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Kapitel 45: Im Schatten des Kreuzes
Kapitel 45: Im Schatten des Kreuzes
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Auf der Grundlage von Matthäus 16,13-28; markus 8,27-38; Lukas 9,16-27. DM.326 Teilen

Das Werk Christi auf Erden eilte ihrem Ende zu. Klar umrissen lagen die Szenen der nächsten Zukunft vor Jesus. Schon bevor er die menschliche Natur annahm, sah Er den ganzen Weg vor sich, den Er gehen musste, um die Verlorenen zu retten. Jeder Schmerz, der Ihn wie ein Schwert durchdringen und jede Beleidigung, die auf Ihn gehäuft würde, jede Entbehrung, die Er zu tragen hatte, lagen offen vor Ihm, noch ehe Er Seine Krone und das königliche Gewand abgelegt und den himmlischen Thron verlassen hatte, um Seine Göttlichkeit mit der menschlichen Natur zu bekleiden. Er konnte den Weg von der Krippe bis nach Golgatha überblicken, und im Bewusstsein aller kommenden Leiden sagte Er: „Siehe, ich komme; im Buch ist von mir geschrieben: Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen.“ Psalm 40,8.9. DM.326.1 Teilen

Jesus hatte den Zweck Seiner Mission stets vor Augen, und Sein irdisches Leben, voll von Arbeit und Selbstaufopferung, wurde durch die Aussicht erhellt, dass all diese Mühen nicht vergeblich sein würden. Indem Er sein Leben für das Leben der Menschen gab, würde Er die Welt zur Treue gegenüber Gott zurückgewinnen. Obwohl Er zuerst die Bluttaufe empfangen musste und die Sünden der Welt schwer auf Seiner unschuldigen Seele lasten sollten, obwohl der Schatten unsagbaren Schmerzes auf Ihn fiel, wählte Er dennoch um der Freude willen, die vor Ihm lag, das Kreuz und achtete der Schande nicht. DM.326.2 Teilen

Seinen Jüngern waren die kommenden Ereignisse noch verborgen; aber die Zeit war nahe, in der sie Zeugen Seines letzten Ringens werden sollten. Sie mussten sehen, wie der, den sie geliebt und dem sie vertraut hatten, in die Hände Seiner Feinde überantwortet und ans Kreuz von Golgatha geschlagen würde. Bald musste Er sie verlassen und sie würden der Welt allein gegenübertreten — ohne den Trost Seiner sichtbaren Gegenwart. Er wusste, wie sehr bitterer Hass und Unglaube sie verfolgen würden, und Er wollte sie auf diese Prüfungen vorbereiten. Jesus war mit Seinen Jüngern in eine Stadt in der Nähe von Cäsarea Philippi gekommen. Diese Stadt lag außerhalb von Galiläa, in einer Gegend, in der Götzendienst herrschte. Die Jünger waren hier weg vom Einfluss der Juden und kamen nun mit den heidnischen Anbetungsformen in engere Berührung. Sie waren umgeben von Zeichen und Merkmalen heidnischen Aberglaubens, den es in allen Teilen der Welt gab. Jesus wünschte, dass der Anblick dieser Dinge sie dazu bringen möge, sich ihrer Verantwortung gegenüber den Heiden bewusst zu sein. Darum zog Er sich während Seines Aufenthalts in diesem Gebiet von der öffentlichen Lehrtätigkeit am Volk zurück und widmete sich mehr Seinen Jüngern. Ehe Er ihnen von Seinen bevorstehenden Leiden erzählte, ging Er ein wenig abseits und betete, dass ihre Herzen bereit sein mögen, Seine Worte aufzunehmen. Als Er wieder zu ihnen zurückkehrte, sagte Er ihnen nicht sofort, was Er zu sagen hatte, sondern gab ihnen erst Gelegenheit, ihren Glauben an Ihn zu bekennen, damit sie dadurch für die kommenden Prüfungen gestärkt würden. Er fragte sie: „Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?“ Matthäus 16,13. DM.326.3 Teilen

