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Kapitel 66: Der Kampf
Kapitel 66: Der Kampf
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Auf der Grundlage von Matthäus 22,15-46; Markus 12,13-40; Lukas 20,20-47. DM.476 Teilen

Die Priester und Obersten hatten schweigend den deutlichen Tadel Christi vernommen. Seine Anklagen vermochten sie nicht zu widerlegen. Doch nun waren sie noch entschlossener, Ihn zu fangen. „Deshalb suchten sie nach einer günstigen Gelegenheit und beauftragten Männer, die sich als ehrliche Zuhörer ausgaben, um Jesus auszuhorchen. Sie brauchten einen Vorwand, unter dem sie Jesus durch den römischen Statthalter verhaften lassen konnten“. Lukas 20,20 (NL). Sie schickten nicht die alten Pharisäer vor, denen Jesus so oft begegnet war, sondern junge Leute, die feurig und eifrig waren und von denen sie dachten, Jesus kenne sie noch nicht. Sie wurden von einigen der Männer des Herodes begleitet. Sie sollten Christus zuhören, damit sie gegen Ihn während des Gerichtsverfahrens aussagen könnten. Pharisäer und Herodianer waren eigentlich bitterte Feinde, jetzt aber verband sie die Feindschaft gegen Christus. DM.476.1 Teilen

Die Pharisäer hatten sich ständig gegen die erzwungenen Tributleistungen an die Römer aufgelehnt. Sie meinten, solche Zahlungen verstießen gegen das Gesetz Gottes. Doch jetzt sahen sie eine Gelegenheit, Christus eine Falle zu stellen. Die Spione kamen deshalb zu Ihm und fragten, scheinbar aufrichtig, als ob sie nur wissen wollten, was ihre Pflicht sei: „Meister, wir wissen, dass du aufrichtig redest und lehrst und achtest nicht das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes recht. Ist‘s recht, dass wir dem Kaiser Steuer zahlen, oder nicht?“ Lukas 20,21.22. DM.476.2 Teilen

Die Worte: „Wir wissen, dass du aufrichtig redest und lehrst“ wären ein wunderbares Zugeständnis gewesen, hätte man sie aufrichtig gemeint. Sie sollten aber nur der Täuschung dienen. Ihr Zeugnis war jedoch trotzdem wahr. Die Pharisäer wussten sehr gut, dass Christus aufrichtig und recht lehrte, und sie werden einst nach diesem Zeugnis gerichtet werden. DM.476.3 Teilen

Die Männer, die Jesus diese Frage stellten, meinten, dass sie ihre Absicht ausreichend getarnt hätten. Jesus aber las in ihren Herzen wie in einem Buch und erkannte ihre Heuchelei: „Was versucht ihr mich?“, entgegnete Er und gab ihnen dadurch ein Zeichen, nach dem sie nicht gefragt hatten, nämlich dass Er ihre geheimen Absichten durchschaute. Noch verwirrter waren sie, als Er hinzufügte: „Bringt mir einen Silbergroschen!“ Sie taten es, und Er fragte sie: „Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu Ihm: Des Kaisers.“ Da wies Jesus auf die Inschrift der Münze und antwortete: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Markus 12,15-17. DM.476.4 Teilen

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Die Spione hatten erwartet, dass Jesus ihre Frage so oder so direkt beantworten werde. Hätte Er gesagt: Es verstößt gegen das Gesetz, dem Kaiser Steuern zu zahlen, dann hätten sie das den römischen Behörden berichtet, und Er wäre verhaftet worden mit der Begründung, versucht zu haben, einen Aufstand anzuzetteln. Falls Er es aber als legal hingestellt hätte, den Römern Steuern zu zahlen, dann hätten sie Ihn vor dem Volk als Gegner des Gesetzes Gottes anklagen können. Jetzt waren sie verwirrt und besiegt. Ihre Pläne waren durchkreuzt. Die zusammenfassende Art, mit der ihre Frage erledigt worden war, machte weitere Entgegnungen überflüssig. DM.477.1 Teilen

