Portrait von Ellen White
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Vorrede zur ersten englischen Ausgabe von „Erfahrungenund Gesichte“
Vorrede zur ersten englischen Ausgabe von „Erfahrungenund Gesichte“
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Band 1 von „Geistlichen Gaben“ wurde zuerst 1858 veröffentlicht und er ist längere Zeit aus folgenden Gründen außer Druck gewesen: Frau Whites Gesichte über die darin vorgeführten Gegenstände sind seitdem umfassender und vollständiger gewesen als zu der Zeit, da das Buch zuerst gedruckt wurde. Viele der späteren Gesichte wurden niedergeschrieben und unter dem Titel „Spirit of Prophecy“ herausgegeben. Dies war dazu bestimmt, an Stelle der früheren Werke zu treten. Man denkt aber jetzt, dass es besser sei, dieses Buch wieder zu veröffentlichen, weil viele wünschen, die Sache in gedrängter Form zu besitzen, und weil viel mehr Gegenstände berührt werden als in „Spirit of Prophecy.“ EG.121.1 Teilen

Dies kleine Werk ist eine kurze aber lebendige Schilderung des großen Kampfes zwischen Christo und Satan; es beginnt mit der Empörung im Himmel, beschreibt die Versuchung und den Fall der Menschen, das Entwerfen des Erlösungsplanes, das Leben und den Tod Christi, die darauffolgende Erfahrung der Gemeinde und die schließliche Aufrichtung des Reiches Christi. EG.121.2 Teilen

Die in diesem Buch behandelnden Gegenstände, welche Frau White in keiner ihrer anderen Schrisften erwähnte, sind von der höchsten Wichtigkeit und dem größten Wert für die gegenwärtige Gemeinde. Sie führen die Erfahrungen des Volkes Gottes seit den Tagen der Apostel vor, ihren Kampf, ihre Gefahr und ihren Sieg in der nahen Zukunft. Zu den erwähnten Gegenständen gehört die Geschichte der Kirche während des dunklen Zeitalters, der Reformation, der Adventbewegung, des lauten Rufes, der trübseligen Zeit, der Vernichtung der Gottlosen und der schließlichen Belohnung der Gerechten. EG.121.3 Teilen

Der Herausgeber EG.121 Teilen

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Die Gabe der Weissagung offenbarte sich während des jüdischen Zeitalters in der Gemeinde. Wenn sie infolge des zerrütteten Zustandes der Gemeinde auch einige Jahrhunderte verschwunden war, so erschien sie doch gegen das Ende jenes Zeitalters wieder als Vorbote des Messias. Zacharias, der Vater Johannes des Täufers, „war des Heiligen Geistes voll und weissagte.“ Simeon, ein frommer und gottesfürchtiger Mensch, der auf den Trost Israels wartete, kam auf Anregung des Geistes in den Tempel und weissagte von Jesu als „ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preise deines Volkes Israel.“ Hanna, eine Prophetin, „redete von ihm zu allen, die da auf die Erlösung zu Jerusalem warteten.“ Und es war kein größerer Prophet als Johannes der Täufer, welcher von Gott erwählt worden war, Israel „das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt,“ bekanntzumachen. EG.122.1 Teilen

Das christliche Zeitalter begann mit der Ausgießung des Geistes, und viele verschiedene geistliche Gaben wurden unter den Gläubigen offenbart. Diese waren so reichlich, dass Paulus zu der korinthischen Gemeinde sagen konnte: „In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen.“ Einem jeglichen in der Gemeinde, nicht in der Welt, wie manche es angesehen haben. EG.122.2 Teilen

Seit dem großen Abfall sind diese Gaben nur spärlich offenbart worden, und dies ist wahrscheinlich der Grund, warum bekenntliche Christen gewöhnlich glauben, dass sie auf das Zeitalter der ersten Gemeinde beschränkt seien. Aber ist es nicht eine Folge der Irrtümer und des Unglaubens der Gemeinde, dass diese Gaben aufgehört haben? Und wird nicht, wenn das Volk Gottes zu dem ursprünglichen Glauben und denselben Gewohnheiten zurückkehrt, wohin es sicherlich durch Verkündigung der Gebote Gottes und des Glaubens Jesu kommen wird, „der Spätregen“ wieder diese Gaben hervorbringen? Wir sollten es erwarten. Trotz dem Abfall im jüdischen Zeitalter wurde es mit besonderen Offenbarungen des Geistes Gottes eröffnet und beschlossen. Es ist unvernünftig zu denken, dass das christliche Zeitalter, dessen Licht, mit der früheren Bundeszeit verglichen, wie das Licht der Sonne im Vergleich zu den schwachen Strahlen des Mondes ist, in Herrlichkeit beginnen und in Finsternis schließen werde. Und da ein besonderes Werk des Geistes nötig war, um ein Volk auf das erste Kommen des Herrn vorzubereiten, wie viel mehr ist dies bei dem zweiten der Fall; besonders da die letzten Tage gefährlicher sind als alle früheren und falsche Propheten Macht haben werden, große Zeichen und Wunder zu tun, auf dass so es möglich wäre, sie auch die Auserwählten verführen. Aber die Schrift sagt: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die; in meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben; und so sie etwas tödliches Trinken, wird’s ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird’s besser mit ihnen werden.“ Markus 16,15-18. EG.122.3 Teilen

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Die Gaben waren nicht auf die Apostel beschränkt, sondern auf alle Gläubigen ausgedehnt. Wer kann sie haben? Wer da glaubt. Wie lange? Da ist keine Grenze; die Verheißung läuft mit dem wichtigen Auftrag, das Evangelium zu predigen, zusammen und reicht bis zu dem letzten Gläubigen. EG.123.1 Teilen

Aber es wird oft eingewendet, dass diese Hilfe nur den Aposteln und denjenigen, die durch ihre Predigt gläubig wurden, verheißen war; dass sie den Auftrag ausführten, das Evangelium begründeten, und dass die Gaben mit diesem Geschlecht aufhörten. Laßt uns sehen, ob der große Auftrag mit jenem Geschlechte sein Ende fand. „Darum gehet hin und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vater und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie halten, alles was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Matthäus 28,19.20. EG.123.2 Teilen

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Dass die Predigt des Evangeliums auf diesen Auftrag hin nicht mit der ersten Gemeinde ihr Ende erreicht hat, ist klar durch die Verheißung bewiesen: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Es sagt nicht, ich bin mit euch, ihr Apostel, überall, bis an der Welt Ende; sondern, ich bin bei euch a l l e Tage bis an der Welt Ende. Hiermit ist nicht das jüdische Zeitalter gemeint; denn dies hatte bereits am Kreuze sein Ende erreicht. Ich schließe deshalb daraus, dass das Predigen und der Glaube des ursprünglichen Evangeliums durch dieselbe geistliche Hilfe wieder unterstützt werden wird. Der Auftrag an die Apostel gehört dem christlichen Zeitalter an und umfaßt das ganze. Es folgt daraus, dass die Gaben nur durch den Abfall verloren gingen, und dass sie mit der Rückkehr des ursprünglichen Glaubens und der Gewohnheiten zurückkehren werden. EG.124.1 Teilen

Aus 1.Korinther 12,28 ersehen wir, dass der Herr verschiedene geistliche Gaben in die Gemeinde gesetzt hat. Da wir keine Schriftstelle finden können, die uns beweist, dass er sie weggenommen oder aufgehoben habe, so müssen wir zu dem Schluß kommen, dass sie darin verbleiben sollen. Wo ist der Beweis, dass sie abgeschafft sind? In demselben Kapitel, wo der jüdische Sabbat abgeschafft und der christliche Sabbat eingesetzt ist — ein Kapitel in der Geschichte des Geheimnisses der Bosheit und des Menschen der Sünde. Aber der Gegner führt an, dass ein Beweis für das Aufhören der Gaben in folgender Bibelstelle enthalten sei: „Die Liebe höret nimmer auf, so doch die Weissagungen aufhören werden und die Sprachen aufhören werden und die Erkenntnis aufhören wird. Denn unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk. Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindische Anschläge; da ich aber ein Mann ward, tat ich ab, was kindisch war. Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin. Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe.“ 1.Korinther 13,8-13. EG.124.2 Teilen

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Dieser Text sagt das Aufhören geistlicher Gaben voraus, und schließt auch Glauben und Hoffnung ein. Aber w a n n werden diese aufhören? Wir blicken noch vorwärts auf die Zeit, da „die Hoffnung zum frohen Genuß, der Glauben zum Schauen, das Gebet zum Lob geworden ist.“ EG.125.1 Teilen

Sie werden aufhören, wenn das Vollkommene kommen wird, wenn wir nicht länger durch einen dunklen Spiegel, sondern von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Der vollkommene Tag, wann die Gerechten vollkommen gemacht und erkennen werden, wie sie erkannt sind, ist noch in der Zukunft. Es ist wahr, dass der Mensch der Sünde, als er das Mannesalter erreicht hatte, solche „kindischen Dinge“, wie Weissagung, Zungen und Erkenntnis, auch den Glauben, die Hoffnung und die christliche Liebe der ursprünglichen Christen hinweggetan hat. Aber es ist nichts in dem Texte, was zeigte, dass Gott beabsichtige die Gaben, die er in die Gemeinde gesetzt hat, wegzunehmen, bis zur Vollendung ihres Glaubens und ihrer Hoffnung, bis die außerordentliche Herrlichkeit des unsterblichen Zustandes die glänzendsten Entfaltungen geistlicher Kraft und Erkenntnis, die jemals in diesem sterblichen Zustande offenbart wurden, in den Schatten stellen wird. EG.125.2 Teilen

Die Entgegnung, die in 2.Timotheus 3,16 gefunden wird, die manche ganz ernsthaft vorgeführt haben, verdient nicht mehr als eine beiläufige Bemerkung. Wenn Paulus, indem er sagte, dass die Schrift dazu dienen solle, einen Menschen Gottes vollkommen und zu allem guten Werk geschickt zu machen, meinte, dass nichts mehr durch Eingebung geschrieben werden solle, warum fügte er denn in diesem Augenblick etwas zu den Schriften hinzu? Warum legte er schließlich nicht die Feder nieder, sobald er diesen Satz geschrieben hatte? Und warum schrieb Johannes dreißig Jahre später das Buch der Offenbarung? Dies Buch enthält einen anderen Text, welcher zum Beweis der Abschaffung der geistlichen Gaben angeführt wird: „Ich bezeuge allen, die da hören die Worte der Weissagung in diesem Buch: So jemand dazu setzt, so wird Gott zusetzen auf ihn die Plagen, die in diesem Buch geschrieben stehen. Und so jemand davon tut von den Worten des Buchs dieser Weissagung, so wird Gott abtun sein Teil vom Holz des Lebens und von der heiligen Stadt, davon in diesem Buch geschrieben ist.“ Offenbarung 22,18.19. EG.125.3 Teilen

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Von diesem Texte sagt man, dass Gott, der vor Zeiten manchmal und auf mancherlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten und in den Tagen des Evangeliums durch Jesum und seine Apostel, hier feierlich versprochen habe, niemals wieder den Menschen auf solche Weise etwas mitzuteilen. Daher müßten alle Weissagungen nach dieser Zeit falsch sein. Hiermit, sagt man, schlössen die eingegebenen Vorschriften. Wenn dies der Fall ist, warum schrieb Johannes sein Evangelium, als er von Patmos nach Ephesus zurückgekehrt war? Fügte er, indem er dies tat den Worten des Buches der Weissagung, dass er auf der Insel Patmos geschrieben hatte, noch etwas hinzu? Der Text beweist nur, dass sich die Warnung gegen das Hinzufügen oder Wegnehmen nicht auf die Bibel als zusammengestelltes Buch bezieht, sondern nur auf das besondere Buch der Offenbarung, wie es aus der Hand des Apostels hervorging. Doch hat kein Mensch ein Recht, irgendeinem andern Buch, das durch die Eingebung Gottes geschrieben wurde, etwas zuzufügen oder davon wegzunehmen. Fügte Johannes, indem er das Buch der Offenbarung schrieb, etwas dem Buch der Weissagungen hinzu? Durchaus nicht! Ein Prophet hat kein Recht, das Wort Gottes zu verändern. Aber die Gesichte des Johannes bestätigen diejenigen Daniels und werfen mehr Licht auf die Gegenstände, die dort vorgeführt werden. Wir kommen deshalb zu dem Schluß, dass der Herr sich nicht selbst zum Stillschweigen verpflichtet hat, sondern dass er noch Freiheit besitzt, zu reden. Möge es immer die Sprache meines Herzens sein: Rede Herr, durch wen du willst, dein Knecht hört. EG.126.1 Teilen

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So schlägt der Versuch, aus der Schrift das Aufhören der geistlichen Gaben zu beweisen, gänzlich fehl. Solange die Pforten der Hölle (des Grabes) noch nicht die Überhand über die Gemeinde haben, sondern Gott noch ein Volk auf Erden hat, können wir in Verbindung mit der dritten Engelsbotschaft nach der Entwicklung dieser Gaben ausschauen. Diese Botschaft wird die Gemeinde auf den apostolischen Standpunkt zurückbringen und sie in der Tat zum Licht — nicht zur Finsternis — der Welt machen. EG.127.1 Teilen

Ferner werden wir vorher gewarnt, dass in den letzten Tagen falsche Propheten sein werden, und die Bibel gibt uns einen Prüfstein, wonach wir ihre Lehre prüfen können, um zwischen wahren und falschen zu unterscheiden. Der große Prüfstein ist das Gesetz Gottes, das sowohl auf die Weissagungen als auf den Charakter der Propheten angewandt werden soll. Wenn es nun in den letzten Tagen keine wahren Weissagungen geben sollte, wie viel leichter wäre es dann gewesen, diese Tatsache zu erwähnen und so alle Gelegenheit zur Täuschung abzuschneiden, als einen Prüfstein zu geben, wonach man so wohl die echten als auch die falschen prüfen soll. EG.127.2 Teilen

In Jesaja 8,19.20 finden wir eine Weissagung von den Wahrsagern der gegenwärtigen Zeit, und das Gesetz wird als Prüfstein gegeben: „Nach dem Gesetz und Zeugnis! Werden sie das nicht sagen, so werden sie die Morgenröte nicht haben.“ Warum heißt es: „Werden sie das nicht sagen,“ wenn zur selben Zeit keine echte, geistige Offenbarung oder Weissagung da ist? Jesus sagt: „Sehet euch vor, vor den falschen Propheten ... An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ Matthäus 7,15.16. Dies ist ein Teil der Bergpredigt, und alle können sehen, dass diese Rede eine allgemeine Anwendung auf die Gemeinde während des christlichen Zeitalters hat. Falsche Propheten sollen an ihren Früchten erkannt werden; in andern Worten, an ihrem sittlichen Charakter. Der einzige Prüfstein, an dem man erkennen kann, ob ihre Früchte gut oder schlecht sind, ist das Gesetz Gottes. Darum werden wir auf das Gesetz und Zeugnis hingewiesen. Wahre Propheten werden nicht nur in Übereinstimmung mit diesem Worte reden, sondern sie werden auch im Einklang mit ihm leben. Jemand, der so spricht und lebt, wage ich nicht zu verdammen. EG.127.3 Teilen

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Es ist immer eine besondere Eigenschaft der falschen Propheten gewesen, dass sie Gesichte des Friedens schauen, und dass sie gerne sagen: „Friede und Sicherheit!“ während das Verderben plötzlich über sie kommt. Die wahren Propheten werden mutig die Sünde tadeln und vor dem kommenden Zorne warnen. EG.128.1 Teilen