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Die Jünger mussten traurig zugeben, dass das Volk Israel Seinen Messias nicht erkannt hätte. Wohl hatten einige, die Augenzeugen Seiner Wunder gewesen waren, Ihn als Sohn Davids erkannt. Die Menge, die in der Nähe von Bethsaida gespeist worden war, hatte Ihn zum König über Israel ausrufen wollen. Viele waren bereit, Ihn sogar als Propheten zu akzeptieren — aber sie glaubten nicht an Ihn als den Messias. Jesus stellte nun eine weitere Frage an sie als Jünger: „‚Wer sagt denn ihr, dass ich sei?‘ Da antwortete Simon Petrus und sprach: ‚Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!‘“ Matthäus 16,15.16. DM.327.1 Teilen

Schon von Anfang an hatte Petrus geglaubt, dass Jesus der Messias sei. Viele andere, die durch die Predigt von Johannes dem Täufer Christus angenommen hatten, fingen an, über Seine Mission zu zweifeln, als Johannes der Täufer gefangen genommen und getötet wurde. Sie stellten jetzt auch in Frage, dass Jesus wirklich der Messias wäre, auf den sie so lange gewartet hatten. Viele der Jünger, die zuversichtlich erwartet hatten, dass ihr Herr Seinen Platz auf Davids Thron einnehmen werde, verließen Ihn, als sie erfuhren, dass dies nicht Seine Absicht war. Nur Petrus und seine Gefährten blieben Ihm treu. Der Wankelmut all derer, die Ihn gestern priesen und heute verdammten, konnte den Glauben des wahren Nachfolgers Jesu nicht vernichten. Petrus erklärte: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ Er wartete nicht auf königliche Ehren, um Seinen Herrn krönen zu können, sondern nahm Ihn in Seiner Niedrigkeit an. Petrus hatte den Glauben der Zwölf in Worte gefasst. Dennoch waren die Jünger noch weit davon entfernt, die Aufgabe Christi auf Erden zu verstehen. Der Widerstand und die falschen Darstellungen der Priester und Ältesten bereiteten ihnen viel Unruhe, obwohl sie sich dadurch nicht von Christus trennen ließen. Sie konnten ihren Weg nicht klar erkennen, denn der Einfluss aus ihrer früheren Erziehung, die Lehren der Rabbiner und die Macht der Traditionen trübten noch immer ihre Erkenntnis der Wahrheit. Von Zeit zu Zeit schienen die hellen Lichtstrahlen auf sie, die von Jesus ausgingen. Doch oft waren sie wie Menschen, die im Dunkeln umhertasten. An diesem Tag aber, bevor sie mit der großen Prüfung ihres Glaubens konfrontiert wurden, ruhte die Kraft des Heiligen Geistes auf ihnen. Ihre Augen waren kurz vom Sichtbaren abgewandt, um das Unsichtbare zu sehen. vgl. 2. Korinther 4,18 Und sie erkannten hinter Seiner menschlichen Gestalt die Herrlichkeit des Sohnes Gottes. DM.327.2 Teilen

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Jesus antwortete Petrus und sprach: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.“ Matthäus 16,17. DM.328.1 Teilen

Die Wahrheit, die Petrus hier aussprach, ist die Glaubensgrundlage des Gläubigen. Sie ist das, was Jesus selbst als ewiges Leben bezeichnet hat. Diese Erkenntnis zu besitzen, war jedoch kein Grund zur Selbstverherrlichung. Weder durch eigene Weisheit noch durch eigene Leistung war Petrus diese Erkenntnis offenbart worden. Nie kann ein Mensch aus sich selbst heraus zur Erkenntnis des Göttlichen gelangen. Sie „ist höher als der Himmel: Was willst du tun?; tiefer als die Hölle: Was kannst du wissen?“ Hiob 11,8. Nur der Geist, der uns annimmt, kann uns die Tiefen Gottes offenbaren, die „kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist“. 1.Korinther 2,9. Gott hat sie „uns offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“. 1.Kor. 2,10 „Der Herr ist denen Freund, die ihn fürchten; und seinen Bund lässt er sie wissen.“ Psalm 25,14. Die Tatsache, dass Petrus die Herrlichkeit Christi erkannte, war ein Beweis, dass er „von Gott gelehrt“ (Johannes 6,45) war. Ja, in der Tat, „selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht offenbart“! Matthäus 16,17. Jesus sprach weiter: „Ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Matthäus 16,18. Das Wort Petrus bedeutet ein Stein — ein rollender Stein. Petrus war nicht der Fels, auf den die Gemeinde gegründet wurde. Die Pforten der Hölle überwältigten ihn, als er Seinen Herrn unter Fluchen und Schwören verleugnete. Die Gemeinde aber wurde auf Einen gebaut, den die Pforten der Hölle nicht überwältigen konnten. DM.328.2 Teilen

