Portrait von Ellen White
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Kapitel 77: Bei Pilatus
Kapitel 77: Bei Pilatus
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Auf der Grundlage von Matthäus 27,2.11-31; Markus 15,1-20; Lukas 23,1-25; Johannes 18,28-40; Johannes 19,1-16. DM.580 Teilen

Im Gerichtsgebäude des römischen Landpflegers Pilatus stand Christus als Gefangener, um Ihn herum die Wächter. Das Gebäude füllte sich schnell mit Schaulustigen. Vor dem Eingang fanden sich die Richter des Hohen Rates, Priester, Oberste, Älteste und der Pöbel ein. Nach Jesu Verurteilung hatten sich die Mitglieder des Hohen Rates bei Pilatus eingefunden, damit der das Urteil bestätigte und es vollstrecken ließe. Die jüdischen Beamten wollten jedoch die römische Gerichtshalle nicht betreten, da sie nach ihrem Zeremonialgesetz dadurch verunreinigt würden und dann am Passahfest nicht teilnehmen könnten. In ihrer Verblendung erkannten sie nicht, dass mordsüchtiger Hass ihre Herzen schon verunreinigt hatte. Sie begriffen nicht, dass Jesus das wahre Passahlamm war und dass das große Fest, seit sie Ihn verworfen hatten, für sie längst seine Bedeutung verloren hatte. DM.580.1 Teilen

Als Jesus in das Gerichtsgebäude geführt wurde, blickte Ihn Pilatus unfreundlich an. Man hatte ihn in aller Eile aus seinem Schlafgemach gerufen, und er wollte sich nun dieses Falles so schnell wie möglich entledigen. Er war bereit, den Gefangenen mit gebieterischer Strenge zu behandeln. Er blickte ernst drein und wandte sich um, den Mann zu mustern, den er verhören sollte und um dessentwillen er zu so früher Morgenstunde aus dem Schlaf geholt worden war. Ihm war klar, dass es sich um jemand handeln musste, den die jüdischen Obersten unverzüglich verhört und bestraft sehen wollten. DM.580.2 Teilen

Pilatus schaute zu den Männern hin, die Jesus bewachten. Dann ruhte sein Blick forschend auf Jesus. Er hatte schon mit Verbrechern aller Art zu tun gehabt, aber noch nie war ein Mensch zu ihm gebracht worden, der so viel Güte und natürlichen Adel ausstrahlte. Kein Anzeichen einer Schuld, keinen Ausdruck von Furcht oder Dreistigkeit erkannte er auf dessen Antlitz. Er sah einen Mann von ruhiger Wesensart und Würde vor sich, dessen Gesichtszüge nicht die Kennzeichen eines Verbrechers trugen, sondern die eines mit dem Himmel verbundenen Menschen. Christi Erscheinung machte einen positiven Eindruck auf Pilatus, dessen bessere Natur war angesprochen. Er hatte von Jesus und Seinem Wirken gehört. Auch seine Frau hatte ihm manches über die wunderbaren Taten des galiläischen Propheten mitgeteilt, der die Kranken heilte und Tote auferweckte. Das alles kam ihm jetzt wieder zum Bewusstsein — wie ein vergessener Traum. Er erinnerte sich an bestimmte Gerüchte, die er von verschiedenen Seiten gehört hatte, und er beschloss, die Juden zu fragen, welche Anklage sie gegen diesen Mann vorzubringen hätten. „Wer ist dieser Mann, und weshalb habt ihr ihn hergebracht?“, fragte er sie. „Welche Anschuldigung bringt ihr gegen ihn vor?“ Die Juden wurden verwirrt. Da sie sehr wohl wussten, dass sie ihre gegen Jesus gerichteten Anklagen nicht beweisen konnten, wünschten sie keine öffentliche Untersuchung. Sie antworteten deshalb, Er sei ein Betrüger und werde Jesus von Nazareth genannt. DM.580.3 Teilen

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Pilatus fragte noch einmal: „Was für eine Klage bringt ihr gegen diesen Menschen vor?“ Die Priester beantworteten seine Frage nicht, aber mit dem, was sie sagten, verrieten sie ihre große Irritation: „Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten ihn dir nicht überantwortet.“ Johannes 18,29.30. DM.581.1 Teilen

Wenn die Mitglieder des Hohen Rates, die angesehensten Männer des Volkes, dir einen Mann bringen, den sie des Todes für würdig halten, ist es dann noch nötig, nach einer Anklage gegen Ihn zu fragen? Sie hofften damit, Pilatus von ihrer eigenen Wichtigkeit überzeugen zu können und Ihn dadurch zu veranlassen, ihre Bitte ohne weitere Förmlichkeit zu erfüllen. Sie erwarteten eine schnelle Bestätigung ihres Urteilsspruchs, denn sie wussten, dass das Volk, das Christi Wundertaten erlebt hatte, etwas erzählen konnte, das sich wesentlich von dem unterscheiden würde, was sie selbst jetzt vorbrachten. DM.581.2 Teilen

Die Priester meinten, bei dem schwachen, unschlüssigen Pilatus ihre Absichten ohne weiteres durchdrücken zu können. Hatte er doch bis dahin Todesurteile unbedenklich unterzeichnet und so Menschen dem Tod überantwortet, die, wie sie wussten, eine solche Strafe nicht verdient hatten. Das Leben eines Gefangenen zählte bei ihm nicht viel. Ob jemand schuldig oder unschuldig war, spielte keine besondere Rolle. So hofften sie, er werde auch jetzt das Todesurteil über Jesus verhängen, ohne Ihm noch Gehör zu schenken. Das erbaten sie sich als eine besondere Gunst anlässlich ihres großen nationalen Festes. DM.581.3 Teilen

Pilatus sah aber etwas in dem Gefangenen, das ihn von allzu schnellem Handeln zurückhielt. Er wagte nicht, Ihn zu verurteilen. Auch erkannte er die Absicht der Priester. Er erinnerte sich, dass dieser Jesus erst kürzlich einen Mann namens Lazarus, der schon vier Tage tot gewesen war, wieder auferweckt hatte. Darum beschloss er, erst in Erfahrung zu bringen, weshalb sie Ihn beschuldigten und ob das bewiesen werden könnte, ehe er das Urteil unterschriebe. Wenn euer Urteil berechtigt ist, sagte er, warum bringt ihr diesen Mann dann noch zu mir? „So nehmt ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetz.“ Johannes 18,31. So in die Enge getrieben, konnten die Priester nur antworten, dass sie Jesus bereits verurteilt hätten, dass der Spruch aber noch von ihm bestätigt werden müsste, damit er rechtskräftig würde. „Wie lautet euer Urteil?“, fragte Pilatus. „Wir haben ihn zum Tod verurteilt“, antworteten sie darauf, „doch es ist uns nach dem Gesetz nicht erlaubt, die Todesstrafe zu vollstrecken.“ Sie baten ihn, auf ihr Wort hin Christi Schuld anzuerkennen und ihr Urteil zu bestätigen. Sie würden die Verantwortung dafür auf sich nehmen. DM.581.4 Teilen

