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Kapitel 50: Inmitten der Schlingen
Kapitel 50: Inmitten der Schlingen
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Auf der Grundlage von Johannes 7,16-36; Johannes 7,40-53; Johannes 8,1-11. DM.360 Teilen

Während der ganzen Zeit, die Christus in Jerusalem auf dem Fest verbrachte, wurde Er durch Spione beschattet. Jeden Tag entstanden neue Pläne, um ihn zum Schweigen zu bringen. Die Priester und Obersten versuchten, Ihn in eine Falle zu locken. Sie wollten Ihn mit Gewalt stoppen um Ihn vor dem ganzen Volk zu demütigen. DM.360.1 Teilen

Schon bei Jesu erstem Erscheinen auf dem Fest hatten Ihn die Pharisäer umringt und Ihn gefragt, in wessen Vollmacht Er lehre. Man versuchte dadurch die Aufmerksamkeit von Seinen Worten abzulenken und die Berechtigung Seiner Sendung zu hinterfragen. Damit wollten sie zugleich ihre eigene Wichtigkeit und Macht unterstreichen. DM.360.2 Teilen

„Meine Lehre ist nicht von mir“, sagte Jesus, „sondern von dem, der mich gesandt hat. Wenn jemand dessen Willen tun will, wird er innewerden, ob diese Lehre von Gott ist oder ob ich von mir selbst aus rede.“ Johannes 7,16.17. DM.360.3 Teilen

Die Frage dieser Kritiker widerlegte Jesus nicht dadurch, dass Er auf ihre Spitzfindigkeit einging, sondern indem Er ihnen das Verständnis für die Wahrheit öffnete, die für das Heil der Seele unerlässlich ist. Die Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen und wertzuschätzen, so erklärte Jesus, hängt weniger vom Verstand als vielmehr vom Herzen ab. Der Mensch muss die Wahrheit in sich aufnehmen. Das erfordert die Unterordnung des Willens. DM.360.4 Teilen

Wenn die Wahrheit nur dem Verstand unterworfen zu werden brauchte, würde der Stolz kein Hindernis für ihre Annahme sein. Die Wahrheit kann jedoch nur durch das Werk der Gnade in das Herz gelangen, und das hängt davon ab, dass wir jeder Sünde absagen, die der Geist Gottes offenbart. Der Vorteil, die Wahrheit erkannt zu haben — wie bedeutsam sie auch sein mag —, erweist sich für einen Menschen nur dann als heilsam, wenn sein Herz bereit ist, sie aufzunehmen. Dazu gehört aber, gewissenhaft auf alle Gewohnheiten und Verhaltensweisen abzulegen, die den Grundsätzen der Wahrheit entgegenstehen. Für jeden, der sich Gott mit dem aufrichtigen Wunsch ergibt, Seinen Willen zu erfahren und danach zu handeln, wird sich die Wahrheit als eine Gotteskraft zur Erlösung erweisen. Er ist dann in der Lage zu erkennen, ob jemand wirklich aus Gott oder nur von sich selbst spricht. DM.360.5 Teilen

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Die Pharisäer hatten ihren Willen nicht dem Willen Gottes unterstellt. Sie wollten nicht die Wahrheit erforschen, sondern eine Entschuldigung dafür finden, ihr auszuweichen. Christus wies darauf hin, dass dies der Grund dafür war, weshalb sie Seine Lehre nicht verstanden. DM.361.1 Teilen

Der Herr stellte den Unterschied zwischen einem wahrhaftigen Lehrer und einem Betrüger mit folgenden Worten heraus: „Wer von sich selbst aus redet, der sucht seine eigene Ehre; wer aber die Ehre dessen sucht, der ihn gesandt hat, der ist wahrhaftig, und keine Ungerechtigkeit ist in ihm.“ Johannes 7,18. Wer nach eigener Ehre strebt, spricht von sich selbst. Der Geist der Selbstsucht verrät seinen Ursprung, aber Christus suchte die Ehre Gottes. Er sprach des Vaters Worte — das war der Beweis für Seine Vollmacht als Lehrer der Wahrheit. DM.361.2 Teilen