Weissagungen, welche den deutlichen und bestimmten Erklärungen des Wortes widersprechen, sollten verworfen werden. So lehrte unser Heiland seine Jünger, als er sie in Bezug auf die Art und Weise seines zweiten Kommens warnte. Als Jesus vor den Augen seiner Jünger gen Himmel fuhr, wurde von den Engeln sehr ausführlich erklärt, dass dieser Jesus in der selben Weise wiederkommen solle, wie sie ihn gesehen hatten gen Himmel fahren. Deshalb sagt Jesus zu seiner Weissagung zu den falschen Propheten der letzten Tage: „Wenn sie zu euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste! so gehet nicht hinaus, — siehe, er ist in der Kammer! so glaubt nicht.“ Alle wahren Weissagungen über diesen Punkt müssen sein sichtbares Kommen vom Himmel anerkennen. Warum sagt Jesus nicht: Verwerfet alle Weissagungen zu der Zeit, denn es wird dann keine wahren Propheten geben? EG.128.2 Teilen

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„Er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, dass die Heiligen zugerichtet werden zum Werk des Amts, dadurch der Leib Christi erbaut werde, bis dass wir alle hinan kommen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi.“ Epheser 4,11-13. EG.129.1 Teilen

Aus einem vorhergehenden Verse lernen wir, dass Christus, nach dem er in die Höhe gefahren war, den Menschen Gaben gegeben hat. Unter diesen Gaben sind Aposteln, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer aufgezählt. Der Zweck, für den sie gegeben waren, war die Vervollkommnung der Heiligen zu einerlei Glauben und Erkenntnis. Manche, die heutiges Tags bekennen, Hirten und Lehrer zu sein, glauben, dass diese Gaben ihren Zweck vor 1800 Jahren vollkommen erfüllt und nun aufgehört hätten. Warum legen sie nun nicht ihre Titel als Hirten und Lehrer ab? Wenn das Prophetenamt durch diesen Text auf die ursprüngliche Gemeinde beschränkt war, so ist das der Evangelisten ebenfalls, so wie aller übrigen; denn es ist hier kein Unterschied gemacht. EG.129.2 Teilen

Nun laßt uns einen Augenblick über diesen Punkt nachdenken. Alle diese Gaben waren zur Vervollkommnung der Heiligen in der Einheit, der Erkenntnis und dem Geiste gegeben. Unter ihrem Einfluß erfreute sich die erste Gemeinde eine Zeitlang dieser Einheit: „Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.“ Es scheint eine natürliche Folge dieser Einheit zu sein, dass die Apostel mit großer Kraft Zeugnis gaben von der Auferstehung des Herrn, und große Gnade bei ihnen alle war. Apostelgeschichte 4,31-33. Wie wünschenswert wäre jetzt ein solcher Zustand der Dinge! Aber der Abfall mit seinem entzweienden und zerstörenden Einfluß hat die Schönheit der reinen Gemeinde beschädigt und in einen Sack gehüllt. Spaltung und Unordnung waren die Folge. Es gab niemals so viel verschiedene Glaubensansichten im Christentum als heute. Wenn die Gaben nötig waren, um die Einheit der ersten Gemeinde zu bewahren, wie viel nötiger sind sie jetzt, um diese Einheit wieder herzustellen! Dass es die Absicht Gottes ist, diese Einheit der Gemeinde in den letzten Tagen wieder herzustellen, ist zur Genüge aus den Weissagungen ersichtlich. Wir werden versichert, dass die Wächter es mit Augen sehen werden, wenn der Herr Zion bekehrt, und dass in der Zeit des Endes die Verständigen es verstehen werden. Wenn dies erfüllt ist wird eine Einheit des Glaubens unter allen herrschen, die Gott zu den Verständigen zählt; denn diejenigen, die es in Wirklichkeit recht verstehen, müssen es notwendigerweise auch gleich verstehen. Was anders kann diese Einheit herbeiführen als die Gaben, die zu diesem Zwecke gegeben wurden? EG.129.3 Teilen

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Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass der vollkommene Zustand der Gemeinde, wie er hier geweissagt wird, noch zukünftig ist. Folglich haben diese Gaben noch nicht ihr Ende erreicht. Der Brief an die Epheser wurde im Jahre 64 nach Christi geschrieben, etwa zwei Jahre früher, als Paulus dem Timotheus sagte, dass er schon geopfert werde und die Zeit seines Abscheidens vorhanden sei. Der Same des Abfalls keimte zu jener Zeit in der Gemeinde, denn Paulus hatte schon zehn Jahre früher in seinem zweiten Briefe an die Thessalonicher gesagt: „Es regt sich bereits das Geheimnis der Bosheit.“ Es kamen nun gräuliche Wölfe hinein, die der Herde nicht schonten. Die Gemeinde schritt deshalb nicht zu der vollkommenen Einheit weiter, die in dem Texte angeführt ist, sondern wurde durch Zwistigkeiten zerrissen und durch Spaltungen zerstreut. Der Apostel wußte dies; folglich muss er über den großen Abfall hinweggeschaut haben auf die Zeit, da die Übrigen von Gottes Volk gesammelt werden, wenn er sagte: „Bis dass wir alle hinankommen zu einerlei Glauben.“ Deshalb haben die Gaben, die in die Gemeinde gesetzt sind, ihre Zeit noch nicht ausgedient. „Den Geist dämpfet nicht, die Weissagung verachtet nicht; prüfet aber alles, und das Gute behaltet.“ 1.Thessalonicher 5,19-21. EG.130.1 Teilen

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In diesem Brief führt der Apostel den Gegenstand des zweiten Kommens des Herrn ein. Er beschreibt dann den Zustand der ungläubigen Welt zu der Zeit, indem er sagt: Sie werden sagen: „Es ist Friede; es hat keine Gefahr,“ wann der Tag des Herrn über sie kommen wird und das Verderben sie plötzlich wie ein Dieb in der Nacht überfällt. Dann ermahnt er die Gemeinde angesichts dieser Dinge, zu wachen und nüchtern zu sein. Unter den folgenden Ermahnungen sind die angeführten Worte: „Den Geist dämpfet nicht“ usw. Manche mögen denken, dass diese drei Briefe einen gänzlich verschiedenen Sinn haben; es besteht aber eine natürliche Verbindung in ihrer Reihenfolge. Jemand, der den Geist dämpft, wird auch die Weissagungen verachten, welche eine rechtmäßige Frucht des Geistes sind. „Ich will meinen Geist ausgießen ... und eure Söhne und Töchter sollen weissagen.“ Joel 3,1. Der Ausdruck: „Prüfet aber alles“, ist auf den Gegenstand der Abhandlung, die Weissagung, beschränkt, und wir sollen die Geister mit dem Prüfstein prüfen, den Gott uns in seinem Worte gegeben hat. Unsere Zeit ist reich an geistlichen Täuschungen und falschen Weissagungen, und zweifellos findet dieser Text hier eine besondere Anwendung. Aber beachte, der Apostel sagt nicht: Verwerfet alles, sondern: Prüfet alles und das Gute behaltet. „Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Ältesten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen; auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen. Und ich will Wunderzeichen geben im Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des Herrn kommt. Und es soll geschehen, wer des Herrn Namen anrufen wird, der soll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat, auch bei den andern übrigen, die der Herr berufen wird.“ Joel 3. EG.131.1 Teilen

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Diese Weissagung Joels, die von der Ausgießung des Heiligen Geistes in den letzten Tagen spricht, war zu Anfang des christlichen Zeitalters noch nicht erfüllt. Dies erhellt aus den Wundern am Himmel und auf Erden, die in diesem Texte angeführt sind und Vorboten des großen und schrecklichen Tages des Herrn sein sollen. Obgleich wir die Zeichen gehabt haben, ist dieser schreckliche Tag noch zukünftig. Das ganze christliche Zeitalter mag die „letzten Tage“ genannt werden; aber zu sagen, dass die letzten Tage schon seit 1800 Jahren in der Vergangenheit liegen, ist einfältig. Sie reichen bis zum Tode des Herrn und der Errettung der Übrigen von Gottes Volk. „Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat, auch bei den andern übrigen, die der Herr berufen wird.“ EG.132.1 Teilen

Diese Übrigen, die in den Zeichen und Wundern, die den großen und schrecklichen Tag des Herrn ankündigen sollen, die Zeichen der Zeit erkannten, sind zweifellos die Übrigen vom Samen des Weibes, von dem in Offenbarung 12,17 geschrieben wird — das letzte Geschlecht der Gemeinde auf Erden. „Und der Drache ward zornig über das Weib und ging hin, zu streiten mit den übrigen von ihrem Samen, die da Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu Christi.“ EG.132.2 Teilen

Die Übrigen von dem Samen des Weibes werden die Gaben haben. Es wird ein Streit gegen sie erregt werden, weil sie Gottes Gebote halten und das Zeugnis Jesu Christi haben. Offenbarung 12,17. In Offenbarung 19,10 sagt es, dass das Zeugnis Jesu der Geist der Weissagung ist. Der Engel sagte: „Ich bin dein Mitknecht und deiner Brüder, die das Zeugnis Jesus haben.“ Im 22. Kapitel wiederholt er dasselbe wie folgt: „Ich bin dein Mitknecht und deiner Brüder, der Propheten.“ Bei der Vergleichung sehen wir die Kraft des Ausdrucks: „Das Zeugnis aber Jesu ist der Geist der Weissagung.“ Das Zeugnis Jesu schließt jedoch alle Gaben dieses einen Geistes ein. Paulus sagt: „Ich danke meinem Gott alle Zeit eurethalben für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christo Jesu, dass ihr seid durch ihn an allen Stücken reich gemacht, an aller Lehre und in aller Erkenntnis; wie denn die Predigt von Christo in euch kräftig geworden ist, also dass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesu Christi.“ 1.Korinther 1,4-7. EG.132.3 Teilen

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Das Zeugnis Jesu befand sich in der korinthischen Gemeinde; und was war die Folge? Sie hatten keinen Mangel an irgendeiner Gabe. Dürfen wir deshalb nicht erwarten, dass die Übrigen, wenn sie im Zeugnis Jesu völlig begründet sind, keinen Mangel an irgendeiner Gabe haben werden, wenn sie auf das Kommen unseres Herrn Jesu Christi warten? EG.133.1 Teilen

R.F. Cottrell EG.133 Teilen

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Satan war einst im Himmel ein erhabener Engel, der nächste nach Christo. Sein Antlitz war sanft, gleich demjenigen der anderen Engeln, und trug den Ausdruck der Glückseligkeit. Seine Stirn war hoch und breit, war vollkommen; sein Betragen edel und majestätisch. Aber als Gott zu seinem Sohn sprach: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei,“ da wurde Satan eifersüchtig auf Jesum. Er wünschte betreffs der Erschaffung des Menschen um Rat gefragt zu werden, und weil dies nicht geschah, wurde er mit Zorn, Haß und Eifersucht erfüllt. Er wollte gerne die höchste Ehre nächst Gott im Himmel empfangen. EG.134.1 Teilen

Bis zu dieser Zeit war der ganze Himmel in Ordnung, Eintracht und vollkommener Unterwerfung unter das Regiment Gottes gewesen. Es war die größte Sünde, sich gegen seinen Befehl und Willen zu empören. Der ganze Himmel schien in Aufruhr zu sein. Die Engel waren in Abteilungen angetreten, jede Abteilung mit einem höheren befehlenden Engel an ihrer Spitze. Satan, darnach strebend, sich selbst zu erhöhen, und nicht bereit, sich der Oberherrschaft Jesu zu unterwerfen, brachte Anspielungen gegen die Herrschaft Gottes vor. Manche Engel verbanden sich mit Satan in seiner Empörung, andere stritten für die Ehre und Weisheit Gottes, indem er die Oberherrschaft seinem Sohne gab. Es war ein Streit unter den Engeln. Satan und die mit ihm übereinstimmten, strebten danach, die Herrschaft Gottes zu verbessern. Sie wünschten, in seine unerforschliche Weisheit einzudringen und seine Absicht zu erfassen, warum er Jesum so erhaben machte und ihm solch unbegrenzte Macht und Herrschaft verlieh. Sie empörten sich gegen die Obrigkeit des Sohnes. Alle himmlischen Heerscharen wurden aufgefordert, vor dem Vater zu erscheinen, auf dass jeder Fall entschieden werde. Es wurde dann beschlossen, dass Satan mit allen Engeln, die sich ihm in der Empörung angeschlossen hatten, aus dem Himmel gestoßen werden sollten. Dann entstand ein Streit im Himmel. Engel waren an dem Kampf beteiligt. Satan wollte den Sohn Gottes und alle, die sich seinem Willen unterworfen hatten, besiegen. Aber die guten und treuen Engel überwanden, und Satan samt seinen Nachfolgern wurde aus dem Himmel vertrieben. EG.134.2 Teilen

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Nachdem Satan und die mit ihm Gefallenen aus dem Himmel ausgeschlossen waren und er erkannte, dass er all seine Reinheit und Herrlichkeit für ewig verloren hatte, da bereute er es und wünschte, wieder in den Himmel eingesetzt zu werden. Er war bereit, seinen früheren Platz oder irgendeine Stellung, die ihm zugewiesen würde, einzunehmen. Aber nein, der Himmel durfte nicht in Gefahr gebracht werden. Der ganze Himmel hätte verdorben werden können, wenn er zurückgekommen wäre, denn die Sünde hatte in ihm ihren Ursprung und der Same der Empörung lag in ihm. Er und seine Nachfolger weinten und baten, wieder in die Gunst Gottes aufgenommen zu werden. Aber ihre Sünde — ihr Haß, ihr Zorn und ihre Eifersucht — war so groß, dass Gott sie nicht auslöschen konnte. Sie musste bleiben, um ihre endliche Strafe zu empfangen. EG.135.1 Teilen

Als Satan zu der Überzeugung kam, dass es keine Möglichkeit gab, die Gunst Gottes wieder zu erlangen, wurden seine Bosheit und sein Zorn offenbar. Er beriet sich mit seinen Engeln, und sie entwarfen einen Plan, gegen die Regierung Gottes zu arbeiten. Als Adam und Eva in den herrlichen Garten gesetzt wurden, legte Satan Pläne sie zu vernichten. Dies glückliche Paar konnte auf keine Weise seines Glückes beraubt werden, wenn es Gott gehorchte. Satan konnte seine Macht über dasselbe nicht ausüben, bis es Gott ungehorsam wurde und seine Gunst verwirkte. Es musste deshalb ein Plan ersonnen werden, um die Menschen zum Ungehorsam zu verführen, damit sie sich das Mißfallen Gottes zuziehen und unter den Einfluß Satans und seiner Engel gelangen möchten. Es wurde beschlossen, dass Satan eine andere Gestalt annehmen und Interesse für den Menschen an den Tag legen sollte. Er musste Einflüsterungen gegen Gottes Wahrhaftigkeiten machen und Zweifel erregen, ob Gott gerade das meine, was er sagte. Zunächst musste er ihre Wißbegierde zu erregen suchen und sie dahin bringen, die unerforschlichen Pläne Gottes erforschen zu wollen — dieselbe Sünde deren Satan schuldig geworden war — und die Ursache zu untersuchen, warum Gott ihnen den Baum der Erkenntnis verboten habe. EG.135.2 Teilen

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Heilige Engel besuchten oft den Garten und gaben Adam und Eva Belehrungen betreffs ihrer Beschäftigung; sie belehrten sie auch über die Empörung und den Fall Satans. Die Engel warnten sie vor Satan und ermahnten sie, sich bei ihrer Arbeit nicht von einander zu trennen; denn sie könnten in Berührungen mit dem gefallenen Feinde kommen. Die Engel schärften ihnen auch ein, sich streng an die Vorschriften zu halten, die Gott ihnen gegeben habe, denn nur bei vollkommenem Gehorsam seien sie sicher. Dann könnte dieser gefallene Feind keine Macht über sie haben. EG.136.1 Teilen

