Portrait von Ellen White
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Kapitel 71: Ein Diener aller Diener
Kapitel 71: Ein Diener aller Diener
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Auf der Grundlage von Lukas 22,7-18; Johannes 13,1-17. DM.516 Teilen

Im oberen Raum eines Hauses in Jerusalem saß Christus mit Seinen Jüngern .zu Tisch. Sie hatten sich hier versammelt, um das Passah zu feiern, und der Heiland wollte dieses Fest mit Seinen Jüngern allein feiern. Er wusste, dass Seine Zeit gekommen war. Er selbst war das wahre Passahlamm. An dem Tag, an dem das Passah gegessen wurde, würde Er geopfert werden. Er stand im Begriff, den Kelch des Zorns zu trinken und würde bald die Leidenstaufe empfangen müssen. Nur wenige Stunden blieben Ihm noch, und die wollte Er zum Wohl seiner geliebten Jünger verbringen. DM.516.1 Teilen

Das Leben Jesu auf Erden war ein Leben selbstlosen Dienens gewesen. Alle Seine Taten hatten gezeigt, dass Er nicht gekommen war, „dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene“. Matthäus 20,28. Seine Jünger hatten dies noch nicht begriffen, darum wiederholte Jesus bei diesem letzten Passahmahl Seine Lehre mit Hilfe einer Veranschaulichung, damit sie ihren Herzen und dem Verstand unauslöschlich eingeprägt werde. Die Stunden des Alleinseins mit ihrem Meister — von ihnen allen sehr geschätzt — waren den Jüngern immer ein Quelle reicher Freude. Das Passahmahl war stets ein Ereignis von besonderem Reiz gewesen, doch an diesem Passahfest zeigte sich der Herr betrübt. Sein Herz war bedrückt, und ein Schatten lag auf Seinem Angesicht. Als Er mit den Jüngern in dem oberen Saal zusammentraf, erkannten sie gleich, dass irgendetwas Sein Gemüt beschwerte. Obwohl sie die Ursache nicht wussten, nahmen sie doch innig Anteil an Seinem Kummer. Als sie um den Tisch versammelt waren, sagte Jesus mit bewegter Stimme: „Mich hat herzlich verlangt, dies Passahlamm mit euch zu essen, ehe ich leide. Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werde, bis es erfüllt wird im Reich Gottes. DM.516.2 Teilen

Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmt ihn und teilt ihn unter euch; denn ich sage euch: Ich werde von nun an nicht trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt.“ Lukas 22,15-18. Christus wusste, dass die Zeit für Ihn gekommen war, diese Welt zu verlassen und zu Seinem Vater zu gehen. Er hat die Seinen in dieser Welt geliebt, und Er liebte sie bis ans Ende. Nun befand Er sich im Schatten des Kreuzes, und Schmerz peinigte Sein Herz. Er wusste, dass Er in der Stunde des Verrats allein stehen würde. Er wusste auch, dass Er durch den demütigendsten Prozess, dem Verbrecher je unterworfen wurden, zum Tod verurteilt werden würde. DM.516.3 Teilen

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Er kannte die Undankbarkeit und Grausamkeit derer, die zu retten Er gekommen war. Ihm war die Größe Seines Opfers bewusst, und Ihm war auch klar, für wie viele Menschen es vergebens sein werde. Da Er wusste, was Ihm bevorstand, vermochten die Gedanken an Seine Erniedrigung und Sein Leiden Ihn naturgemäß zu überwältigen. Er blickte aber auf die Zwölf, die sich Ihm mit ganzem Herzen angeschlossen hatten und die, wenn die Zeit Seiner Leiden vorüber wäre, dann allein sein würden in dem Ringen, in dieser Welt zu bestehen. Die Gedanken an Sein Opfer verbanden sich stets mit Seinen Jüngern. Er dachte nicht an sich selbst, vielmehr beherrschte Ihn auch jetzt die Sorge um sie. DM.517.1 Teilen

