Portrait von Ellen White
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Vorrede zur ersten englischen Ausgabe von „Erfahrungenund Gesichte“
Vorrede zur ersten englischen Ausgabe von „Erfahrungenund Gesichte“
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Mir träumte, ich sähe einen Tempel, dem viele Leute zuströmten. Nur diejenigen, die in diesem Tempel ihre Zuflucht suchten, würden am Ende der Zeit errettet werden. Alle, die draußen blieben, waren für ewig verloren. Die Menge draußen, die ihre eigenen Wege ging, verlachte diejenigen, die in den Tempel eintraten, und sagte, dass diese Art der Errettung eine listige Täuschung und dass in Wahrheit keine Gefahr da sei, der man entfliehen müsse. Sie hielten selbst einige an und suchten sie zu verhindern, innerhalb der Mauern einzugehen. EG.70.1 Teilen

Da ich fürchtete, verspottet und verlacht zu werden, so hielt ich es für das beste, zu warten, bis die Menge sich verstreut hätte, oder bis ich ungeachtet hineingehen könnte. Aber anstatt sich zu vermindern, vergrößerte sich die Schar immer mehr, und da ich fürchtete, zu spät zu kommen, verließ ich mein Heim und drängte mich durch die Menge. In meiner Ansicht, den Tempel zu erreichen, beachtete ich nicht das Gedränge, das mich umgab. Als ich in das Gebäude eintrat, sah ich, dass der zweite Tempel von einem gewaltigen Pfeiler gestützt wurde, an welchem ein verwundetes und blutendes Lamm angebunden war. Wir, die wir anwesend waren, schienen zu wissen, dass das Lamm um unsertwillen verwundet und zerschlagen war. Alle, die den Tempel betraten, mussten vor dasselbe kommen und ihre Sünden bekennen. EG.70.2 Teilen

Gerade vor dem Lamm befanden sich erhöhte Sitze, auf denen eine Anzahl Leute saßen, die sehr glücklich aussahen. Das Licht des Himmels schien auf ihren Angesichtern zu ruhen; sie priesen Gott und sangen Lob- und Danklieder, die wie die Musik der Engel klangen. Dies waren diejenigen, die vor das Lamm gekommen, ihre Sünden bekannt und Verzeihung erlangt hatten und nun in froher Erwartung irgend eines freudigen Ereignisses harrten. EG.70.3 Teilen

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Nachdem ich das Gebäude betreten hatte, kam Furcht und ein Gefühl der Scham über mich, dass ich mich vor diesen Leuten demütigen sollte. Aber es schien mich etwas vorwärts zu drängen und ich ging langsam um den Pfeiler herum, um zu dem Lamm zu gelangen; da ertönte eine Posaune, der Tempel erbebte, es erhob sich ein Triumphgeschrei der versammelten Heiligen, und ein blendender Glanz erleuchtete das Gebäude; dann herrschte Finsternis. Die glücklichen Leute waren alle mit dem Lichte verschwunden, und ich war allein im stillen Schrecken der Nacht. EG.71.1 Teilen

Ich erwachte in Seelenangst und konnte mich kaum davon überzeugen, dass ich nur geträumt hatte. Es schien mir, dass meine Verdammnis sicher sei, dass der Geist des Herrn mich verlassen habe, um nie mehr zurückzukehren. Meine Verzagtheit wurde noch größer, falls dies möglich gewesen wäre. EG.71.2 Teilen

Bald danach hatte ich einen anderen Traum. Ich schien in Verzweiflung dazusitzen und, das Gesicht mit den Händen bedeckt, folgende Betrachtungen zu machen: Wenn Jesus auf Erden wäre, würde ich zu ihm gehen, mich ihm zu Füßen werfen und ihm all meine Leiden erzählen. Er würde sich nicht von mir abwenden, er würde erbarmen mit mir haben, und ich würde ihn lieben und ihm immer dienen. Da öffnete sich die Tür, und eine Person, herrlich von Gestalt und Aussehen, trat ein. Sie blickte mich mitleidig an: „Mögest du Jesum gerne sehen? Er ist hier, und wenn du willst, kannst du ihn sehen. Nimm alles, was du hast, und folge mir!“ Ich hörte dies mit unaussprechlicher Freude, raffte froh meine kleine Habe zusammen und folgte meinem Führer. Er geleitete mich zu einer steilen und offenbar schwachen Treppe. Als ich anfing, die Stufen hinaufzugehen, ermahnte er mich, meine Augen aufwärts gerichtet zu halten, damit ich nicht schwindlig würde und falle. Viele andere, die die Stufen hinaufstiegen, fielen, ehe sie zu Ende gekommen waren. EG.71.3 Teilen

