Portrait von Ellen White
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Kapitel 62: Das Fest in Simons Haus
Kapitel 62: Das Fest in Simons Haus
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Auf der Grundlage von Matthäus 26,6-13; Markus 14,3-11; Lukas 7,36-50; Johannes 11,55-57; Johannes 12,1-11. DM.440 Teilen

Auch Simon von Bethanien wurde als ein Jünger Jesu angesehen. Er war einer der wenigen Pharisäer, die sich offen Christi Nachfolgern anschlossen. Er hatte Jesus als Lehrer anerkannt und hoffte, dass Er der Messias wäre, doch als seinen Heiland hatte er ihn nicht angenommen. Sein Wesen war noch nicht umgestaltet, sein Denken blieb unverändert. DM.440.1 Teilen

Jesus hatte ihn vom Aussatz geheilt und ihn dadurch zu sich gezogen. Aus Dankbarkeit dafür gab Simon bei Jesu letztem Besuch in Bethanien für Ihn und Seine Jünger ein großes Fest, bei dem auch viele Juden teilnahmen. Gerade zu dieser Zeit herrschte in Jerusalem große Aufregung. Jesus und Seine Sendung wurden mehr beachtet als je zuvor. Die zum Fest gekommen waren, verfolgten genau jeden Seiner Schritte, manche sogar mit feindseligen Blicken. DM.440.2 Teilen

Sechs Tage vor dem Passahfest war der Heiland nach Bethanien gekommen und nach Seiner Gewohnheit im Haus von Lazarus eingekehrt, um Ruhe zu finden. Die Schar der Mitreisenden, die zur Hauptstadt weiterzog, verbreitete die Nachricht, dass Er auf dem Weg nach Jerusalem sei und den Sabbat über in Bethanien ruhe. Die Menschen dort waren begeistert und viele strömten nach Bethanien, manche aus Zuneigung zu Jesus, andere aus Neugier den zu sehen, der von den Toten auferweckt worden war. DM.440.3 Teilen

Viele erwarteten von Lazarus einen großartigen Bericht über seine Erlebnisse nach dem Tod, und sie waren erstaunt, dass er nichts erzählte. Er hatte ja auch nichts zu berichten, denn „die Toten ... wissen nichts; ... sie haben kein Teil mehr auf der Welt an allem, was unter der Sonne geschieht“. Prediger 9,5f. Lazarus gab jedoch ein herrliches Zeugnis für das Wirken Christi. Dafür war er von den Toten auferweckt worden. Kraftvoll und deutlich erklärte er, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Die Berichte, die von den Besuchern Bethaniens nach Jerusalem gelangten, erhöhten noch die Aufregung. Jeder wollte Jesus sehen und hören. Man fragte sich allgemein, ob Lazarus denn den Herrn nach Jerusalem begleiten würde und ob der Prophet am Passahfest zum König gekrönt werden würde. Priester und Oberste erkannten, dass ihr Einfluss auf das Volk immer mehr nachließ, und ihre Wut auf Jesus wuchs ständig. Kaum konnten sie die Gelegenheit erwarten, Ihn für immer aus dem Weg zu räumen. Als nun die Zeit verstrich, befürchteten sie schon, dass Er nach all den Geschehnissen nicht nach Jerusalem kommen würde. Sie dachten daran, wie oft Jesus schon ihre mörderischen Absichten vereitelt hatte, und sie befürchteten, dass Er auch jetzt ihre gegen Ihn gerichteten Absichten erkannt hatte und wegbliebe. Sie konnten nur schlecht ihre Ängstlichkeit verbergen und fragten sich: „Was meint ihr? Er wird doch nicht zum Fest kommen?“ Johannes 11,56. DM.440.4 Teilen

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Eine Versammlung der Priester und Pharisäer wurde einberufen. Seit der Auferweckung von Lazarus waren die Sympathien des Volkes so völlig auf der Seite Jesu, dass es gefährlich schien, Ihn offen zu ergreifen. Deshalb beschlossen sie, Ihn heimlich festzunehmen und den Prozess so unbemerkt wie nur möglich zu führen. Sie hofften, dass sich die wankelmütige Gunst des Volkes ihnen wieder zukehrte, wenn erst Seine Verurteilung bekannt würde. DM.441.1 Teilen