Mose hatte Jahrhunderte vor dem Kommen Christi auf den Fels des Heils für Israel hingewiesen. Der Psalmist hatte vom „Fels meiner Stärke“ gesungen. Und bei Jesaja steht geschrieben: „Darum spricht Gott der Herr: Siehe, ich lege in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen kostbaren Eckstein, der fest gegründet ist.“ 5.Mose 32,4; Psalm 62,7; Jesaja 28,16. Petrus selbst, getrieben durch den Heiligen Geist, wendet diese Weissagung auf Jesus an. Er sagt: „... da ihr ja geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft.“ 1.Petrus 2,3-5. DM.328.3 Teilen

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„Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ 1.Korinther 3,11. „Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen“ (Matthäus 16,18), sagte der Herr. In der Gegenwart Gottes und aller himmlischen Wesen, in der Gegenwart der unsichtbaren Armee der Hölle gründete Christus Seine Gemeinde auf den lebendigen Felsen. Er selbst ist dieser Felsen — sein Leib, der für uns verwundet und zerschlagen wurde. Die Pforten der Hölle werden die auf diesem Grund erbaute Gemeinde nicht überwältigen. DM.329.1 Teilen

Wie schwach erschien die Gemeinde, als Christus diese Worte sprach! Es gab nur eine Handvoll Gläubige, gegen die sich die ganze Macht der bösen Kräfte richten würde — doch die Nachfolger Christi sollten sich nicht fürchten! Auf den Fels ihrer Stärke gegründet, konnten sie nicht überwunden werden. DM.329.2 Teilen

6000 Jahre lang hat der Glaube auf Christus gebaut, und so viele Jahre lang haben die Fluten und Stürme satanischer Wut gegen den Fels unseres Heils gewütet, aber er steht unerschüttert. DM.329.3 Teilen

Petrus hatte die Wahrheit ausgesprochen, die die Grundlage für den Glauben der Gemeinde ist, und Jesus ehrte ihn nun als den Vertreter aller Gläubigen. Er sagte ihm: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ Matthäus 16,19. DM.329.4 Teilen

„Die Schlüssel des Himmelreichs“ sind die Worte Christi. Alle Worte der Heiligen Schrift sind Seine Worte und darin eingeschlossen. Diese Worte haben Macht, den Himmel zu öffnen und auch zu schließen. Sie erklären die Bedingungen, unter denen Menschen angenommen oder verworfen werden. So ist das Werk derer, die Gottes Wort verkünden, ein Geruch des Lebens zum Leben oder des Todes zum Tode. Ihre Mission hat ewige Folgen. DM.329.5 Teilen

Der Heiland übertrug die Evangeliumsarbeit nicht Petrus persönlich. Später, als Er die Worte wiederholte, die hier zu Petrus gesprochen wurden, bezog Er sie direkt auf die Gemeinde. Sie wurden ihrem Inhalt nach auch zu den Zwölf als den Vertretern aller Gläubigen gesprochen. Hätte Jesus einem der Jünger eine besondere Autorität verliehen, dann würden wir sie nicht so oft darüber streiten sehen, wer der größte unter ihnen wäre. Sie hätten sich dem Wunsch ihres Meisters untergeordnet und den geehrt, den Er erwählt hatte. Statt einen zu berufen, um ihr Haupt zu sein, sagte Jesus den Jüngern: „Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen ... Und ihr sollt euch nicht Meister nennen lassen; denn einer ist euer Meister: Christus.“ Matthäus 23,8.10. „Christus [ist] das Haupt eines jeden Mannes.“ 1.Korinther 11,3. Gott hat alle Dinge unter seine Füße getan und „hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“. Epheser 1,22.23. Die Gemeinde ist auf Christus als ihr Fundament gebaut. Sie soll Christus als ihrem Haupt gehorchen und sich auch nicht auf Menschen verlassen oder von Menschen beherrscht werden. Viele behaupten, dass eine Vertrauensstellung in der Gemeinde ihnen die Autorität gibt, anderen vorzuschreiben, was sie glauben und was sie tun sollen. Diesen Anspruch erkennt Gott aber nicht an. Der Heiland erklärt: „Ihr aber seid alle Brüder.“ Matthäus 23,8. Alle sind der Versuchung ausgesetzt und dem Irrtum unterworfen. Wir können uns auf kein sterbliches Wesen als Führer verlassen. Der Fels des Glaubens ist die lebendige Gegenwart Christi in der Gemeinde. Darauf kann sich auch der Schwächste verlassen, und die sich für die Stärksten halten, werden sich als die Schwächsten erweisen, wenn sie Christus nicht zu ihrer Stärke machen. „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm.“ Jeremia 17,5. Der Herr „ist der Fels; seine Werke sind vollkommen“. 5.Mose 32,4. „Wohl allen, die auf ihn trauen!“ Psalm 2,12. DM.329.6 Teilen