Satan fing sein Werk bei Eva an, indem er sie veranlaßte, ungehorsam zu sein; dann, indem sie dem verbotenen Baume sich näherte, und ferner, indem sie auf die Stimme des Versuchers hörte und zu bezweifeln wagte, was Gott gesagt hatte: „Welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.“ Sie dachte, dass der Herr vielleicht nicht gerade das meine, was er gesagt habe, streckte ihre Hand aus, nahm von der Frucht und aß. Dieselbe war für das Auge lieblich und für den Geschmack angenehm. Dann war sie eifersüchtig, dass Gott ihnen das vorenthalten habe, was nur zu ihrem Gute sei, bot die Frucht ihrem Manne an und versuchte auch ihn dadurch. Sie erzählte Adam alles, was die Schlange ihr gesagt hatte, und drückte ihr Erstaunen darüber aus, dass diese die Gabe der Sprache habe. EG.136.2 Teilen

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Ich sah, dass eine tiefe Traurigkeit sich über Adams Angesicht legte. Er schien erschreckt und erstaunt; es schien ein Kampf in ihm vorzugehen. Er fühlte sicher, dass dies der Feind war, vor dem sie gewarnt worden waren, dass sein Weib sterben musste. Dies bedeutete Trennung für beide. Seine Liebe zu Eva war groß, und in gänzlicher Entmutigung beschloß er ihr Schicksal zu teilen. Er ergriff die Frucht und aß sie rasch. Dann frohlockte Satan. Er hatte im Himmel Empörung angerichtet und hatte Genossen gefunden, die ihn liebten und die ihm in der Empörung nachfolgten. Er war gefallen und hatte andere mit in seinen Fall gezogen. Nun hatte er das Weib versucht, Gott zu mißtrauen, seine Weisheit in Frage zu stellen und seine allweisen Pläne zu durchdringen zu suchen. Adam wurde durch seine Liebe zu Eva dem Gebote Gottes ungehorsam und fiel mit ihr. EG.137.1 Teilen

Die Nachricht von dem Fall des Menschen verbreitete sich im Himmel, und jede Harfe verstummte, die Engel nahmen im Schmerz ihre Kronen von ihren Häuptern. Der ganze Himmel war in Aufruhr. Es wurde ein Rat gehalten, zu entscheiden, was mit dem schuldigen Paar geschehen sollte. Die Engel fürchteten, dass sie die Hand ausstrecken, von dem Baum des Lebens essen und unsterbliche Sünder werden möchten. Aber Gott sagte, dass er die Übertreter aus dem Garten austreiben wolle. Es wurden unverzüglich Engel beauftragt, den Weg zu dem Baum des Lebens zu bewahren. Es war Satans überlegter Plan, dass Adam und Eva Gott ungehorsam seien, sich sein Mißfallen zuziehen und dann von dem Baum des Lebens nehmen sollten, damit sie für ewig in Sünde und Ungehorsam leben möchten und auf diese Weise die Sünde unsterblich sei. Aber es wurden heilige Engel gesandt, sie aus dem Garten zu treiben und von dem Baum des Lebens abzuhalten. Jeder dieser mächtigen Engel hatte in seiner rechten Hand etwas, was das Aussehen eines glänzenden Schwertes hatte. EG.137.2 Teilen

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Da triumphierte Satan. Er hatte durch seinen Fall anderen Leid zugefügt. Er war aus dem Himmel, die Menschen aus dem Paradiese ausgeschlossen worden. EG.138.1 Teilen

Der Himmel wurde mit Trauer erfüllt, als es bekannt wurde, dass der Mensch verloren sei und dass die Welt, die Gott geschaffen hatte, mit sterblichen Wesen erfüllt würde, die zu Elend, Krankheit und Tod verurteilt waren, und dass es keine Errettung für den Übertreter gab. Die ganze Familie Adams musste sterben. Dann sah ich Jesum und bemerkte auf seinem Angesicht einen Ausdruck des Mitgefühls und des Kummers. Bald sah ich, wie er sich dem strahlenden Lichte näherte, welches den Vater umgab. Mein begleitender Engel sagte: „Er hat eine geheime Unterredung mit seinem Vater.“ Während Jesus mit dem Vater redete, schien die Besorgnis der Engel auf das Höchste gespannt. Dreimal umschloß ihn das herrliche Licht, dass den Vater umgab, und als er das dritte Mal kam, konnte man seine Gestalt sehen. Sein Angesicht war sanft, frei von aller Angst und Sorge und glänzte mit einer Lieblichkeit, die Worte nicht beschreiben können. Dann machte er der Engelschar bekannt, dass ein Weg der Rettung für den verlorenen Menschen gefunden sei. Er sagte ihnen, dass er mit seinem Vater darüber gesprochen und sein eigenes Leben als Lösegeld angeboten habe, dass er das Urteil des Todes auf sich nehmen wolle, auf dass der Mensch durch ihn Vergebung erlangen möchte. Durch die Verdienste seines Blutes und durch Gehorsam gegen das Gesetz Gottes könne der Mensch die Gunst Gottes und den Zutritt zu dem herrlichen Garten wiedererlangen und von der Frucht des Lebensbaumes essen. EG.138.2 Teilen

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Zuerst konnten sich die Engel darüber nicht freuen; denn ihr Gebieter verheimlichte nichts vor ihnen, sondern legte ihnen den Erlösungsplan offen dar. Jesus sagte ihnen, dass er zwischen dem Zorn seines Vaters und der schuldigen Menschheit stehe, dass er Schmach und Schande tragen wolle, dass aber nur wenige ihn als den Sohn Gottes annehmen würden. Fast alle würden ihn hassen und verwerfen. Er wolle all seine Herrlichkeit im Himmel verlassen, als ein Mensch auf Erden erscheinen, sich selbst als ein Mensch erniedrigen, durch seine Erfahrung mit den verschiedenen Versuchungen bekannt werden, denen der Mensch ausgesetzt sei, auf dass er denen eine Hilfe sein könne, die versucht würden. Wenn er dann seine Mission als Lehrer beendet haben würde, müsse er in die Hände der Menschen überliefert werden und faßt jegliche Schmähung und Qual erdulden, wozu Satan und seine Engel gottlose Menschen anstiften könnten. Er müsse des grausamsten Tode sterben, zwischen Himmel und Erde als ein schuldiger Sünder hängen. Er müsse schreckliche Stunden der Todesangst erleiden, welche selbst die Engel nicht mit ansehen könnten, sondern ihre Angesichter vor dem Anblick bedecken würden. Aber er müsse nicht nur die Angst des Leibes erdulden, sondern Seelenangst, mit der die körperlichen Leiden in keiner Weise verglichen werden könnten. Die Sündenlast der ganzen Welt würde auf ihm ruhen. Er sagte ihnen, dass er sterben und am dritten Tage wieder auferstehen und zu seinem Vater aufsteigen wolle, um für den abgewichenen schuldigen Menschen zu bitten. EG.139.1 Teilen

140

Die Engel fielen vor ihm nieder und boten ihr Leben zum Opfer an. Jesus sagte ihnen, dass er durch seinen Tod viele retten, dass aber das Leben eines Engels die Schuld nicht tilgen könne. Sein Leben allein könne von dem Vater als Lösegeld für den Menschen angenommen werden. Jesus sagte ihnen auch, dass sie an seinem Werke Anteil haben, bei ihm sein und zu Zeiten ihn stärken sollten. Er würde die Natur des gefallenen Menschen annehmen, und seine Kraft würde sogar geringer sein als die ihrige. Sie sollten Zeugen seiner Demütigung und seiner großen Leiden sein. Wenn sie dann seine Qualen und den Haß der Menschen gegen ihn sehen würden, so würden sie mit der tiefsten Rührung erfüllt werden und würden durch ihre Liebe zu ihm wünschen, ihn von seinen Mördern zu befreien und zu erretten. Sie sollten aber nicht eingreifen, um irgend etwas zu verhindern, was sie sehen würden; sie sollten aber einen Anteil an seiner Auferstehung haben. Der Erlösungsplan war ausgedacht, und sein Vater hatte diesen Plan angenommen. EG.140.1 Teilen

Mit heiliger Traurigkeit tröstete und beruhigte Jesus die Engel und belehrte sie, dass späterhin alle, die er erlösen würde, mit ihm sein und für ewig bei ihm wohnen würden, dass er durch seinen Tod viele loskaufen und den, der des Todes Gewalt hat, vernichten werde. Sein Vater würde ihm das Reich und alle Gewalt und Macht des Königreiches unter dem ganzen Himmel geben, und er würde es immer und ewiglich besitzen. Satan und die Sünder würden vernichtet werden, um niemals wieder den Frieden des Himmels oder der gereinigten neuen Erde zu stören. Er gebot der himmlischen Schar, einig zu sein mit dem Plane, den sein Vater angenommen habe, und sich zu freuen, dass durch seinen Tod der gefallene Mensch wieder mit Gott versöhnt werde und sich des Himmels erfreuen könne. EG.140.2 Teilen

Da erfüllte unaussprechliche Freude den Himmel, und die himmlischen Scharen sangen ein Lied zur Anbetung und zum Preise. Sie rührten ihre Harfen und besangen im höheren Ton als vorher die große Gnade und Herablassung Gottes, die den einzig geliebten Sohn für ein empörerisches Geschlecht in den Tod gab. Dann brachten sie Preis und Anbetung für die Selbstverleugnung und das Opfer des Heilandes dar, der bereit war, des Vaters Schoß zu verlassen, ein Leben der Leiden und Angst und einen schmählichen Tod zu erwählen, auf dass er anderen Leben geben möchte. EG.140.3 Teilen

141

Der Engel sagte: „Glaubst du, dass der Vater seinen geliebten Sohn ohne Kampf dahingab? — Nein, nein! Es war selbst für den Gott im Himmel ein Kampf, ob er den schuldigen Menschen verloren gehen oder seinen geliebten Sohn für ihn in den Tod geben sollte.“ Die Engel nahmen solch regen Anteil an der Errettung des Menschen, dass unter ihnen solche hätten gefunden werden können, die ihre Herrlichkeit und ihr Leben für den verlorenen Menschen hingegeben hätten. „Aber,“ sagte mein begleitender Engel „dass würde nicht genügen! Die Übertretung war so groß, dass das Leben eines Engels die Schuld nicht bezahlen konnte. Nur der Tod und die Fürsprache des Sohnes Gottes konnten die Schuld bezahlen und den verlorenen Menschen von hoffnungslosem Kummer und Elend erlösen.“ EG.141.1 Teilen

Aber das Werk, das den Engel zugewiesen wurde, bestand darin, mit stärkendem Balsam aus der Herrlichkeit auf- und abzusteigen, um den Sohn Gottes in seinem Leiden zu trösten und ihm Handreichung zu tun. Ferner war es ihre Aufgabe, die Untertanen der Gnade vor den bösen Engeln zu bewachen und sie vor der Finsternis, die Satan beständig um sie verbreitete, zu bewahren. Ich sah, dass es für Gott unmöglich war, sein Gesetz zu ändern, um den verlorenen, dem Verderben anheimgefallenen Menschen zu retten; deshalb duldete er, dass sein geliebter Sohn für die Übertretungen der Menschen starb. EG.141.2 Teilen

Dann frohlockte Satan mit seinen Engeln, dass er durch den Fall des Menschen den Sohn Gottes aus seiner erhabenen Stellung bringen könne. Er erklärte seinen Engeln, dass, wenn Jesus die gefallene menschliche Natur auf sich nehmen würde, er ihn überwinden und ihn die Ausführung des Erlösungsplanes verhindern könne. EG.141.3 Teilen

142

Satan wurde mir gezeigt, wie er einst war, ein glücklicher, erhabener Engel. Dann wurde er mir gezeigt, wie er jetzt ist. Er hat noch eine königliche Gestalt, seine Züge sind noch edel, denn er ist ein Engel, obwohl gefallen. Aber der Ausdruck seines Gesichts ist voller Kummer, Sorge, Unzufriedenheit, Bosheit, Haß, Unheil, Betrug, voll alles Bösen. Dies Gesicht, welches einst so edel war, betrachtete ich besonders. Seine Stirn trat von den Augen an zurück. Ich sah, dass er immer tiefer fiel, bis jede gute Eigenschaft verdorben und jede böse entfaltet war. Seine Augen waren listig und zeigten großen Scharfsinn. Seine Gestalt war groß, aber das Fleisch hing lose an seinen Händen und an seinem Gesichte. Als ich ihn sah, ruhte sein Kinn auf seiner linken Hand. Er schien in Gedanken versunken zu sein. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, welches mich zittern machte, es war voller Bosheit und satanischer List. Dies Lächeln trägt er zur Schau, wenn er sich seines Opfers sicher ist, und wenn er dies Opfer in seinen Schlingen gefangen hat, wird sein Lächeln schrecklich. EG.142.1 Teilen

Ich wurde in die Zeit zurückversetzt, da Jesus die menschliche Natur auf sich nahm, sich selbst erniedrigte und die Versuchungen Satans erduldete. Seine Geburt geschah ohne irdische Ehren. Er wurde in einem Stalle geboren und in eine Krippe gebettet; aber doch wurde seine Geburt mehr geehrt als die irgendeines Menschenkindes. Engel vom Himmel benachrichtigten die Hirten von dem Kommen Jesu, und Licht und Herrlichkeit von Gott begleitete ihr Zeugnis. Die himmlischen Heerscharen rührten ihre Harfen und priesen Gott. Sie verkündigten mit Frohlocken das Kommen des Sohnes Gottes auf eine gefallene Welt, um das Werk der Erlösung zu vollbringen und durch seinen Tod den Menschen Frieden, Glückseligkeit und ewiges Leben zu bringen. Gott ehrte die Ankunft seines Sohnes, Engel beteten ihn an. EG.142.2 Teilen

143

Bei seiner Taufe schwebten Engel Gottes über ihm; der Heilige Geist kam herab in der Gestalt einer Taube und blieb auf ihm, und als das Volk höchst verwundert dastand und die Augen auf ihn richtete, da wurde die Stimme des Vaters vom Himmel gehört, die sagte: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich wohlgefallen habe.“ EG.143.1 Teilen

Johannes war nicht sicher, dass es der Heiland sei, der zu ihm kam, um im Jordan getauft zu werden; aber Gott hatte ihm ein Zeichen verheißen, woran er das Lamm Gottes erkennen sollte. Dies Zeichen wurde gegeben, als die himmlische Taube auf Jesu ruhen blieb und die Herrlichkeit Gottes ihn umleuchtete. Johannes streckte sein Hand aus, wies auf Jesum und rief mit lauter Stimme: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt!“ EG.143.2 Teilen

Johannes sagte seinen Jüngern, dass Jesus der verheißene Messias, der Heiland der Welt sei. Als sein Werk zu Ende ging, belehrte er sie, auf Jesum zu sehen und ihm als dem großen Lehrer zu folgen. Das Leben des Johannes war voller Kummer und Selbstverleugnung. Er verkündete das erste Kommen Jesu, aber es war ihm nicht erlaubt, Zeuge seiner Wunder zu sein und sich der Macht zu erfreuen, die sich in ihm offenbart. Johannes wußte, dass wenn Jesus als Lehrer auftreten würde, er selbst sterben müsse. Seine Stimme wurde, außer in der Wüste, selten vernommen. Sein Leben war einsam. Er hing nicht an der Familie seines Vaters, um sich ihres Umganges zu erfreuen, sondern verließ sie, um seine Mission zu erfüllen. Scharen verließen die geschäftigen Städte und Dörfer und versammelten sich in der Wüste, um die Worte des wunderbaren Propheten zu hören. Johannes legte die Axt an die Wurzel des Baumes. Er tadelte die Sünde, ohne Furcht vor den Folgen, und bereitete den Weg für das Lamm Gottes. EG.143.3 Teilen