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Pilatus war weder ein gerechter noch ein gewissenhafter Richter. Obwohl in seiner inneren Haltung schwankend, weigerte er sich doch, diese Bitte zu gewähren. Er wollte Jesus nicht verurteilen, bis eine Anklage gegen Ihn erhoben worden wäre. Die Priester gerieten in große Verlegenheit. Sie mussten ihre Heuchelei unter einem undurchdringlichen Deckmantel verbergen und durften keinesfalls den Anschein erwecken, als sei Jesus aus religiösen Gründen festgenommen worden. Eine solche Beweisführung würde der Römer nicht anerkennen. Sie mussten vielmehr glaubhaft machen, dass sich Jesus gegen die Staatsgesetze vergangen habe, dann erst konnte Er als politischer Verbrecher bestraft werden. Aufruhr und Widerstand gegen die römische Staatsgewalt waren bei den Juden an der Tagesordnung. Die Römer griffen in solchen Fällen hart durch, und waren darauf bedacht, jeden Aufstand im Keim zu ersticken. Erst kurz zuvor hatten die Pharisäer versucht, Jesus eine Falle zu stellen, indem sie Ihn fragten: „Ist‘s recht, dass wir dem Kaiser Steuer zahlen, oder nicht?“ Lukas 20,22. Jesus aber hatte ihre Heuchelei durchschaut. Einigen Römern, die das mitbekamen, war das Scheitern der Bemühen der Verschwörer und deren Unbehagen bei Jesu Antwort nicht entgangen, denn Jesus hatte ihnen gesagt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Lukas 20,25. DM.582.1 Teilen

Jetzt wollten die Priester es so darstellen, als hätte Jesus bei dieser Gelegenheit das gelehrt, was sie zu hören gehofft hatten. In höchster Verlegenheit riefen sie falsche Zeugen zu Hilfe und „fingen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Wir haben gefunden, dass dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König“. Lukas 23,2. Das waren drei Anklagen ohne jede Grundlage. Die Priester waren sich dessen durchaus bewusst und zudem sogar bereit, einen Meineid zu leisten, wenn sie damit ihr Ziel erreichen konnten. DM.582.2 Teilen

Pilatus aber durchschaute ihre Absichten. Er glaubte nicht, dass der Gefangene sich gegen den Staat aufgelehnt hatte. Dessen ruhiges und bescheidenes Wesen stimmte ganz und gar nicht mit den Anklagepunkten überein. Pilatus war davon überzeugt, dass es sich hier um eine niederträchtige Verschwörung handelte, um einen unschuldigen Menschen zu vernichten, der den jüdischen Würdenträgern im Weg stand. Er wandte sich an Jesus und fragte: „Bist du der Juden König?“ Der Heiland aber antwortete: „Du sagst es.“ Matthäus 27,11. Bei diesen Worten leuchtete Sein Angesicht auf, als ob ein Sonnenstrahl darauf schiene. Als Kaiphas und seine Begleiter diese Antwort hörten, riefen sie Pilatus zum Zeugen dafür auf, dass Jesus das Verbrechen bekannt hätte, dessen er angeklagt wurde. Unter lärmenden Zurufen forderten Priester, Schriftgelehrte und Oberste das Todesurteil. DM.582.3 Teilen

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Diese Rufe wurden vom Pöbel aufgenommen, und es entstand ein ohrenbetäubendes Geschrei. Das alles verwirrte Pilatus. Als er sah, dass Jesus Seinen Anklägern nicht erwiderte, sagte er zu Ihm: „‚Antwortest du nichts? Siehe, wie hart sie dich verklagen!‘ Jesus aber antwortete nichts mehr.“ Markus 15,4.5. DM.583.1 Teilen

Christus, der hinter Pilatus stand und von allen im Gerichtsgebäude gesehen werden konnte, vernahm die Schmähungen, doch antwortete Er mit keinem Wort auf alle diese falschen Anschuldigungen. Seine ganze Haltung zeugte davon, dass Er Sich Seiner Schuldlosigkeit bewusst war. Er stand unbewegt angesichts der Wellen von Wut, die gegen Ihn schlugen. Es war, als wenn die Wogen des Zorns, immer höher und höher stiegen, den ungestümen Wellen des Ozeans gleich, und über Ihm zusammenbrächen, ohne Ihn überhaupt zu berühren. Jesus stand schweigend, aber Sein Schweigen war voller Beredsamkeit, als ob ein Licht von dem inneren auf den äußeren Menschen fiel. DM.583.2 Teilen

Pilatus staunte über das Verhalten Jesu. „Ignoriert dieser Mann die Vorgänge der Untersuchung, weil er sein Leben nicht retten will?“, fragte er sich. Er blickte Jesus an, der Spott und Misshandlungen ertrug, ohne sich dagegen aufzulehnen, und empfand, dass dieser Mann nicht so ungerecht und gottlos sein konnte wie jene lärmenden Priester. In der Hoffnung, von Ihm die Wahrheit zu erfahren und zugleich dem Aufruhr der Menge zu entgehen, nahm Pilatus den Herrn beiseite und fragte Ihn noch einmal: „Bist du der Juden König?“ DM.583.3 Teilen

Jesus beantwortete diese Frage nicht direkt. Er wusste, dass der Heilige Geist an Pilatus wirkte. Er gab ihm Gelegenheit, seiner Überzeugung auszudrücken. „Sagst du das von dir aus“, fragte Er ihn, „oder haben dir‘s andere über mich gesagt?“ Johannes 18,33.34. Anders gesagt: Waren es die Anschuldigungen der Priester oder das Verlangen, mehr Licht von Christus zu erhalten, die Pilatus diese Frage eingaben? Der römische Landpfleger verstand die Bedeutung der Frage des Herrn, aber Stolz erhob sich in seinem Herzen. Er wollte nicht seine innere Überzeugung offenbaren, die ihn veranlasst hatte, den Herrn zu fragen. So sagte er: „Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohepriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan?“ Johannes 18,35. DM.583.4 Teilen

Pilatus hat die gute Gelegenheit, die ihm Gott hiermit gab, ungenutzt verstreichen lassen. Dennoch erhellte ihm Jesus abermals sein Verständnis. Indem Er die direkte Beantwortung der Frage von Pilatus umging, erklärte Er Ihm deutlich Seine göttliche Sendung. So gab Er dem Römer zu verstehen, dass Er nicht nach irdischer Macht gestrebt hatte. Jesus sagte zu Pilatus: „‚Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt.‘ Da fragte Ihn Pilatus: ‚So bist du dennoch ein König?‘ Jesus antwortete: ‚Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.‘“ Johannes 18,36.37. DM.583.5 Teilen

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Christus bestätigte damit, dass Sein Wort ein Schlüssel ist, der allen, die bereit sind, es zu empfangen, das Geheimnis Gottes erschließt. Es entfaltet eine in ihm selbst liegende Kraft, und nur so ist es erklärbar, dass sich Jesu Reich der Wahrheit so weit auszudehnen vermochte. Jesus wollte Pilatus verständlich machen, dass sein verpfuschtes Leben nur erneuert werden könne, wenn er die göttliche Wahrheit annehmen und in ihr aufgehen würde. DM.584.1 Teilen