Auf diese Weise sollte Jesus vernichtet werden. Doch die Priester und Gelehrten wussten auch, dass sie sich nicht sicher waren, solange Lazarus lebte. Die bloße Existenz eines Mannes, der vier Tage im Grab gelegen hatte und durch ein Wort Jesu wieder zum Leben erweckt worden war, konnte früher oder später eine Gegenreaktion hervorrufen. Das Volk würde dann an ihren Führern den Tod des Einen rächen, der so ein Wunder hatte vollbringen können. Darum beschloss der Hohe Rat auch den Tod von Lazarus. So weit führten Neid und Vorurteil ihre Sklaven. Der Hass und der Unglaube bei den jüdischen Führern nahm so zu, dass sie sogar einem Menschen das Leben nehmen wollten, den göttliche Macht aus dem Grab befreit hatte. DM.441.2 Teilen

Während diese Verschwörung in Jerusalem ablief, wurden Jesus und Seine Freunde auf das Fest von Simon aus Bethanien eingeladen. Der Heiland saß an der Festtafel zwischen dem Gastgeber, den Er von einer furchtbaren Krankheit geheilt, und Lazarus, den Er vom Tod errettet hatte. Martha diente ihnen, doch Maria lauschte sehr ernst jedem Wort, das der Heiland sprach. In Seiner Barmherzigkeit hatte Jesus ihr die Sünden vergeben, ihren geliebten Bruder hatte Er aus dem Grab gerufen und ihr Herz war voller Dankbarkeit. Sie hatte Jesus von Seinem bevorstehenden Tod sprechen hören, und in ihrer innigen Liebe und Besorgnis sehnte sie sich danach, Ihm ihre Verehrung zu zeigen. Unter großem persönlichem Opfer hatte sie ein alabasternes Gefäß mit „kostbarem Nardenöl“ (Johannes 12,3, NL) gekauft, um damit ihren Herrn zu salben. Doch nun hörte sie, dass Jesus zum König gekrönt werden sollte. Ihr Kummer verwandelte sich in Freude, und sie war bemüht, als erste den Herrn zu ehren. Sie zerbrach das Gefäß und goss den Inhalt auf das Haupt und auf die Füße des Herrn, dann kniete sie vor Ihn hin, weinte und benetzte mit ihren Tränen Seine Füße, die sie noch mit ihrem lang herabwallenden Haar trocknete. Maria wollte jedes Aufheben vermeiden, und ihr Tun sollte unbemerkt bleiben, doch der Duft des Öls erfüllte den Raum und ließ ihre Tat allen Anwesenden bekannt werden. Judas verfolgte dieses Geschehen sehr mürrisch. Statt erst zu hören, was Jesus dazu sagen würde, begann er jenen, die bei ihm saßen, seine Klagen zuzuflüstern, indem er Jesus verurteilte, dass dieser solche Vergeudung duldete. Listig beeinflusste er sie so, dass möglichst Unzufriedenheit folge. DM.441.3 Teilen

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Judas war der Schatzmeister der Jünger. Er hatte ihrer kleinen Kasse heimlich Beträge für sich selbst entnommen und ihre Hilfsmittel dadurch zusammenschrumpfen lassen. Er war bestrebt, alles einzustecken, was er bekommen konnte. Oft wurden aus der Kasse die Armen unterstützt. War etwas gekauft worden, das ihm nicht wichtig genug erschien, sagte er: Warum diese Verschwendung? Warum wurde das Geld nicht in den Beutel getan, damit ich für die Bedürftigen sorgen kann? Marias Handlungsweise stand in so auffallendem Kontrast zu seiner Selbstsucht, dass er tief beschämt wurde. Seiner Gewohnheit gemäß suchte er nach einem angemessenen Motiv, um seinen Einwand gegen Marias Gabe zu begründen. Er wandte sich an die Jünger und sagte: „Dieses Parfüm war ein kleines Vermögen wert. Man hätte es verkaufen und das Geld den Armen geben sollen. Doch es ging ihm gar nicht um die Armen — er war ein Dieb und führte die Kasse der Jünger und entwendete hin und wieder etwas Geld für den eigenen Bedarf.“ Johannes 12,5f (NL). Judas hatte kein Herz für die Armen. Wäre Marias Salbe verkauft worden und der Erlös in seinen Beutel geflossen, hätten die Armen davon nichts gehabt. DM.442.1 Teilen