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Nach dem Bekenntnis von Petrus gebot Jesus den Jüngern, keinem zu sagen, dass Er Christus sei. Diese Anweisung gab Er ihnen wegen des entschlossenen Widerstandes der Schriftgelehrten und Pharisäer. Außerdem hatten das Volk und selbst die Jünger eine so falsche Vorstellung von dem Messias, dass eine öffentliche Ankündigung ihnen nicht den richtigen Begriff von Seinem Wesen und Seiner Aufgabe geben würde. Aber Tag für Tag offenbarte Er sich ihnen als Heiland. So wollte Er ihnen ein richtiges Verständnis von sich als Messias geben. DM.330.1 Teilen

Noch immer erwarteten die Jünger, Christus als weltlichen Fürsten herrschen zu sehen. Obwohl Er so lange Sein Vorhaben verborgen hatte, glaubten sie, dass Er nicht immer in Armut und Verborgenheit bliebe und die Zeit nahe war, in der Er Sein Reich aufrichten würde. Dass der Hass der Priester und Rabbiner niemals überwunden, Christus von Seinem eigenen Volk verworfen, als Betrüger verurteilt und als Verbrecher gekreuzigt werden würde, — mit den Gedanken hatten sich die Jünger nie beschäftigt. Aber die Stunde der finsteren Mächte kam immer näher und Jesus musste Seine Jünger mit dem ihnen bevorstehenden Kampf vertraut machen. Er war traurig, als Er ihre kommenden Nöte und Ängste voraussah. DM.330.2 Teilen

Bisher hatte Jesus noch nicht über Seine Leiden und Seinen Tod gesprochen. Zwar hatte Er in Seiner Unterredung mit Nikodemus gesagt: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben“ (Johannes 3,14.15), aber die Jünger hatten diese Worte nicht gehört und würden sie dann auch gar nicht verstanden haben. Jetzt aber waren sie bei ihrem Meister, lauschten Seinen Worten, sahen Seine Werke und stimmten trotz aller Bescheidenheit Seiner Umgebung, trotz des Widerstandes der Priester und des Volkes dem Zeugnis von Petrus über Ihn zu: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“ Jetzt war die Zeit gekommen, den Schleier der Zukunft beiseite zu schieben. „Seit der Zeit fing Jesus Christus an, seinen Jüngern zu zeigen, wie er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse ... und getötet werden und am dritten Tage auferstehen.“ Matthäus 16,21. Sprachlos vor Erstaunen und Kummer hörten Ihm die Jünger zu. Der Heiland hatte das Bekenntnis des Petrus von Ihm als dem Sohn Gottes angenommen. Nun schienen Seine Worte von Leiden, Not und Tod unbegreiflich. Petrus konnte nicht länger schweigen. Er und fasste seinen Meister fest bei der Hand, als wollte er Ihn vor dem ihm drohenden Unheil bewahren und rief: „Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!“ Matthäus 16,22. DM.330.3 Teilen

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Petrus liebte seinen Herrn. Und dennoch lobte ihn Jesus nicht, als er so den Wunsch äußerte, seinen Herrn zu schützen. Die Worte von Petrus konnten dem Herrn in der großen Prüfung, die auf Ihn wartete, weder Trost noch Hilfe sein. Sie standen nicht in Übereinstimmung mit der Gnadenabsicht Gottes gegenüber einer verlorenen Welt, noch stimmten sie auch nicht mit den Lehren der Selbstverleugnung überein, die Jesus durch Sein Beispiel geben wollte. Petrus wollte das Kreuz in dem Werk Christi nicht sehen. Der Eindruck, den seine Worte machten, widersprach völlig dem Einfluss, den Jesus auf die Gemüter Seiner Nachfolger ausüben wollte. Das veranlasste den Herrn auch zu dem strengsten Verweis, der je über seine Lippen kam: „Geh hinter mich, Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ Markus 8,33. DM.331.1 Teilen