Pilatus hatte den Wunsch, die Wahrheit kennen zu lernen. Er war innerlich beunruhigt und klammerte sich an Jesu Worte. Sein Herz sehnte sich danach zu erfahren, was es mit der von Jesus verkündigten Wahrheit auf sich habe und wie er sie erlangen könne. „Was ist Wahrheit?“ (Johannes 18,38), fragte er den Herrn. Doch wartete er nicht auf eine Antwort. Der Lärm von draußen erinnerte ihn an die Bedeutung dieser Stunde, denn die Priester verlangten ungestüm eine sofortige Entscheidung. Er ging zu den Juden hinaus und erklärte ihnen mit Nachdruck: „Ich finde keine Schuld an Ihm.“ DM.584.2 Teilen

Diese Worte eines heidnischen Richters tadelten die Hinterlist und Falschheit der Obersten in Israel, die den Heiland anklagten. Als die Priester und Ältesten die Worte von Pilatus hörten, kannten ihre Wut und Enttäuschung keine Grenzen. Lange hatten sie diese Gelegenheit geplant und auf sie gewartet. Als sie jetzt die Möglichkeit der Freilassung erkannten, hätten sie Jesus am liebsten in Stücke gerissen. Mit lauter Stimme klagten sie Pilatus an und drohten ihm mit einem Verweis der römischen Verwaltung. Sie warfen ihm vor, er habe sich geweigert, diesen Jesus zu verurteilen, der sich, so erklärten sie, gegen den Kaiser erhoben habe. Böse Stimmen wurden laut, die behaupteten, dass der aufrührerische Einfluss Jesu doch im ganzen Land bekannt sei. Die Priester riefen: „Er wiegelt das Volk auf damit, dass er lehrt hier und dort in ganz Judäa, angefangen von Galiläa bis hierher.“ Lukas 23,5. DM.584.3 Teilen

Pilatus hatte bis dahin nicht die Absicht gehabt, Jesus zu verurteilen, denn er wusste, dass die Juden Ihn nur aus Hass und Vorurteil angeklagt hatten. Auch kannte er seine Pflicht genau: Die Gerechtigkeit forderte, Jesus sofort wieder freizulassen. Doch Pilatus fürchtete den Unwillen des Volkes. Sollte er es ablehnen, Jesus ihnen zu überantworten, würde sich ein Tumult erheben, und davor fürchtete er sich. Als er hörte, dass Jesus aus Galiläa stammte, beschloss er, ihn zu Herodes zu schicken, dem König über jene Provinz, der sich gerade in Jerusalem aufhielt. Auf diese Weise wollte er die Verantwortung für die Gerichtsverhandlung von sich auf Herodes schieben. Zudem sah er darin eine gute Gelegenheit, einen alten Streit zwischen ihm und Herodes zu schlichten. Und so geschah es. Die beiden Herrscher schlossen Freundschaft über dem Verhör des Heilandes. DM.584.4 Teilen

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Pilatus übergab Jesus abermals den Soldaten, und unter den höhnischen Rufen und Schmähungen des Volkes wurde Er schnell zum Gerichtsgebäude von Herodes gebracht. „Als aber Herodes Jesus sah, freute er sich sehr.“ Er war noch nie mit dem Heiland zusammengetroffen; deshalb hätte er „ihn längst gerne gesehen; denn er hatte von ihm gehört und hoffte, er würde ein Zeichen von ihm sehen“. Lukas 23,8. Dieser Herodes hatte seine Hände mit dem Blut Johannes des Täufers befleckt. Als er zum ersten Mal von Jesus hörte, sagte er erschreckt: „Johannes, den ich enthauptet habe, der ist auferstanden“; „darum tut er solche Taten“. Markus 6,16; Matthäus 14,2. Dennoch wollte Herodes Jesus gerne kennen lernen. Nun fand sich die Gelegenheit, das Leben dieses Propheten zu retten, und der König hoffte, die Erinnerung an das blutige Haupt, das ihm in einer Schüssel gebracht worden war, für immer aus seinem Gedächtnis verbannen zu können. Zudem wollte er unbedingt seine Neugierde befriedigen. Gäbe man Christus irgendeine Aussicht auf Freilassung, wäre er sicherlich bereit, alles zu tun, worum man ihn bitten würde, so dachte er. DM.585.1 Teilen

Eine große Schar Priester und Ältester hatte Jesus zu Herodes begleitet. Als der Heiland in den Palast gebracht wurde, klagten ihn diese Würdenträger mit aufgeregter Stimme an. Doch Herodes beachtete ihre Anklagen wenig. Er gebot Ruhe, weil er selbst Christus Fragen stellen wollte, und befahl, Christus die Fesseln abzunehmen. Gleichzeitig warf er den Feinden Jesu vor, Ihn grob behandelt zu haben. Mitfühlend sah er in das ruhige Antlitz des Erlösers der Welt und las darin nur Weisheit und Reinheit. Wie Pilatus war auch er davon überzeugt, dass Christus aus Arglist und Missgunst angeklagt wurde. DM.585.2 Teilen

Herodes fragte Jesus einiges, aber der Heiland schwieg die ganze Zeit hindurch. Auf Anordnung des Königs brachte man Kranke und Gebrechliche herein, und Jesus wurde aufgefordert, Seinen Anspruch durch ein Wunder zu rechtfertigen. Herodes sagte Ihm: Man behauptet, du könntest Kranke heilen. Mir ist sehr wichtig zu sehen, ob deine weitverbreitete Berühmtheit sich nicht auf Lügen gründet. Jesus erwiderte nichts, und Herodes versuchte noch weiter, Jesus zu drängen: Wenn du für andere Wunder tun kannst, so wirke sie jetzt zu deinem eigenen Vorteil, das wird dir nützlich sein. Immer wieder forderte er: Zeige uns durch Zeichen, dass du die Macht hast, die man dir nachsagt. Doch Jesus schien nichts zu hören und zu sehen. Der Sohn Gottes war Mensch geworden, und Er musste sich auch so verhalten, wie sich Menschen in derselben Lage verhalten müssten. Er wollte kein Wunder wirken, um sich dadurch dem Leid und der Erniedrigung zu entziehen, die Menschen unter ähnlichen Umständen erdulden müssten. DM.585.3 Teilen

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Herodes versprach dem Heiland sogar, Ihn freizulassen, wenn Er in seiner Gegenwart irgendein Wunder wirken würde. Christi Ankläger hatten mit eigenen Augen die durch göttliche Kraft vollbrachten machtvollen Taten gesehen. Sie hatten gehört, wie Er die Toten aus dem Grab rief und wie sie, Seiner Stimme gehorchend, auferstanden. Furcht packte sie, weil Er jetzt ein Wunder vollbringen sollte, denn nichts fürchteten sie so sehr wie eine Äußerung Seiner Macht. Eine derartige Machtbekundung würde ihren Plänen den Todesstoß versetzen und sie vielleicht sogar das Leben kosten. Sehr besorgt schleuderten die Priester und Obersten erneut ihre Anklagen gegen Jesus. Sie schrien laut: Er ist ein Verbrecher, ein Lästerer! Er vollbringt Seine Wunder durch die Ihm von Beelzebub, dem Fürsten des Bösen, verliehene Macht. Es bot sich ein Bild der Verwirrung und einer schrie lauter als der andere. DM.586.1 Teilen