Judas hatte eine hohe Meinung von sich. Als Schatzmeister hielt er sich für bedeutender als seine Gefährten, und brachte soweit, dass auch sie davon überzeugt waren. Durch ihr Vertrauen zu ihm übte er einen starken Einfluss auf sie aus. Sie ließen sich durch sein angebliches Mitgefühl mit den Armen täuschen. Seine geschickten Andeutungen veranlassten sie, Marias Liebestat misstrauisch zu betrachten. Ein unzufriedenes Murmeln ging um die Tafel: „Was für eine Geldverschwendung ... Sie hätte es lieber für viel Geld verkaufen und den Erlös den Armen geben sollen.“ Matthäus 26,8.9 (NL). Maria hörte das alles. Ihr Herz wurde bedrückt, und sie befürchtete, dass ihre Schwester ihre Verschwendung tadeln und auch der Meister sie für leichtsinnig halten würde. Ohne sich zu verteidigen oder zu entschuldigen, wollte sie sich zurückziehen, aber dann hörte sie Jesus sagen: „Lasst sie in Ruhe. Warum bringt ihr sie in Verlegenheit? Sie hat mir doch etwas Gutes getan. Die Armen werdet ihr immer bei euch haben. Ihr könnt ihnen helfen, wann immer ihr wollt. Aber ich werde nicht mehr lange bei euch sein. Sie hat getan, was in ihrer Macht stand, und meinen Körper im Voraus zum Begräbnis gesalbt.“ Markus 14,6-8 (NL). DM.442.2 Teilen

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Die duftende Gabe, die Maria für den Leichnam des Herrn verwenden wollte, schüttete sie über Seine lebende Gestalt aus. Beim Begräbnis hätte der Wohlgeruch nur das Grab erfüllt, jetzt aber erfreute er Jesu Herz mit der Gewissheit ihrer Treue und Liebe. Joseph von Arimathia und Nikodemus boten ihre Gaben Jesus nicht zu Seinen Lebzeiten an, sondern sie brachten ihre kostbaren Spezereien unter heißen Tränen einem Toten. Die Frauen, die Spezereien zum Grab trugen, kamen vergeblich, denn Jesus war inzwischen auferstanden. Maria aber, die ihre Liebe dem Heiland bewies, als dieser ihre Liebestat noch annehmen konnte, salbte Ihn fürs Grab. Als Jesus in die Finsternis Seiner schweren Prüfung hinabstieg, trug Er in Seinem Herzen die Erinnerung an jene Tat als ein Pfand der Liebe, die Ihm von Seinen Erlösten für immer entgegenschlägt. DM.443.1 Teilen

Viele bringen den Toten wertvolle Gaben und sprechen an ihrem stummen, erstarrten Leib großzügige Worte der Liebe. Zartgefühl, Anerkennung und Hingabe werden an jene verschwendet, die weder hören noch sehen können. Wären doch diese Worte gesprochen worden, als der erschöpfte Geist sie so nötig hatte, als die Ohren noch hören und das Herz noch fühlen konnte — wie köstlich wäre ihr Wohlgeruch gewesen! DM.443.2 Teilen

Maria selbst konnte die eigentliche Bedeutung ihrer Liebestat nicht abschätzen. Sie vermochte ihren Anklägern nicht zu antworten und konnte auch nicht erklären, warum sie diese Gelegenheit genutzt hatte, Jesus zu salben. Der Geist Gottes hatte sie getrieben, und sie war Ihm gefolgt. Das Herabkommen des Geistes bedarf keiner Begründung. Seine unsichtbare Gegenwart spricht zu Herz und Gemüt und bewegt das Herz, zu handeln. Darin liegt die Rechtfertigung solchen Handelns. DM.443.3 Teilen