Jesu Antwort war kein Ausweichmanöver, sondern Er beantwortete aufrichtig ihre Frage. Er hielt die römische Münze in der Hand, die Name und Abbild des Cäsaren trug, und erklärte, dass die Juden, die unter dem Schutz der römischen Macht lebten, auch die von ihnen geforderten Abgaben an sie entrichten sollten, sofern sie dadurch nicht in Konflikt mit einer höheren Pflicht gerieten. Doch während sie als friedliche Bürger die Landesgesetze beachteten, sollten sie Gott stets in erster Linie treu sein. DM.477.2 Teilen

Des Heilands Worte: „gebt ... Gott, was Gottes ist“ enthielten eine strenge Zurechtweisung der jüdischen Intriganten. Hätten sie gewissenhaft ihre Verpflichtungen gegenüber Gott erfüllt, so wären sie als Nation nicht zerbrochen und nicht einer fremden Macht unterstellt worden. Dann hätte kein römisches Banner über Jerusalem geweht, keine römische Wache an den Toren Jerusalems gestanden und kein römischer Statthalter in seinen Mauern geherrscht. Das jüdische Volk zahlte die Strafe für seinen Abfall von Gott. DM.477.3 Teilen

Als die Pharisäer Christi Antwort hörten, „verwunderten sie sich, ließen von ihm ab und gingen davon“. Matthäus 22,22. Er hatte ihre Heuchelei und Anmaßung getadelt und zugleich ein wichtiges Prinzip aufgestellt, das deutlich die Pflichten des Menschen gegenüber der bürgerlichen Regierung und gegenüber Gott umreißt. Für viele war dadurch ein unangenehmes Problem gelöst worden. Sie haben später an dem richtigen Grundsatz festgehalten. Obwohl viele unzufrieden von Jesus fortgingen, sahen sie doch ein, dass das Prinzip, das der Frage der Pharisäer zugrunde lag, eindeutig herausgestellt worden war, und sie bewunderten Christi weitblickenden Scharfsinn. Kaum war den Pharisäern der Mund gestopft, als auch schon die Sadduzäer mit ihren hinterlistigen Fragen an Ihn herantraten. Beide Parteien standen einander in bitterer Feindschaft gegenüber. Die Pharisäer hielten sich streng an die Überlieferung. Sie erfüllten gewissenhaft die äußeren Zeremonien und unterzogen sich eifrig den rituellen Waschungen, Fastenzeiten und langatmigen Gebeten. Auch beim Almosengeben taten sie sich hervor. Christus aber erklärte, dass sie das Gesetz Gottes seines Sinnes aufhoben, weil sie Menschengebote als verbindlich erklärten. Als Gruppe waren sie Frömmler und Heuchler, dennoch gab es unter ihnen Menschen mit echter Frömmigkeit, die Christi Lehre annahmen und Seine Jünger wurden. Die Sadduzäer lehnten die Traditionen der Pharisäer ab. Sie behaupteten zwar, den größeren Teil der Heiligen Schriften als Glaubensgrundlage und als Regel ihres Handelns anzuerkennen, in Wirklichkeit aber waren sie Skeptiker und Materialisten. DM.477.4 Teilen

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Die Sadduzäer leugneten die Existenz von Engeln, die Auferstehung der Toten und die Lehre von einem künftigen Leben. In all diesen Lehrmeinungen unterschieden sie sich von den Pharisäern. Zwischen beiden Gruppen war die Auferstehung ein besonderer Streitpunkt. Die Pharisäer glaubten fest an die Auferstehung, doch fühlten sie sich während der Streitgespräche, was ihre Ansichten über das zukünftige Geschehen betraf, völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Tod war für sie ein unerklärbares Geheimnis. Ihre Unfähigkeit, die Behauptungen der Sadduzäer zu widerlegen, gab Anlass zu dauerndem Ärger. Die Diskussionen zwischen beiden Gruppen arteten gewöhnlich in heftige Streitereien aus und verbreiterten die Kluft zwischen ihnen nur noch mehr. Zahlenmäßig waren die Sadduzäer ihren Widersachern weit unterlegen, und sie hatten bei dem einfachen Volk auch nicht so viel Rückhalt. Viele waren aber wohlhabend und verfügten über den Einfluss, der mit Wohlstand verbunden war. Die meisten Priester kamen aus ihren Reihen, und auch die Hohepriester wurden oft aus ihrer Mitte gewählt. Jedoch geschah das mit der ausdrücklichen Bedingung, ihre skeptischen Auffassungen nicht in der Öffentlichkeit zu vertreten. Wegen der zahlenmäßigen Stärke und Beliebtheit der Pharisäer mussten sich die Sadduzäer, sofern sie ein priesterliches Amt bekleideten, nach außen hin den Lehren der Pharisäer anpassen. Die bloße Tatsache jedoch, dass sie zu einem solchen Amt wählbar waren, ließ ihre Irrtümer an Einfluss gewinnen. DM.478.1 Teilen