Das Gewissen von Herodes war weit weniger empfindlich als zu jener Zeit, da er bei der Bitte der Herodias um das Haupt Johannes des Täufers vor Entsetzen gezittert hatte. Eine Zeitlang war er wegen jener schrecklichen Tat von heftigen Gewissensbissen gequält worden, aber sein ausschweifendes Leben hatte im Laufe der Zeit sein sittliches Empfindungsvermögen immer mehr abstumpfen lassen. Jetzt war sein Herz so verhärtet, dass er sich sogar der Strafe rühmen konnte, die über Johannes verhängt worden war, weil dieser es gewagt hatte, ihn zu tadeln. Er bedrohte Jesus und hielt Ihm mehrmals vor, dass er die Macht hätte, Ihn freizulassen oder zu verdammen. Doch Jesus gab durch nichts zu erkennen, dass Er auch nur ein Wort davon gehört hätte. DM.586.2 Teilen

Dieses andauernde Schweigen Jesu regte Herodes auf, da es äußerste Gleichgültigkeit gegenüber seiner Machtstellung anzudeuten schien. Den eingebildeten und prahlerischen König hätte ein offener Tadel weniger beleidigt, als in dieser Weise gezeigte Nichtanerkennung. Wieder bedrohte er ärgerlich den Herrn, doch dieser verharrte still und unbewegt. DM.586.3 Teilen

Es war nicht die Aufgabe Jesu in dieser Welt, eitle Neugierde zu befriedigen. Er war vielmehr gekommen, um die zerbrochenen Herzen zu heilen. Hätte Er ein Wort sprechen können, um die Wunden sündenkranker Seelen zu heilen, Er würde bestimmt nicht geschwiegen haben. Aber jenen, die die Wahrheit unter ihre unheiligen Füße treten würden, hatte Er nichts zu sagen. Sicherlich hätte Christus Herodes manches mitteilen können, das dem innerlich verhärteten König durch und durch gegangen wäre. Es hätte den König mit Furcht und mit Zittern erfüllt, würde Er ihm seine ganze Sündhaftigkeit und die Schrecken des über ihn hereinbrechenden Gerichts gezeigt haben. Doch Christi Stillschweigen war der härteste Tadel, den Er in diesem Fall austeilen konnte. Herodes hatte die Wahrheit verworfen, die ihm von dem größten aller Propheten vermittelt worden war. So sollte er keine andere Botschaft mehr empfangen. Nicht ein Wort hatte der Herr des Himmels für ihn. Die Ohren, die dem menschlichen Leid stets geöffnet waren, hörten nicht auf die Aufforderungen des jüdischen Königs. Die Augen, die stets in mitleidsvoller und barmherziger Liebe dem reumütigen Sünder zugewandt waren, hatten keinen Blick für Herodes. Die Lippen, die die eindrucksvollsten Wahrheiten verkündet und die zärtlich bittend die Sündigsten und die am tiefsten Gefallenen angefleht hatten, blieben für den hochmütigen König geschlossen, der nicht das Bedürfnis nach einem Heiland spürte. DM.586.4 Teilen

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Herodes wurde dunkelrot vor Zorn. Sich an das Volk wendend, klagte er aufgeregt Jesus als Betrüger an. Zum Herrn sagte er darauf: Wenn du keinen Beweis für deine Behauptung geben willst, werde ich dich den Soldaten und dem Volk ausliefern. Vielleicht werden sie dich zum Sprechen bringen. Bist du ein Betrüger, dann ist der Tod aus ihren Händen nur das Urteil, das du verdienst. Bist du aber Gottes Sohn, dann rette dich, indem du ein Wunder tust! Kaum waren diese Worte gesprochen, als ein Sturm gegen Jesus losbrach. Wie wilde Bestien stürzte sich die Menge auf ihre Beute. Jesus wurde hin und her gerissen, und auch Herodes folgte der Menge in der Absicht, den Sohn Gottes zu demütigen. Hätten nicht die römischen Soldaten eingegriffen und die wütende Schar zurückgedrängt, Jesus wäre in Stücke gerissen worden. DM.587.1 Teilen

„Herodes mit seinen Soldaten verachtete und verspottete ihn, legte ihm ein weißes Gewand an und sandte ihn zurück zu Pilatus.“ Lukas 23,11. Die römischen Soldaten beteiligten sich an diesen Übergriffen. Alle Misshandlungen, die sich diese boshaften, verderbten Krieger, von Herodes und den jüdischen Würdenträgern unterstützt, ausdenken konnten, häufte man auf den Heiland. Dennoch verlor Er nicht einen Augenblick Seine göttliche Geduld. DM.587.2 Teilen

Jesu Verfolger hatten versucht, Sein Wesen an ihrem eigenen Charakter zu messen. Sie hatten Ihn als ebenso niedrig und gemein hingestellt, wie sie selbst waren. Doch abgesehen von dem derzeitigen Schauspiel drängte sich vielen ein anderes Geschehen auf — ein Bild, das ihnen eines Tages in aller Herrlichkeit offenbar werden wird. Einige waren unter ihnen, die in Christi Gegenwart zu zittern begannen. Während sich die rohe Volksmenge spottend vor Ihm verbeugte, wandten sich andere erschrocken und wortlos um, ohne ihr Vorhaben ausgeführt zu haben. Selbst Herodes kam seine Schuld zum Bewusstsein. Die letzten Strahlen barmherzigen Lichtes fielen auf sein durch die Sünde verhärtetes Herz. Er spürte, dass Jesus kein gewöhnlicher Mensch war, denn göttliches Licht hatte Seine Menschlichkeit durchleuchtet. Während Jesus von Spöttern, Ehebrechern und Mördern umringt wurde, glaubte Herodes einen Gott auf Seinem Thron zu erblicken. So gefühllos Herodes auch war, er wagte es doch nicht, das Urteil über Jesus zu bestätigen. Er wollte sich von dieser schrecklichen Verantwortung befreien und sandte Jesus wieder zum römischen Gerichtsgebäude zurück. DM.587.3 Teilen

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Pilatus war enttäuscht und sehr ärgerlich. Als die Juden mit ihrem Gefangenen zurückkamen, fragte er sie ungeduldig, was er nach ihrer Meinung noch tun solle. Er erinnerte sie daran, dass er Jesus bereits verhört und keine Schuld an Ihm gefunden habe. Auch sagte er ihnen, dass sie Jesus verklagt hätten, ohne auch nur einen Anklagepunkt beweisen zu können. Er habe Ihn zu Herodes gesandt, dem Vierfürsten in Galiläa — einem Juden wie sie auch —, doch auch dieser hatte nichts Todeswürdiges an Jesus finden können. „Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben.“ Lukas 23,16. DM.588.1 Teilen