An diesem letzten Abend hatte Jesus Seinen Jüngern viel zu sagen. Wären sie bereit gewesen, das aufzunehmen, was Er ihnen mitteilen wollte, dann wären sie vor herzzerreißender Pein, vor Enttäuschung und Unglauben bewahrt geblieben. Doch Jesus sah, dass sie nicht tragen konnten, was Er ihnen zu sagen hatte. Er blickte sie traurig an, und die mahnenden und tröstenden Worte erstarben auf Seinen Lippen. Tiefes Schweigen erfüllte den Raum. Der Heiland schien auf etwas zu warten. Den Jüngern wurde es unbehaglich. Das durch den Kummer ihres Meisters hervorgerufene Mitgefühl und die Anteilnahme an Seinem Schicksal schienen verschwunden zu sein. Seine bekümmerten Worte, die auf Seinen Leidensweg hinwiesen, hatten nur wenig Eindruck auf sie gemacht. Die Blicke, die sie einander zuwarfen, waren vielmehr von Eifersucht und Streit geprägt. DM.517.2 Teilen

Es war „ein Streit unter ihnen, wer von ihnen als der Größte gelten solle“. Lukas 22,24. Dieser Streit, den sie auch in Jesu Gegenwart noch fortsetzten, betrübte und verletzte den Heiland. Die Zwölf klammerten sich an ihre Lieblingsidee, dass ihr Meister Seine Macht durchsetzen und den Thron Davids einnehmen möchte und im Herzen sehnte sich jeder danach, in diesem Reich der Größte zu sein. Sie hatten sich untereinander abschätzend betrachtet, statt aber ihren Bruder für würdiger zu achten, hatten sie sich selbst auf den ersten Platz gesetzt. Die Bitte der Brüder Jakobus und Johannes an Jesus, zur Rechten und Linken Seines Thrones sitzen zu dürfen, hatte den Unwillen der anderen hervorgerufen. Dass die beiden es gewagt hatten, nach dem höchsten Platz an der Seite Jesu zu fragen, erregte die Zehn so sehr, dass sie sich einander zu entfremden drohten. Sie fühlten sich falsch beurteilt, sie meinten, ihre Treue und ihre Begabung sei nicht richtig gewürdigt; besonders Judas stritt sehr heftig gegen Jakobus und Johannes. Als die Jünger den Saal betraten, waren ihre Herzen mit Groll erfüllt. Judas drängte sich an Jesu linke Seite, Johannes setzte sich rechts von Ihm. Wenn es einen höchsten Platz gab, dann war Judas stets bestrebt, ihn einzunehmen, und als solcher galt ein Platz, der sich in nächster Nähe des Herrn befand; dabei war Judas ein Verräter. DM.517.3 Teilen

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Eine weitere Ursache der Uneinigkeit kam auf. Zu dem Fest war es üblich, dass ein Diener den Gästen die Füße wusch, und dafür waren die entsprechenden Vorbereitungen getroffen worden. Der Krug, die Schüssel und das Handtuch waren bereit. Die Fußwaschung konnte beginnen. Da aber kein Diener anwesend war, gehörte es zur Aufgabe der Jünger, diesen Dienst zu erfüllen. Doch keiner der Jünger konnte sich entschließen, seinen verwundeten Stolz aufzugeben und sich als Diener zu betätigen. Alle zeigten eine sture Gleichgültigkeit, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass hier etwas für sie zu tun war. Durch ihr Stillschweigen lehnten sie es ab, sich zu demütigen. Was musste der Herr für diese armen Seelen tun, damit Satan keinen größeren Einfluss auf sie gewann? Wie konnte Er ihnen klar machen, dass nicht allein das Bekenntnis der Jüngerschaft sie zu Seinen Nachfolgern machte oder ihnen einen Platz in Seinem Reich sicherte? Wie konnte Er ihnen zeigen, dass wahre Größe in echter Demut und im Dienst für andere besteht? Wie konnte Er Liebe in ihren Herzen entzünden und sie befähigen, das zu verstehen, was Er ihnen sagen wollte? DM.518.1 Teilen

Die Jünger aber machten keinerlei Anstalten, einander zu dienen. Jesus wartete eine Weile, um zu sehen, was sie tun würden, dann erhob Er sich von der Tafel, legte das störende Oberkleid ab, „nahm einen Schurz und umgürtete sich“. Erstaunt sahen die Jünger zu; schweigend warteten sie, was nun folgen würde. „Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.“ Johannes 13,4.5. Diese Handlung Jesu öffnete den Jüngern die Augen, und bittere Scham erfüllte ihre Herzen, sie fühlten sich gedemütigt. Sie verstanden den unausgesprochenen Tadel und sahen sich selbst in einem ganz neuen Licht. DM.518.2 Teilen