Christus erläuterte Maria den Sinn ihrer Tat und gab ihr damit weit mehr, als Er selbst empfangen hatte. „Dass sie das Öl auf meinen Leib gegossen hat, das hat sie für mein Begräbnis getan.“ Matthäus 26,12. Wie das alabasterne Gefäß zerbrochen wurde und der Duft des Öls das ganze Haus erfüllte, so musste Christus sterben. Sein Leib musste gebrochen werden, aber Er sollte wieder auferstehen aus dem Grab, und der Wohlgeruch Seines Lebens würde die ganze Welt erfüllen. Christus hat uns geliebt „und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch“. Epheser 5,2. DM.443.4 Teilen

„Wahrlich, ich sage euch: Wo dieses Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.“ Matthäus 26,13. In die Zukunft blickend, sprach der Erlöser mit Gewissheit von Seinem Evangelium, das in der ganzen Welt gepredigt werden sollte. So weit es sich ausdehnte, würde Marias Gabe überall ihren Wohlgeruch verbreiten, und die Herzen würden durch ihre natürliche Handlungsweise gesegnet werden. Königreiche kämen empor und gingen wieder unter, die Namen der Herrscher und Eroberer fielen in Vergessenheit, aber die Tat Marias bliebe verewigt in den heiligen Büchern. Bis an das Ende des irdischen Geschehens würde dieses zerbrochene Alabastergefäß die Geschichte von der überschwänglichen Liebe Gottes zu dem gefallenen Menschengeschlecht erzählen. DM.443.5 Teilen

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Welch ein großer Unterschied bestand in der Tat Marias zu dem Vorhaben des Judas, der hier so viel Entrüstung heuchelte! Welch einen scharfen Tadel hätte Christus dem erteilen können, der die Saat boshafter Kritik und teuflischen Argwohns in die Herzen der Jünger ausstreute! Und wie gerecht wäre solch ein Tadel gewesen! Jesus, der aller Menschen Gedanken und Beweggründe kennt und jede Handlung versteht, hätte auf diesem Fest allen Anwesenden die finsteren Seiten im Leben von Judas zeigen können. Der faule Vorwand, auf den der Verräter seine Worte bezog, hätte offen dargelegt werden können, denn statt mit den Bedürftigen zu fühlen, beraubte er sie des Geldes, das zu ihrer Unterstützung bestimmt war. Wegen seiner Härte gegen die Witwen, Waisen und Tagelöhner hätte sich Unwillen gegen ihn erhoben. Hätte Christus aber den wahren Charakter von Judas entlarvt, würde es dieser als einen Grund für seinen Verrat angesehen haben. Und obwohl man ihn als Dieb beschuldigte, hätte Judas selbst unter den Jüngern Sympathien gewonnen. Der Heiland machte ihm keine Vorwürfe, und dadurch vermied Er es, ihm einen Entschuldigungsgrund für seinen Verrat zu geben. Doch der Blick, den Jesus auf ihn warf, überzeugte Judas, dass der Heiland seine Heuchelei durchschaute und seinen niedrigen, verachtenswerten Charakter erkannte. DM.444.1 Teilen

Indem Jesu die Tat Marias hervorhob, die so verurteilt wurde, tadelte Er Judas dadurch. Bisher hatte der Heiland ihn nie direkt getadelt. Nun aber nagte Jesu Tadel an ihm, und er beschloss, sich zu rächen. Nach der Abendmahlzeit ging er direkt in den Palast des Hohepriesters, wo er den Hohen Rat versammelt fand, und bot sich an, den Herrn in ihre Hände zu liefern. DM.444.2 Teilen

Die Priester waren hocherfreut. Diese Führer Israels hätten unentgeltlich und ohne nach einem Preis zu fragen Christus als ihren Heiland annehmen können. Aber sie lehnten die kostbare Gabe ab, die ihnen der sanfte Geist werbender Liebe anbot. Sie weigerten sich, jenes Heil anzunehmen, das wertvoller ist als Gold, und sie kauften ihren Herrn für 30 Silberstücke. DM.444.3 Teilen

