Portrait von Ellen White
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Kapitel 40: Eine Nacht auf dem See
Kapitel 40: Eine Nacht auf dem See
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Auf der Grundlage von Matthäus 14,22-33; Markus 6,45-52; Johannes 6,14-21. DM.294 Teilen

Auf der grünen Ebene in der Dämmerung eines Frühlingsabends aß die Menge die Speise, die ihnen der Heiland verschafft hatte. Die Worte Jesu, die sie da gehört hatten, waren ihnen wie eine Offenbarung Gottes vorgekommen. Die Taten der Heilung, die sie sehen durften, konnten nur durch göttliche Kraft bewirkt worden sein. Das Wunder der Brote aber berührte jeden persönlich, jeder hatte Anteil an diesem Geschenk. Zu Moses Zeit hatte der Herr die Kinder Israel in der Wüste durch Manna gespeist, und wer war dieser, der sie heute gespeist hatte, wenn nicht der, von dem Mose geweissagt hatte? DM.294.1 Teilen

Keine menschliche Macht kann aus fünf Gerstenbroten und zwei kleinen Fischen so viel Speise schaffen, um damit Tausende hungriger Leute zu versorgen. Und sie sagten zueinander: „Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.“ Johannes 6,14. DM.294.2 Teilen

Den ganzen Tag waren sie immer mehr davon überzeugt worden. Doch jene krönende Handlung nun gab ihnen die Gewissheit, dass der lang erwartete Erlöser unter ihnen weilt. Die Hoffnung aller Anwesenden wird immer größer: Er ist es, der Judäa zu einem irdischen Paradies machen wird, zu einem Land, in dem Milch und Honig fließt. Er kann jeden Wunsch erfüllen und auch die verhassten Römer verjagen. Er kann Juda und Jerusalem befreien und die in der Schlacht verwundeten Soldaten heilen, die Heere mit Nahrung versorgen sowie Völker besiegen und auch Israel die lang ersehnte Herrschaft geben. DM.294.3 Teilen

In ihrer Begeisterung sind die Leute bereit, Jesus sofort zum König zu krönen. Sie sehen, dass Er sich nicht darum müht, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder sich ehren zu lassen. Hierin unterscheidet Er sich wesentlich von den Priestern und Obersten, und sie befürchten, dass Er nie einen Anspruch auf Davids Thron geltend machen wird. Sie beraten gemeinsam und kommen überein, Ihn gewaltsam zum König von Israel auszurufen. Die Jünger schließen sich der Menge an und erklären, dass der Thron Davids das rechtmäßige Erbe ihres Herrn sei. Nur Jesu Bescheidenheit, sagen sie, veranlasse Ihn, diese Ehre auszuschlagen. Möge doch das Volk Seinen Befreier erheben, dann werden die hochmütigen Priester und Obersten gezwungen sein, den mit göttlicher Macht ausgestatteten Heiland zu ehren. Es werden nun eilig Vorbereitungen getroffen, diesen Plan auszuführen. Doch der Herr bemerkt ihre Absicht und kennt besser als das Volk die Folgen einer solchen Handlung. Schon jetzt trachten die Priester und Obersten Ihm nach dem Leben und beschuldigen Ihn, dass Er das Volk gegen sie aufwiegele. Auf den Versuch des Volkes, Ihn auf den Thron zu setzen, würden nur Gewalttat und Aufstand folgen. Das würde das geistliche Reich in Gefahr bringen. Diese Entwicklung musste sofort gestoppt werden. Jesus rief Seine Jünger und ordnete an, sofort das Boot zu besteigen und nach Kapernaum zurückzufahren, während Er selbst das Volk entlassen werde. DM.294.4 Teilen

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Noch nie waren die Jünger so wenig bereit, die Anordnung ihres Herrn zu befolgen. Sie hatten schon lange auf einen allgemeinen Volksaufstand gehofft, um Jesus auf den Thron zu heben. Sie konnten sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass diese Begeisterung erfolglos bleiben sollte. Die zum Passahfest versammelte Volksmenge wollte den neuen Propheten sehen, und den Jüngern schien die Zeit gekommen, ihren geliebten Meister auf den Thron zu heben. In dieser Begeisterung war es wirklich schwer für sie, ohne Jesus fortzugehen und Ihn an diesem einsamen Platz zurückzulassen. Sie protestierten gegen Seinen Befehl, aber der Herr sprach nun mit solcher Autorität, wie Er sie ihnen gegenüber noch nie gezeigt hatte. Sie wussten nun, dass weiterer Widerstand nutzlos sein würde und wandten sich schweigend dem See zu. DM.295.1 Teilen