So drückte Jesus Seine Liebe zu Seinen Jüngern aus. Ihr selbstsüchtiger Geist machte Ihn traurig, aber Er ließ sich in dieser Angelegenheit in keinerlei Auseinandersetzung mit ihnen ein, sondern gab ihnen ein Beispiel, das sie nie vergessen würden. Seine Liebe zu ihnen konnte nicht so leicht gestört oder erstickt werden. Er „wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging.“ Johannes 13,3. DM.518.3 Teilen

Der Heiland war sich Seiner Göttlichkeit völlig bewusst, hatte aber Seine Königskrone und Seine königlichen Gewänder abgelegt und die Gestalt eines Knechtes angenommen. Eine der letzten Handlungen auf Erden war, sich wie ein Diener zu gürten und die Aufgabe eines Dieners zu erfüllen. Vor dem Passahfest hatte sich Judas ein zweites Mal mit den Pharisäern und Schriftgelehrten getroffen und mit ihnen vereinbart, Jesus in ihre Hände zu liefern. Trotzdem mischte er sich danach unter die Jünger, als ob er nie etwas Unrechtes getan hätte, ja, er nahm sogar an den Festvorbereitungen regen Anteil. Die Jünger wussten nichts von seiner Absicht, nur Jesus kannte sein Geheimnis. Dennoch stellte Er ihn nicht bloß, denn Er sorgte sich um dessen Seele, für die Er die gleiche Bürde auf sich lasten fühlte wie für Jerusalem, als Er über die zum Untergang verurteilte Stadt weinte. Sein Herz rief: „Wie könnte ich dich aufgeben!“ Judas spürte die bezwingende Macht dieser Liebe, und als Jesu Hände seine beschmutzten Füße wuschen und mit dem Schurz abtrockneten, wurde sein Herz mächtig bewegt von dem Gedanken, seine Sünde sofort zu bekennen. Er schreckte aber vor der Demütigung zurück und verhärtete sein Herz gegen die in ihm aufbrechende Reue. Die alten Regungen, für einen Augenblick zurückgedrängt, beherrschten ihn wieder. Er war sogar darüber aufgebracht, dass Jesus seinen Jüngern die Füße wusch. Wer sich so weit erniedrigte, dachte er, konnte nicht Israels König sein! Alle Hoffnungen auf weltliche Ehre in einem irdischen Königreich waren zunichte gemacht. Judas war überzeugt, dass es in der Nachfolge Christi nichts zu gewinnen gab. Nachdem Jesus sich offenbar erniedrigt hatte, fühlte sich Judas in seiner Absicht bestärkt, Ihn nicht mehr als Herrn und Meister anzuerkennen, ja, er hielt sich sogar für den Betrogenen. Er war von einem bösen Geist besessen und beschloss, das Werk zu vollenden, das er begonnen hatte, nämlich seinen Herrn zu verraten. Bei der Platzwahl am Tisch des Herrn hatte Judas mit Erfolg versucht, den ersten Platz zu erlangen, und so diente ihm Jesus auch zuerst. Johannes, gegen den Judas so sehr verbittert war, musste bis zuletzt warten. Er wertete das jedoch nicht als Tadel oder als einen Ausdruck der Geringschätzung. DM.518.4 Teilen

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Die Jünger waren tief bewegt, als sie Jesu Handlungsweise sahen. Als Petrus an die Reihe kam, rief dieser bestürzt aus: „Herr, solltest du mir die Füße waschen?“ Jesu Herablassung bedrückte ihn. Er schämte sich bei dem Gedanken, dass nicht einer der Jünger zu diesem Dienst bereit gewesen war. Doch „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren“. Johannes 13,6.7. DM.519.1 Teilen

Petrus konnte es nicht ertragen, Seinen Herrn, von dem er glaubte, dass er Gottes Sohn sei, als Diener vor sich zu sehen. Sein ganzes Empfinden lehnte sich gegen diese Demütigung auf. Er erkannte nicht, dass Christus allein aus diesem Grund in die Welt gekommen war. Mit aller Entschiedenheit sprach er: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!“ Feierlich erwiderte ihm Jesus: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.“ Johannes 13,8. Der Dienst, den Petrus verweigerte, war das Sinnbild einer höheren Reinigung. Christus war gekommen, das Herz vom Makel der Sünde zu reinigen. Indem Petrus dem Herrn nicht erlauben wollte, ihm die Füße zu waschen, wehrte er sich gleichzeitig gegen die Reinigung seines Herzens und verwarf dadurch eigentlich Seinen Herrn. Es ist nicht demütigend für den Herrn, wenn wir Ihm erlauben, uns zu reinigen. Wahre Demut ist, mit dankbarem Herzen jede für uns getroffene Fürsorge anzunehmen und ernsthaft für Ihn zu wirken. DM.519.2 Teilen