Hier zeigte Pilatus seine Schwäche. Er hatte erklärt, dass Jesus unschuldig sei. Dennoch wollte er Ihn um Seiner Ankläger willen geißeln lassen, mit der Absicht, sie zu beruhigen. Er war bereit, Grundsätze und Gerechtigkeit zu opfern, um mit den Leuten einen Kompromiss auszuhandeln. Er brachte sich aber dadurch selbst in eine ungünstige Lage. Die Menge nützte jetzt seine Unentschlossenheit aus und forderte dreister das Leben des Gefangenen. Wäre Pilatus das erste Mal fest geblieben und hätte er sich geweigert, einen als unschuldig erfundenen Menschen zu verurteilen, dann würde er die unheilvolle Kette zerbrochen haben, die ihn ein Leben lang an Schuld und Gewissensnot binden sollte. Hätte er von Anfang an gemäß seiner Überzeugung gehandelt, wären die Juden nicht so anmaßend geworden, ihm Vorschriften zu machen. Christus wäre getötet worden, aber die Schuld hätte nicht auf Pilatus geruht. Doch nun hatte er Schritt für Schritt sein Gewissen preisgegeben. Er hatte es unterlassen, gerecht und unparteiisch zu handeln, und fand sich jetzt nahezu hilflos in den Händen der Priester und Obersten. Sein Schwanken und seine Unentschlossenheit gereichten ihm schließlich zum Verderben. DM.588.2 Teilen

Sogar jetzt brauchte Pilatus nicht unbesonnen zu handeln. Eine von Gott gesandte Botschaft warnte ihn vor der Tat, die er im Begriff war zu vollziehen. Auf Christi Gebet hin war die Frau des Pilatus von einem himmlischen Engel aufgesucht worden, und in einem Traum hatte sie Jesus erblickt und mit Ihm gesprochen. Die Frau von Pilatus war keine Jüdin. Als sie jedoch in ihrem Traum auf Jesus schaute, hatte sie keinen Zweifel an Seinem Wesen oder an Seiner Sendung. Sie erkannte in Ihm den gesalbten Gottes. Sie sah Ihn beim Verhör im Gerichtsgebäude. Sie sah Seine Hände gefesselt wie die eines Verbrechers. Sie sah Herodes und seine Soldaten ihr schlimmes Werk tun. Sie hörte die neiderfüllten, heimtückischen Priester und Obersten Ihn hartnäckig anklagen und vernahm die Worte: „Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben.“ Johannes 19,7. Sie sah auch, wie Pilatus Ihn geißeln ließ, nachdem er erklärt hatte: „Ich finde keine Schuld an ihm.“ Johannes 18,38. Sie hörte, wie Pilatus das Todesurteil sprach und sah, wie er Christus den Mördern übergab. Sie sah das Kreuz auf Golgatha und die Erde in Finsternis gehüllt, und sie hörte den geheimnisvollen Schrei: „Es ist vollbracht!“ Johannes 19,30. Dann sah sie noch ein anderes Bild: Sie erkannte Jesus auf einer großen, weißen Wolke sitzend, während die Erde im Weltraum hin und her taumelte und Seine Mörder vor der Offenbarung Seiner Herrlichkeit flohen. Mit einem Schrei des Entsetzens erwachte sie, und unverzüglich schrieb sie Pilatus eine Warnungsbotschaft. DM.588.3 Teilen

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Während Pilatus noch überlegte, was er tun solle, drängte sich ein Bote durch die Menge und übergab ihm das Schreiben seiner Frau, in dem es hieß: „Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; denn ich habe heute viel erlitten im Traum seinetwegen.“ Matthäus 27,19. DM.589.1 Teilen

Pilatus wurde bleich. Einander widerstrebende Empfindungen verwirrten ihn. Doch während er noch zögerte zu handeln, schürten die Priester und Obersten noch weiter die Erregung des Volkes. Pilatus war gezwungen zu handeln. Da erinnerte er sich an einen Brauch, der Christi Freilassung gewährleisten könnte. Es war üblich, anlässlich des Passahfestes einen Gefangenen freizulassen, den das Volk sich wählen durfte. Dieser Brauch war heidnischen Ursprungs und mit dem Grundsatz der Gerechtigkeit völlig unvereinbar, dennoch wurde er von den Juden sehr geschätzt. In römischem Gewahrsam befand sich zu jener Zeit ein Verbrecher namens Barabbas, der zum Tod verurteilt war. Dieser Mann hatte behauptet, der Messias zu sein und die Vollmacht zu besitzen, eine andere Ordnung aufzustellen, um die Welt zu vervollkommnen. Unter teuflischem Einfluss beanspruchte er, dass alles, was er durch Diebstahl und Raub erlangte, ihm gehöre. Mit satanischer Hilfe hatte er große Dinge vollbracht. Er besaß unter dem Volk eine große Anhängerschar und hatte auch einen Aufstand gegen die Römer angezettelt. Unter dem Deckmantel religiöser Begeisterung verbarg sich ein hartherziger, verwegener Schurke, ausgerichtet allein auf Aufruhr und Grausamkeit. Indem Pilatus das Volk vor die Entscheidung stellte, zwischen diesem Mann und dem unschuldigen Heiland zu wählen, wollte er sich an das Gerechtigkeitsempfinden des Volkes wenden. Er hoffte, trotz des Widerstandes der Priester und Obersten ihr Mitgefühl für Jesus gewinnen zu können. So fragte er besonders ernst die Menge: „Welchen wollt ihr? Wen soll ich euch losgeben, Barabbas oder Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus?“ Matthäus 27,17. Die Antwort des Volkes glich dem Brüllen wilder Tiere: „Gib uns Barabbas los!“ Lukas 23,18. Immer lauter schrien sie: Barabbas! Barabbas! In der Meinung, das Volk habe seine Frage nicht verstanden, sagte Pilatus nochmals: „Wollt ihr nun, dass ich euch den König der Juden losgebe?“ Aber sie schrien wieder: „Nicht diesen, sondern Barabbas!“ Johannes 18,39.40. Pilatus aber fragte dagegen: „Was soll ich denn machen mit Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus?“ Matthäus 27,22. Wieder schrieen sie wie vom Teufel besessen. Tatsächlich waren böse Geister in menschlicher Gestalt unter den Versammelten. Wie hätte daher eine andere Antwort kommen können als: „Lass ihn kreuzigen!“ Matthäus 27,22. Pilatus war bestürzt. Dass es so weit kommen würde, hatte er nicht gedacht. Er schreckte davor zurück, einen unschuldigen Menschen dem schändlichsten und grausamsten Tod auszuliefern. Als das Stimmengewirr nachgelassen hatte, wandte er sich an die Menge und fragte: „Was hat er denn Böses getan?“ Matthäus 27,23. Aber Argumente konnten hier nicht mehr weiterhelfen. Die Leute verlangten keinen Beweis mehr für die Unschuld Christi, sondern Seine Verurteilung. DM.589.2 Teilen