Jesus gebietet nun der Menge, auseinanderzugehen. Sein Auftreten ist so bestimmt, dass sich niemand zu widersetzen wagt. Die Worte des Lobes und der Begeisterung ersterben auf ihren Lippen. Die Schritte derer, die Ihn greifen wollen, verhallen, und der frohe, lebhafte Blick weicht aus ihren Augen. In dieser Menschengruppe gibt es Männer mit starkem Willen und fester Entschlossenheit, doch die königliche Haltung Jesu und die wenigen ruhigen und befehlenden Worte unterdrücken den Tumult und vereiteln ihre Absichten. Sie erkennen in Ihm eine Macht, die über aller irdischen Gewalt steht, und unterwerfen sich ohne jede Frage. DM.295.2 Teilen

Als Jesus allein war, „ging er ... auf einen Berg, um zu beten“. Markus 6,46. Stundenlang flehte Er zu Gott. Seine ernsten Bitten galten nicht sich selbst, sondern den Menschen. Er betete um Kraft, den Menschen den göttlichen Charakter Seiner Sendung zu offenbaren, damit Satan ihr Verständnis nicht verdunkeln und ihr Urteil fehlleiten könne. Der Heiland wusste genau, dass die Zeit Seines irdischen Wirkens bald vorüber wäre, und dass nur wenige Ihn als ihren Erlöser annehmen würden. In bitterem Schmerz und tiefem seelischem Ringen betete Er für Seine Jünger, denen noch schwere Prüfungen bevorstanden. Ihre lang gehegten Hoffnungen, die sich auf einen im Volk allgemein verbreiteten Irrtum gründeten, sollten in schmerzlicher und demütigender Weise vereitelt werden. An Stelle Seiner Erhebung auf den Thron Davids würden sie Seine Kreuzigung miterleben. Dies wäre Seine wahre Krönung, aber die Jünger würden es nicht erkennen. Darum kämen kräftige Versuchungen über sie, die sie aber nur schwer als solche erkennen würden. Ohne den Heiligen Geist zur Erleuchtung ihrer Sinne und zur Erweiterung ihres Verständnisses musste ihr Glaube scheitern. Es war schmerzlich für den Heiland, dass sich ihre Vorstellungen von Seinem Reich so sehr auf weltliche Erhöhungen und Ehren beschränkten. Die Sorge für sie lag schwer auf Seinem Herzen, und in bitterem Schmerz und unter heißen Tränen brachte er Seine Bitten zu Gott. DM.295.3 Teilen

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Die Jünger hatten ihr Boot nicht gleich vom Ufer abgestoßen, wie es ihnen von Jesus befohlen worden war. Sie warteten noch einige Zeit und hofften, dass Er nachkäme. Als aber die Dunkelheit der Nacht schnell hereinbrach, traten sie „in ein Boot und fuhren über den See nach Kapernaum“. Johannes 6,17. Sie hatten Jesus mit unbefriedigtem Herzen verlassen und waren ungeduldiger über Ihn als je zuvor, seit sie Ihn als ihren Herrn anerkannt hatten. Sie murrten, weil sie es nicht geschafft hatten, Ihn als König auszurufen. Sie machten sich Vorwürfe, Seinem Befehl so schnell nachgekommen zu sein, da sie vielleicht doch ihre Absicht erreicht hätten, wenn sie entschiedener aufgetreten wären. DM.296.1 Teilen

Unglaube erfüllte ihr Herz und Gemüt. Die Liebe nach weltlicher Ehre hatte sie verblendet. Sie wussten, dass Jesus von den Pharisäern gehasst wurde, und sie waren sehr darauf bedacht, Ihn zu erhöhen, wie es Ihm zustände. Mit einem Lehrer verbunden zu sein, der mächtige Wunder wirken und gleichzeitig als Betrüger geschmäht werden konnte, das war eine Prüfung, die für sie nur schwer zu ertragen war. Sollten sie immer für die Nachfolger eines falschen Propheten gehalten werden? Würde Christus nie Seine Gewalt als König geltend machen? Warum offenbarte Er, der so eine Macht besaß, nicht Seinen wahren Charakter und machte dadurch auch ihren Weg müheloser? Warum hatte Er Johannes den Täufer nicht vor dem gewaltsamen Tod bewahrt? Wegen solcher Gedanken gerieten sie selbst in geistliches Dunkel, bis sie sich schließlich fragten: Könnte ihr Herr ein Betrüger sein, wie es die Pharisäer behaupteten? DM.296.2 Teilen