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Bei den Worten: „Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir“ gab Petrus seinen Stolz und Eigensinn auf. Er konnte den Gedanken der Trennung von Christus nicht ertragen, das hätte für ihn den Tod bedeutet. „Herr, nicht die Füße allein“, rief er aus, „sondern auch die Hände und das Haupt! Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, der bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein.“ Johannes 13,9.10. DM.520.1 Teilen

Das meint mehr als nur die körperliche Reinheit. Christus spricht hier von einer höheren Reinigung, dargestellt durch die niedrigere. Wer aus dem Bad kam, war rein. Nur die mit Sandalen bekleideten Füße wurden bald wieder staubig und mussten erneut gereinigt werden. So waren Petrus und seine Mitjünger in der großen Quelle gereinigt worden, die für alle Sünde und Unreinheit zugänglich ist. Der Herr anerkannte sie als die Seinen, aber die Versuchung hatte sie zur Sünde verführt, und sie brauchten noch Seine reinigende Gnade. Als sich der Heiland mit dem Schurz umgürtete, um den Staub von ihren Füßen zu waschen, wollte Er gerade durch diese Handlung ihr Herz von Eifersucht, Zwietracht und Stolz befreien. Dies war die wirkliche Bedeutung der Fußwaschung. DM.520.2 Teilen

Mit dem Geist, der sie damals beherrschte, war nicht einer von ihnen zur Gemeinschaft mit Jesus fähig. Solange sie den Geist der Demut und Liebe nicht besaßen, waren sie nicht vorbereitet, das Passahmahl zu genießen oder an der Gedächtnisfeier teilzunehmen, die der Heiland gerade einsetzen wollte. Ihre Herzen mussten gereinigt werden. Stolz und Selbstsucht erzeugen Zwietracht und Hass. Dies alles tilgte Jesus, indem Er ihnen die Füße wusch. Ihr Herz änderte sich, und als Jesus auf sie blickte, konnte Er sagen: „Ihr seid rein.“ Johannes 13,9.10. Jetzt herrschte Gemeinschaft der Herzen, und sie liebten einander. Sie waren bescheiden und lernbegierig geworden. Außer Judas waren sie alle bereit, einer dem andern den höchsten Platz einzuräumen. Sie konnten nun mit ergebenem, dankbarem Herzen die Worte Ihres Meisters aufnehmen. DM.520.3 Teilen

Wie Petrus und die anderen Jünger, so sind auch wir in dem Blut Christi gewaschen worden, doch wird oft des Herzens Reinheit durch die Berührung mit dem Bösen beschmutzt, und wir müssen zu Christus kommen, um Seine reinigende Gnade zu empfangen. Petrus lehnte es entsetzt ab, seine staubigen Füße von den Händen seines Herrn und Meisters berühren zu lassen. Wie oft kommen doch unsere sündigen, unreinen Herzen mit der Heiligkeit Jesu in Berührung! Wie schmerzlich treffen Ihn unsere Launen, unsere Eitelkeit und unser Stolz! Und doch müssen wir alle Mängel und Gebrechen zu Ihm bringen. Er allein kann uns davon rein waschen. Wir sind nicht auf die Gemeinschaft mit Ihm vorbereitet, wenn wir nicht durch Seine Kraft gereinigt sind. DM.520.4 Teilen

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Jesus sagte den Jüngern: „Ihr seid rein, aber nicht alle.“ Johannes 13,10. Auch Judas waren die Füße gewaschen worden, aber sein Herz hatte sich Jesus nicht geöffnet — es war nicht gereinigt. Judas hatte sich Christus nicht ausgeliefert. DM.521.1 Teilen