144

Herodes wurde tief bewegt, als er dem kraftvollen, treffenden Zeugnis des Johannes lauschte, und fragte mit tiefem Interesse, was er tun müsse, um sein Jünger zu werden. Johannes war mit der Tatsache bekannt, dass Herodes seines Bruders Weib heiraten wollte, während ihr Mann noch am Leben war, und gewissenhaft sagte er ihm, dass dies ungesetzlich sei. Herodes war aber nicht bereit, ein Opfer zu bringen. Er heiratete seines Bruders Weib und, durch dieses dazu veranlaßt, ergriff er Johannes und legte ihn ins Gefängnis, willens, ihn gelegentlich frei zu lassen. Während Johannes sich dort befand, hörte er durch seine Jünger von den mächtigen Werken Jesu. Er konnte seinen köstlichen Worten nicht lauschen, aber seine Jünger berichteten ihm davon und trösteten ihn mit dem, was sie gehört hatten. Bald wurde Johannes auf Veranlassung des Weibes des Herodes enthauptet. Ich sah, dass der geringste Jünger, der Jesu nachfolgte, Zeuge seiner Wunder war und die trostreichen Worte hörte, die von seinen Lippen fielen, größer war als Johannes der Täufer; d.h. er war erhabener und mehr geehrt und hatte im Leben mehr Freude. EG.144.1 Teilen

Johannes kam in dem Geiste und der Kraft Elias, um das erste Kommen Christi zu verkündigen. Ich wurde auf die letzten Tage verwiesen und sah, dass Johannes diejenigen darstellte, die in dem Geist und der Kraft des Elias vorwärtsgehen, den Tag des Zornes Gottes und das zweite Kommen Christi zu verkündigen. EG.144.2 Teilen

Nach seiner Taufe im Jordan wurde „Jesus vom Geiste in die Wüste geführt, auf dass er von dem Teufel versucht würde.“ Der Heilige Geist hatte ihn für diese besondere Zeit der starken Versuchungen vorbereitet. Vierzig Tage lang wurde er von Satan versucht, und in diesen Tagen aß er nichts. Alles um ihn herum war unschön, so dass die menschliche Natur davor zurückschrecken musste. Er weilte mit den wilden Tieren und dem Teufel an einem düsteren einsamen Ort. Der Sohn Gottes sah durch Fasten und Leiden bleich und abgezehrt aus. Aber sein Weg war ihm vorgezeichnet, und er musste das Werk vollbringen, für welches er gekommen war. EG.144.3 Teilen

145

Satan nahm den Vorteil war, der ihm aus den Leiden des Sohnes Gottes erwuchs, und nahte sich ihm mit mancherlei Versuchungen. Er hoffte, den Sieg über ihn zu gewinnen, weil er sich als ein Mensch erniedrigt hatte. Er nahte Jesu mit der Versuchung: „Bist du Gottes Sohn, so sprich zu dem Stein, dass er Brot werde.“ Er versuchte Jesum, sich herabzulassen und ihm einen Beweis zu geben, dass er der Messias sei, indem er seine göttliche Macht offenbare. EG.145.1 Teilen

Jesus antwortete ruhig: „Es steht geschrieben: Der Mensch lebt nicht allein vom Brot, sondern von einem jeglichen Wort Gottes.“ EG.145.2 Teilen

Satan versuchte auch, mit Jesu darüber zu streiten, ob er der Sohn Gottes sei. Er verwies auf seinen schwachen, leidenden Zustand und behauptete prahlerisch, dass er stärker sei als Jesus. Aber das vom Himmel gesprochene Wort: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich wohlgefallen habe“, war genügend, Jesu durch alle Leiden hindurch zu helfen. Ich sah, dass Jesus nichts zu tun brauchte, um den Satan von seiner Macht oder davon, dass er der Heiland der Welt sei, zu überzeugen. Satan hatte genügende Beweise von seiner erhabenen Stellung und Macht. Seine Abneigung, die Herrschaft Christi anzuerkennen, hatte ihn aus dem Himmel ausgeschlossen. EG.145.3 Teilen

Satan führte Jesum, um seine Macht zu zeigen, nach Jerusalem, stellte ihn dort auf eine Zinne des Tempels und nahte ihm mit der Versuchung, ihm den Beweis zu geben, dass er der Sohn Gottes sei, indem er sich von der schwindelnden Höhe herablasse. Er kam mit den Worten der Schrift: „Er wird befehlen seinen Engeln von dir, dass sie dich bewahren und auf den Händen tragen, auf dass du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßest.“ Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Es ist gesagt: Du sollst Gott, deinen Herrn, nicht versuchen.“ Satan wollte Jesum verführen, sich auf die Gnade seines Vaters zu verlassen und sein Leben in Gefahr zu begeben, ehe seine Mission erfüllt sei; er hatte gehofft, dass der Erlösungsplan fehlschlagen sollte; aber der Plan war zu tief gelegt, als dass er durch Satan hätte durchkreuzt werden können. EG.145.4 Teilen

146

Christus ist für alle Christen ein Beispiel. Wenn sie versucht oder ihre Rechte bestritten werden, so sollten sie es geduldig ertragen. Sie sollten nicht denken, dass sie das Recht hätten, den Herrn anzurufen, seine Macht dazu zu entfalten, dass sie einen Sieg über ihre Feinde erringen möchten, es sei denn, dass Gott dadurch geehrt und verherrlicht werden kann. Wenn Jesus sich von der Zinne des Tempels herabgestürzt hätte, so würde er dadurch nicht seinen Vater verherrlicht haben, denn niemand würde Zeuge der Tat gewesen sein als Satan und die Engel Gottes. Es wäre ein Versuchen des Herrn gewesen, seine Macht vor seinem bittersten Feinde zu entfalten. Es wäre ein Herablassen zu dem gewesen, den zu überwinden Jesus gekommen war. EG.146.1 Teilen

„Und der Teufel führte ihn auf einen hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt in einem Augenblick, und sprach zu ihm: Diese Macht will ich dir alle geben und ihre Herrlichkeit; denn sie ist mir übergeben, und ich gebe sie, welchem ich will. So du nun mich willst anbeten, so soll es alles dein sein. Jesus antwortete ihm und sprach: Es stehet geschrieben: Du sollst Gott, deinen Herrn, anbeten und ihm allein dienen.“ EG.146.2 Teilen

Satan führte Jesu die Reiche der Welt in dem anziehensten Lichte vor. Wenn Jesus ihn anbeten wollte, bot er ihm an, seine Ansprüche an den Besitz der Erde aufzugeben. Satan wußte, dass, wenn der Erlösungsplan zu Ende geführt und Jesus für die Erlösung der Menschen sterben würde, seine eigene Macht beschränkt, endlich ganz genommen und er selbst schließlich vernichtet würde. Es war deshalb sein wohlüberlegter Plan, wenn möglich die Vollendung des großen Volkes zu verhindern, welches der Sohn Gottes angefangen hatte. Wenn der Plan, die Menschen zu erlösen, fehlschlagen würde, so würde Satan das Königreich, welches er jetzt beansprucht, behalten. Er schmeichelte sich, dass, wenn er Erfolg haben würde, er dem Gott des Himmels zum Trotz regieren würde. EG.146.3 Teilen

147

Satan frohlockte, als Jesus seine Macht und Herrlichkeit ablegte und den Himmel verließ. Er dachte, dass der Sohn Gottes dann in seine Macht gegeben sei. Bei dem heiligen Paare im Paradies war es ihm so leicht gelungen, sie zu Fall zu bringen, dass er hoffte, durch seine satanische Macht und Schlauheit selbst den Sohn Gottes zu überwinden und dadurch sein eigenes Leben und sein Reich zu retten. Wenn er Jesum versuchen könnte, von dem Willen seines Vaters abzuweichen, so würde er gewonnenes Spiel haben. Aber Jesus trat dem Versucher mit dem Beweis entgegen: „Hebe dich weg von mir, Satan!“ Er beugte sich nur vor seinem Vater. Satan beanspruchte die Reiche der Erde als sein Eigentum und gab Jesu zu verstehen, dass er sich alle seine Leiden ersparen könne; dass er nicht nötig habe zu sterben, um die Reiche dieser Welt zu erlangen. Wenn er ihn anbeten wolle, so könne er alle Reiche der Erde haben und in Herrlichkeit darüber herrschen. Aber Jesus war standhaft, er wußte, dass die Zeit kommen würde, wo er durch sein eigenes Leben das Reich von Satan befreien und nach einer bestimmten Zeit alles im Himmel und auf Erden ihm untertänig sein würde. Er erwählte sein Leben des Leidens und seinen schrecklichen Tod als den von seinem Vater vorgezeichneten Weg, um ein rechtmäßiger Erbe der Reiche der Erde zu werden und sie zum ewigen Besitz zu erhalten. Auch Satan wird dann in seine Hände gegeben, um durch den Tod vernichtet zu werden, auf dass er niemals wieder Jesum oder die Heiligen in der Herrlichkeit beunruhige. EG.147.1 Teilen

148

Nachdem Satan seine Versuchungen beendet hatte, wich er eine Zeitlang von Jesus. Engel bereiteten Nahrung für den Sohn Gottes in der Wüste und stärkten ihn, und der Segen seines Vaters ruhte auf ihm. Satan hatte mit seinen heftigen Versuchungen verloren, doch blickte er vorwärts auf die Zeit des Lehramtes Jesu, wenn er zu verschiedenen Zeiten seine List gegen ihn versuchen wollte. Er hoffte noch, ihm entgegenzuwirken, indem er diejenigen, die Jesum nicht annehmen wollten, aufstachelte, ihn zu hassen und umzubringen. Satan hielt mit seinen Engeln einen besonderen Rat. Sie waren enttäuscht und voller Zorn, dass sie nichts gegen den Sohn Gottes ausrichten konnten. Sie kamen zu der Entscheidung, dass sie schlauer sein und ihre Kräfte aufs äußerste anstrengen müßten, um in die Herzen seines eigenen Volkes Unglauben betreffs seines Berufes als Heiland der Welt zu pflanzen und ihm in seiner Mission zu entmutigen. Es machte nichts aus, wie genau die Jünger in ihren Zeremonien und Opfern waren, wenn sie nur über die Prophezeiungen in Finsternis erhalten blieben und ihnen der Glaube beigebracht werden konnte, dass der Messias als ein mächtiger irdischer König erscheinen würde. Auf diese Weise konnten sie dazu gebracht werden, Jesum zu verachten und zu verwerfen. EG.148.1 Teilen

Es wurde mir gezeigt, dass Satan und seine Engel während des Predigtamtes sehr geschäftig waren, die Menschen mit Unglauben, Haß und Zorn zu erfüllen. Wenn Jesus eine scharfe Wahrheit aussprach, die ihre Sünden tadelte, wurde das Volk oft sehr zornig. Satan und seine Engel trieben sie an, dem Sohne Gottes das Leben zu nehmen. Mehr als einmal hoben sie Steine auf, um sie nach ihm zu werfen. Aber Engel behüteten ihn und trugen ihn aus der zornigen Menge an einen sicheren Ort. Ein andermal, als die reine Wahrheit von seinen heiligen Lippen floß, ergriff ihn die Menge und führte ihn auf die Höhe eines Berges, um ihn abzustürzen. Es erhob sich aber ein Streit unter ihnen, was sie mit ihm tun sollten; da verbargen ihn die Engel wieder vor dem Auge der Menge, und er setzte, mitten durch sie hingehend seinen Weg fort. EG.148.2 Teilen

149

Satan hoffte immer noch, dass der große Erlösungsplan fehlschlagen würde. Er strengte alle seine Kräfte an, um die Herzen seines Volkes hart und ihre Gefühle gegen Jesum bitter zu machen. Er hoffte, dass so wenige ihn als den Sohn Gottes annehmen würden, dass er seine Leiden und seine Opfer für solch kleine Schar zu groß erachten würde. Aber ich sah, dass, wenn nur zwei dagewesen wären, die Jesum als den Sohn Gottes angenommen und an ihn für die Errettung ihrer Seelen geglaubt hätten, er seinen Plan ausgeführt hätte. EG.149.1 Teilen

Jesus fing sein Werk an, indem er die Macht Satans über die Leidenden brach. Er machte die Kranken gesund, gab den Blinden das Gesicht und heilte die Lahmen, dass sie vor Freuden hüpften und Gott lobten. Er macht diejenigen wieder gesund, welche schwach und durch Satans grausame Macht jahrelang gebunden waren. Er tröstete die Schwachen, die Zitternden, die Verzagenden mit sanften Worten. Die Schwachen und Leidenden, die Satan im Triumphe festhielt, entriß er ihm, gab ihnen Gesundheit des Körpers und große Freude und Glückseligkeit. Er erweckte die Toten zum Leben und sie priesen Gott für die mächtige Entfaltung seiner Macht. Er wirkte mächtig für alle, die an ihn glaubten. EG.149.2 Teilen

Das Leben Christi war mit Worten und Handlungen des Wohlwollens, des Mitgefühls und der Liebe erfüllt. Er war immer bereit, die Klagen derjenigen, die zu ihm kamen, anzuhören und ihnen zu helfen. Viele trugen an ihrer eigenen Person den Beweis seiner göttlichen Macht. Dennoch, nachdem das Werk an ihnen getan war, schämten sich viele des demütigen, doch mächtigen Lehrers. Weil die Schriftgelehrten nicht an ihn glaubten, war das Volk nicht bereit, Jesum anzunehmen. Er war ein Mann der mit Schmerzen und mit dem Kummer bekannt war. Sie konnten es nicht ertragen, von seinem ernsten, selbstverleugnenden Leben regiert zu werden. Sie wünschten sich der Ehren zu erfreuen, welche die Welt verleiht. Doch viele folgten auch dem Sohne Gottes nach, lauschten seinen Lehren und ergötzten sich an den köstlichen Worten, die von seinen Lippen fielen. Seine Worte waren sehr inhaltsreich und doch so einfach, dass der Schwächste sie verstehen konnte. EG.149.3 Teilen

150

Satan und seine Engel verblendeten die Augen und verdunkelten das Verständnis der Juden; sie reizten die Obersten des Volkes und die Schriftgelehrten auf, dem Heiland das Leben zu nehmen. Es wurden Diener zu Jesu gesandt, ihn gefangen zu nehmen, aber als sie sich ihm näherten, waren sie sehr erstaunt. Sie sahen ihn bei dem Anblick menschlichen Wehes mit Mitleid und Erbarmen erfüllt. Sie hörten ihn in Liebe und Zärtlichkeit ermutigend zu den Schwachen und Betrübten reden. Sie hörten ihn auch mit mächtiger Stimme die Macht Satans schelten und seinen Gefangenen bieten, frei zu sein. Sie lauschten den Worten der Weisheit, die von seinen Lippen kamen, waren gefesselt und konnten nicht die Hände an ihn legen. Sie kehrten ohne Jesum zu den Priestern und Obersten zurück. Als sie gefragt wurden: „Warum habt ihr ihn nicht gebracht?“ erzählten sie von den Wundern, von denen sie Zeugen gewesen waren, so wie von den heiligen Worten der Weisheit, die Liebe und der Erkenntnis, die sie gehört hatten, und schlossen mit den Worten: „Es hat nie ein Mensch also geredet wie dieser Mensch.“ Die Obersten beschuldigten sie, dass sie auch verführt seien und manche der Diener schämten sich, dass sie ihn nicht ergriffen hatten. Die Pharisäer fragten sie zornig, ob auch irgendein Oberster an ihn glaubte. Ich sah, dass viele von den Obersten und Ältesten an Jesum glaubten, aber der Satan hielt sie von dem Bekenntnis zurück; sie fürchteten den Tadel des Volkes mehr als Gott. EG.150.1 Teilen