Die Jünger hatten an jenem Tag die wunderbaren Werke Christi miterlebt und es schien, als ob der Himmel sich zur Erde herabgelassen hätte. Die Erinnerung an jene herrlichen und wertvollen Stunden hätte sie mit Glauben und Hoffnung erfüllen sollen. Wenn sie sich dann aus der Fülle ihres Herzens über all diese Dinge unterhalten hätten, wären sie bestimmt nicht in Versuchung geraten. Ihre Enttäuschung jedoch nahm alle anderen Gedanken gefangen. Die Worte Jesu: „Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkomme“, blieben unbeachtet. Es waren segensreiche Stunden für die Jünger gewesen, aber jetzt hatten sie alles vergessen. Sie befanden sich mitten auf dem unruhigen See. Ihre Gedanken selbst waren stürmisch bewegt und ohne Vernunft. Der Herr gab ihnen etwas anderes, um sie zu beschäftigen und ihre Gedanken abzulenken. Das tut Gott oft, wenn Menschen sich selbst Mühsal und Sorgen schaffen. Es war ganz unnötig, dass sich die Jünger Schwierigkeiten bereiteten, denn die Gefahr näherte sich schnell. DM.296.3 Teilen

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Ein heftiges Unwetter war heraufgezogen und die Jünger waren nicht darauf vorbereitet. Es brach unvermutet los — nach einem herrlichen Tag. Als der Sturm plötzlich tobte, bekamen sie es mit der Angst zu tun. Sie vergaßen schnell ihre Unzufriedenheit, ihren Unglauben und ihre Ungeduld. Jeder von ihnen packte mit an, um das Boot vor dem Sinken zu bewahren. Von Bethsaida bis zu dem Ort, an dem sie Jesus erwarteten, war es nicht weit. Bei günstigem Wetter brauchten sie zur Überfahrt nur einige Stunden. Jetzt aber wurden die Jünger immer weiter von ihrem Ziel abgetrieben. Sie arbeiteten bis zur vierten Nachtwache an den Rudern, dann gaben sich die erschöpften Männer verloren. In Sturm und Dunkelheit hatte der See ihnen ihre Hilflosigkeit gezeigt, und sie sehnten sich nach der Nähe ihres Meisters. DM.297.1 Teilen

Jesus hatte sie nicht vergessen. Der Wächter am Ufer sah die angsterfüllten Männer mit dem Sturm kämpfen. Nicht einen Augenblick verlor er Seine Jünger aus den Augen sondern verfolgte mit großer Aufmerksamkeit das vom Sturm umhergeworfene Boot mit seiner wertvollen Last. Diese Männer sollten doch das Licht der Welt sein. Besorgt, wie eine Mutter über ihre Kinder, wachte der Heiland über Seine Jünger. Als ihre Herzen sich Ihm unterordneten, als sie ihren unheiligen Ehrgeiz bezwungen hatten und wieder demütig um Hilfe flehten, wurde sie ihnen gegeben. DM.297.2 Teilen

In dem Augenblick, da sie meinen, verloren zu sein, erkennen sie in dem Aufleuchten eines Blitzes eine geheimnisvolle Gestalt, die sich ihnen auf den Wogen nähert. Sie ahnen aber nicht, dass es Jesus ist, und halten den, der ihnen zu Hilfe kommen will, für einen Feind. Schrecken erfüllt sie. Die Ruder, die sie mit festem Griff umklammert halten, entfallen ihnen. Das Boot wird zum Spielball der Wellen. Ihre Blicke sind durch die Erscheinung gefesselt — ein Mensch geht auf den schäumenden Wogen des wütenden Sees. DM.297.3 Teilen