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Endlich erreichten wir die letzte Stufe und standen vor einer Tür. Mein Führer wies mich an, hier alle Sachen zu lassen, die ich mitgebracht hatte. Ich legte sie freudig nieder; dann öffnete er die Tür und hieß mich eintreten. Im nächsten Augenblick stand ich vor Jesus. Welch schönes Antlitz! Hier war kein Mißverständnis möglich; solch strahlender Ausdruck von Wohlwollen und Hoheit konnte keinem anderen angehören. Als sein Blick auf mir ruhte, wußte ich sofort, dass ihm alle Umstände meines Lebens, alle meine inneren Gedanken und Gefühle bekannt seien. EG.72.1 Teilen

Ich versuchte, mich vor seinem Blick zu schützen, da ich nicht imstande war, seine forschenden Augen zu ertragen; er aber kam lächelnd näher, und seine Hand auf mein Haupt legend, sagte er: „Fürchte dich nicht!“ Der Ton seiner süßen Stimme durchdrang mein Herz mit einer Glückseligkeit, die ich vorher noch nie empfunden hatte. Ich war zu glücklich, um ein Wort äußern zu können, aber ich sank von unbeschreiblicher Seligkeit überwältigt zu seinen Füßen. Während ich hilflos dalag, zogen schöne und herrliche Szenen an mir vorüber, und ich schien die Sicherheit und den Frieden des Himmels erreicht zu haben. Endlich kehrte meine Kraft wieder zurück, und ich erhob mich. Die liebevollen Augen Jesu ruhten noch auf mir, und sein Lächeln erquickte meine Seele. Seine Gegenwart erfüllte mich mit heiliger Ehrfurcht und unaussprechlicher Liebe. EG.72.2 Teilen

Mein Führer öffnete nun die Tür, und wir gingen beide hinaus, dann gebot er mir, alle die Dinge wieder aufzunehmen, die ich draußen gelassen hatte. Als ich dies getan hatte, gab er mir ein grünes, fest aufgewundenes Knäuel. Er wies mich an, dies an mein Herz zu legen, und wenn ich wünschte Jesum zu sehen, sollte ich es herausnehmen und soviel als möglich ausdehnen. Er warnte mich, es nicht lange aufgerollt zu lassen, damit es sich nicht verknote und schwer zu strecken sei. Ich legte das Knäulchen an mein Herz und stieg freudig die Treppe hinab, lobte den Herrn und erzählte allen, denen ich begegnete, wo sie Jesum finden könnten. Dieser Traum gab mir Hoffnung. Das grüne Knäulchen stellte für mich den Glauben dar, und die Schönheit und Einfachheit, Gott zu vertrauen, begann in meiner umnachteten Seele zu tagen. EG.72.3 Teilen

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Mir träumte, dass Gott mir durch unsichtbare Hand ein künstlich gearbeitetes Juwelenkästchen schickte, über zehn Zoll lang und sechs Zoll breit, aus Edelholz gemacht und fein mit Perlen verziert. Bei dem Kästchen befand sich ein Schlüssel. Ich ergriff diesen sofort und öffnete das Kästchen und fand es zu meiner Verwunderung und meinem Erstaunen mit allerlei Juwelen, Diamanten, köstlichen Steinen, Gold- und Silbermünzen jeder Größe und jeden Wertes gefüllt. Sie hatten alle ihren bestimmten Platz in dem Kästchen und strahlten ein Licht und eine Herrlichkeit gleich der Sonne aus. EG.73.1 Teilen

Ich dachte, ich dürfe diesen wundervollen Anblick nicht allein genießen, obgleich mein Herz von dem Glanze, der Schönheit und dem Werte seines Inhaltes hocherfreut war. Ich stellte deshalb das Kästchen auf einem Tisch in meinem Zimmer aus und machte bekannt, dass alle, die wollten, kommen möchten, um das Herrlichste und Strahlendste zu sehen, was noch je ein Mensch gesehen hat. EG.73.2 Teilen