Satan wollte Jesus entmutigen und ihn von Seinem Auftrag ablenken, und Petrus in seiner blinden Liebe lieh dieser Versuchung seine Stimme. Der Fürst des Bösen war der Urheber dieses Gedankens. Seine Einflüsterung stand hinter jenem impulsiven Aufruf. In der Wüste hatte Satan dem Heiland die Herrschaft der Welt unter der Bedingung angeboten, dass Er den Pfad der Erniedrigung und Aufopferung verlasse. Nun kam er mit der gleichen Versuchung zu dem Jünger, um dessen Blick auf die irdische Herrlichkeit zu lenken, damit er das Kreuz, auf das der Herr die Augen der Jünger richten wollte, nicht wahrnehme. Durch Petrus trat Satan nun erneut mit der Versuchung an Jesus heran, aber der Heiland beachtete sie diesmal nicht. Seine Gedanken waren bei Seinen Jüngern. Satan war zwischen Petrus und seien Meister getreten, damit das Herz des Jüngers nicht ergriffen würde von jener Zukunftsschau, die Christi Erniedrigung um seinetwillen zeigte. Christi Worte waren nicht an Petrus gerichtet, sondern an den, der Petrus von seinem Erlöser trennen wollte. „Geh hinter mich, Satan!“ Dränge dich nicht länger zwischen mich und meinen irrenden Diener. Lass mich Petrus von Angesicht zu Angesicht sehen, damit ich ihm das Geheimnis meiner Liebe zeigen kann! Es war eine bittere Lektion für Petrus, die er nur langsam lernte, nämlich dass Christi Erdenweg durch Leiden und Erniedrigung gehen müsse. Der Jünger schreckte unwillkürlich zurück vor einer Gemeinschaft des Leidens mit seinem Herrn. In der Hitze des Feuerofens jedoch musste er den Segen einer solchen Gemeinschaft erfahren. Nach langer Zeit, als seine Gestalt durch die Last der Jahre und der Arbeit gebeugt war, schrieb er: „Ihr Lieben, lasst euch die Hitze nicht befremden, die euch widerfährt zu eurer Versuchung, als widerführe euch etwas Seltsames, sondern freut euch, dass ihr mit Christus leidet, damit ihr auch zurzeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben mögt.“ 1.Petrus 4,12. DM.331.2 Teilen

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Jesus erklärte nun Seinen Jüngern, dass Sein Leben der Selbstverleugnung für sie ein Beispiel sein sollte. Dann rief Er das Volk, das sich mit den Jüngern in der Nähe aufhielt, zu sich und sagte: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir.“ Matthäus 16,24. DM.332.1 Teilen

Das Kreuz war ein Partner der Macht Roms. Es war das Mittel der demütigendsten und grausamsten Todesart. Die schlimmsten Verbrecher mussten das Kreuz selbst zum Ort der Hinrichtung tragen, und oft, wenn man dabei war, es auf ihre Schultern zu laden, sträubten sie sich mit verzweifelter Heftigkeit dagegen, bis sie überwältigt wurden und man ihnen das Folterwerkzeug auf ihren Schultern festband. Jesus aber gebot Seinen Nachfolgern, das Kreuz freiwillig auf sich zu nehmen und es Ihm nachzutragen. Seine Worte, welche die Jünger nur unklar verstanden, wiesen sie auf die Notwendigkeit hin, sich den bittersten Demütigungen zu unterwerfen — ja sogar den Tod um Christi willen auf sich zu nehmen. Eine größere Hingabe konnten die Worte des Heilandes nicht ausdrücken. Er selbst hatte dies alles auch um ihretwillen auf sich genommen. Ihn verlangte nicht nach dem Himmel, solange wir Sünder verloren waren. Er tauschte die himmlischen Höfe gegen ein Leben der Schmach und tiefsten Beleidigungen und für einen Tod der Schande. Er, der reich war an den unschätzbaren Gütern des Himmels, wurde arm, damit wir durch Seine Armut reich würden. Wir sollen den Weg gehen, den auch Er ging. DM.332.2 Teilen