Jesus bewies den Rabbinern Seine Gottheit, indem Er ihnen ihre Gedanken offenbarte. Seit der Heilung am Teich Bethesda hatten sie schon Seinen Tod beschlossen. Sie brachen damit selbst das Gesetz, das sie zu verteidigen vorgaben. „Hat euch nicht Mose das Gesetz gegeben?“, fragte er sie. „Und niemand unter euch tut das Gesetz. Warum sucht ihr mich zu töten?“ Johannes 7,19. Wie ein greller Blitz erhellten diese Worte Jesu den Rabbinern den Abgrund des Verderbens, in den sie zu stürzen drohten. Für einen Augenblick waren sie mit Schrecken erfüllt. Sie erkannten, wie unvorstellbar die Macht Jesu war, gegen die sie kämpfen wollten. Aber sie ließen sich nicht warnen sondern nahmen den Kampf auf. Um ihren Einfluss beim Volk nicht zu verlieren, mussten sie ihre hinterlistigen Mordgedanken geheim halten. So wichen sie auch der Frage Jesu aus und riefen: „Du bist besessen; wer sucht dich zu töten?“ Johannes 7,20. Sie deuteten damit an, dass die Wunderwerke Jesu von einem bösen Geist stammten. DM.361.3 Teilen

Der Heiland beachtete diese boshafte Verdächtigung nicht und erklärte ihnen, dass die Heilung am Teich Bethesda durchaus mit dem Wesen des Sabbatgebotes übereinstimmte und auch durch die jüdische Auslegung des Gesetzes gerechtfertigt war. Er sagte ihnen: „Mose hat euch doch die Beschneidung gegeben — nicht dass sie von Mose kommt, sondern von den Vätern —, und ihr beschneidet den Menschen auch am Sabbat.“ Johannes 7,22. Nach der Vorschrift des Gesetzes musste jeder Knabe am achten Tage beschnitten werden. Das hielten sie nach dem Gesetz auch ein, wenn dieser achte Tag auf einen Sabbat fiel. Wieviel mehr musste es nun mit dem Wesen des Gesetzes übereinstimmen, den ganzen Menschen am Sabbat gesund zu machen! Eindringlich warnte Jesus die Juden. „Richtet nicht nach dem, was vor Augen ist, sondern richtet gerecht.“ Johannes 7,24. Die Obersten waren zum Schweigen gebracht, aber einige aus der Menge sprachen: „Ist das nicht der, den sie zu töten suchen? Und siehe, er redet frei und offen und sie sagen ihm nichts. Sollten unsre Oberen nun wahrhaftig erkannt haben, dass er der Christus ist?“ Johannes 7,25.26. DM.361.4 Teilen

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Viele unter Christi Zuhörern, die in Jerusalem wohnten und von den Anschlägen wussten, die die Oberen des Volkes gegen Ihn schmiedeten, fühlten sich mit unwiderstehlicher Kraft von Ihm angezogen. Schwer lastete auf ihnen die Überzeugung, dass Er der Sohn Gottes war. Doch Satan war entschlossen, weiter Zweifel zu säen. Der Weg dazu war durch ihre eigenen falschen Ideen vom Messias und seinem Kommen gebahnt. So wurde allgemein angenommen, dass Christus zwar in Bethlehem geboren werden würde, doch nach einer gewissen Zeit sollte Er wieder verschwinden. Bei Seinem zweiten Erscheinen würde dann niemand wissen, woher Er käme. Viele waren davon überzeugt, dass der Messias keine natürlichen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Menschen unterhalten würde. Da Jesus dieser volkstümlichen Vorstellung von der Herrlichkeit des Messias nicht entsprach, schenkten viele der Einflüsterung Beachtung: „Wir wissen, woher dieser ist; wenn aber der Christus kommen wird, so wird niemand wissen, woher er ist.“ Johannes 7,27. Während sie so zwischen Zweifel und Glauben schwankten, griff Jesus ihre Gedanken auf und antwortete ihnen: „Ihr kennt mich und wisst, woher ich bin. Aber von mir selbst aus bin ich nicht gekommen, sondern es ist ein Wahrhaftiger, der mich gesandt hat, den ihr nicht kennt.“ Johannes 7,28. Sie behaupteten, über die Herkunft Jesu Bescheid zu wissen, in Wirklichkeit aber wussten sie überhaupt nichts von Ihm. Hätten sie in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes gelebt, dann würden sie Seinen Sohn erkannt haben, als Er öffentlich unter ihnen auftrat. DM.362.1 Teilen