Judas hatte sich so sehr der Habgier ausgeliefert, dass diese jedes gute Wesensmerkmal überschattete. Er missgönnte die Gabe, die Jesu dargebracht wurde. Sein Herz brannte vor Neid darüber, dass der Heiland etwas empfangen sollte, was nur den Königen der Erde zukam. Für einen Betrag, der weit unter dem Preis für das Ölgefäß lag, verriet er seinen Herrn. DM.444.4 Teilen

Die anderen Jünger waren nicht wie Judas. Sie liebten ihren Heiland, wenn sie auch sein wahres Wesen nicht richtig einschätzten. Wären sie sich bewusst gewesen, was Er für sie getan hatte, dann hätten sie erkannt, dass nichts vergeudet war von dem, was Ihm geschenkt wurde. Die Weisen aus dem Morgenland, die so wenig von Christus wussten, hatten für die Ihm schuldige Ehrerbietung ein besseres Verständnis. Sie brachten dem Heiland Geschenke und beugten sich in Ehrfurcht vor Ihm, als Er noch ein Baby war und in einer Krippe lag. DM.444.5 Teilen

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Christus schätzt die Taten herzlich empfundener Höflichkeit. Tat Ihm jemand einen Gefallen, dann segnete Er ihn mit himmlischer Zuvorkommenheit. Er lehnte nicht die einfachste Blumengabe, die von Kinderhand gepflückt und Ihm liebevoll geschenkt wurde. Er nahm die Gaben der Kinder an und segnete sie, indem Er ihre Namen in das Buch des Lebens schrieb. Die Heilige Schrift berichtet über die Salbung Jesu durch Maria, um sie vor den anderen Frauen ihres Namens auszuzeichnen. Taten, die der Liebe zu Jesus und der Ehrerbietung Ihm gegenüber entspringen, beweisen unseren Glauben an Ihn als den Sohn Gottes. Und die Heilige Schrift führt Folgendes als Beweis für die Treue einer Frau zu Christus an: „Wenn sie den Heiligen die Füße gewaschen hat, wenn sie denen Bedrängten beigestanden hat, wenn sie allem guten Werk nachgekommen ist.“ 1.Timotheus 5,10. DM.445.1 Teilen

Der Heiland freute sich über den ernstlichen Wunsch Marias, den göttlichen Willen zu tun, und nahm die Fülle uneigennütziger Zuneigung gern entgegen, die Seine Jünger nicht verstanden und nicht verstehen wollten. Marias Wunsch, ihrem Herrn diesen Dienst zu erweisen, war für Ihn mehr wert als alle kostbaren Salben der Welt, weil er zeigte, wie sehr sie den Erlöser der Welt schätzte. Es war die Liebe Christi, die sie trieb. Die Vollkommenheit des Wesens Jesu erfüllte ihre Seele. Jene Salbe war ein Symbol für das, was in ihrem Herzen vor sich gegangen war. Sie war das äußerliche Zeichen einer Liebe, die von himmlischen Quellen gespeist wurde, bis sie überfloss. DM.445.2 Teilen

Die Tat Marias enthielt gerade die Lehre, die die Jünger benötigten, um zu verstehen, dass die Bekundung ihrer Liebe zu Christus Ihm angenehm sein würde. Er war ihnen alles gewesen, und sie erkannten nicht, dass sie bald Seiner Gegenwart beraubt sein würden und Ihm dann kein Zeichen ihrer Dankbarkeit für Seine unbeschreibliche Liebe mehr geben könnten. Die Einsamkeit Christi, der, getrennt von den himmlischen Höfen, das Leben nach menschlicher Natur lebte, wurde von den Jüngern nie verstanden oder gewürdigt, wie man es hätte erwarten sollen. Jesus war oft traurig, weil Seine Jünger Ihm nicht das gaben, was Er von ihnen zu empfangen hoffte. Er wusste aber, dass sie bald unter dem Einfluss himmlischer Engel, die Ihn begleiteten, keine Gabe für zu wertvoll halten würden, um ihre innere Verbundenheit mit Ihm zu bekunden. DM.445.3 Teilen