151

Bis soweit hatte die List und der Haß Satans den Erlösungsplan nicht aufhalten können. Die Zeit für die Erfüllung dessen, wofür Jesus in die Welt gekommen war, rückte näher. Satan und seine Engel berieten zusammen und beschlossen, Christi eigenes Volk zu beeinflussen, dass es nach seinem Blut verlangen und Grausamkeit und Zorn auf ihn häufen sollte. Sie hofften, dass Christus solche Behandlung übel empfinden und seine Demut und Sanftmut nicht bewahren werde. EG.151.1 Teilen

Während Satan seine Pläne legte, eröffnete Jesus seinen Jüngern sorgfältig die Leiden, durch die er gehen müsse, dass er gekreuzigt werden und am dritten Tage wieder auferstehen würde. Aber ihr Verständnis schien betäubt, und sie konnten das, was er ihnen sagte, nicht erfassen. EG.151.2 Teilen

Als die Jünger bei der Verklärung die Herrlichkeit Christi schauen und die Stimme vom Himmel, die seinen göttlichen Charakter bestätigte, hören durften, da wurde ihr Glaube sehr gestärkt. Gott wollte den Nachfolgern starke Beweise geben, dass er der verheißene Messias sei, auf dass sie in ihrem bitterem Kummer und ihrer Enttäuschung bei seiner Kreuzigung ihr Vertrauen nicht gänzlich wegwerfen sollten. Bei der Verklärung sandte der Herr Mose und Elias, um mit Jesu über seine Leiden und seinen Tod zu sprechen. Anstatt Engel zu senden, um mit seinem Sohne zu unterhandeln, wählte Gott solche, die selbst die irdischen Schwierigkeiten erfahren hatten. EG.151.3 Teilen

152

Elias war mit Gott gewandelt. Sein Werk war schwierig und mühevoll gewesen, denn durch ihn hatte der Herr die Sünden Israels getadelt. Elias war ein Prophet Gottes, und doch war er gezwungen, von Ort zu Ort zu fliehen, um sein Leben zu retten. Sein eigenes Volk hetzte ihn gleich einem wilden Tier, auf dass es ihn vernichten möchte. Aber Gott nahm Elias weg. Engel trugen ihn im Sieg und Triumph gen Himmel. EG.152.1 Teilen

Mose war größer als irgendeiner, der vor ihm gelebt hatte. Er war von Gott hochgeehrt worden, denn er hatte das Vorrecht, von Angesicht zu Angesicht mit Gott zu reden, wie ein Mann mit seinem Freunde spricht. Er durfte das helle Licht und den strahlenden Glanz sehen, der den Vater umgab. Durch Mose befreite der Herr die Kinder Israel aus der ägyptischen Knechtschaft. Moses war ein Mittler für sein Volk und stand oft zwischen ihm und dem Zorn Gottes. Wenn der Zorn des Herrn gegen die Kinder Israel wegen ihres Unglaubens, ihres Murrens und ihrer schrecklichen Sünden mächtig entbrannt war, so wurde die Liebe Moses zu ihnen geprüft. Gott schlug vor, sie zu vernichten und ihn zu einem mächtigen Volke zu machen; aber Moses bewies seine Liebe für die Kinder Israel, indem er ernstlich für sie bat. In seinem Schmerz schrie er zu Gott, sich von seinem grimmigen Zorne abzuwenden und Israel zu vergeben oder seinen Namen aus dem Lebensbuche zu löschen. EG.152.2 Teilen

Als die Kinder Israel wider Gott und wider Mose murrten, weil sie kein Wasser hatten, beschuldigten sie letzteren, dass er sie ausgeführt habe, um sie und ihre Kinder zu töten. Gott hörte ihr Murren und gebot Mose, den Felsen zu schlagen, damit das Volk Wasser haben möge. Moses schlug im Zorn den Felsen und nahm die Ehre für sich. Der fortgesetzte Eigensinn und das Murren der Kinder Israel hatten ihm den tiefsten Kummer verursacht, und er vergaß für eine kurze Zeit, wie viel der Herr mit ihnen ertrug, und dass ihr Murren sich nicht gegen ihn, sondern gegen Gott richtete. Er dachte nur an sich, wie Unrecht ihm geschah und wenig Dankbarkeit sie ihm für seine große Liebe entgegenbrachten. EG.152.3 Teilen

153

Es war Gottes Absicht, sein Volk öfters in schwierige Lagen zu bringen und es dann in seiner Dürftigkeit durch seine Macht zu erretten, damit es seine Liebe und Fürsorge für sich erkennen und ihm dienen und ihn ehren möchte. Aber Moses hatte es versäumt, Gott zu Ehren und seinen Namen vor dem Volke zu verherrlichen, damit es ihn preisen möchte. Dadurch zog er sich das Mißfallen Gottes zu. EG.153.1 Teilen

Als Moses mit den zwei steinernen Tafeln von dem Berge herabkam und sah, wie die Kinder Israel das goldene Kalb anbeteten, da ergrimmt sein Zorn sehr, und er warf die steinernen Tafeln hin und zerbrach sie. Ich sah, dass Moses hierin nicht sündigte, er war erzürnt für Gott und eiferte für seine Ehre. Aber als er den natürlichen Gefühlen seines Herzens folgte und für sich die Ehre nahm, die Gott gehörte, da sündigte er, und wegen dieser Sünde wollte Gott ihn nicht in das Land Kanaan kommen lassen. EG.153.2 Teilen

Satan hatte gesucht, etwas zu finden, dessen er Mose vor den Engel anklagen könne. Er frohlockte über seinen Erfolg, dass er ihn dazu gebracht hatte, sich das Mißfallen Gottes zuzuziehen, und er sagte den Engeln, dass er den Heiland der Welt überwinden könne, wenn er kommen würde, die Welt zu erlösen. Moses kam für seine Übertretung unter die Macht Satans — die Herrschaft des Todes. Wäre er standhaft geblieben, so hätte ihn der Herr in das verheißene Land gebracht und ihn dann, ohne dass er den Tod gesehen hätte, gen Himmel genommen. EG.153.3 Teilen

Moses ging durch den Tod, aber Michael kam herab und gab ihm das Leben wieder, ehe sein Körper die Verwesung sah. Satan versuchte, seinen Leib zu behalten, indem er ihn als sein eigen beanspruchte; aber Michael rief Mose wieder ins Leben und nahm ihn in den Himmel. Satan lästerte Gott schrecklich und beschuldigte ihn der Ungerechtigkeit, indem er erlaube, dass ihm seine Beute genommen werde; aber Christus schallt seinen Widersacher nicht, obgleich der Knecht Gottes durch Satans Versuchungen gefallen war. Er verwies ihn auf seinen Vater und sagte: „Der Herr strafe dich!“ EG.153.4 Teilen

154

Jesus hatte seinen Jüngern gesagt, dass einige bei ihm ständen, die den Tod nicht schmecken würden, bis sie gesehen hätten das Reich Gottes mit Macht kommen. Bei der Verklärung wurde diese Verheißung erfüllt. Das Angesicht Jesu wurde dort verändert und leuchtete wie die Sonne. Sein Gewand war weiß und glänzend. Moses war als Vertreter derjenigen gegenwärtig, die bei dem zweiten Kommen Jesu von den Toden auferweckt werden. Elias, welcher aufgenommen war, ohne den Tod zu sehen, stellt diejenigen dar, die bei dem zweiten Kommen Christi zur Unsterblichkeit verwandelt, und ohne den Tod zu sehen, in den Himmel aufgenommen werden. Die Jünger sahen mit Furcht und Erstaunen die außerordentliche Hoheit Jesu, sowie die Wolke, die ihn überschattete, und hörten die Stimme Gottes in schrecklicher Majestät sagen: „Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören.“ EG.154.1 Teilen

Ich wurde in die Zeit versetzt, als Jesus mit seinen Jüngern das Passahmahl genoß. Der Satan hatte Judas betrogen und ihn glauben gemacht, dass er ein wahrer Jünger des Herrn sei; aber sein Herz war immer fleischlich gesinnt. Er hatte die mächtigen Werke Jesu gesehen, er hatte die Zeit seines Predigtamtes mit ihm durchgemacht und hatte infolge des überwältigenden Beweises zugegeben, das Christus der Messias sei; aber Judas war habsüchtig und geizig; er liebte das Geld. Im Zorne beklagte er die Verschwendung der kostbaren Salbe, die auf die Füße Jesu gegossen wurde. Maria liebte ihren Herrn. Jesus hatte ihr ihre Sünden vergeben, deren gar viele waren; er hatte ihren vielgeliebten Bruder von den Toten auferweckt, und sie fühlte, dass nichts zu kostbar für ihn sei. Je kostbarer die Salbe, desto besser konnte sie ihre Dankbarkeit beweisen, indem sie ihm dieselbe darbrachte. Judas in seinem Geize hingegen meinte, die Salbe hätte verkauft und der Betrag den Armen gegeben werden können. Aber dies sagte er nicht, weil er Mitgefühl für die Armen hegte; denn er war habsüchtig und hatte oft auf unehrliche Weise Mittel, die zum Wohle der Armen bestimmt waren, sich selbst angeeignet. Judas hatte sich unaufmerksam gegen die Bedürfnisse Jesus gezeigt, und um seinen Geiz zu entschuldigen, berief er sich oft auf die Armen. Diese Handlung der Freigebigkeit von Seiten Marias stand in schroffem Gegensatze zu seiner eigenen Selbstsucht. Der Weg für die Versuchung Satans war gebahnt und fand einen lockeren Ackerboden im Herzen des Judas. EG.154.2 Teilen

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Die Priester und Obersten der Juden haßten Jesum; aber große Mengen versammelten sich, seinen weisheitsvollen Worten zu lauschen und seine mächtigen Werke zu sehen. Das Volk wurde von dem tiefsten Interesse bewegt, und voller Eifer folgte es Jesu, um die Unterweisungen des wunderbaren Lehrers zu hören. Viele der Obersten, glaubten an ihn, wagten aber nicht, ihren Glauben zu bekennen, da sie sonst aus ihrer Synagoge verstoßen worden wären. Die Priester und Obersten beschlossen, dass etwas geschehen müsse, um die Aufmerksamkeit des Volkes von Jesu abzuwenden. Sie fürchteten, dass alle Menschen an ihn gläubig würden, und konnten keine Sicherheit für sich selbst sehen. Sie mussten entweder ihre Stellung verlieren oder Jesum töten. Aber nachdem sie seinem Leben ein Ende gemacht hätten, würden noch diejenigen da sein, die lebendige Denkmäler seiner Kraft waren. Jesus hatte den Lazarus von den Toten auferweckt; und sie fürchteten, dass, wenn sie Jesum töteten, Lazarus von seiner großen Macht zeugen würde. Das Volk scharrte sich zusammen, um den zu sehen, der vom Tode auferstanden war, und die Obersten waren entschlossen, auch Lazarus zu töten und dieser Aufregung ein Ende zu machen. Alsdann würden sie das Volk zu den Aufsätzen und Lehren der Menschen bekehren, dass es Kümmel, Dill und Minze verzehnte, und würden aufs neue Einfluß über dasselbe gewinnen. Sie kamen dahin überein, Jesum, wenn er allein wäre, gefangen zu nehmen; denn würden sie es gewagt haben, ihn in einer Menge anzugreifen, während ihm das Volk mit Interesse lauschte, dann hätte man sie gesteinigt. EG.155.1 Teilen

156

Judas wußte, wie sehr sie darauf aus waren, Jesum zu greifen, und erbot sich seinen Herrn für einige Silberlinge an die Priester und Hauptleute zu verraten. Die Liebe zum Gelde brachte ihn soweit, dass er seinen Herrn in die Hände seiner bittersten Feinde überlieferte. Der Satan wirkte durch Judas, und während der ergreifenden Szene des letzten Mahles legte der Verräter Pläne, seinen Herrn zu verraten. Mit rührender Traurigkeit sagte Jesu zu seinen Jüngern, dass sie sich alle in jener Nacht an ihm ärgern würden. Aber mit großem Eifer behauptete Petrus, dass, wenn sie sich auch alle an ihm ärgerten, er sich nicht ärgern würde. Jesus sprach zu Petrus: „Siehe, der Satanas hat euer begehrt, dass er euch möchte sichten wie den Weizen; ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre, und wenn du dich dermaleinst bekehrst, so stärke deine Brüder.“ EG.156.1 Teilen

Ich sah Jesum in dem Garten mit seinen Jüngern. Mit großer Traurigkeit bat er sie, zu wachen und zu beten, damit sie nicht in Anfechtung fielen. Er wußte, dass ihr Glaube auf die Probe gestellt werden sollte, dass sie ihre Hoffnungen dahinschwinden sehen würden, und dass sie aller Kraft, die sie durch anhaltendes Wachen und Beten erlangen könnten, bedürften. Seinen blassen Lippen entrang sich der qualvolle Aufschrei: „Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ Der Sohn Gottes betete in Seelenangst. Große Blutstropfen traten auf seine Stirn und fielen zur Erde. Engel schwebten über dieser Stätte und waren Zeugen dieser Szene, aber nur einer bekam den Auftrag hinzugehen und den Sohn Gottes in seiner Seelenangst zu stärken. Im Himmel herrschte keine Freude. Die Engel warfen ihre Kronen und Harfen von sich und blickten mit dem tiefsten Interesse stillschweigend auf Jesum. Sie wollten den Sohn Gottes umgeben, aber die befehlenden Engel gestatteten dies nicht, sonst möchten sie ihn befreien, wenn sie den Verrat wahrnehmen würden; denn der Plan war gelegt worden und musste ausgeführt werden. EG.156.2 Teilen

157

Nachdem Jesus gebetet hatte, kehrte er wieder zu seinen Jüngern zurück; aber er fand sie schlafend. In jener schrecklichen Stunde hatte er nicht einmal das Mitleid und die Gebete seiner Jünger. Petrus, der sich vor kurzem seiner Hingebung gerühmt hatte, lag im tiefsten Schlafe. Jesus erinnerte ihn an seine bestimmten Behauptungen und sagte zu ihm: „Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?“ Dreimal betete der Sohn Gottes in dieser Seelenangst. Dann erschien Judas mit einer Schar bewaffneter Männer und näherte sich wie gewöhnlich seinem Herrn, um ihn zu begrüßen. Die Schar umgab Jesum; er aber offenbarte seine göttliche Kraft, indem er sagte: „Wen suchet ihr? Ich bin’s!“ Als er dies gesagte hatte, wich die Schar zurück und fiel machtlos zu Boden. Jesus hatte diese Frage gestellt, damit sie seine Kraft wahrnehmen möchten, und um ihnen einen Beweis zu geben, dass er sich aus ihren Händen hätte befreien können, wenn er es gewollt hätte. EG.157.1 Teilen

In den Herzen der Jünger stiegen neue Hoffnungen auf, als sie die Schar mit ihren Schwertern so schnell hinfallen sahen. Als sie sich erhoben und den Sohn Gottes wiederum umgaben, zog Petrus sein Schwert und hieb dem Knechte des Hohenpriesters ein Ohr ab. Aber Jesus befahl Petrus, sein Schwert in die Scheide zu stecken, und sagte: „Meinst du, dass ich nicht könnte meinen Vater bitten, dass er mir zuschicke mehr denn zwölf Legionen Engel?“ Ich sah, dass, als diese Worte geredet wurden, sich die Angesichter der Engel mit neuer Hoffnung belebten. Sie wünschten, ihren Befehlshaber umgeben zu dürfen und jenen bösen Pöbel zu vernichten. Aber Traurigkeit überkam sie wieder, als Jesus die Worte hinzufügte: „Wie würde aber die Schrift erfüllt? Es muss also gehen.“ Auch die Herzen der Jünger wurden mit Verzweiflung und bitterer Enttäuschung erfüllt, als Jesus gestattete, dass seine Feinde ihn ergriffen und banden. EG.157.2 Teilen

