöglichen, ein heiliges Leben zu führen. Christus hat „sich selbst für unsre Sünden dahin gegeben ... dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unsres Vaters“. Galater 1,4. „Und das ist die Zuversicht, die wir haben zu Gott: Wenn wir um etwas bitten nach seinem Willen, so hört er uns. Und wenn wir wissen, dass er uns hört, worum wir auch bitten, so wissen wir, dass wir erhalten, was wir von ihm erbeten haben.“ 1.Johannes 5,14.15. „Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.“ 1.Johannes 1,9. DM.201.2 Teilen

Bei der Heilung des Gelähmten zu Kapernaum lehrte Christus genau diese Wahrheit. Das Wunder geschah, um Seine Macht zu zeigen, Sünden zu vergeben, und andere wertvolle Wahrheiten zu veranschaulichen. Es stärkt so die Hoffnung und ermutigt, aber es warnt uns zudem vor dem Verhalten der spitzfindigen Pharisäer. Der Gelähmte hatte genauso wenig Hoffnung auf Genesung wie der Aussätzige. Seine Krankheit war die Folge eines sündhaften Lebens, und sein Leiden wurde durch Selbstvorwürfe noch verstärkt. Vor langer Zeit hatte er sich an die Pharisäer und Ärzte gewandt in der Hoffnung, Erleichterung von seinen seelischen Leiden und körperlichen Schmerzen zu finden. Sie aber hatten ihn einfach für unheilbar erklärt und ihn dem Zorn Gottes überlassen. DM.201.3 Teilen

202

Die Pharisäer betrachteten Krankheiten als Beweis göttlicher Ablehnung und hielten sich deshalb von Kranken und Hilfsbedürftigen fern. Und doch waren gerade sie, die sich für so heilig hielten, oft schuldiger als die Leidenden, die sie verurteilt hatten. DM.202.1 Teilen

Der Gelähmte war völlig hilflos, und da er keinerlei Aussicht auf Heilung sah, wurde er ganz verzweifelt. Dann hörte er von den Wundertaten Jesu. Ihm wurde gesagt, dass andere auch geheilt wurden, die so schuldbeladen und hilflos waren wie er — ja sogar Aussätzige waren gereinigt worden. Die Freunde, die ihm davon berichteten, ermutigten ihn, zu glauben, dass auch er geheilt werden könne, wenn er zu Jesus gebracht würde. Aber seine Hoffnung schwand, als er daran dachte, wodurch er sich seine Krankheit zugezogen hatte. Er befürchtete, dass der reine Arzt ihn nicht in Seiner Gegenwart dulden würde. Es war jedoch nicht so sehr die körperliche Heilung, die er sich wünschte, als vielmehr eine Befreiung von der Last seiner Sünden. Könnte er Jesus sehen und die Zusicherung der Vergebung und des Friedens mit dem Himmel erhalten, dann wollte er leben oder sterben, wie es des Herrn Wille sei. Der Hilferuf des dem Tod Ausgelieferten war: „O könnte ich doch zu Ihm kommen!“ DM.202.2 Teilen

Es gab keine Zeit zu verlieren, denn schon trug sein welker Körper die Zeichen des Verfalls. Er bat seine Freunde, ihn auf seinem Bett zu Jesus zu tragen. Diese erfüllten ihm gern seinen Wunsch. Aber das Gedränge in und vor dem Haus, in dem der Heiland weilte, war so groß, dass die Freunde mit dem Kranken den Herrn Jesus nicht erreichen, ja nicht einmal in Seine Nähe kommen und Seine Stimme hören konnten. DM.202.3 Teilen

Jesus lehrte im Haus von Petrus. Um Ihn herum saßen üblicherweise Seine Jünger und „auch Pharisäer und Schriftgelehrten, ... die gekommen waren aus allen Orten in Galiläa und Judäa und aus Jerusalem“. Lukas 5,17. Sie waren als Spione gekommen, um Anklagematerial gegen Jesus zu sammeln. Außer ihnen drängte sich noch eine bunte Volksmenge zusammen: Wissbegierige, Ehrfürchtige, Neugierige und Ungläubige. Verschiedene Nationalitäten und alle Gesellschaftsschichten waren vertreten. „Und die Kraft des Herrn war mit ihm, dass er heilen konnte.“ Lukas 5,17. Der Geist des Lebens schwebte über der Versammlung, aber die Pharisäer und Schriftgelehrten erkannten Seine Gegenwart nicht. Sie hatten kein Heilsverlangen, und die Heilung war nicht für sie. „Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.“ Lukas 1,53. DM.202.4 Teilen

203

Immer wieder versuchten die Träger des Gelähmten, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, aber vergeblich. Der Kranke blickte in unaussprechlicher Qual um sich. Wie konnte er die Hoffnung aufgeben, da die lang ersehnte Hilfe so nahe war! Auf seinen Vorschlag hin trugen ihn die Freunde auf das Dach des Hauses, brachen es auf und ließen ihn hinab vor die Füße Jesu. Der Heiland unterbrach seine Rede. Er sah das bekümmerte Gesicht des Kranken und die flehend auf Ihn gerichteten Blicke. Er verstand den Unglücklichen, denn Er selbst hatte doch das verzweifelte, verwirrte Gemüt zu sich gezogen. Als der Gichtbrüchige noch zuhause war, hatte der Heiland dessen Gewissen von seiner Schuld überzeugt, und als jener dann seine Sünden bereute und an die Kraft Jesu glaubte, die ihn heilen konnte, hatte die lebenspendende Gnade des Heilandes zuerst sein verlangendes Herz erfreut. DM.203.1 Teilen