Ihre spätere Erkenntnis gab den Jüngern ein echtes Empfinden für die vielen Dinge, die sie Jesus hätten erweisen können, um ihre Liebe und Dankbarkeit zu zeigen, als sie bei Ihm waren. Als Jesus nicht mehr bei ihnen war und sie sich wirklich als Schafe ohne Hirten fühlten, fingen sie an zu erkennen, wie sie Ihm hätten etwas Gutes tun können, das Ihn erfreut hätten. Sie blickten nun nicht mehr tadelnd auf Maria, sondern auf selbst. Ach, könnten sie doch ihren Tadel und ihre Behauptung, dass die Armen der Gabe würdiger gewesen wären als Christus, zurücknehmen! Sie fühlten sich tief beschämt, als sie den zerschlagenen Leib ihres Herrn vom Kreuz nahmen. Der gleiche Mangel ist in heutiger Zeit zu beobachten. Nur wenige erkennen Christi Bedeutung für sie. Sonst würde so eine selbstlose Liebe, wie sie damals Maria dem Herrn erwiesen hatte, im täglichen Leben bemerkbar werden. Die Salbung erfolgte freiwillig, und das wertvolle Öl würde nicht eine Verschwendung genannt werden. Nichts wäre zu teuer, um es dem Herrn zu bringen, keine Selbstverleugnung und kein Opfer wäre zu groß gewesen, um es seinetwegen zu ertragen. DM.445.4 Teilen

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Die entrüsteten Worte der Jünger: „Was für eine Geldverschwendung“ (Matthäus 26,8f, NL), ließen dem Heiland das größte Opfer, das je gebracht werden sollte, lebhaft vor Augen treten — nämlich das Opfer Seines Lebens als Sühne für eine verlorene Welt. Der Herr würde die menschliche Familie so überaus reichlich beschenken, dass man von Ihm nicht sagen konnte, Er könne noch mehr tun. In der Gabe Jesu gab Gott den ganzen Himmel. Aus menschlicher Perspektive würde solch ein Opfer als Verschwendung angesehen. Unserer beschränkten Urteilskraft erschiene der ganze Erlösungsplan als Vergeudung von Gnade und Werten. Selbstverleugnung und rückhaltloses Opfer begegnen uns überall. Mit Recht mag das Heer des Himmels erstaunt auf die Menschen blicken, die es ablehnen, sich von der grenzenlosen Liebe in Christus erheben und bereichern zu lassen, und die ausrufen: Was für eine Geldverschwendung! Aber die Versöhnung für eine verlorene Welt sollte unverkürzt, überreichlich und vollkommen sein. Christi Opfer war so unermesslich groß, dass es jeder Mensch, den Gott erschuf, in Anspruch nehmen kann. Es konnte nicht so eingeschränkt werden, als reiche es nur für diejenigen, die diese große Gabe annehmen würden. Nicht alle Menschen werden gerettet, doch der Erlösungsplan ist nicht deswegen nutzlos, weil er nicht all das vollbringt, wozu er großzügig vorgesehen ist. Seine Wirksamkeit ist reichlich, ja in überreichem Maße vorhanden. DM.446.1 Teilen

Simon von Bethanien, der Gastgeber dieses Festes, war von den kritischen Bemerkungen des Judas über Marias Gabe beeinflusst worden und zeigte sich von dem Verhalten Jesu überrascht. Sein pharisäischer Stolz war verletzt. Er wusste, dass viele seiner Gäste Jesus mit Misstrauen und Unwillen beobachteten. Simon dachte bei sich: „Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.“ Lukas 7,39. Jesus hatte Simon vom Aussatz geheilt und ihn dadurch vor einem schrecklichen Tod bewahrt. Und doch zweifelte Simon, dass der Heiland ein Prophet sei. Weil Christus dieser Frau erlaubte, sich Ihm zu nähern und weil Er sie nicht zurückwies als eine, deren Sünden zu groß waren, um vergeben werden zu können, weil Er nicht äußerte, dass sie gesündigt hatte, deshalb war Simon versucht zu glauben, dass Jesus kein Prophet sei. Er dachte, Jesus wisse nichts von dieser Frau, die so freigebig in ihren Äußerungen sei, sonst würde Er ihr doch nicht erlauben, Ihn zu berühren. DM.446.2 Teilen