158

Die Jünger fürchteten für ihr eigenes Leben; sie verließen ihn alle und flohen. Jesus war mit jener mörderischen Rotte allein gelassen. O, welch ein Triumph für den Satan! Aber welche Traurigkeit und welches Herzeleid verursachte dies den Engeln Gottes! Viele Heerscharen heiliger Engel, deren jede einen Engel als Befehlshaber an ihrer Spitze hatte, waren hingesandt worden, der Szene beizuwohnen. Sie sollten jede Beleidigung und jede Grausamkeit, die dem Sohne Gottes widerfuhr, berichten und jede Seelenqual, die Jesus erleiden musste, aufzeichnen; denn dieselben Männer, die sich dieser schrecklichen Szene damals anschlossen, sollen alles in lebenden Bildern wiedersehen. EG.158.1 Teilen

Als die Engel den Himmel verließen, legten sie in tiefer Traurigkeit ihre glänzenden Kronen nieder. Sie konnten dieselben nicht tragen, während ihr Befehlshaber leiden und eine Dornenkrone tragen musste. Satan und seine Engel waren im Richthaus sehr beschäftigt, jedes menschliche Gefühl und Mitleid zu vernichten. Die Atmosphäre war schwer und von ihrem Einfluß verunreinigt. Die Hohenpriester und Ältesten wurden von ihnen beeinflußt, Jesum auf eine für die menschliche Natur schreckliche Art und Weise zu behandeln. Der Satan hoffte, dass solcher Hohn und Spott ein Klagen oder Murren bei dem Sohne Gottes hervorrufen würde, oder dass er seine göttliche Kraft offenbaren und aus den Händen der Menge entrinnen würde. Dadurch würde der Erlösungsplan dann vereitelt werden. EG.158.2 Teilen

159

Petrus war seinem Herrn, nachdem er verraten war, gefolgt. Er war gespannt, was man mit Jesu machen würde. Als man ihn aber beschuldigte, einer von den Jüngern Jesus zu sein, erklärte er, für seine eigene Sicherheit fürchtend, dass er den Menschen nicht kenne. Die Jünger waren durch die Reinheit ihrer Sprache bekannt, und Petrus, um seine Ankläger zu überzeugen, dass er keiner von den Jüngern Christi sei, verleugnete es zum dritten Mal mit Fluchen und Schwören. Jesus, der in einiger Entfernung von Petrus stand, schaute ihn mit einem traurigen, vorwurfsvollen Blicke an. Da erinnerte sich der Jünger an die vor einigen Stunden auf dem Söller gesprochenen Wort Jesus und auch an seine bestimmte Behauptung: „Wenn sie auch alle sich an dir ärgerten, so will ich doch mich nimmermehr ärgern.“ Er hatte seinen Herrn verleugnet, sogar mit Schwören und Fluchen. Aber jener Blick Jesu schmolz das Herz Petri und errette ihn. Er weinte bitterlich und tat Buße für seine große Sünde, wurde bekehrt und war dann vorbereitet, seine Brüder zu stärken. EG.159.1 Teilen

Die Menge schrie nach dem Blut Jesu. Sie schlugen ihn auf grausame Art und Weise, legten ihm einen alten königlichen Purpurmantel an und setzten eine Dornenkrone auf sein heiliges Haupt. Sie gaben ihm eine Rute in die Hand, beugten sich vor ihm und begrüßten ihn spöttisch: „Gegrüßet seiest du, der Juden König!“ Dann nahmen sie ihm die Rute aus der Hand und schlugen ihm damit auf sein Haupt, wodurch die Dornen in seine Stirn drangen und Blutstropfen über sein Gesicht liefen. EG.159.2 Teilen

Es war sehr schwer für die Engel, diesen Anblick zu ertragen. Sie hätten Jesum befreit, aber der befehlende Engel ließ es nicht zu und erklärte, dass ein großer Preis für den Menschen bezahlt werden müsse. Er würde aber völlig bezahlt werden und den Tod desjenigen verursachen, der die Macht des Todes selbst hatte. Jesus wußte, dass himmlische Heerscharen Zeugen seiner Demütigung waren, und dass der geringste Engel, falls er zu seiner Hilfe herbeigerufen würde, in einem Augenblick jene spottende Menge zerstreuen und ihn aus ihrer Macht befreien könnte. Er wußte, dass, wenn er seinen Vater darum bitten würde, Engel ihn sofort befreien würden. Es war jedoch notwendig, dass er die Wut böser Menschen ertrug, um den Heilsplan auszuführen. EG.159.3 Teilen

160

Jesus stand demütig und ruhig vor der aufgebrachten Menge, während sie ihn aufs schändlichste mißhandelte. Sie spieen ihm ins Angesicht, in jenes Antlitz, vor welchem sie sich dermal einst verbergen wünschen werden, welches das Licht der Stadt Gottes sein und noch heller als die Sonne leuchten wird. Christus gab seinen Beleidigern keinen bösen Blick. Sie bedeckten sein Haupt mit einem alten Gewand und schlugen ihn ins Gesicht, indem sie ausriefen: „Weissage uns, Christi, wer ist’s, der dich schlug.“ Eine Bewegung entstand unter den Engeln. Sie hätten ihn sofort befreit, aber ihr befehlender Engel ließ es nicht zu. EG.160.1 Teilen

Einige seiner Jünger hatten den Mut gefaßt, einzutreten, wo Jesus war und sein Verhör mit anzuhören. Sie erwarteten, dass er seine göttliche Kraft offenbaren, sich selbst aus den Händen seiner Feinde befreien und sie wegen ihrer Grausamkeit gegen ihn bestrafen würde. Ihre Hoffnungen stiegen und sanken, als die verschiedenen Szenen wechselten. Manchmal zweifelten sie und fürchteten, dass sie betrogen seien. Aber die Stimme, die sie auf dem Verklärungsberge vernommen, und die Herrlichkeit, die sie dort gesehen hatten, stärkten ihren Glauben, dass er der Sohn Gottes sei. Sie erinnerten sich der Szenen, welchen sie beigewohnt hatten, der Wunder, welche sie Jesum hatten verrichten sehen, indem er Kranke geheilt, Blinde sehend, Taube hörend gemacht, Teufel gestraft und ausgetrieben. Tote auferweckt und sogar Wind und Meer beruhigt hatte. Sie konnten es nicht glauben, dass er sterben müsse. Sie hofften noch immer, dass er seine Kraft anwenden und mit seiner gebietenden Stimme jene blutdürstige Menge auseinandertreiben werde, wie damals, als er diejenigen aus dem Tempel vertrieb, die seines Vaters Haus zum Kaufhaus gemacht hatten, und die vor ihm flohen, als ob sie von einer Schar bewaffneter Soldaten in die Flucht gejagt wären. Die Jünger hofften, dass Jesus seine Kraft offenbare und es allen klar machen werde, dass er der König von Israel sei. EG.160.2 Teilen

161

Judas wurde mit Gewissensbissen und Scham über seine schändliche Tat erfüllt, Jesum verraten zu haben. Als er nun aber die Schmach, welche der Heiland ertragen musste, wahrnahm, wurde er überwältigt. Er hatte Jesum geliebt, aber das Geld noch mehr. Er hatte nicht geglaubt, dass Jesus sich von jener Rotte, die er anführte, würde gefangennehmen lassen. Er hatte erwartet, dass er ein Wunder verrichten und sich aus ihren Händen befreien werde. Als er aber die aufgebrachte Menge im Richthause sah, wie sie nach seinem Blute dürstete, erkannte er die ganze Bedeutung seines Verbrechens, und während viele eifrig bemüht waren, den Herrn zu beschuldigen, drängte sich Judas durch die Menge und bekannte, dass er gesündigt habe, indem er unschuldiges Blut verraten habe. Er bot den Priestern das ihm bezahlte Geld wieder an, und flehte sie an, Jesum loszulassen, indem er erklärte, dass er gänzlich unschuldig sei. EG.161.1 Teilen

Eine Zeitlang waren die Priester vor Schrecken und Verwirrung stumm. Sie wollten nicht, dass es bekannt werde, dass sie einen der vorgeblichen Nachfolger Jesu bestochen hatten, Jesum in ihre Hände zu verraten. Sie wollten verbergen, dass sie Jesum gleich einem Dieb gesucht und ihn im geheimen ergriffen hatten. Aber das Bekenntnis des Judas und sein verstörtes, schuldiges Aussehen stellten die Priester vor der Menge bloß, und zeigten, dass es nur Haß gewesen war, der sie veranlaßt hatte, Jesum zu ergreifen. Als Judas mit lauter Stimme Jesum für unschuldig erklärte, erwiderten die Priester: „Was geht uns das an? Da siehe du zu.“ Sie hatten Jesum in ihrer Gewalt und waren entschlossen, ihn festzuhalten. Voller Verzweiflung warf Judas das Geld, welches er jetzt verachtete, zu den Füßen derjenigen, die ihn dazu gedungen hatten, und in dem schrecklichen Bewußtsein seiner Schuld und von den fürchterlichsten Gewissensbissen gefoltert, ging er hinaus und erhängte sich. EG.161.2 Teilen

162

Jesus hatte viele Mitfühlende in der ihn umgebenden Menge, und sein Schweigen auf alle Fragen, die an ihn gerichtet wurden, setzte die Menge in Erstaunen. Trotz allem Spott und aller Wut des Pöbels lag kein geängstigter Ausdruck oder böser Zug in seinem Angesichte. Er trug alles mit Würde und Ruhe. Die Zuschauer blickten mit Verwunderung auf ihn und verglichen seine vollkommene Gestalt, sein festes, würdiges Benehmen mit dem Aussehen derjenigen, die über ihn zu Gericht saßen, und sagten einer zum andern, dass er mehr wie ein König aussehe als irgendeiner von diesen. Er trug keine Merkmale eines Verbrechers. Sein Auge war mild, klar und unerschrocken; seine Stirn breit und hoch. Ein jeder Zug war durch Güte und edle Grundsätze gekennzeichnet. Seine Geduld und Nachsicht waren so etwas Außergewöhnliches, dass viele davor zitterten. Sogar Herodes und Pilatus waren beim Anblick seines edlen, gottähnlichen Benehmens sehr beunruhigt. EG.162.1 Teilen

Schon von Anfang an war Pilatus überzeugt, dass Jesus kein gewöhnlicher Mensch sei. Er sah in ihm einen außergewöhnlichen Charakter und hielt ihn für gänzlich unschuldig. Die Engel, die der Szene beiwohnten, merkten die innere Überzeugung des römischen Landpflegers, und um ihn vor dieser schrecklichen Handlung, Jesum zur Kreuzigung in die Hände des Pöbels auszuliefern, zu bewahren, wurde ein Engel zum Weib des Pilatus geschickt, welcher ihr in einem Traume die Mitteilung machte, dass es der Sohn Gottes sei, dessen Sache er in Verhandlung habe, und dass er unschuldig sei. Sie sandte sofort diese Botschaft zu Pilatus mit der Bemerkung, dass sie viel gelitten habe im Traum um Jesu willen und warnte ihn, nichts mit jenem heiligen Manne zu tun zu haben. Der Bote drängte sich durch die Menge und überlieferte dem Pilatus den Brief seines Weibes. Als er ihn laß, wurde er blaß und zitterte und entschloß sich sogleich, dass er nichts mit der Kreuzigung Jesu zu tun haben wollte. Wenn die Juden das Blut Jesu verlangten, wollte er nicht darin einwilligen, sondern versuchen, ihn zu befreien. EG.162.2 Teilen

163

Als Pilatus hörte, dass Herodes in Jerusalem war, fand er große Erleichterung; denn er hoffte, sich selbst von aller Verantwortung in dem Verhör und der Verurteilung Jesu freizumachen. Er schickte ihn sofort mit seinen Anklägern zu Herodes. Dieser Herrscher war in der Sünde verhärtet worden. Die Hinrichtung Johannes des Täufers hatte auf seinem Gewissen einen Flecken hinterlassen, von welchem er sich nicht reinigen konnte. Als er von Jesu und seinen mächtigen Werken hörte, fürchtete er sich und zitterte, denn er hielt ihn für Johannes den Täufer, der von den Toten auferstanden sei. Als Jesus durch Pilatus in die Hände des Herodes überliefert wurde, betrachtete dieser diese Handlungsweise als eine Anerkennung seiner höheren Autorität. Dies bewirkte, dass diese beiden Herrscher, die zuvor Feinde gewesen waren, Freunde wurden. Herodes freute sich, Jesum zu sehen, da er erwartete, dass er zu seiner Befriedigung mächtige Wunder verrichten würde. Aber es war nicht das Werk des Heilandes, Neugierde zu befriedigen und seine eigene Sicherheit zu suchen. Seine göttliche und wunderverrichtende Macht sollte für das Seelenheil anderer ausgeübt werden, aber nicht für sich selbst. EG.163.1 Teilen

164

Jesus entgegnete weder auf alle Fragen, die ihm Herodes stellte, noch erwiderte er seinen Feinden etwas, die ihn eifrig verklagten. Herodes geriet außer sich, da Jesus sich vor seiner Macht nicht zu fürchten schien, und mit all seinen Kriegsmännern verlachte, verspottete und verhöhnte er den Sohn Gottes. Dennoch verwunderte er sich über die edle, Gott ähnliche Erscheinung Jesu, als er so mißhandelt wurde, und da er sich fürchtete, ihn zu verdammen, sandte er ihn zu Pilatus zurück. EG.164.1 Teilen

Satan und seine Engel versuchten Pilatus und gaben sich mühe, ihn ins Verderben zu stürzen. Sie stellten ihm vor, dass, wenn er keinen Anteil an der Verurteilung nehmen wollte, andere es tun würden; die Menge dürste nach seinem Blute, und wenn er ihn nicht zum Tode überantworte, würde er seine Macht und weltliche Ehre verlieren und als ein Anhänger des Betrügers angesehen werden. Indem nun Pilatus fürchtete, seiner Stellung und Macht verlustig zu gehen, willigte er in den Tod Jesu. Er machte aber die Ankläger schuldig für das Blut Jesu; die Menge nahm es an und schrie: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder.“ Aber Pilatus war nicht rein; er war schuldig an dem Blute Jesu. Aus selbstsüchtigen Gründen und aus Liebe zur Ehre von den Großen dieser Welt lieferte er einen unschuldigen Menschen dem Tode aus. Wenn Pilatus nach seiner eigenen Überzeugung gehandelt hätte, dann hätte er nichts mit der Verurteilung dieses Mannes zutun gehabt. EG.164.2 Teilen

Die Erscheinung und die Worte Jesu während seines Verhörs hatten einen tiefen Eindruck auf die Gemüter vieler gemacht, die bei der Gelegenheit anwesend waren. Die Folge dieses Einflusses machten sich nach seiner Auferstehung bemerkbar. Unter denjenigen, die sich dann der Gemeinde anschlossen, befanden sich viele, deren Bekehrung auf die Zeit des Verhörs Jesu zurückzuführen war. EG.164.3 Teilen