Die Sadduzäer verwarfen Jesu Lehren, war Er doch von einem Geist beseelt, dem sie ablehnend gegenüberstanden. Was Er über Gott und das zukünftige Leben verkündete, widersprach ihren Theorien. Sie glaubten, dass Gott als einziges Wesen den Menschen überlegen sei, dennoch behaupteten sie, dass eine alles beherrschende Vorsehung und göttliche Vorausschau den Menschen seines freien Willens berauben und ihn auf die Stufe eines Sklaven erniedrigen würde. Sie waren davon überzeugt, dass Gott den Menschen zwar geschaffen, ihn dann aber sich selbst überlassen habe, so dass kein höherer Einfluss auf ihn einwirke. Der Mensch sei frei, so behaupteten sie. Er könne sich selbst beherrschen und die Ereignisse der Welt selbst formen. Sein Schicksal läge allein in seinen eigenen Händen. Sie leugneten, dass der Geist Gottes durch menschliches Tun oder auf natürlichem Wege wirke. Allerdings könne der Mensch ihrer Überzeugung nach durch seine eigenen natürlichen Kräfte veredelt und erleuchtet werden. Durch die Befolgung strenger und harter Forderungen könne das Leben geläutert werden. DM.478.2 Teilen

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Ihre Vorstellungen von Gott formten ihren Charakter. Da sich Gott ihrer Meinung nach nicht für den Menschen interessierte, kümmerten sie sich auch nicht umeinander. Ihnen mangelte es an Zusammenhalt. Da sie den Einfluss des Heiligen Geistes auf das Tun der Menschen leugneten, fehlte ihrem Leben auch Seine Kraft. Wie alle anderen Juden rühmten sie sich als Kinder Abrahams ihres Geburtsrechts und ihrer strengen Gesetzestreue. Der wahre Geist des Gesetzes sowie der Glaube und die Güte Abrahams fehlten ihnen jedoch. Ihre natürliche Zuneigung galt nur einem engen Kreis. Sie meinten, allen Menschen sei es möglich, sich die Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten des Lebens zu beschaffen. Von den Bedürfnissen und Leiden anderer wurden ihre Herzen nicht berührt. Sie lebten nur für sich selbst. DM.479.1 Teilen

Durch Wort und Tat bekundete Christus eine göttliche Macht, die übernatürliche Ergebnisse hervorbrachte. Er zeugte von einem künftigen Leben, das über das gegenwärtige hinausgeht, sowie von Gott, dem Vater aller Menschenkinder, der stets über deren wahre Interessen wacht. Er offenbarte, wie die göttliche Kraft durch Güte und Mitgefühl wirkt, und rügte dadurch das selbstsüchtige Elitebewusstsein der Sadduzäer. Er lehrte, dass Gott durch den Heiligen Geist auf die Menschenherzen zu deren zeitlichem und ewigem Wohl einwirke, und Er zeigte auch auf, wie falsch es sei, auf menschliche Kraft zu vertrauen, wenn es gilt, den Charakter umzugestalten. Dies aber könne nur durch Gottes Geist geschehen. DM.479.2 Teilen