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Es war aber Simons Unwissenheit über Gott und Christus, die ihn zu derartigen Gedanken führte. Er begriff nicht, dass Gottes Sohn in göttlicher Weise handeln musste — gnädig, gütig und barmherzig. Simon selbst hätte Marias bußfertigen Dienst gar nicht beachtet. Dass sie Jesu Füße küsste und salbte, reizte seine Hartherzigkeit. Er dachte, dass Jesus die Sünder doch erkennen und zurechtweisen würde, wenn Er ein Prophet wäre. DM.447.1 Teilen

Auf diese unausgesprochenen Gedanken antwortete der Heiland: „Simon, ich habe dir etwas zu sagen. ... Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er‘s beiden. Wer von ihnen wird ihn am meisten lieben? Simon antwortete und sprach: Ich denke, der, dem er am meisten geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geurteilt.“ Lukas 7,40-43. DM.447.2 Teilen

Wie einst der Prophet Nathan bei David, so hüllte auch hier Christus eine tadelnde Antwort in den Schleier eines Gleichnisses und veranlasste dadurch den Gastgeber, sein eigenes Urteil zu sprechen. Simon hatte die Frau, die er jetzt verachtete, selbst zur Sünde verleitet und ihr großes Unrecht zugefügt. Im Gleichnis von den zwei Schuldnern wurden Simon und die Frau dargestellt. Jesus wollte nicht sagen, dass beide ein verschieden großes Maß an Schuld empfinden sollten, denn auf jedem lastete eine Schuld der Dankbarkeit, die er niemals zurückzahlen konnte. Und doch hielt sich Simon für gerechter als Maria, und Jesus wollte ihm zeigen, wie groß seine Schuld wirklich war. Er wollte ihm vor Augen führen, dass seine Schuld größer war als die Marias, um so viel größer, wie eine Schuld von 500 Silbergroschen jene von 50 Silbergroschen übersteigt. DM.447.3 Teilen

Simon begann nun, sich in einem anderen Licht zu sehen. Er sah auch, wie Maria von dem eingeschätzt wurde, der mehr als ein Prophet war und mit Seinem prophetischen Auge ihre Liebe und Hingabe in ihrem Herzen las. Simon schämte sich, und er erkannte, dass er sich in der Gegenwart des Einen befand, der größer war als er. DM.447.4 Teilen

Da sprach der Herr weiter: „Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet. Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen.“ Lukas 7,44f. Christus erinnerte Simon an die vielen Gelegenheiten, die er gehabt hatte, seine Liebe zu seinem Herrn zu beweisen und das zu würdigen, was für ihn getan worden war. Deutlich, aber höflich versicherte der Heiland Seinen Jüngern, dass Sein Herz betrübt ist, wenn Seine Kinder Ihm weder durch Worte noch durch Taten der Liebe ihre Dankbarkeit zeigen wollen. DM.447.5 Teilen

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Der Herzenserforscher kannte die Motive der Tat Marias, und auch die Gedanken Simons. „Siehst du diese Frau?“, fragte er ihn. Sie ist eine Sünderin. Aber ich sage dir: „Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“ Lukas 7,44.47. DM.448.1 Teilen

Simons Kälte und Geringschätzung gegenüber dem Heiland zeigte, wie wenig er die ihm erwiesene Barmherzigkeit zu schätzen wusste. Er glaubte den Herrn dadurch zu ehren, dass er Ihn in sein Haus einlud. Doch jetzt sah er sich, wie es wirklich war. Während er sich einbildete, seinen Gast beurteilen zu können, musste er erleben, dass Jesus ihn besser kannte als er sich selbst. Seine Frömmigkeit war tatsächlich die eines Pharisäers gewesen. Er hatte die Barmherzigkeit Jesu verachtet und den Herrn nicht als den Stellvertreter Gottes anerkannt. Während Maria eine begnadigte Sünderin war, hatte er sich seine Schuld noch nicht nehmen lassen. Die strengen Regeln der Gerechtigkeit, die er auf Maria anwendete, verurteilten ihn nun selbst. DM.448.2 Teilen