Die Zuhörer kamen nicht daran vorbei, Christi Worte zu verstehen. Es war eine klare Wiederholung des Anspruchs, den Er einige Monate zuvor in Gegenwart des Hohen Rates erhoben hatte, als Er sich selbst als Sohn Gottes bezeichnete. Die Obersten des Volkes hatten daraufhin beraten, wie sie Ihn töten könnten. Jetzt versuchten sie Ihn zu ergreifen. Doch daran wurden sie von einer unsichtbaren Macht gehindert, die ihrer Wut Grenzen setzte und ihnen sagte: Bis hierher und nicht weiter! DM.362.2 Teilen

„Viele aus dem Volk glaubten an ihn und sprachen: Wenn der Christus kommen wird, wird er etwa mehr Zeichen tun, als dieser getan hat?“ Johannes 7,31. Die jüdischen Würdenträger verfolgten besorgt den Verlauf der Dinge. Sie bemerkten die wachsende Anteilnahme des Volkes, eilten zu den Hohepriestern und berieten mit diesen, wie man Jesus unschädlich machen könnte. Sie hielten es jedoch für ratsam, ihre Absicht erst dann zu verwirklichen, wenn Jesus allein sein würde. Ihn vor dem Volk gefangen zu nehmen, wagten sie nicht. Erneut bewies ihnen der Herr, dass Er ihre Absichten kannte. Er sagte ihnen: „Ich bin noch eine kleine Zeit bei euch, und dann gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat. Ihr werdet mich suchen und nicht finden; und wo ich bin, könnt ihr nicht hinkommen.“ Johannes 7,33.34. DM.362.3 Teilen

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Bald würde Er eine Zufluchtsstätte finden, wo Ihn der Hass und die Verachtung der Juden nicht mehr erreichen konnte. Er würde wieder zu Seinem Vater im Himmel auffahren und dort als der Hochgeehrte der Engel leben — dorthin könnten Seine Mörder nie kommen. DM.363.1 Teilen

Spöttisch fragten die Rabbiner: „Wo will dieser hingehen, dass wir ihn nicht finden könnten? Will er zu denen gehen, die in der Zerstreuung unter den Griechen wohnen, und die Griechen lehren?“ Johannes 7,35. DM.363.2 Teilen

Es wurde ihnen nicht bewusst, dass sie mit ihren Worten das Werk Jesu beschrieben. Den ganzen Tag über hatte der Heiland Seine Hände nach einem ungehorsamen, widerstreitenden Volk ausgestreckt; Er würde aber von denen gefunden werden, die Ihn nicht suchten und würde denen erscheinen, die nicht nach Ihm gefragt hatten. DM.363.3 Teilen

Viele, die davon überzeugt waren, dass Jesus der Sohn Gottes sei, ließen sich durch die falsche Beweisführung der Priester und Rabbiner irreführen. Diese Lehrer hatten mit großem Nachdruck die Weissagungen wiederholt, nach denen der Messias „König sein [werde] auf dem Berg Zion und zu Jerusalem und vor seinen Ältesten in Herrlichkeit“ und „von einem Meer bis ans andere, und von dem Strom bis zu den Enden der Erde“ herrschen solle. Jesaja 24,23; Psalm 72,8. Dann stellten sie verächtlich Vergleiche an zwischen der hier geschilderten Herrlichkeit und dem ärmlichen Auftreten Jesu. Die klaren prophetischen Worte wurden derart entstellt, dass sie den Irrtum bekräftigten. Hätte das Volk selbst Gottes Wort ernstlich studiert, dann wäre es nicht fehlgeleitet worden. DM.363.4 Teilen

Das 61. Kapitel des Propheten Jesaja bezeugt, dass Christus genau das tun sollte, was Er schließlich auch tat. Das 53. Kapitel kündigt Seine Verwerfung und Sein Leiden in der Welt an, während das 59. Kapitel den Charakter der Priester und Rabbiner enthüllt. DM.363.5 Teilen

Gott zwingt die Menschen nicht, ihren Unglauben aufzugeben. Vor ihnen liegen Licht und Finsternis, Wahrheit und Irrtum. Sie selbst müssen sich für das eine oder andere entscheiden. Der menschliche Geist ist mit der Fähigkeit ausgestattet, Recht und Unrecht zu unterscheiden. Nach Gottes Willen dürfen sich die Menschen nicht von einem momentanen Impuls leiten lassen, sondern von der Gewichtigkeit der Beweise, wobei sie sorgfältig Schriftwort mit Schriftwort vergleichen sollen. DM.363.6 Teilen