Nachdem Christus den Jüngern die Füße gewaschen, Seine Kleider genommen und sich wieder niedergelassen hatte, sprach Er: „Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin‘s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr und der Apostel größer als der, der ihn gesandt hat.“ Johannes 13,12-16. Obwohl Christus Seinen Jüngern die Füße gewaschen hatte, tat dies Seiner Würde keinen Abbruch, dies wollte Er den Jüngern durch Sein Beispiel klarmachen. „Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin‘s auch.“ Johannes 13,13. Gerade weil Er so unendlich erhaben war, verlieh Er dem Dienen Würde und Bedeutung. Niemand war so überaus groß wie Christus, und doch beugte Er sich zum demütigendsten Dienst. Damit Sein Volk nicht durch die Selbstsucht verführt würde, die im unbekehrten menschlichen Herzen wohnt und durch Eigennutz noch gestärkt wird, gab Christus selbst ein Beispiel der Demut. Er wollte diese wichtige Angelegenheit nicht der menschlichen Verantwortung überlassen. Für Ihn war dies von so großer Tragweite, dass Er, der allein mit Gott eins ist, selbst als Diener an Seinen Jüngern handelte. Während sie, die Ihn ihren Herrn nannten, sich um den höchsten Rang stritten, bückte Er sich vor ihnen nieder, — Er, vor dem sich alle Knie beugen sollen und dem zu dienen die heiligen Engel sich zur Ehre anrechnen — und wusch ihnen die Füße. Ja, Er wusch sogar die Füße Seines Verräters. DM.521.2 Teilen

Christus gab in Seinem Leben ein vollkommenes Beispiel selbstlosen Dienens, das seinen Ursprung in Gott hat. Gott lebt nicht für sich selbst. In der Erschaffung der Welt und in der Erhaltung aller Dinge kümmert Er sich ständig um den Menschen. „Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und über Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.“ Matthäus 5,45. Dieses Vorbild des Dienens übertrug der Vater auf den Sohn. Jesus stand an der Spitze der Menschheit, die Er durch Sein Beispiel lehren sollte, was es heißt, zu dienen. Sein ganzes Leben stand unter dem Gesetz des Dienstes. Er diente allen, und Er half allen. So lebte Er in vollkommener Übereinstimmung mit dem Willen Gottes und zeigte durch Sein Beispiel, wie wir das Gesetz Gottes erfüllen können. Der Heiland hatte immer wieder versucht, Seinen Jüngern dieses Prinzip einzuprägen. Als Jakobus und Johannes um einen Vorrang baten, hatte Er gesagt: „Wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener.“ Matthäus 20,26. In meinem Reich ist kein Raum für irgendeine Bevorzugung und Vorherrschaft. Die einzige Größe ist die der Demut, und die einzige Auszeichnung besteht in der Hingabe an den Dienst für andere. Jesus sagte, nachdem Er den Jüngern die Füße gewaschen hatte: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ Johannes 13,15. Mit diesen Worten hatte Jesus nicht nur das Üben von Gastfreundschaft zur Pflicht gemacht. Es war mehr damit gemeint als nur die Füße zu waschen, um sie vom Reisestaub zu säubern. Christus setzte hiermit eine religiöse Ordnung ein. Durch die Tat unseres Herrn wurde diese demütigende Zeremonie zu einem geheiligten Dienst erhoben. Den sollten die Jünger weiterführen, damit sie Jesu Lehren der Demut und der Hingabe nicht vergäßen, sondern stets im Gedächtnis behielten. Diese Fußwaschung ist die von Christus bestimmte Vorbereitung zum heiligen Abendmahl. Solange Stolz, Uneinigkeit und Machtstreben vorherrschen, kann das Herz nicht zur Einmütigkeit mit Christus finden. Wir sind dann nicht bereit, die Gemeinschaft Seines Leibes und Seines Blutes zu empfangen. Deshalb bestimmte Jesus, zuerst das Gedächtniszeichen Seiner Demütigung zu beachten. DM.521.3 Teilen

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Wenn Gottes Kinder zu dieser Feier zusammenkommen, sollten sie sich der Worte Jesu bewusst sein: „Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin‘s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr und der Apostel größer als der, der ihn gesandt hat. Wenn ihr dies wisst, selig seid ihr, wenn ihr‘s tut.“ Johannes 13,12-17. Der Mensch neigt von Natur aus dazu, sich selbst höher zu achten als seinen Bruder. Er strebt nach seinem Vorteil und versucht, den besten Platz zu erringen. Dadurch entstehen übler Argwohn und Bitterkeit. Die dem Abendmahl vorausgehende Handlung soll diese Missverständnisse aus dem Weg räumen. Sie soll die Seele von der Selbstsucht befreien und sie von den Stelzen der Selbstüberhebung herunterholen zu herzlicher Demut, die sie dahin bringen wird, ihrem Bruder zu dienen. DM.522.1 Teilen