Die Sadduzäer waren entschlossen, diese Lehre in Verruf zu bringen. Wenn sie auch nicht Jesu Verurteilung herbeiführen konnten, so waren sie doch davon überzeugt, dass sie Ihm durch bewussten Streit Schande bringen könnten. Ausgerechnet die Frage der Auferstehung suchten sie sich dafür aus. Stimmte Er ihnen zu, dann würde Er die Pharisäer dadurch umso mehr kränken. Wäre Er dagegen anderer Meinung als sie, dann wollten sie Seine Lehre lächerlich machen. Die Sadduzäer meinten, dass der Leib, falls er im unsterblichen wie im sterblichen Zustand aus den gleichen Stoffteilen bestehe, nach der Auferstehung wieder Fleisch und Blut haben müsse und in der Ewigkeit das auf Erden unterbrochene Leben sich fortsetzen werde. In diesem Fall müssten die irdischen Beziehungen weiterbestehen, so folgerten sie; Mann und Frau kämen wieder zusammen, Heiraten würden vollzogen werden, und alles ginge so weiter wie vor dem Tod. Die Fehler und Leidenschaften dieses irdischen Lebens würden demnach im künftigen Leben verewigt werden. Mit Seiner Antwort auf ihre Frage hob Jesus den Schleier vom künftigen Leben. Er sagte: „In der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel.“ Matthäus 22,30. Dadurch zeigte Er auf, dass der Glaube der Sadduzäer falsch war. Ihre Voraussetzungen waren falsch. „Ihr irrt“, erklärte Er, „weil ihr weder die Schrift kennt noch die Kraft Gottes.“ Matthäus 22,29. Er beschuldigte sie nicht wie die Pharisäer der Heuchelei, sondern des fehlerhaften Glaubens. DM.479.3 Teilen

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Die Sadduzäer bildeten sich ein, dass sie sich strengstens an die heiligen Schriften hielten. Jesus aber wies ihnen nach, dass sie deren wahre Bedeutung nicht erfasst hatten. Erst durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes gelangt das Herz zu wahrer Erkenntnis. Ihre mangelnde Schriftkenntnis und ihre Unwissenheit hinsichtlich der Kraft Gottes bezeichnete Er als die Ursache ihrer Glaubensverwirrung und ihrer geistigen Dunkelheit. Sie versuchten, die Geheimnisse Gottes in den Rahmen ihres begrenzten Verstandes zu pressen. Christus rief sie dazu auf, sich den heiligen Wahrheiten zu öffnen, die ihr Verständnis erweitern und stärken würden. Tausende beharren im Unglauben, weil ihr begrenzter Verstand die Geheimnisse Gottes nicht begreifen kann. Sie können die wunderbare Entfaltung göttlicher Macht in Seinen Fügungen nicht erklären. Deshalb lehnen sie die Beweise für diese Macht ab und schreiben sie natürlichen Quellen zu, die sie noch weniger verstehen. Der einzige Schlüssel zu den Geheimnissen, die uns umgeben, besteht darin, in ihnen die Gegenwart und Kraft Gottes zu erkennen. Die Menschen müssen Gott als den Schöpfer des Alls erkennen, der alles anordnet und ausführt. Sie benötigen eine umfassendere Kenntnis seines Wesens und des Geheimnisses seines Wirkens. DM.480.1 Teilen

Christus erklärte Seinen Zuhörern, dass die Heilige Schrift, an die sie behaupteten zu glauben, für sie sinnlos wäre, wenn es keine Auferstehung der Toten gäbe. Er sagte: „Habt ihr denn nicht gelesen von der Auferstehung der Toten, was euch gesagt ist von Gott, der da spricht: ‚Ich in der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs‘? Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“ Matthäus 22,31.32. Gott rechnet mit Dingen, die noch gar nicht vorhanden sind. Er sieht am Anfang schon das Ende und kennt das Ergebnis Seines Handelns, als ob es bereits getan wäre. Die seligen Toten von Adam bis zum letzten Heiligen, der einmal sterben wird, werden die Stimme des Sohnes Gottes hören und aus ihren Gräbern zu unsterblichem Leben hervorkommen. Gott wird ihr Gott sein und sie werden Sein Volk sein. Zwischen den auferstandenen Heiligen und Gott werden enge, innige Bande bestehen. Diesen Zustand, den Er in Seinem Ausblick vorhersagt, sieht Er vor sich, als wäre Er bereits Wirklichkeit. Für Gott sind die Toten lebendig. Durch Christi Worte wurde den Sadduzäern der Mund gestopft. Sie konnten Ihm nicht antworten. Er hatte nichts gesagt, was auch nur im Geringsten zu Seiner Verurteilung beitragen konnte. Seine Gegner hatten außer der Verachtung des Volkes nichts gewonnen. DM.480.2 Teilen