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Immer noch versuchte Pilatus den Herrn zu retten und wandte sich deshalb zum dritten Mal an die Menge: „Was hat denn dieser Böses getan? Ich habe nichts an ihm gefunden, was den Tod verdient; darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben.“ Lukas 23,22. Aber die Erwähnung Seiner Freilassung erregte das Volk bis zum Wahnsinn. Unablässig schrie es: „Kreuzige ihn! Kreuzige ihn!“ Markus 15,13.14. Der Aufruhr, den Pilatus durch seine Unentschlossenheit hervorgerufen hatte, nahm immer mehr zu. DM.590.1 Teilen

Jesus war ermattet, schwach und mit Wunden bedeckt. Er wurde gepackt und vor den Augen der Menge gegeißelt. „Die Soldaten aber führten ihn hinein ... ins Gerichtsgebäude, und riefen die ganze Abteilung zusammen und sie zogen ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzen sie ihm auf und fingen an, ihn zu grüßen: Gegrüßt seist du, der Juden König! Und ... spien ihn an und fielen auf die Knie und huldigten ihm.“ Markus 15,16-19. Von Zeit zu Zeit ergriffen einige Boshafte das Rohr, das man Jesus in die Hand gegeben hatte, und schlugen damit auf die Krone, die Seine Stirn drückte, so dass die Dornen in Seine Schläfen drangen und das Blut an Wangen und Bart herabtropfte. DM.590.2 Teilen

Wundere dich, Himmel! Und staune, Erde! Seht die Unterdrücker und den Unterdrückten! Eine wutentbrannte Menschenmenge umringt den Heiland der Welt. Spott und Hohn mischen sich mit groben Flüchen und Lästerungen. Seine einfache Herkunft und Sein demütiges Leben werden von dem gefühllosen Pöbel zum Anlass der Kritik. Sein Anspruch, der Sohn Gottes zu sein, wird ins Lächerliche gezogen, und gemeine Scherze und kränkender Hohn machen die Runde. DM.590.3 Teilen

Satan führte ja diese unbarmherzige, den Heiland hart beschimpfende Schar selbst an. Es war seine Absicht, den Herrn, wenn möglich, zu einem Vergeltungsschlag zu reizen oder Ihn dazu zu bewegen, zu Seiner Befreiung ein Wunder zu wirken und auf diese Weise den Erlösungsplan zunichte zu machen. Ein einziger Makel auf Jesu Leben, ein einmaliges Versagen Seiner menschlichen Natur beim Ertragen dieser furchtbaren Prüfung würde genügen, aus dem Lamm Gottes ein unvollkommenes Opfer zu machen und die Erlösung der Menschheit zu vereiteln. Aber Er, der auf einen Befehl hin die himmlischen Heerscharen hätte zu Hilfe rufen können, — Er, der durch eine Offenbarung Seiner göttlichen Majestät die Menge hätte veranlassen können, in panischem Schrecken vor Seinem Angesicht zu fliehen — Er unterwarf sich in vollkommenem Schweigen den hässlichsten Beschimpfungen und Handlungen. Jesu Feinde hatten als Beweis Seiner Gottheit ein Wunder gefordert. Weitaus größere Beweise, als sie überhaupt verlangt hatten, wurden ihnen gegeben. Wie die Grausamkeit Seine Peiniger nicht mehr menschenwürdig erscheinen ließ und sie zum Ebenbild Satans herabzog, so erhoben Seine Sanftmut und Geduld Christus über alles Menschliche hinaus und offenbarten seine Verwandtschaft mit Gott. Seine Erniedrigung war das Unterpfand Seiner Erhöhung. Die Blutstropfen Seiner Schmerzen, die von Seinen verwundeten Schläfen auf Gesicht und Bart flossen, waren die Bürgschaft Seiner Salbung mit dem „Öl der Freude“ (Hebräer 1,9) zu unserem großen Hohepriester. DM.590.4 Teilen

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Satans Zorn war groß, als er erkennen musste, dass alle gegen den Heiland gerichteten Schmähungen auch nicht die geringste Äußerung aus Seinem Mund erzwingen konnten. Obwohl Jesus die menschliche Natur angenommen hatte, wurde Er durch eine göttliche Kraft unterstützt und wich in keinem Fall von dem Willen Seines Vaters ab. DM.591.1 Teilen

Als Pilatus Jesus zur Geißelung und Verspottung freigab, meinte er, damit das Mitleid der Menge wecken zu können. Er hoffte, sie würde entscheiden, dass diese Bestrafung genüge. Selbst der Hass der Priester würde nun befriedigt sein, so dachte er. Aber die Juden erkannten sehr deutlich, wie haltlos eine solche Bestrafung eines Mannes sein musste, der als unschuldig erklärt worden war. Sie durchschauten den Versuch von Pilatus, das Leben des Gefangenen zu retten und waren fest entschlossen, eine Freilassung Jesu zu verhindern. Um uns einen Gefallen zu tun und uns zufrieden zu stellen, hat Pilatus Ihn geißeln lassen, so dachten sie. Wir müssen nur mit allem Nachdruck unser Ziel anstreben, dann werden wir es am Ende auch erreichen. Pilatus ließ jetzt Barabbas zum Gerichtsgebäude holen. Dann stellte er die beiden Gefangenen nebeneinander und sagte mit ernster Stimme, indem er auf Jesus deutete: „Seht, welch ein Mensch!“ „Seht, ich führe ihn heraus zu euch, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde.“ Johannes 19,4.5. DM.591.2 Teilen

Da stand der Sohn Gottes, angetan mit dem Gewand des Spottes und der Dornenkrone. Bis zum Gürtel entblößt, zeigte Sein Rücken lange, entsetzliche Striemen, von denen das Blut herunterfloss. Sein Gesicht war blutverschmiert und trug die Zeichen des Schmerzes und der Erschöpfung, aber nie erschien es schöner als gerade jetzt. So wie Er Seinen Feinden gegenüberstand, war Sein Aussehen keineswegs entstellt. Jeder Gesichtszug bekundete Sanftmut und Ergebenheit und zärtliches Erbarmen mit Seinen grausamen Feinden. In Seinem Wesen lag nicht etwa feige Schwäche, sondern die Kraft und die Würde der Langmut. Einen auffälligen Gegensatz zu Ihm bot der Gefangene an Seiner Seite. Jeder Gesichtszug von Barabbas offenbarte den verstockten Rüpel, der er war. Dieser Unterschied zwischen den beiden Gefangenen wurde allen Zuschauern deutlich. Viele von ihnen weinten. DM.591.3 Teilen

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Als sie so auf Jesus blickten, waren ihre Herzen voller Mitgefühl. Selbst die Priester und Obersten kamen zu der Überzeugung, dass Seine Haltung völlig Seinem göttlichen Anspruch entsprach. DM.592.1 Teilen

Die römischen Soldaten, die Christus umgaben, waren nicht alle rau und hart. Einige von ihnen suchten aufrichtig in dem Antlitz Jesu nach einem Ausdruck, der auf ein kriminelles und allgemeingefährliches Wesen schließen ließe. Ab und zu warfen sie auch einen geringschätzigen Blick auf Barabbas. Es bedurfte keines besonders scharfen Blickes, um auf den Grund seiner Seele schauen zu können. Doch dann ruhten ihre Augen wieder auf dem Einen, der unter Anklage stand. Der göttliche Dulder besaß ihr ungeteiltes Mitleid. Seine stille Demut prägte sich ihnen ein wie ein Bild, das niemals mehr verlöschen würde, bis sie Ihn entweder als Christus angenommen oder, indem sie Ihn verwarfen, ihr eigenes Schicksal besiegelt hätten. DM.592.2 Teilen