Sie glauben, es sei ein Geist, der ihnen ihren Untergang ankündigt, und sie schreien vor Furcht. Die Gestalt kommt immer näher. Es scheint, als wolle sie vorübergleiten. Da erkennen sie ihren Herrn, und sie rufen und bitten um Hilfe. Der Heiland wendet sich ihnen zu, und Seine Stimme besänftigt ihre Furcht: „Seid getrost, ich bin‘s; fürchtet euch nicht!“ Matthäus 14,27. Kaum können die Jünger dieses Wunder begreifen, da gerät Petrus außer sich vor Freude. Er ruft: „Herr, bist du es, so befiel mir, zu dir kommen auf dem Wasser.“ Und Jesus spricht: „Komm her!“ Matthäus 14,28.29. Solange Petrus zu Jesus hinschaut, geht er sicher; kaum blickt er aber stolz zu seinen Gefährten im Boot zurück, da verliert er die Verbindung mit Seinem Herrn. Der Wind stürmt noch heftig, die Wogen gehen hoch und drängen sich zwischen ihn und den Meister. Nun fürchtet sich Petrus. Für einen Augenblick kann er Christus nicht sehen, da lässt sein Glaube nach und er beginnt zu sinken. Aber während die Wogen ihn mit dem Tod bedrohen, blickt Petrus von dem tobenden Wasser weg auf den Heiland hin und ruft: „Herr, hilf mir!“ Sofort ergreift Jesus die ausgestreckte Hand mit den Worten: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Matthäus 14,30.31. DM.297.4 Teilen

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An der Hand Seines Heilandes betrat Petrus wieder das Schiff. Er war gedemütigt worden und verhielt sich nun still. Er hatte keinen Grund mehr, sich vor den Gefährten zu rühmen, denn er hätte durch Unglauben und Überheblichkeit beinahe sein Leben verloren, denn als er die Augen von Jesus wandte, verlor er seinen Halt und versank in den Wellen. DM.298.1 Teilen

Wie oft gleichen wir Petrus, wenn Schwierigkeiten auf uns zukommen! Wir sehen dann auf die brausenden Wogen, statt unseren Blick auf den Herrn zu heften. Unsere Füße gleiten aus, und die stolzen Wellen gehen über uns hinweg. Jesus hatte Petrus nicht geboten, zu Ihm zu kommen, damit er umkomme. Er fordert auch uns nicht auf, Ihm nachzufolgen, um uns dann zu verlassen. „Fürchte dich nicht“, sagt Er, „denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland.“ Jesaja 43,1-3. DM.298.2 Teilen

Jesus kannte den Charakter Seiner Jünger. Er wusste, wie schwer ihr Glaube geprüft werden würde. Durch die Erfahrung auf dem See wollte Er die Schwäche von Petrus offenbaren und ihm zeigen, dass seine Sicherheit nur darauf beruhe, der göttlichen Macht beständig zu vertrauen. Inmitten der Stürme der Versuchung konnte er nur dann sicher sein, wenn er, frei von überheblichem Selbstvertrauen, sich ausschließlich auf den Herrn verlassen würde. Gerade dann, als Petrus meinte, stark zu sein, war er schwach. Erst als er seine Schwäche erkannte, konnte er das Bedürfnis seiner Abhängigkeit von Gott sehen. Hätte er aus der Lektion auf dem See gelernt, die Jesus ihm gerne geben wollte, dann wäre er auch nicht gescheitert, als die große Prüfung an ihn herantrat. DM.298.3 Teilen

Jeden Tag unterweist Gott Seine Kinder. Durch die Erlebnisse des täglichen Lebens bereitet Er sie darauf vor, dass sie eine größere Aufgabe übernehmen können, zu der Seine Vorsehung sie berufen hat. Sieg oder Niederlage in der großen Lebensentscheidung hängt davon ab, wie sie mit den täglichen Prüfungen fertig werden. Wer seine ständige Abhängigkeit von Gott nicht erkennt, wird in der Versuchung unterliegen. Wir meinen vielleicht, sicher zu stehen und nicht fallen zu können. Wir mögen vertrauensvoll sagen: Ich weiß, an wen ich glaube — nichts kann meinen Glauben an Gott und Sein Wort erschüttern! Aber Satan denkt unablässig darüber nach, wie er aus unseren menschlichen Mängeln Vorteile ziehen und unsere Augen gegen unsere wahren Bedürfnisse blind machen kann. Nur durch das Erkennen unserer Schwächen, und durch den ständigen Blick auf Jesus können wir sicher wandeln. DM.298.4 Teilen

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Kaum hatte Jesus das Boot bestiegen, hörte der Sturm auf. „Und sogleich war das Boot an der Stelle, wohin sie fahren wollten.“ Johannes 6,21. DM.299.1 Teilen

Der Schreckensnacht folgte das sanfte Licht der Morgendämmerung. Die Jünger und noch andere Leute, die sich mit ihnen im Boot befanden, beugten sich mit dankerfülltem Herzen zu den Füßen Jesu und sagten: „Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!“ Matthäus 14,33. DM.299.2 Teilen

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