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Die Pharisäer jedoch meinten noch immer, Ihn zu einem Ausspruch verleiten zu können, der sich gegen Ihn verwenden ließe. Sie veranlassten einen gelehrten Schriftkundigen, Jesus zu fragen, welches von den zehn Geboten des Gesetzes die größte Bedeutung habe. DM.481.1 Teilen

Die Pharisäer hatten die ersten vier Gebote, die auf die Pflichten des Menschen gegenüber seinem Schöpfer hinweisen, als weit bedeutsamer hingestellt als die anderen sechs, die das Verhalten des Menschen zu seinem Mitmenschen regeln. Dadurch fehlte es ihnen an praktischer Frömmigkeit. Jesus hatte dem Volk gezeigt, woran es ihm so sehr mangelte. Dabei hatte Er auf die Notwendigkeit der guten Werke hingewiesen und erklärt, dass man den Baum an seiner Frucht erkenne. Aus diesem Grund war Er angeklagt worden, die letzten sechs Gebote über die ersten vier zu stellen. DM.481.2 Teilen

Der Rechtsgelehrte näherte sich Jesus mit einer direkten Frage: „Meister, welches ist das höchste Gebot im Gesetz?“ Matthäus 22,36. Christi Antwort kam prompt und überzeugend: „Das höchste Gebot ist das: ‚Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften.‘“ Markus 12,29.30. „Das zweite ist dem ersten gleich, sagte Christus; denn es ergibt sich daraus: ‚Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst‘. Es ist kein anderes Gebot größer als diese.“ Markus 12,31. „In diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ Matthäus 22,40. DM.481.3 Teilen

Die ersten vier der Zehn Gebote werden in der einen großen Verordnung zusammengefasst: „Du sollt den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen.“ 5.Mose 6,5. Die letzten sechs sind in der anderen Verordnung enthalten: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ 3.Mose 19,18. Diese beiden Gebote sind ein Ausdruck der Liebe als Prinzip. Weder kann das erste gehalten und das zweite gebrochen, noch das zweite beachtet und das erste übertreten werden. Räumen wir Gott den Ihm zustehenden Platz in unserem Herzen ein, dann erhält auch unser Mitmensch den Platz, der ihm zukommt — wir werden ihn so lieben, wie wir uns selbst lieben. Nur wenn wir Gott über alles lieben, vermögen wir auch unseren Nächsten rückhaltlos zu lieben. DM.481.4 Teilen

Weil alle Gebote in der Liebe zu Gott und zum Nächsten zusammengefasst sind, folgt daraus, dass nicht ein Gebot übertreten werden kann, ohne diesen Grundsatz zu verletzten. So lehrte Jesus Seine Zuhörer, dass das Gesetz Gottes nicht aus vielen Einzelvorschriften besteht, von denen einige wichtiger seien als die anderen, die man daher ungestraft übertreten könne. Unser Herr stellt die ersten vier und die letzten sechs Gebote als ein göttliches Ganzes dar und lehrt, dass sich die Liebe zu Gott nur durch den Gehorsam gegenüber allen Seinen Geboten zeigt. Der Schriftgelehrte, der Jesus gefragt hatte, kannte sich im Gesetz gut aus und war daher über Jesu Worte verwundert. Er hatte bei Jesus keine so tiefe und gründliche Schriftkenntnis erwartet. Nun aber hatte er ein besseres Verständnis der Prinzipien gewonnen, die den heiligen Geboten zugrunde liegen. Vor den anwesenden Priestern und Obersten erkannte er ehrlich an, dass Christus die richtige Auslegung des Gesetzes gegeben hatte, und sagte: „Meister, du hast wahrlich recht geredet. Er ist nur einer und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und von allen Kräften, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.“ Markus 12,32.33. DM.481.5 Teilen