Pilatus war äußerst verwundert über die grenzenlose Geduld Jesu. Er hatte nicht daran gezweifelt, dass der Anblick dieses Mannes — im Gegensatz zu Barabbas — die Sympathie der Juden wecken würde. Doch er verstand nicht den leidenschaftlichen Hass der Priester gegen den, der als das Licht der Welt ihre Finsternis und ihren Irrtum offenbar gemacht hatte. Sie hatten das Volk zu schlimmer Wut aufgestachelt, und erneut stimmten Priester, Oberste und das Volk den entsetzlichen Ruf an: Kreuzige Ihn! Kreuzige Ihn! DM.592.3 Teilen

Da verlor Pilatus die Geduld mit ihrer vernunftwidrigen Grausamkeit und rief verzweifelt aus: „Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn, denn ich finde keine Schuld an ihm.“ Johannes 19,6. Der an grausame Szenen gewöhnte römische Landpfleger hatte Mitleid mit dem leidenden Gefangenen, der — verurteilt und gegeißelt, mit blutender Stirn und mit zerschundenem Rücken — selbst jetzt noch die Haltung eines Königs auf Seinem Thron bewahrte. Doch die Priester erklärten: „Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz muss er sterben, denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht.“ Johannes 19,7. DM.592.4 Teilen

Pilatus war erschrocken. Er hatte noch keine genaue Vorstellung von Jesus und Seiner Aufgabe, aber in ihm regte sich ein unbestimmter Glaube an Gott und an Wesen, die über den Menschen stehen. Ein Gedanke, der ihn schon einmal beschäftigt hatte, nahm jetzt deutliche Gestalt an. Er fragte sich, ob dieser Mensch, der vor ihm stand, bekleidet mit dem Purpur des Spottes und der Krone aus Dornen, nicht ein göttliches Wesen sein könne. DM.592.5 Teilen

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Erneut ging er zurück in das Gerichtsgebäude und fragte den Herrn: „Woher bist du?“ Johannes 19,9. Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Der Heiland hatte offen mit Pilatus gesprochen und Seine Aufgabe als Zeuge für die Wahrheit erläutert, doch Pilatus hatte das Licht verachtet. Er hatte sein hohes Richteramt missbraucht, indem er seine Grundsätze und seine Autorität den Forderungen der Volksmenge opferte. Jesus konnte ihm keine weitere Erkenntnis vermitteln. Über Jesu Schweigen verärgert, sagte Pilatus hochmütig: „Redest du nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich loszugeben, und Macht habe, dich zu kreuzigen?“ Jesus antwortete: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben her gegeben wäre. Darum: Der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde.“ Johannes 19,10.11. DM.593.1 Teilen

So entschuldigte der mitleidvolle Erlöser inmitten Seines größten Leides und Schmerzes soweit wie möglich die Handlungsweise des römischen Statthalters, der Ihn zur Kreuzigung auslieferte. Welch ein Bild, das der Nachwelt für alle Zeit überliefert werden sollte! Was für ein Licht wirft es auf den Charakter dessen, der der Richter der ganzen Welt ist! DM.593.2 Teilen

„Darum: Der mich dir überantwortet hat“, sagte Jesus, „der hat größere Sünde.“ Damit meinte Jesus Kaiphas, der als Hohepriester das jüdische Volk repräsentierte. Die Priester kannten die Grundsätze, die für die römischen Machthaber galten. Dazu besaßen sie die Erkenntnis aus den Prophezeiungen, die sich auf den Messias bezogen, sowie aus Seinen eigenen Lehren und Seinem Wirken. Die jüdischen Richter hatten unmissverständliche Beweise für die Göttlichkeit dessen erhalten, den sie zum Tod verurteilten. Und entsprechend ihrer Erkenntnis werden sie gerichtet werden. DM.593.3 Teilen

Die größte Schuld und die schwerste Verantwortung lag auf denen, die die höchsten Positionen im Volk bekleideten, auf den Hütern der heiligen Wahrheiten, die sie in schimpflicher Weise preisgaben. Pilatus, Herodes und die römischen Soldaten wussten verhältnismäßig wenig von Jesus. Sie wollten den Priestern und Obersten einen Dienst erweisen, indem sie den Heiland misshandelten. Sie hatten nicht die Erkenntnis, die dem jüdischen Volk so reichlich vermittelt worden war. DM.593.4 Teilen

Noch einmal schlug Pilatus vor, den Heiland freizulassen. Aber die Juden schrien: „Lässt du diesen frei, so bist du des Kaisers Freund nicht.“ Johannes 19,12. So gaben jene Heuchler vor, auf das Ansehen des Kaisers bedacht zu sein. In Wirklichkeit aber waren sie die erbittertsten aller Gegner der römischen Herrschaft. Wo ihnen kein Schaden daraus entstand, setzten sie ihre eigenen nationalen und religiösen Belange rücksichtslos durch. Wollten sie aber irgendeine schändliche Tat begehen, dann rühmten sie die Macht des Kaisers. Um die Vernichtung Jesu zu vollenden, beteuerten sie ihre Ergebenheit gegenüber der fremden Macht, die sie eigentlich verabscheuten. DM.593.5 Teilen

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„Wer sich zum König macht, der ist gegen den Kaiser“ (Johannes 19,12), fügten sie hinzu. Diese Worte berührten Pilatus an einem wunden Punkt. Er war der römischen Regierung bereits verdächtig und wusste, dass ein derartiger Bericht sein Ruin bedeutete. Auch wusste er, dass sich der Zorn der Juden gegen ihn richten würde, falls er ihre Absichten durchkreuzte. Sie würden nichts unversucht lassen, um sich zu rächen. Pilatus sah sich einem besonderen Beispiel der Hartnäckigkeit gegenüber, mit der sie dem Einen nach dem Leben trachteten, den sie grundlos hassten. DM.594.1 Teilen

Pilatus nahm nun seinen Richterplatz wieder ein, stellte Jesus noch einmal vor das Volk und sagte dann: „Seht, das ist euer König!“ Wiederum erhob sich ein wütendes Geschrei: „Weg, weg mit dem! Kreuzige ihn!“ Da fragte Pilatus so laut, dass alle ihn verstehen konnten: „Soll ich euren König kreuzigen?“ Lästernd kam aus gottlosem Mund die Antwort: „Wir haben keinen König als den Kaiser.“ Johannes 19,14.15. DM.594.2 Teilen

Indem die Juden sich zu einem heidnischen Herrscher bekannten, hatten sie sich von der Gottesherrschaft losgesagt und Gott als ihren König verworfen. Seitdem hatten sie keinen Befreier, keinen König außer dem römischen Kaiser. Dahin hatten die Priester und Obersten das Volk geführt. Sie trugen dafür sowie für die fruchtbaren Folgen die Verantwortung. Die Sünde und das Verderben eines ganzen Volkes waren den religiösen Führern zuzuschreiben. „Als aber Pilatus sah, dass er nichts ausrichtete, sondern das Getümmel immer größer wurde, nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!“ Matthäus 27,24. DM.594.3 Teilen