Die vornehme Art Jesu, ihn nicht öffentlich vor seinen Gästen zu tadeln, beeindruckte Simon sehr. Er wurde nicht so behandelt, wie er Maria zu behandeln verlangt hatte. Er erkannte, dass Jesus sein schuldhaftes Verhalten nicht vor den anderen preisgeben wollte, sondern dass er durch eine wahrhafte Darlegung der Dinge sein Gemüt zu überzeugen und durch Güte sein Herz zu bezwingen suchte. Eine harte Anklage hätte Simons Gemüt gegen eine Umkehr verschlossen, geduldige Ermahnung aber überzeugte ihn von seinem Irrtum. Er erkannte die Größe seiner Schuld gegenüber dem Herrn. Sein Hochmut war gebrochen, er bereute sein Unrecht, und der stolze, eigenwillige Pharisäer wurde ein bescheidener, sich selbst aufopfernder Jünger Jesu. DM.448.3 Teilen

Maria wurde weithin als große Sünderin angesehen, doch Jesus kannte die Umstände, die ihr Leben bisher beeinflusst hatten. Er hätte jeden Funken Hoffnung in ihr auslöschen können, tat es aber nicht. Er hatte sie vielmehr aus Verzweiflung und Verderben herausgerissen. Siebenmal waren die bösen Geister, die ihr Herz und Gemüt beherrscht hatten, aus ihr ausgefahren. Sie hatte Seine zu ihren Gunsten gesprochenen Bitten zu Gott gehört, und sie wusste, wie anstößig die Sünde Seiner Reinheit war, und in Seiner Stärke hatte sie überwunden. DM.448.4 Teilen

Bei den Menschen erschien Marias Fall hoffnungslos, doch Christus sah in ihr Eigenschaften zum Guten, Er erkannte ihre besseren Wesenszüge. Der Erlösungsplan hat die menschliche Natur mit großen Möglichkeiten ausgerüstet, die im Handeln Marias sichtbar wurden. Durch Seine Gnade bekam sie Anteil an der göttlichen Natur. Sie, die gefallen und eine Behausung der Dämonen geworden war, saß nun zu Seinen Füßen und lernte von Ihm. Maria war es auch, die das kostbare Öl auf Sein Haupt goss und Seine Füße mit ihren Tränen benetzte. Maria stand am Fuß des Kreuzes und folgte Ihm zum Grab, und Maria war nach Seiner Auferstehung als erste an der Gruft. Maria war auch die erste, die den auferstandenen Heiland verkündigte. DM.448.5 Teilen

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Jesus kennt den Zustand jeder Menschenseele. Du magst sagen: Ich bin voller Schuld und Sünde. Das ist wahr, aber je schlimmer es um dich steht, desto mehr brauchst du Jesus, deinen Heiland. Er stößt keinen Weinenden, keinen Bußfertigen von sich. Er erzählt nicht jedem das, was Er eigentlich offenbaren könnte, aber Er ermutigt jede bedrängte Seele. Bereitwillig vergibt Er allen, die Ihn um Vergebung und Wiederherstellung bitten. DM.449.1 Teilen

Christus könnte die Engel beauftragen, die Schalen Seines Zornes über unsere Erde auszugießen, um jene zu vernichten, die Gott hassen. Er könnte diesen hässlichen Fleck aus dem Weltall entfernen, aber Er tut es nicht. Er steht heute noch am Räucheraltar und bringt dem ewigen Vater die Gebete derer dar, die Seine Hilfe erbitten. DM.449.2 Teilen

Die Menschen, die bei Jesus Zuflucht suchen, erhebt Er über die Anklagen und entzieht sie dem Bereich der bösen Zungen. Kein Mensch und kein gefallener Engel kann diese Seelen herabsetzen. Der Heiland verbindet sie mit Seiner göttlich-menschlichen Natur. Sie stehen neben dem großen Sündenträger in dem Licht, das vom Thron Gottes hervorleuchtet. „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und vertritt uns.“ Römer 8,33f. DM.449.3 Teilen

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