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Die Weisheit der Antwort Jesu hatte den Schriftgelehrten überzeugt. Er wusste, dass die Religion der Juden mehr aus äußerlichen Zeremonien als aus innerlicher Frömmigkeit bestand. Er hatte begriffen, dass rein zeremonielle Opfer wertlos seien und dass es nutzlos sei, ungläubigen Herzens Blut zur Tilgung der Sünden zu vergießen. Liebe zu Gott und Gehorsam Ihm gegenüber sowie selbstlose Hinwendung zum Mitmenschen hielt er für wertvoller als alle rituellen Handlungen. Die Bereitschaft dieses Mannes, anzuerkennen, dass Christus richtig dachte, wie auch seine entschiedene und prompte Antwort vor allem Volk bewiesen eine Gesinnung, die sich von der der Priester und Obersten deutlich abhob. Jesu Herz erschloss sich voller Mitgefühl diesem ehrlichen Schriftgelehrten, der es gewagt hatte, die finsteren Blicke der Priester und die Drohungen der Obersten zu missachten und seine Herzensüberzeugung zu äußern. „Als Jesus aber sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Markus 12,34. DM.482.1 Teilen

Der Schriftgelehrte war dem Reich Gottes nahe, weil er erkannt hatte, dass Taten der Gerechtigkeit Gott angenehmer sind als Brandopfer und Schlachtopfer. Aber noch vermochte er nicht die Göttlichkeit Christi zu erfassen und durch den Glauben an Ihn die Kraft zu erhalten, die Werke der Gerechtigkeit auch zu vollbringen. Die rituellen Handlungen blieben wertlos, solange sie nicht durch den lebendigen Glauben mit Christus verbunden waren. Selbst das Sittengesetz verfehlt seinen Zweck, wenn es nicht in seiner Beziehung zum Heiland verstanden wird. Christus hatte mehrmals darauf hingewiesen, dass das Gesetz Seines Vaters einen tieferen Gehalt habe als bloßes Erteilen gebietender Befehle. Im Gesetz ist das gleiche Prinzip verkörpert wie im Evangelium. DM.482.2 Teilen

Das Gesetz weist den Menschen auf seine Pflichten hin und zeigt ihm seine Schuld. Dann muss er auf Christus schauen, wenn er Vergebung erlangen und Kraft erhalten will, das zu tun, was das Gesetz gebietet. Die Pharisäer hatten sich ganz dicht um Jesus geschart, als Er die Frage des Schriftgelehrten beantwortete. Jetzt wandte er sich ihnen zu und fragte sie: „Was denkt ihr von dem Christus? Wessen Sohn ist er?“ Matthäus 22,42. Diese Frage sollte ihren Glauben an den Messias prüfen und zeigen, ob sie Ihn nur für einen Menschen oder für den Sohn Gottes hielten. Ein ganzer Chor antwortete darauf: „Davids!“ Matthäus 22,42. Das war der Titel, den die Propheten dem Messias verliehen hatten. Als Jesus durch Seine machtvollen Wunder Seine Göttlichkeit offenbarte, als Er Kranke heilte und Tote auferweckte, hatte sich das Volk gefragt: „Ist das nicht Davids Sohn?“ Die kanaanäische Frau, der blinde Bartimäus und viele andere hatten ihn um Hilfe angefleht: „Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Matthäus 15,22. Bei Seinem Einzug in Jerusalem wurde Er mit den Freudenrufen begrüßt: „Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!“ Matthäus 21,9. DM.482.3 Teilen

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Die kleinen Kinder im Tempel ließen an jenem Tage diese frohen Rufe noch einmal widerhallen. Viele aber, die Jesus als Sohn Davids bezeichneten, erkannten Seine Göttlichkeit nicht. Sie begriffen nicht, dass Davids Sohn zugleich der Sohn Gottes war. Als Antwort auf die Aussage der Pharisäer, dass Christus der Sohn Davids sei, fragte Jesus: „Wie kann ihn dann David durch den Geist Herr nennen, wenn er sagt: ‚Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege‘? Wenn nun David ihn Herr nennt, wie ist er dann sein Sohn? Und niemand konnte ihm ein Wort antworten, auch wagte niemand von dem Tage an, ihn hinfort zu fragen.“ Matthäus 22,43-46; Psalm 110,1. DM.483.1 Teilen

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