Jesus hatte beobachtet, wie der erste Schimmer des Glaubens sich in jenem Kranken zu dem Bewusstsein hin entwickelte, dass Jesus die einzige Hilfe des Sünders sei. Er hatte gesehen, dass dessen Glaube mit jedem Versuch, in Seine Gegenwart zu kommen, stärker wurde. Der Heiland sprach Worte, die wie Musik an das Ohr des Leidenden drangen: „Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben“. Matthäus 9,2. DM.203.2 Teilen

Die Last der Verzweiflung weicht von der Seele des Kranken, der Frieden der Vergebung ruht auf seinem Gemüt und strahlt aus seinem Blick. Die körperlichen Schmerzen sind verschwunden, sein ganzes Wesen ist umgewandelt. Der hilflose Gelähmte ist geheilt, der schuldige Sünder hat Vergebung empfangen! In einfachem Glauben nahm er die Worte Jesu als Gabe eines neuen Lebens an. Er bat um nichts mehr, sondern lag in glücklichem Schweigen da. Er war so erfüllt von Glückseligkeit, dass er keine Worte finden konnte. Das Licht des Himmels strahlte aus seinem Angesicht, und die Menschen sahen ehrfürchtig auf dieses Geschehen. DM.203.3 Teilen

Die Rabbiner hatten gespannt darauf gewartet, wie sich Jesus diesem Kranken gegenüber verhalten würde. Sie erinnerten sich, wie der Mann sie um Hilfe angefleht hatte und sie ihm Hoffnung und Anteilnahme verweigert hatten. Noch dazu hatten sie ihm erklärt, dass er unter dem Fluch Gottes stünde. Das alles kam ihnen wieder in den Sinn, als sie den Kranken vor sich sahen. Sie registrierten, mit welchem Interesse alle Anwesenden beobachteten, was da ablief. Nun bekamen sie richtig Angst, sie könnten ihren Einfluss auf das Volk verlieren. Diese Würdenträger tauschten zwar ihre Gedanken nicht gleich aus, sahen sich aber vielsagend an und lasen von ihren Gesichtern ab, dass sie dieselben Gedanken hatten: Es musste unbedingt etwas getan werden, um den Gefühlsüberschwang zu bremsen. Jesus hatte erklärt, dass die Sünden des Gelähmten vergeben seien. Diese Aussage hielten die Pharisäer für eine Gotteslästerung. Sie glaubten nun, dass sie diesen Ausspruch als eine Todsünde hinstellen könnten. So sprachen sie in ihrem Herzen: „Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben denn Gott allein?“ Markus 2,7. DM.203.4 Teilen

204

Jesus schaute sie durchdringend an, sodass sie sich duckten und zurückwichen. Dann sagte Er: „Warum denkt ihr so Böses in euren Herzen? Was ist denn leichter, zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf und geh umher? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, auf Erden die Sünden zu vergeben, — sprach er zu dem Gelähmten: Steh auf, hebe dein Bett auf und gehe heim!“ Matthäus 9,4-6. DM.204.1 Teilen

Da erhebt sich der Mann, den man auf einer Bahre zu Jesus gebracht hat, elastisch und kraftvoll wie ein Jugendlicher. Gesundes Blut strömt durch seine Adern, jedes Organ seines Körpers wird wieder tätig, und die Farbe der Gesundheit löst die Blässe des nahenden Todes ab, die sein Angesicht gekennzeichnet hatte. „Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen, sodass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen.“ Markus 2,12. DM.204.2 Teilen

Welch wunderbare Liebe Christi, die sich herunterbeugt, um den Schuldbeladenen und Kranken zu heilen! Die Gottheit trauert über das Elend der Menschheit und lindert es. Was für eine wunderbare Macht, die sich hier vor den Menschenkindern entfaltet! Wer kann noch an der Rettungsbotschaft zweifeln? Wer will die Barmherzigkeit des mitleidvollen Erlösers verachten? DM.204.3 Teilen

Es ist nicht weniger als die Schöpferkraft nötig, jenem verfallenden Körper neue Gesundheit zu geben. Dieselbe Stimme, die dem aus Erde geschaffenen Menschen das Leben gab, tat es auch an dem sterbenden Gelähmten. Und die gleiche Macht, die dem Körper Leben gab, hatte das Herz erneuert. Derjenige, von dem es bei der Schöpfung heißt: „Er sprach, und es geschah. Er gebot, und es stand da“ (Psalm 33,9), hatte dieser in Übertretungen und Sünden toten Menschenseele durch sein Wort Leben geschenkt. DM.204.4 Teilen