Menschen zu lieben, für die Jesus gestorben ist, heißt das eigene Ich zu kreuzigen. Wer ein Kind Gottes ist, sollte sich als Glied einer Kette fühlen, die vom Himmel bis auf die Erde herab reicht, um die Welt zu retten. Er sollte eins sein mit Christus in Seinem Gnadenplan und mit Ihm vorangehen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Der Christ muss stets erkennen, dass er sich Gott geweiht hat und nun durch seinen Charakter das Wesen Gottes der Welt offenbaren soll. Die opferbereite Hingabe, die Teilnahme und Liebe, die das Leben Christi kennzeichneten, müssen sich auch im Leben der Nachfolger Christi zeigen. DM.332.3 Teilen

„Wer sein Leben erhalten will, der wird‘s verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird‘s finden.“ Matthäus 16,25. Selbstsucht bedeutet Tod! Kein Organ des Körpers könnte leben, wenn es seine Wirksamkeit nur auf sich selbst beschränken wollte. Würde das Herz sein Lebensblut nicht in Hand und Kopf leiten, verlöre es bald seine Kraft. Wie unser Blut, so durchdringt die Liebe Christi alle Teile Seines geheimnisvollen Leibes. Wir sind untereinander Glieder und jeder, der sich weigert, weiterzugeben, wird umkommen. Jesus sagte: „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“ Matthäus 16,26. DM.332.4 Teilen

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Über Seine gegenwärtige Armut und Demütigung hinaus verwies Jesus die Jünger auf Sein Kommen in Herrlichkeit — nicht in der Pracht einer irdischen Krone, sondern mit göttlicher Herrlichkeit und inmitten der himmlischen Heerscharen und sagte: „Dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun.“ Matthäus 16,27. Zu ihrer Ermutigung gab Er ihnen noch die Verheißung: „Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie den Menschensohn kommen sehen in seinem Reich.“ Matthäus 16,28. Doch die Jünger verstanden Seine Worte nicht. Die Herrlichkeit schien ihnen weit entfernt. Ihre Augen waren auf Näherliegendes gerichtet, auf das irdische Leben in Armut, Erniedrigung und unter Leiden. Mussten sie ihre glühenden Erwartungen vom messianischen Reich aufgeben? Sollten sie ihren Herrn nicht auf dem Thron Davids sehen? Konnte es sein, dass Christus als einfacher, heimatloser Wanderer leben musste, um schließlich verachtet, verworfen und getötet zu werden? Traurigkeit erfüllte ihre Herzen, denn sie liebten ihren Meister. Zweifel beunruhigten ihr Gemüt — es erschien ihnen unbegreiflich, dass der Sohn Gottes solch grausamen Demütigungen ausgesetzt werden sollte. Sie fragten sich, warum Er freiwillig nach Jerusalem ginge, um das Schicksal zu erleiden, das Ihn dort, wie Er ihnen gesagt hatte, erwartete. Wie konnte Er sich damit abfinden und sie in noch größerer Finsternis zurücklassen, als jene gewesen ist, in der sie umherirrten, ehe Er sich ihnen bekannt gemacht hatte? Die Jünger meinten, dass Jesus für Herodes und Kaiphas in der Gegend von Cäsarea Philippi unerreichbar wäre. Dort hätte Er weder den Hass der Juden noch die Macht der Römer zu fürchten. Warum konnte Er nicht dort, weit entfernt von den Pharisäern, wirken? Warum sollte Er sich selbst dem Tod überantworten? Wenn Er sterben musste, wie konnte dann Sein Reich so fest gegründet werden, dass die Pforten der Hölle es nicht überwältigen würden? Das alles war ihnen sehr rätselhaft. Gerade jetzt fuhren sie an den Ufern des Sees Genezareth entlang auf die Stadt zu, in der alle ihre Hoffnungen zerschlagen werden sollten. Sie wagten es nicht, dem Herrn gegenüber etwas einzuwenden, aber untereinander sprachen sie leise und tief betrübt über die Zukunft. In all ihren Zweifeln klammerten sie sich dennoch an den Gedanken, dass irgendein unvorhergesehenes Ereignis das Schicksal abwenden möge, das ihren Herrn erwartete. So trauerten, zweifelten, hofften und fürchteten sie sechs lange, trübselige Tage hindurch. DM.333.1 Teilen

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