Satans Wut war groß, als er erkannte, dass alle Grausamkeit, welche die Juden gegen Jesum ausübten, nicht das leiseste Murren von seinen Lippen zwang, obgleich er die menschliche Natur angenommen hatte, wurde er doch durch eine gottähnliche Stärke aufrecht erhalten und wich nicht im geringsten von dem Willen seines Vaters ab. EG.164.4 Teilen

165

Der Sohn Gottes wurde dem Volke zur Kreuzigung überantwortet, und mit lautem Triumphgeschrei führte man den teuren Heiland eilig hinweg. Er war aus Mangel an Ruhe und infolge der erlittenen Schmerzen und des Blutverlustes schwach und hinfällig; trotzdem wurde das schwere Kreuz, an welches er geschlagen werden sollte, auf ihn gelegt, aber er stürzte unter der Last ohnmächtig zu Boden. Dreimal wurde ihm das Kreuz auf seine Schultern geladen und dreimal sank er bewußtlos nieder. Einer seiner Nachfolger, ein Mann, der ihn nicht öffentlich bekannt hatte, aber dennoch an ihn glaubte, wurde nun gezwungen, das Kreuz Christ zu tragen. Er trug es bis zu der verhängnisvollen Stelle. Himmlische Heerscharen waren in der Luft über dieser Stätte versammelt. Eine Anzahl von Christi Jüngern folgte ihm, in tiefer Trauer und bitterlich weinend, nach Golgatha. Sie erinnerten sich seines triumphierenden Einzuges in Jerusalem vor nur wenigen Tagen, als sie ihn mit fröhlichen Hosiannarufen und wehenden Palmzweigen begrüßt hatten. Sie hatten gemeint, er würde zu seiner Zeit das Reich einnehmen und als zeitlicher Fürst über Israel regieren. Wie veränderte sich aber die Szene! Ihre freudigen Erwartungen schwanden dahin. Nicht mit Jubel und freudigen Hoffnungen, sondern mit unaussprechlichem Grame und mit Verzweiflung erfüllt, folgten sie ihm jetzt langsam und traurig, ihm, der so erniedrigt und verachtet worden war, und der jetzt sterben sollte. EG.165.1 Teilen

Die Mutter Jesu war auch da. Sie ertrug die schreckliche Seelenqual, die nur eine liebende Mutter empfinden kann; dennoch hoffte sie mit den Jüngern, das Christus seine göttliche Macht gebrauchen und sich von der mörderischen Menge befreien würde. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er sich kreuzigen lassen würde. Die Vorbereitungen waren jedoch getroffen, und Jesus wurde aufs Kreuz gelegt. Man brachte Hammer und Nägel herbei. Die Herzen der Jünger verzagten. Die Mutter Jesu erlag faßt der furchtbaren Qual, und ehe der Heiland ans Kreuz geschlagen wurde, trugen die Jünger sie aus dem Bereich dieser grausamen Szene, damit sie das Hämmern und Schlagen des spitzen Eisens durch sein zartes Fleisch nicht hören möchte. Jesus ließ keine Klage laut werden, seufzte jedoch in Seelenqual. Sein Antlitz war bleich, und große Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. Der Satan frohlockte über die Leiden, die der Sohn Gottes ertragen musste, fürchtete, dass seine Bemühungen, den Heilsplan zu durchkreuzen, vergeblich gewesen seien, dass sein Reich verloren sei und er schließlich vernichtet würde. EG.165.2 Teilen

166

Nachdem Jesu an das Kreuz genagelt worden war, wurde dasselbe emporgehoben und mit großer Gewalt in die Erde gerammt, was dem Heiland die grausamsten Qualen verursachte. Um den Tod Christi so erniedrigend wie nur möglich zu machen, wurden zwei Mörder mit ihm gekreuzigt, einer zu jeder Seite. Die Mörder mussten mit Gewalt genommen werden, aber nach vielem Sträuben ihrerseits, schlug man ihre Arme zurück und nagelte sie ans Kreuz. Aber Jesus ergab sich ohne Widerstand. Er bedurfte niemand, der seine Arme mit Gewalt ans Kreuz legte. Während die Mörder ihre Peiniger verfluchten, betete der Heiland in seiner Seelenangst für seine Feinde: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Jesus hatte nicht nur unsägliche Schmerzen auszuhalten, sondern die Sünden der ganzen Welt ruhten auf ihm. EG.166.1 Teilen

Als Jesus am Kreuze hing, gingen einige vorüber, lästerten ihn, schüttelten ihre Häupter und sprachen: „Der du den Tempel Gottes zerbrichst und bauest ihn in drei Tagen, hilf die selber! Bist du Gottes Sohn, so steig herab vom Kreuz.“ Der Satan benutzte die selben Worte, als er mit Jesu in der Wüste redete: „Bist du Gottes Sohn.“ Die Priester, Schriftgelehrten und Obersten spotteten und verhöhnten den sterbenden Sohn Gottes, indem sie sagten: „Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Ist er der König Israels, so steige er nun vom Kreuz, so wollen wir ihm glauben.“ Die Engel, welche über die Szene der Kreuzigung Christi schwebten, wurden mit Zorn erfüllt, als die Obersten ihn verhöhnten und sagten, dass, wenn er Gottes Sohn wäre, er sich selbst befreien sollte. Sie hegten den sehnlichsten Wunsch hinzueilen und Jesum zu erlösen; es wurde ihnen aber nicht gestattet. Der Zweck seiner Mission war noch nicht erfüllt. EG.166.2 Teilen

167

Als Jesus während der langen Stunden der Seelenangst am Kreuze hing, hatte er seine Mutter nicht vergessen. Sie war zu der schrecklichen Szene zurückgekehrt, denn sie war nicht länger imstande, von ihrem Sohne fernzubleiben. Die letzte Lehre Jesu war eine des Erbarmens und der Menschenliebe. Er schaute auf das kummervolle Antlitz seiner Mutter und dann auf seinen geliebten Jünger Johannes. Dann sagte er zu seiner Mutter: „Weib, siehe, das ist dein Sohn,“ und sich gegen den Jünger wendend: „Siehe, das ist deine Mutter.“ Von jener Stunde an nahm Johannes sie zu sich unter sein eigenes Dach. Jesum dürstete in seiner Seelenqual; man füllte einen Schwamm mit Essig und Galle und bot ihm denselben zum Trank an. Als er aber davon gekostet hatte, wies er es zurück. Die Engel hatten die Seelenqual ihres geliebten Gebieters wahrgenommen, bis sie es nicht länger ertragen konnten und ihre Angesichter vor dem schrecklichen Anblick verhüllten. Die Sonne weigerte sich, Zeuge dieser Schreckensszene zu sein. Jesus rief mit lauter Stimme, welche seine Mörder mit Schrecken erfüllte: „Es ist vollbracht!“ Der Vorhang des Tempels war entzwei gerissen von oben an bis unten aus, die Erde wankte und die Felsen barsten. Große Finsternis senkte sich über die Erde. Die letzte Hoffnung der Jünger schien dahin zu sein, als Jesus starb. Viele seiner Nachfolger waren Zeugen seiner Leiden und seines Todes, und ihre Trauer war tief. EG.167.1 Teilen

168

Der Satan frohlockte nicht mehr, wie er zuvor getan hatte. Er hatte gehofft, den Heilsplan niederzureißen; derselbe war aber zu tief gelegt worden. Jetzt beim Tode Jesu wußte er, dass auch er schließlich sterben müsse, und dass sein Reich dem Heiland gegeben würde. Er hielt nun einen Rat mit seinen Engeln. Sie hatten bei Jesu nichts ausgerichtet; deshalb mussten sie jetzt ihre Bemühungen gegen seinen Nachfolger wenden und mit aller Macht und List bei diesem versuchen. Sie müßten alle, die sie nur könnten, daran hindern, das Heil anzunehmen, das ihnen Jesus erkauft hatte. Auf diese Weise konnte der Satan noch immer gegen die Regierung Gottes arbeiten. Ferner würde es auch in seinem eigenen Interesse liegen, so viele als nur irgend möglich vom Heilande fernzuhalten. Denn die Sünden derer, die durch das Blut Jesu erlöst sind, werden am Ende auf den Urheber der Sünde zurückfallen, und er wird ihre Strafe erleiden müssen. Während diejenigen, die das Heil durch Jesum nicht annehmen, selbst die Strafe ihrer Sünden erleiden müssen. EG.168.1 Teilen

Das Leben Christi war stets ohne weltlichen Reichtum, weltliche Lehre und weltlichem Aufwand gewesen. Seine Demütigung und Selbstverleugnung standen stets in schlagendem Gegensatz zu dem Stolz und der Selbstbefriedigung der Priester und Obersten. Seine unbefleckte Reinheit war ein steter Vorwurf für ihre Sünden. Sie verachteten ihn wegen seiner Erniedrigung, Heiligkeit und Reinheit. Aber diejenigen, die ihn hier verachtet haben, werden ihn einst in der Herrlichkeit des Himmels, umgeben von dem Glanze seines Vaters, sehen. Im Richthause wurde er von Feinden umgeben, die nach seinem Blute dürsteten; aber diese Hartherzigen, die damals ausriefen: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ werden ihn als einen geehrten König erblicken. Die ganze himmlische Heerschar wird ihn auf seinem Wege mit Siegesliedern begleiten: Majestät und Kraft sei dem, der Tod war und ist lebendig geworden, ein mächtiger Herrscher! Arme, schwache, elende Menschen spiehen dem König der Herrlichkeit ins Angesicht, während ein gemeines Triumphgeschrei von dem Pöbel bei dieser Beleidigung erscholl. Sie entstellten jenes Antlitz, das den ganzen Himmel mit Bewunderung erfüllte, mit grausamen Schlägen. Sie werden abermals jenes Angesicht, leuchtend wie die helle Mittagssonne, erblicken und werden vor demselben fliehen wollen. Anstatt jenes gemeine Triumphgeschrei auszustoßen, werden sie wehklagen und jammern. Jesus wird seine durch die Kreuzigung entstellten Hände zeigen. Die Zeichen dieser Grausamkeit wird er immer tragen. Die Nägelmale werden die Geschichte der wunderbaren Erlösung des Menschen erzählen und den teuren Preis, mit dem er erkauft ist, kundtun. Dieselben Männer, die den Lebensfürsten mit dem Speer in die Seite stachen, werden den Stich des Speeres erblicken und werden es aus tiefster Seele beklagen, dass sie seinen Körper so beschädigt haben. Seine Mörder waren höchst erregt über die Inschrift: „Dies ist Jesus, der Juden König“, die auf dem Kreuze angebracht war. Aber einst werden sie ihn in seiner Herrlichkeit und königlichen Macht erblicken müssen. Sie werden auf seinem Gewand und auf seinen Lenden geschrieben sehen: „Ein König aller Könige, und ein Herr aller Herren.“ Sie riefen ihm am Kreuze spöttisch zu, dass er, Christus, der König Israels, vom Kreuze herabsteigen sollte, damit sie es sehen und ihm glauben könnten. Sie werden ihn einstmals in königlicher Macht und Autorität erblicken. Dann werden sie keinen Beweis fordern, ob er der König Israels sei, sondern durch seine Majestät und außerordentliche Herrlichkeit werden sie gezwungen sein, anzuerkennen: „Gelobet sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!“ EG.168.2 Teilen

170

Das Erbeben der Erde, das Bersten der Felsen, die Finsternis, welche die Erde bedeckte, und der laute, durchdringende Schrei Jesu: „Es ist vollbracht!“ als er sein Leben aushauchte, beunruhigten seine Feinde und machten seine Mörder erzittern. Die Jünger wunderten sich über diese sonderbaren Offenbarungen; aber ihre Hoffnung war dahin. Sie fürchteten, dass die Juden danach trachten würden, auch sie zu töten. Sie meinten sicher zu sein, dass ein solcher Haß, wie er gegen den Sohn Gottes an den Tag gelegt worden war, mit ihm nicht endigen würde. Sie verbrachten einsame Stunden, indem sie über ihre Enttäuschung weinten. Sie hatten erwartet, dass Christus als zeitlicher Fürst regieren würde; aber ihre Hoffnung starb mit ihm. In ihrer Trauer und Enttäuschung zweifelten sie, ob er sie nicht betrogen hätte. Sogar seine Mutter wankte in ihrem Glauben, dass er der Messias sei. EG.170.1 Teilen

Obgleich die Jünger in ihrer Hoffnung betreffs Jesu enttäuscht worden waren, liebten sie ihn doch und wünschten seinen Leib ehrbar zu bestatten, wußten jedoch nicht, wie sie es anfangen sollten. Joseph von Arimathia, ein wohlhabendes und einflußreiches Mitglied des Hohen Rates und ein treuer Jünger Jesu, ging im geheimen mutig zu Pilatus und ersuchte ihn um den Leichnam Jesu. Er wagte es nicht, öffentlich hinzugehen, des Hasses der Juden wegen; die Jünger fürchteten, dass, wenn sie Schritte täten, es nur ein Hindernis sein würde, Jesu einen ehrbaren Ruheplatz zu gestatten. Pilatus bewilligte das Begehren Josephs, und die Jünger nahmen den Leichnam Jesu vom Kreuz, während sie in tiefer Trauer über ihre dahingeschwundene Hoffnung klagten. Der Leichnam wurde sorgfältig in reinen Leinwand gehüllt und in das neue Grab Josephs gelegt. EG.170.2 Teilen

Die Weiber, welche Jesu demütig nachgefolgt waren, während er lebte, wollten ihn nicht verlassen, bis sie ihn im Grabe liegen sahen und ein großer, schwerer Stein gegen den Eingang der Gruft gerollt war, damit die Feinde den Leichnam Jesu nicht stehlen möchten. Sie hätten sich aber nicht zu fürchten brauchen, denn ich sah, dass himmlische Heerscharen seine Ruhestätte mit unaussprechlichem Interesse bewahrten, indem sie voller Spannung darauf warteten, dass ihnen der Befehl erteilt würde, ihren Teil an der Befreiung des Königs der Herrlichkeit aus seinem Gefängnis zu tun. EG.170.3 Teilen

171

Die Mörder Christi fürchteten, dass er zum Leben auferstehen und wieder entkommen möchte. Deshalb baten sie Pilatus um eine Wache, die das Grab bis auf den dritten Tag bewahre. Dies wurde ihnen gewährt, und der Stein am Grabe wurde versiegelt, auf dass nicht seine Jünger kämen, um ihn zu stehlen und dann sagten, er sei von den Toten auferstanden. EG.171.1 Teilen

Die Jünger ruhten am Sabbat und trauerten über den Tod ihres Herrn, während Jesus, der König der Herrlichkeit, im Grabe lag. Als der Abend herannahte, waren Soldaten zur Bewachung des Ruheortes Jesu aufgestellt, während Engel sich unbemerkt über dem heiligen Orte aufhielten. Die Nacht verging langsam, und während es noch dunkel war, wußten die wachehaltenden Engel, dass die Zeit für die Erlösung des teuren Sohnes Gottes, ihres geliebten Gebieters, nun nahe war. Indem sie in tiefster Gemütserregung auf die Stunde seines Sieges warteten, kam ein mächtiger Engel schnell vom Himmel geflogen. Sein Antlitz leuchtete wie der Blitz, und sein Gewand war weiß wie Schnee. Sein Licht vertrieb die Dunkelheit von seinem Pfade und veranlaßte die bösen Engel, welche triumphierend den Leichnam Jesu für sich beansprucht hatten, voller Schrecken vor seiner Herrlichkeit und Schönheit zu fliehen. Einer der Engelschar, welcher Zeuge der Demütigung Jesu gewesen war und nun seinen Ruheplatz bewachte, gesellte sich zu dem, der gerade vom Himmel kam; und sie gingen nun zusammen zum Grabe. Die Erde zitterte und bebte, als sie sich näherten, und es entstand ein großes Erdbeben. EG.171.2 Teilen