Die Heilung des Körpers stellte jene Macht unter Beweis, die das Herz erneuert hatte. Christus forderte den Gelähmten auf, sich zu erheben und zu gehen, damit „ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden“. Markus 2,10. DM.204.5 Teilen

Der Gelähmte erfuhr durch Christus Heilung für Seele und Körper. Der geistlichen Heilung folgte die körperliche Wiederherstellung. Diese Lehre sollte nicht übersehen werden. In unseren Tagen leiden Tausende an physischen Krankheiten, die sich wie der Gelähmte nach der Mitteilung sehnen: „Deine Sünden sind dir vergeben“. Markus 2,5. Die Last der Sünde mit der damit verbundenen inneren Unruhe und den unbefriedigten Wünschen ist die Ursache ihrer Krankheiten. Erst wenn sie zum Heiland ihrer Seele kommen, können sie Erleichterung finden. Den Frieden kann nur der geben, der dem Geist Kraft und dem Körper Gesundheit schenkt. DM.204.6 Teilen

205

Jesus kam, damit „er die Werke des Teufels zerstöre“. 1.Johannes 3,8. „In ihm war das Leben.“ Johannes 1,4. Und Er sagte selbst: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen“. Johannes 10,10. Er ist der „Geist, der lebendig macht“. 1.Korinther 15,45. Jesus hat immer noch die gleiche lebenspendende Macht, die Er auf Erden besaß, als Er Kranke heilte und Sündern ihre Schuld vergab. Er vergibt „dir alle deine Sünde ... und heilt alle deine Gebrechen“. Psalm 103,3. DM.205.1 Teilen

Die Heilung des Gelähmten hatte eine solche Wirkung auf das Volk, als hätte sich der Himmel geöffnet und die Herrlichkeit einer besseren Welt offenbart. Als der Geheilte durch die Menge ging, mit jedem Schritt Gott lobte und seine Last trug, als sei sie federleicht, machten ihm die Leute Platz. Die Menge sah ihn mit ehrfurchtsvollen Blicken an, und die Menschen flüsterten einander zu: „Wir haben heute seltsame Dinge gesehen“. Lukas 5,26. DM.205.2 Teilen

Die Pharisäer waren vor Erstaunen verstummt und durch ihre Niederlage überwältigt. Sie sahen, dass sich hier keine Gelegenheit bot, das Volk durch ihre Eifersucht aufzuwiegeln. Die wunderbare Heilung, die an diesem Mann vollbracht worden war, den sie einst dem Zorn Gottes übergeben hatten, machte einen so gewaltigen Eindruck auf die Menschen, dass die Pharisäer zeitweilig vergessen waren. Sie sahen, dass Christus eine Macht besaß, die sie Gott allein zugeschrieben hatten, und doch stand die bescheidene Würde Seines Wesens in auffallendem Gegensatz zu ihrem Hochmut. Sie waren verwirrt und beschämt und erkannten wohl die Gegenwart eines höheren Wesens, aber sie bekannten sich nicht zu Ihm. Je stärker und zwingender der Beweis war, dass Jesus die Macht hatte, auf Erden Sünden zu vergeben, umso fester vergruben sie sich in ihrem Unglauben. Sie verließen das Haus von Petrus, in dem sie die Heilung des Gelähmten durch Jesu Wort miterlebt hatten und dachten sich neue Pläne aus, um den Sohn Gottes zum Schweigen zu bringen. DM.205.3 Teilen

Körperliche Krankheit, wie bösartig und tiefsitzend sie auch gewesen sein mag, wurde durch die Macht Christi geheilt; aber die Krankheit der Seele nahm völlig Besitz von jenen, die ihre Augen dem Licht verschlossen hatten. Aussatz und Gicht waren nicht so schrecklich wie Frömmelei und Unglauben. Im Heim des Geheilten herrschte große Freude, als er zu seiner Familie zurückkehrte und mit Leichtigkeit das Bett trug, auf dem er erst kurz zuvor langsam weggetragen worden war. Alle umringten ihn und weinten vor Freude. Sie wagten kaum, ihren Augen zu trauen, als er nun in voller Manneskraft wieder vor ihnen stand. Jene Arme, die sie kraftlos gesehen hatten, gehorchten wieder seinem Willen und die zusammengeschrumpften, fahl aussehenden Muskeln waren wieder frisch und rosig. Sein Schritt war fest und frei; Freude und Hoffnung leuchteten aus seinem Blick, und ein Ausdruck der Reinheit und des Friedens hatte die Spuren von Sünde und Leiden weggenommen. Froher Dank stieg aus dem Kreis dieser Familie empor. DM.205.4 Teilen

206

Gott wurde verherrlicht durch Seinen Sohn, der dem Mutlosen Hoffnung und dem Zerschlagenen neue Stärke gegeben hatte. Dieser Mann und seine Familie waren bereit, ihr Leben für Jesus einzusetzen. Kein Zweifel trübte ihr Vertrauen, kein Unglaube befleckte ihre Treue zu dem, der Licht in ihr verdunkeltes Leben gebracht hatte. DM.206.1 Teilen

7091
29477
Weiter zu "Kapitel 28: Levi Matthäus"
Stichwörter