Hätten die Juden ihr Vorurteil überwunden und das prophetische Wort mit den Tatsachen verglichen, die Jesu Leben kennzeichneten, so hätten sie eine wunderbare Übereinstimmung zwischen den Prophezeiungen und deren Erfüllung im Leben und Dienst des demütigen Galiläers erkannt. DM.363.7 Teilen

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Heute werden viele genauso irregeführt wie damals die Juden. Geistliche Lehrer lesen die Bibel in dem Licht ihres eigenen Verständnisses oder der Traditionen. Die Menschen forschen nicht in der Heiligen Schrift und beurteilen nicht selbst, was Wahrheit ist. Sie verzichten auf eine eigene Meinung und vertrauen auf führende Männer. Sein Wort zu predigen und zu lehren ist eines der Mittel, die Gott für die Ausbreitung der Wahrheit vorgesehen hat. Aber alles, was Menschen lehren, müssen wir anhand der Bibel prüfen. Wer die Heilige Schrift unter Gebet durchforscht, weil er die Wahrheit erfassen und ihr gehorchen möchte, wird von Gott die rechte Erkenntnis erlangen. Er wird die Bibel verstehen. „Wenn jemand dessen Willen tun will, wird er innewerden, ob diese Lehre von Gott ist oder ob ich von mir selbst aus rede.“ Johannes 7,17. DM.364.1 Teilen

Am letzten Tag des Festes kamen die Männer der Tempelwache, die im Auftrag der Obersten und Priester Jesus fangen sollten, ohne Ihn zurück. Wütend fragte man sie: „Warum habt ihr ihn nicht gebracht?“ Mit ernster Miene antworteten sie: „Noch nie hat ein Mensch so geredet wie dieser.“ Johannes 7,45.46. DM.364.2 Teilen

So verhärtet die Herzen der Tempeldiener auch waren, Jesu Worte hatten sie doch angerührt. Während Er im Vorhof redete, waren sie in Seiner Nähe geblieben, um zu hören, ob sich Seine Worte gegen Ihn selbst verwenden ließen. Je mehr sie aber hörten, desto weniger dachten sie an ihren Auftrag. Sie standen bald ganz unter dem Eindruck Seiner Worte. Christus offenbarte sich ihnen und sie erkannten, was die Obersten und Priester nicht einsehen wollten: Die menschliche Natur war von göttlicher Herrlichkeit durchdrungen! Sie waren von Seinen Gedanken und Worten so sehr beeindruckt, dass sie auf alle Vorwürfe nur eines sagen konnten: „Noch nie hat ein Mensch so geredet wie dieser.“ DM.364.3 Teilen

Als die Priester und Obersten zum ersten Mal in die Gegenwart Jesu gekommen waren, hatten sie dieselbe Überzeugung verspürt. Ihre Herzen wurden tief bewegt, und es drängte sich ihnen der Gedanke auf: „Noch nie hat ein Mensch so geredet wie dieser.“ Doch sie hatten die durch den Heiligen Geist gewirkte Überzeugung unterdrückt. Wütend darüber, dass jetzt selbst die Hüter des Gesetzes von dem verhassten Galiläer beeindruckt waren, schrien sie die Knechte an: „Habt ihr euch auch verführen lassen? Glaubt denn einer von den Oberen oder Pharisäern an ihn? Nur das Volk tut‘s, das nichts vom Gesetz weiß; verflucht ist es!“ Johannes 7,47-49. DM.364.4 Teilen

Nur wenige Menschen, denen die Wahrheitsbotschaft verkündigt wird, wollen wissen: „Ist das wahr?“ Ihnen geht es darum: „Wer tritt für sie ein?“ Die meisten urteilen danach, wie viele sie annehmen. Noch immer wird gefragt: „Haben jemals kluge Männer und religiöse Führer daran geglaubt?“ Den Menschen fällt heutzutage wahre Frömmigkeit keineswegs leichter als in den Tagen Christi. Sie sind genauso auf irdische Werte aus und ignorieren die Reichtümer der Ewigkeit. Es spricht jedoch nicht gegen die Wahrheit, dass die große Masse sie nicht annehmen will und dass die Mächtigen der Welt oder gar die religiösen Führer sie nicht als gültig anerkennen. Erneut schmiedeten die Priester und Obersten Pläne, um Jesus gefangen zu nehmen. Sie wiesen darauf hin, dass Er das Volk von den verordneten jüdischen Führern wegziehen werde, wenn sie Ihn noch länger ungehindert sprechen ließen. Es sei deshalb nötig, Ihn unverzüglich zum Schweigen zu bringen. Mitten in ihren Beratungen stellte Nikodemus plötzlich die Frage: „Richtet denn unser Gesetz auch einen Menschen, ehe man ihn verhört und erkannt hat, was er tut?“ Johannes 7,51. DM.364.5 Teilen