Scheu und voller Selbstvorwürfe schaute er auf den Heiland. Von den zahllosen Gesichtern, die auf ihn gerichtet waren, zeigte allein das Antlitz Jesu inneren Frieden. Von Seinem Haupt schien ein sanftes Licht auszugehen. Pilatus bewegte in seinem Herzen der Gedanke: Er ist ein Gott! Dann wandte er sich der Volksmenge zu und erklärte ihnen: Ich will mit Seinem Blut nichts zu tun haben. Nehmt ihr Ihn und kreuzigt Ihn. Aber denkt daran, Priester und Oberste, ich erkläre Ihn zu einem gerechten Menschen! Möge der, den er als Seinen Vater anruft, euch und nicht mich für diesen Tag zur Rechenschaft ziehen. Darauf hin wandte er sich an Jesus und sagte zu Ihm: Vergib mir diese Tat, aber ich kann dich nicht retten. Und nachdem er Jesus noch einmal hatte geißeln lassen, übergab er Ihn darauf dem Kreuzestod. DM.594.4 Teilen

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Pilatus hätte Jesus gerne freigegeben. Doch er erkannte, dass er seine Freilassung nicht durchsetzen konnte, ohne seine eigene Stellung und sein Ansehen zu verlieren. Er war eher bereit, ein unschuldiges Leben zu opfern, als seine irdische Machtstellung aufzugeben. Wie viele opfern in gleicher Weise ihre Grundsätze, nur um Leid und Verlust zu entgehen! Das Gewissen und die Pflicht weisen einen anderen Weg als die eigensüchtigen Wünsche. Der Strom treibt mit großer Stärke in die falsche Richtung, und wer sich mit dem Bösen einlässt, wird in den Strudel der Schuld gerissen. DM.595.1 Teilen

Pilatus gab den Forderungen der Leute nach. Er übergab den Heiland lieber dem Kreuzestod, als zu riskieren, seine Stellung zu verlieren. Doch trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen kam das Unglück, das er befürchtete, später dennoch über ihn. Er wurde seiner Ehre beraubt und seines hohen Amtes enthoben. Bald nach der Kreuzigung Jesu machte er, von Gewissensbissen gequält und von verletztem Stolz gedemütigt, seinem Leben ein Ende. So werden alle, die mit der Sünde Kompromisse schließen, nur Sorgen und Verderben ernten. „Mancher Weg scheint dem Menschen richtig, aber zuletzt bringt er ihn doch zum Tod.“ Sprüche 14,12. Als Pilatus erklärte, dass er unschuldig sei am Blut Jesu, antwortete Kaiphas trotzig: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Diese schrecklichen Worte wurden von den Priestern und Obersten aufgenommen und wurden von der großen Volksmenge in einem unmenschlichen Gebrüll wiedergegeben. Alle riefen sie: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Matthäus 27,25. DM.595.2 Teilen

Das Volk Israel hatte seine Wahl getroffen. Es hatte auf Jesus hingewiesen und geschrien: „Hinweg mit diesem, gib uns Barabbas los!“ Lukas 23,18. Barabbas, ein Räuber und Mörder, war der Vertreter Satans. Christus war der Vertreter Gottes. Barabbas wurde erwählt, Christus verworfen. Sie sollten Barabbas haben. Mit dieser Wahl nahmen sie jenen an, der von Anbeginn ein Lügner und Mörder war. Satan war ihr Führer. Als Nation würden sie nach seiner Weisung handeln. Seine Werke würden sie tun. Seine Herrschaft mussten sie ertragen. DM.595.3 Teilen

Jene Menschen, die Barabbas statt Christus wählten, sollten bis zum Ende der Zeit die Grausamkeit des Barabbas zu spüren bekommen. Angesichts des gemarterten Lammes Gottes riefen die Juden aus: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ Matthäus 27,25. Dieser furchtbare Ruf stieg zum Thron Gottes empor. Dieses selbstgesprochene Urteil wurde im Himmel festgehalten und dieser Wunsch wurde erhört. Das Blut des Sohnes Gottes kam über ihre Kinder und Kindeskinder als ewiger Fluch. DM.595.4 Teilen

Auf schreckliche Weise erfüllte sich dieser Fluch bei der Zerstörung Jerusalems. Nicht weniger furchtbar bekundete er sich während der folgenden 18 Jahrhunderte in dem Zustand des jüdischen Volkes — einer vom Weinstock getrennten Rebe, eines abgestorbenen, dürren Zweigs, abgetrennt, um aufgelesen und verbrannt zu werden. Von Land zu Land und durch die ganze Welt, von Jahrhundert zu Jahrhundert — tot in Übertretungen und Sünden! DM.595.5 Teilen

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Ebenso entsetzlich wird die Erfüllung jenes Ausrufs am Jüngsten Tag sein. Wenn Christus wieder zur Erde herabkommt, dann wird die Menschheit Ihn nicht mehr als einen von einem Pöbelhaufen umgebenen Gefangenen sehen. Sie wird Ihn dann als König des Himmels erkennen. Christus wird in Seiner Herrlichkeit, in der Seines Vaters und der heiligen Engel erscheinen. Zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend Engel, die schönen und siegreichen Söhne Gottes, die eine alles übertreffende Lieblichkeit und Pracht besitzen, werden Ihn auf Seinem Weg begleiten. Dann wird Er auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzen, und alle Völker werden um Ihn versammelt sein. Jedes Auge wird Ihn sehen — auch die, „die ihn durchbohrt haben“. Offenbarung 1,7. DM.596.1 Teilen

Statt der Dornenkrone wird Er die Krone der Herrlichkeit tragen. Statt des alten purpurnen Königsmantels wird Er angetan sein mit Kleidern aus reinstem Weiß, wie „sie kein Bleicher auf Erden so weiß machen kann“. Markus 9,3. Auf Seinem Gewand und auf Seiner Hüfte wird ein Name geschrieben sein: „König aller Könige und Herr aller Herren.“ Offenbarung 19,16. Die Ihn verhöhnt und misshandelt haben, werden dabei sein. Die Priester und Obersten werden nochmals jene Szene im Gerichtsgebäude an sich vorüberziehen sehen. Alle Einzelheiten werden vor ihnen erscheinen wie mit feurigen Buchstaben geschrieben. Dann werden jene, die ausriefen: „Sein Blut komme über uns und unsre Kinder“ (Matthäus 27,25), die Antwort auf ihre Bitte erhalten. DM.596.2 Teilen

Die ganze Welt wird dann wissen, verstehen und erkennen, gegen wen sie als arme, schwache und sterbliche Wesen gekämpft haben. In Todesangst und Schrecken werden sie zu den Bergen und Felsen rufen: „Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! Denn es ist gekommen der große Tag ihres Zorns, und wer kann bestehen?“ Offenbarung 6,16.17. DM.596.3 Teilen

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