Die Leute kamen auch; zuerst nur wenige, aber die Zahl vermehrte sich. Als die ersten in das Kästchen blickten, wunderten sie sich und stießen Freudenrufe aus. Als aber die Zuschauer sich mehrten, fingen sie an, die Edelsteine durcheinander zu bringen; sie nahmen sie aus dem Kästchen und zerstreuten sie auf dem Tisch. EG.73.3 Teilen

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Ich dachte daran, dass der Eigentümer das Kästchen und die Juwelen von meiner Hand wieder fordern würde, und wenn ich zuließ, dass sie zerstreut würden, so könnte ich sie niemals wieder in derselben Ordnung in das Kästchen legen. Ich flehte, dass ich niemals imstande sein würde, eine so große Verantwortlichkeit zu übernehmen. Dann fing ich an, die Leute zu bitten, sie nicht anzufassen noch sie aus dem Kästchen zu nehmen; aber je mehr ich bat, desto mehr warfen sie sie umher — und nun schienen sie dieselben über das ganze Zimmer, auf den Boden und auf alle Möbel in dem Zimmer zu zerstreuen. EG.74.1 Teilen

Dann sah ich, dass sie unter die echten Juwelen und Münzen eine ganze Anzahl unechter Steine und falsches Geld gestreut hatten. Ich war aufs höchste über das schlechte Betragen und die Undankbarkeit der Leute entrüstet und tadelte sie deshalb; aber je mehr ich sie zurechtwies, desto mehr streuten sie die falschen Juwelen und Geldstücke unter die echten. EG.74.2 Teilen

Dann wurde ich sehr ärgerlich und versuchte, sie mit Gewalt aus dem Zimmer zu entfernen; aber während ich einen hinausbrachte, kamen drei andere herein und brachten Schmutz und Sand und allerlei Unrat mit herein, bis alle echten Juwelen, Diamanten und Münzen damit bedeckt waren und man sie nicht mehr sehen konnte. Dann rissen sie auch mein Kästchen in Stücke und warfen es in den Schmutz. Ich dachte, dass niemand meinen Kummer sähe, wurde ganz entmutigt und niedergeschlagen und setzte mich hin und weinte. EG.74.3 Teilen

Während ich nun weinte und über meinen großen Verlust und meine Verantwortlichkeit klagte, dachte ich an Gott und bat ihn ernstlich, mir Hilfe zu senden. EG.74.4 Teilen

Gleich darauf öffnete sich die Tür, und ein Mann trat ein. Da verließen alle Leute das Zimmer. Er hatte einen Besen in seiner Hand, öffnete die Fenster und fing an, den Staub und den Schmutz aus dem Zimmer hinauszufegen. EG.74.5 Teilen

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Ich rief ihm zu, aufzuhören, weil kostbare Edelsteine unter den Schmutz gestreut seien. Er sagte mir, ich solle keine Furcht haben, er wolle auf sie achtgeben. Während er dann den Schmutz und Staub hinausfegte, flogen alle die falschen Steine und Münzen gleich einer Wolke zum Fenster hinaus, und der Wind wehte sie hinweg. Ich hatte meine Augen in dem Wirrwarr einen Augenblick geschlossen, und als ich sie wieder öffnete, war aller Schmutz weg. Die kostbaren Juwelen, Diamanten, Gold- und Silbermünzen lagen im Überfluß über das ganze Zimmer zerstreut umher. EG.75.1 Teilen

Dann stellte er ein Kästchen auf den Tisch, größer und herrlicher als das erste, sammelte alle die Edelsteine, Diamanten und Münzen zusammen und legte sie in das Kästchen, so dass nicht einer fehlte, obgleich manche der Diamanten nicht größer als ein Stecknadelkopf waren. Dann rief er mich, zu kommen und zu sehen. EG.75.2 Teilen

Ich blickte in das Kästchen, aber meine Augen wurden von dem Anblick geblendet. Die Juwelen hatten einen zehnmal größeren Glanz als vorher. Es schien mir, dass sie durch den Sand unter den Füßen solch gottloser Personen, die sie zerstreut und in den Staub geworfen hatten, gereinigt sein müßten. Sie lagen in wundervoller Ordnung in dem Kästchen, ein jedes an seinem Platz, ohne sichtbare Mühe von Seiten des Mannes. Ich schrie vor Freude auf, und dieser Schrei erweckte mich. EG.75.3 Teilen

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