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Peinliche Stille folgte diesen Worten. Allen wurde bewusst, dass sie niemanden richten durften, der nicht zuvor gehört worden war. Das war es jedoch nicht allein, was die hochmütigen Obersten verstummen ließ, sondern es war die Tatsache, dass jemand aus ihrer Mitte den Nazarener verteidigte. DM.365.1 Teilen

Nachdem sie sich von ihrem Erstaunen erholt hatten, fragten sie Nikodemus mit beißendem Spott: „Bist du auch ein Galiläer? Forsche und siehe, aus Galiläa steht kein Prophet auf.“ Johannes 7,52. DM.365.2 Teilen

Die Frage von Nikodemus aber hatte bewirkt, dass der Rat die Verhandlungen abbrach und das Vorhaben, Jesus ohne Verhör zu verurteilen, konnte von den Obersten nicht ausgeführt werden. Für den Augenblick unterlegen, ging „ein jeder ... heim. Jesus aber ging zum Ölberg“. Johannes 7,53; 8,1. DM.365.3 Teilen

Von der Aufregung und dem Durcheinander der Stadt, von der begierigen Menge und den heimtückischen Rabbinern suchte Jesus Ruhe und Erholung in den stillen Olivenhainen am Ölberg. Hier konnte Er mit Gott allein sein. Am nächsten Morgen aber „kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm; und er setzte sich und lehrte sie“. Johannes 8,2. DM.365.4 Teilen

Er wurde aber schon bald unterbrochen. Einige Schriftgelehrte und Pharisäer kamen auf Ihn zu. Sie zogen eine von Schrecken ergriffene Frau mit sich. Mit roher Gewalt zwangen sie die Frau vor Jesus hin und klagten sie mit harten, eifernden Worten der Übertretung des siebten Gebotes an. Zum Herrn sagten sie mit geheuchelter Ehrerbietung: „Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du?“ Johannes 8,4.5. Ihre gespielte Hochachtung sollte eine schlau angelegte Verschwörung zu Seiner Vernichtung verbergen. Sie hatten diese Gelegenheit genutzt, um Seine Verurteilung sicherzustellen, dachten sie doch, sie würden auf jeden Fall eine Ursache finden, ihn anzuklagen, ganz gleich, welche Entscheidung Jesus treffen sollte. Spräche Er die Frau frei, würden sie Ihn der Missachtung des mosaischen Gesetzes beschuldigen. Erklärte Er sie dagegen des Todes würdig, dann könnten sie Ihn bei den Römern anklagen, dass Er eine Autorität beanspruchte, die nur ihnen zustehe. DM.365.5 Teilen

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Jesus schaute um sich — Er sah das zitternde Opfer in seiner Schande und die streng blickenden Würdenträger, ohne jedes menschliche Mitleid. In Seinem reinen Sinn fühlte Er sich angewidert von diesem Schauspiel. Er wusste ganz genau, warum Ihm diese Angelegenheit vorgetragen worden war. Er las in den Herzen und kannte den Charakter sowie die Lebensgeschichte eines jeden in Seiner Nähe. Diese angeblichen Hüter der Gerechtigkeit hatten selbst die Frau zur Sünde verleitet, um Jesus eine Falle stellen zu können. Ohne auf die Frage der Juden einzugehen, bückte sich Christus, schaute lange zu Boden und begann in den Sand zu schreiben. Ungeduldig wegen Seinem Zögern und Seiner scheinbaren Gleichgültigkeit, kamen die Schriftgelehrten und Pharisäer immer näher und baten dringend um Seine Aufmerksamkeit. Als aber ihre Blicke dem Blick Jesu folgten und auf den Boden zu Seinen Füßen fielen, erbleichten sie. Sie lasen die verborgenen Sünden ihres Lebens. Die Umstehenden, die eine plötzliche Änderung im Ausdruck der Ankläger wahrnahmen, drängten sich enger zu Jesus hin, um zu erkennen, was diese so mit Scham und Erstaunen erfüllte. DM.366.1 Teilen