Der heilige Wächter im Himmel ist bei dieser Handlung anwesend, um sie zu einer Zeit der Selbstprüfung, der Sündenerkenntnis und der Gewissheit der Sündenvergebung zu machen. Christus in der Fülle Seiner Gnade ist da, um den Lauf der Gedanken zu ändern, die in selbstsüchtigen Bahnen fließen. Der Heilige Geist belebt das Empfindungsvermögen jener, die dem Beispiel ihres Heilandes folgen. Wenn wir über die Demütigung des Heilandes nachdenken, die Er für uns auf sich nahm, dann reiht sich Gedanke an Gedanke. Eine Kette von Erinnerungen steht vor Augen, Erinnerungen an Gottes große Güte sowie an das Wohlwollen und die Freundlichkeit irdischer Freunde. An vergessene Segnungen, missachtete Gnadenerweise, nicht geschätzte Gefälligkeiten erinnern wir uns. Wurzeln der Bitterkeit, die die kostbare Pflanze der Liebe verdrängt haben, werden sichtbar. Charakterfehler, Pflichtversäumnisse, Undankbarkeit gegen Gott, Gleichgültigkeit gegenüber unseren Brüdern, all das wird uns bewusst werden. Unsere Sündhaftigkeit werden wir in dem Licht sehen, in dem Gott sie sieht. Unsere Gedanken sind nicht Gedanken der Selbstgefälligkeit, sondern Gedanken strenger Selbstzucht und Demut. Unser Geist wird gestärkt, um jedes Hindernis zu beseitigen, das die Entfremdung verursacht hat. Böse Gedanken und Verleumdung werden ausgeschaltet, Sünden bekannt und vergeben. Die bezwingende Gnade Jesu wird in uns mächtig werden, und Seine Liebe wird die Herzen zu einer gesegneten Einmütigkeit verbinden. DM.522.2 Teilen

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Wenn man sich die Lehre der Fußwaschung so einprägt, dann entsteht das Verlangen nach einem höheren geistlichen Leben. Auf diesen Wunsch wird der göttliche Zeuge eingehen. Die Seele wird geadelt werden, und wir können in dem Bewusstsein, dass die Sünden vergeben sind, an dem heiligen Mahl teilnehmen. Die Sonne der Gerechtigkeit Christi wird Gemüt und Seele erfüllen, und wir erblicken „Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt“. Johannes 1,29. DM.523.1 Teilen

Wer so den Geist dieser Handlung empfängt, für den kann sie niemals eine reine Formsache werden, sondern ihre beständige Lehre wird sein: „Durch die Liebe diene einer dem andern.“ Galater 5,13. Durch die Fußwaschung bewies Jesus den Jüngern, dass Er ihnen jeden Dienst erweisen wollte, wie demütigend er auch sei, damit sie mit Ihm Erben des ewigen Reichtums himmlischer Schätze werden könnten. Seine Jünger verpflichten sich auch, ihren Brüdern ebenso zu dienen, wenn sie den gleichen Brauch ausführen. Jedes Mal, wenn diese Verordnung im rechten Geist durchgeführt wird, werden die Kinder Gottes in eine geheiligte Beziehung zueinander gebracht, um sich gegenseitig zu helfen und zu fördern. Sie versprechen, ihr Leben selbstlosem Dienst zu weihen, und das nicht nur füreinander. Ihr Arbeitsfeld ist umfassender, als das ihres Meisters war. Die Welt ist voll von Menschen, die unseren Dienst brauchen. Arme, Hilflose, Unwissende finden sich überall. Die das Abendmahl mit Christus im oberen Saal gehalten haben, werden hinausgehen, um zu dienen, wie Er gedient hat. Der Heiland kam, um aller Diener zu sein. Weil Er allen diente, werden auch Ihm alle dienen und Ihn ehren. Wer an Seinen göttlichen Eigenschaften und am Anblick der Freude der Erlösten teilhaben will, muss dem Beispiel Jesu folgen und selbstlos dienen. DM.523.2 Teilen

Dies alles bedeutet: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe.“ Das war der Zweck des von Gott eingesetzten Dienstes. „Wenn ihr dies wisst — selig seid ihr, wenn ihr‘s tut.“ Johannes 13,17. DM.523.3 Teilen

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