Trotz ihrer Beteuerung, das Gesetz zu achten, missachteten sie doch seine Vorschriften, indem sie ihre Anklagen gegen die beim Ehebruch ergriffene Frau vorbrachten. Es wäre vielmehr die Pflicht des Ehemannes gewesen, ein gesetzliches Verfahren einzuleiten. Daraufhin wären beide Übeltäter gleichermaßen bestraft worden. Die Anklage vor Christus war somit völlig unberechtigt. Jesus aber begegnete ihnen mit ihren eigenen Waffen. Das Gesetz befahl, dass bei der Steinigung des Übeltäters die Zeugen den ersten Stein auf den Verurteilten zu werfen hatten. Jesus richtete sich wieder auf, schaute die Ankläger an und sagte: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Johannes 8,7. Dann bückte Er sich wieder und fuhr fort, in den Sand zu schreiben. Er hatte das durch Mose gegebene Gesetz nicht ignoriert und auch nicht das römische Recht gebrochen. Die Ankläger aber waren geschlagen. Das Gewand ihrer geheuchelten Frömmigkeit war von ihnen gerissen. Nun standen sie schuldig und überführt im Angesicht des gerechten Richters. Sie zitterten vor Furcht, dass ihre Sündhaftigkeit dem ganzen Volk bekannt werden könnte, und schlichen nacheinander mit gebeugtem Haupt und niedergeschlagenen Augen davon. Die Ehebrecherin aber überließen sie dem barmherzigen Heiland. DM.366.2 Teilen

Jesus schaute die Frau an und sprach zu ihr: „Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“ Johannes 8,10.11. Die Frau hatte, von Furcht überwältigt, vor Ihm gestanden. Seine Worte: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie“ kamen ihr vor wie ein Todesurteil. Sie wagte nicht, ihre Augen zum Heiland zu erheben, sondern erwartete schweigend ihre Strafe. DM.366.3 Teilen

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Sehr erstaunt bemerkte sie, wie ihre Ankläger einer nach dem andern verwirrt und wortlos fortgingen und sie hörte Jesu tröstlichen Worte: „So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“ Erschüttert warf sie sich dem Heiland zu Füßen, stammelte ihre dankbare Liebe und bekannte unter heißen Tränen ihre Sünden. DM.367.1 Teilen

Das war der Beginn eines neuen Lebens für sie, ein Leben der Reinheit und des Friedens, geweiht dem Dienst Gottes. Dadurch, dass Jesus dieses gefallene Menschenkind aufrichtete, vollbrachte Er ein größeres Wunder, als wenn Er es von einem schlimmen körperlichen Leiden geheilt hätte. Er befreite von der geistlichen Krankheit, die zum ewigen Tod geführt hätte. Diese reumütige Frau wurde zu einer Seiner treuesten Nachfolgerinnen. Mit aufopfernder Liebe und Hingabe erwiderte sie die vergebende Gnade Jesu. DM.367.2 Teilen

Dass Jesus der Frau vergab und sie ermutigte, ein besseres Leben zu führen, wirft auf die vollkommene Gerechtigkeit Seines Wesens ein helles Licht. Er hat weder die Sünde gutgeheißen noch die Größe der Schuld; doch Er wollte nicht verdammen, sondern retten. Die Welt hatte für dieses irrende Menschenkind nur Hohn und Verachtung, aber Jesus spricht Worte des Trostes und der Hoffnung. Der Sündlose erbarmt sich der Schwäche des Sünders und reicht ihr Seine hilfreiche Hand. Während die scheinheiligen Pharisäer anklagen und verurteilen, spricht Jesus: „Geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“ DM.367.3 Teilen

Wer den Irrenden den Rücken zukehrt und wegschaut und sie nicht daran hindert, ihren Weg ins Verderben fortzusetzen, ist kein Nachfolger Christi. Wer darauf aus ist, andere anzuklagen und sie vor den Richter zu bringen, trägt in seinem eigenen Leben oft mehr Schuld mit sich als sie. Die Menschen hassen den Sünder und lieben die Sünde. Christus dagegen hasst die Sünde und liebt den Sünder. Von diesem Geist müssen auch alle Seine Nachfolger beseelt sein. Die christliche Liebe hält sich zurück im Tadeln, nimmt aber schnell echte Reue wahr. Sie ist immer bereit, dem Irrenden zu vergeben, ihn zu stärken, auf den Pfad der Gottesfurcht zu bringen und darauf zu erhalten. DM.367.4 Teilen

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