172

Die römische Wache wurde mit Schrecken erfüllt. Wo war jetzt ihre Macht, den Leichnam Jesu zu bewahren? Sie dachten nicht mehr an ihre Pflicht oder daran, dass die Jünger ihn stehlen können. Als das Licht der Engel, noch heller als die Sonne, die römische Wache umgab, vielen sie wie tot zu Boden. Einer der Engel ergriff den großen Stein, rollte ihn von dem Eingang hinweg und setzte sich darauf. Ein anderer betrat das Grab und entfernte die Umhüllungen vom Haupte Jesu. Dann rief der mächtige Engel mit einer Stimme, welche die Erde erbeben machte: „Jesus, du Sohn Gottes, dein Vater ruft dich! Komm hervor!“ Der Tod konnte ihn nun nicht länger halten. Jesus stand auf von den Toten, ein triumphierender Sieger. In heiliger Ehrfurcht blickte die himmlische Heerschar auf die Szene. Als Jesus dem Grabe entstieg, fielen die glänzenden Engel zur Erde und beteten ihn an, indem sie ihn mit Sieges- und Triumphliedern begrüßten. EG.172.1 Teilen

Die Engel Satans mussten vor dem hellen, durchdringenden Lichte der himmlischen Engel fliehen, und mit großem Schmerz klagten sie es ihrem König, dass ihnen ihre Beute mit Gewalt entrissen worden und derjenige, den sie so sehr gehaßt, von den Toten auferstanden sei. Satan samt seinen Engel hatten darüber frohlockt, dass ihre Macht über gefallene Menschen den Herrn des Lebens ins Grab gelegt hatte; aber nur kurz war ihr höllischer Triumph. Denn als Jesus aus seinem Gefängnis als ein mächtiger Eroberer heraustrat, wußte der Satan, dass er schließlich sterben und sein Reich in die Hände desjenigen übergeben müsse, dem es von rechtswegen gehörte. Er tobte und wütete, dass trotz seiner Anstrengungen Jesus doch nicht besiegt worden sei, sondern einen Weg für die Erlösung der Menschen gebahnt habe, auf dass, wer auf demselben wandeln wollte, errettet werden könnte. EG.172.2 Teilen

173

Die bösen Engel und ihr Gebieter hielten abermals einen Rat, wie sie weiter gegen die Regierung Gottes arbeiten könnten. Satan entsandte seine Engel zu den Priestern und Obersten. Er sagte: „Wir haben Erfolg gehabt, diese zu betrügen, sie blind zu machen und ihre Herzen gegen Jesum zu verhärten. Wir haben es soweit gebracht, dass sie ihn für einen Betrüger gehalten haben. Jene römische Wache wird die schreckliche Botschaft, dass Jesus von den Toten auferstanden sei, weitertragen. Wir verführten die Hohenpriester und Obersten, dass sie Jesum haßten und töteten. Jetzt haltet es ihnen vor, dass, wenn es bekannt wird, dass Jesus auferstanden ist, sie von dem Volk gesteinigt werden, weil sie einen unschuldigen Mann zum Tode verurteilten.“ EG.173.1 Teilen

Nachdem die himmlischen Heerscharen sich von dem Grabe zurückgezogen und das Licht und die Herrlichkeit verschwunden waren, wagte es die römische Wache, ihr Haupt wiederum zu erheben und um sich zu schauen. Sie staunten sehr, als sie sahen, dass der große Stein von der Tür des Grabes entfernt und der Leichnam Jesu verschwunden war. Sie begaben sich in aller Eile nach der Stadt, um den Priestern und Obersten zu erzählen, was sie gesehen hatten. Als die Priester, Schriftgelehrten und Obersten diesen wunderbaren Bericht vernahmen, erbleichten ihre Angesichter. Ihre Herzen wurden von Furcht ergriffen, bei dem Gedanken was sie getan hatten. Wenn dieser Bericht sich bestätigte, waren sie verloren. Eine Zeitlang konnten sie kein Wort hervorbringen und schauten einander stillschweigend an, indem sie nicht wußten, was sie tun oder sagen sollten. Diesen Bericht anzunehmen würde heißen, sich selbst zu verurteilen. Sie berieten sich im geheimen, was zu tun sei. Sie überlegten, dass, wenn der Bericht der Wache unter dem Volk verbreitet würde, diejenigen, die Jesum getötet hatten, als seine Mörder selbst den Tod erleiden müßten. Sie beschlossen also, durch Bestechung der römischen Wache die Sache geheim zu halten. Die Priester und Obersten boten der Wache eine große Summe an und sagten: „Saget, seine Jünger kamen des Nachts und stahlen ihn, dieweil wir schliefen.“ Als nun die Wache sich erkundigte, was mit ihnen geschehen würde, wenn sie auf ihrem Posten geschlafen hätten, versicherten die Priester ihnen, sie vor jedweder Strafe beschützen zu wollen. Die römischen Soldaten verkauften ihre Ehre für Geld und befolgten den Rat der Priester und Obersten. EG.173.2 Teilen

174

Als Jesus am Kreuze ausrief: „Es ist vollbracht!“ spalteten sich die Felsen, die Erde erbebte, und einige Gräber taten sich auf. Als er als Sieger über Tod und Grab hervorging, während die Erde erbebte und die Herrlichkeit des Himmels die heilige Stätte umleuchtete, kamen viele gerechte Tote auf sein Wort als Zeugen seiner Auferstehung aus ihren Gräbern hervor. Jene begünstigten, auferweckten Heiligen waren mit Herrlichkeit umgeben, als sie aus den Gräber stiegen. Es waren Auserwählte und Heilige aus jenem Zeitalter von der Schöpfung an bis zu den Tagen Christi. Gott ließ eine Schar aus ihren Gräbern hervorkommen, damit sie bezeugten, dass Jesus von den Toten auferstanden sei, und seine Herrlichkeit berichteten, während die jüdischen Obersten danach trachteten, die Tatsache seiner Auferstehung geheimzuhalten. EG.174.1 Teilen

Jene Auferstandenen waren verschieden in Gestalt und Erscheinung; einige hatten ein edleres Aussehen als die anderen. Mir wurde gezeigt, dass die Bewohner der Erde heruntergekommen sind und an Kraft und Anmut verloren haben. Der Satan hat Macht über Krankheit und Tod, und mit jedem Zeitalter sind die Folgen des Fluches sichtbarer und die Macht des Satans offenbarer geworden. Diejenigen, die zurzeit Noahs und Abrahams lebten, glichen den Engeln in Gestalt, Anmut und Stärke. Aber jede nachfolgende Generation ist schwächer geworden, immer mehr der Krankheit unterworfen, und ihr Leben ist von kürzerer Dauer gewesen. Der Satan hat immer mehr gelernt, die Menschheit herabzubringen und zu entkräften. EG.174.2 Teilen

175

Diejenigen, welche bei der Auferstehung Jesu aus ihren Gräbern hervorgingen, erschienen vielen und berichteten, dass das Opfer für die Menschen eine Vollendung erreicht hätte, dass Jesus, den die Juden gekreuzigt hätten, von den Toten auferstanden sei. Als Beweis der Wahrheit ihrer Worte erklärten sie: „Wir sind mit ihm auferstanden.“ Sie bezeugten, dass sie durch seine mächtige Kraft aus ihren Gräbern hervorgegangen seien. Trotz der verbreiteten lügenhaften Berichten konnte weder der Satan, seine Engel, noch die Obersten die Auferstehung Christi verborgen halten; denn diese heilige Schar, die aus den Gräbern auferstanden war, verkündigte die wunderbare, freudige Botschaft. Auch zeigte sich Jesus selbst seinen trauernden, tiefbetrübten Jüngern, vertrieb ihre Furcht und stimmte sie wieder freudig und glücklich. EG.175.1 Teilen

Als sich nun die Nachricht von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf verbreitete, fürchteten die Juden für ihr Leben und verbargen ihren Haß, den sie gegen die Jünger hegten. Sie wollten nur ihren lügenhaften Bericht verbreiten, und diejenigen, welche wünschten, dass diese Lüge Wahrheit sei, nahmen sie auch an. Pilatus zitterte, als er die Kunde von der Auferstehung Jesu vernahm. Es konnte das Zeugnis nicht bezweifeln, und von jener Stunde an gab es für ihn keinen Frieden mehr. Um weltlicher Ehre willen und aus Furcht, seine Autorität und sein Leben einbüßen zu müssen, hatte er Jesum zum Tode verurteilt. Jetzt war er völlig überzeugt, dass derjenige, an dessen Blut er schuldig war, nicht nur ein unschuldiger Mensch, sondern der Sohn Gottes sei. Bis zu seinem Ende führte er ein elendes Leben. Verzweiflung und Gewissensbisse bedrängten jegliche Hoffnung und jeden Frieden. Er wollte sich nicht trösten lassen und nahm ein trauriges Ende. EG.175.2 Teilen

176

Das Herz des Herodes war noch verhärteter geworden, und als er hörte, dass Jesus auferstanden sei, beunruhigte ihn diese Botschaft nicht sehr. Er nahm Jakobus das Leben, und als er merkte dass dies den Juden wohlgefiel, legte er auch seine Hand an Petrus, in der Absicht, auch ihn zu töten. Aber Gott hatte ein Werk für Petrus zu tun und sandte seinen Engel, ihn zu befreien. Herodes wurde von den Gerichten Gottes heimgesucht. Während er sich in der Gegenwart einer großen Menge überhob, wurde er von einem Engel des Herrn geschlagen und starb eines schrecklichen Todes. EG.176.1 Teilen

Frühe am Morgen des ersten Wochentages gingen heilige Weiber mit Spezereien zum Grabe, um den Leichnam Jesu zu salben. Sie entdeckten, dass der schwere Stein vom Grabe entfernt worden und der Leichnam Jesu nicht mehr da war. Ihre Herzen verzagten, und sie fürchteten, dass ihre Freunde den heiligen Leichnam gestohlen hätten. Plötzlich sahen sie zwei Engel in weißen Gewändern, deren Angesichter leuchteten. Diese himmlischen Wesen verstanden, warum die Weiber gekommen waren, und kündigten es ihnen sofort an, dass Jesus nicht mehr da, sondern auferstanden sei; sie könnten die Stätte jedoch besehen, wo er gelegen hätte. Sie sagten ihnen, sie sollten eilen und es den Jüngern erzählen, dass er vor ihnen hergehen werde nach Galiläa. Mit Furcht und großer Freude eilten die Weiber zu den trauernden Jüngern und berichteten ihnen, was sie gesehen und gehört hatten. EG.176.2 Teilen

Die Jünger konnten es nicht glauben, dass Jesus auferstanden sei und eilten mit den Weibern, die ihnen solche Botschaft gebracht hatten, hin zum Grabe. Sie fanden Jesum nicht mehr da; sie sahen seine Leinentücher, konnten aber die freudige Botschaft, dass er auferstanden sei, nicht fassen. Sie kehrten wieder um und wunderten sich über das, was sie gesehen und was die Weiber ihnen berichtet hatten. Maria jedoch zögerte noch bei dem Grabe; sie dachte über alles nach, was sie gesehen hatte, und war niedergedrückt bei dem Gedanken, dass sie vielleicht betrogen worden sei. Sie fühlte, dass ihr neue Schwierigkeiten bevorstanden. Ihr Schmerz war groß, und sie weinte bitterlich. Sie bückte sich nochmals, um in das Grab zu schauen, und sah zwei Engel in weiße Gewänder gehüllt. Der eine saß, wo das Haupt Jesu geruht hatte, und der andere, wo seine Füße gewesen waren. Sie redeten sie freundlich an und fragten, warum sie weine. Sie antwortete: „Sie haben meinen Herren weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“ EG.176.3 Teilen

177

Als sie sich von dem Grabe wandte, sah sie Jesum in der Nähe, aber sie erkannte ihn nicht. Er redete sie freundlich an, erkundigte sich nach ihrer Trauer und fragte, wen sie suche. Sie dachte, der Sprechende sei der Gärtner, und bat ihn, dass, wenn er ihren Herrn weggetragen hätte, er es ihr doch sagen möge, damit sie ihn holen könnte. Da redete Jesus sie mit seiner eigenen himmlischen Stimme an und sagte: „Maria!“ Diese liebe Stimme war ihr wohlbekannt, und sie antwortete: „Rabbuni!“ In ihrer Freude wollte sie ihn umfassen, aber Jesus sagte: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Gehe aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen, dass ich gehe zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Mit freudigem Herzen eilte Maria zu den Jüngern, ihnen die frohe Botschaft zu bringen. Jesus aber fuhr unmittelbar in den Himmel hinauf, um von seines Vaters Lippen die Worte zu hören, dass sein Opfer angenommen sei, und um alle Gewalt im Himmel und auf Erden zu empfangen. EG.177.1 Teilen

Engel umgaben gleich einer Wolke den Sohn Gottes und öffneten die Tore weit, damit der König der Herrlichkeit Einzug halten könnte. Ich sah, dass, während Jesus mit der glänzenden himmlischen Schar in der Gegenwart seines Vaters und von Herrlichkeit umgeben war, er seine Jünger auf Erden nicht vergaß, sondern Macht von seinem Vater empfing, dass er wiederkehre und ihnen von dieser Macht mitteile. Noch am selben Tage kehrte er zurück und zeigte sich seinen Jüngern. Jetzt ließ er sich von ihnen anrühren, denn er war zu seinem Vater aufgefahren und hatte Macht empfangen. EG.177.2 Teilen

178

Zu dieser Zeit war Thomas nicht anwesend. Er wollte deshalb den Bericht der Jünger nicht in Demut annehmen, sondern hatte bestimmt und selbstvertrauend versichert, er würde nicht glauben, es sei denn, dass er seine Finger in die Nägelmale und seine Hand in seine durchbohrte Seite legen könne. Hierdurch zeigte er Mißtrauen seinen Brüdern gegenüber. Wenn alle dasselbe verlangen würden, dann würde heute niemand Jesum annehmen und an seine Auferstehung glauben. Es war aber der Wille Gottes, dass der Bericht der Jünger von denjenigen angenommen werden sollte, die den auferstandenen Heiland selbst nicht sehen noch hören konnten. Der Unglaube des Thomas gefiel Gott nicht. Als Jesus zum zweiten Male mit seinen Jüngern zusammentraf war Thomas zugegen und als er Jesum erblickte, glaubte er. Er hatte jedoch erklärt, dass er sich ohne fühlbaren Beweis nicht zufrieden geben wolle, und Jesus gab ihm den gewünschten Beweis. Da rief Thomas: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus tadelte ihn aber seines Unglaubens wegen und sagte: „Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubest du. Selig sind, die nicht sehen, und doch glauben.“ EG.178.1 Teilen

Auf gleiche Weise müssen diejenigen, die keine Erfahrungen in der ersten und zweiten Engelsbotschaft gehabt haben, sie von andern annehmen, welche diesbezüglich Erfahrungen gemacht haben und die Botschaften verfolgt haben. Ich sah, dass, gleichwie Jesus verworfen wurde, auch diese Botschaften verworfen worden sind. Und gleichwie die Apostel erklärten, dass kein anderer Name dem Menschen gegeben sei, darinnen sie sollen selig werden, so müßten auch die Diener Gottes diejenigen, die nur einen Teil der Wahrheiten, die mit der dritten Engelsbotschaft verbunden sind, annehmen, furchtlos und treulich waren, damit sie alle Botschaften, die Gott ihnen gibt, mit Freuden aufnehmen oder sonst keinen Anteil daran haben sollten. EG.178.2 Teilen

179

Während die heiligen Frauen den Bericht verbreiteten, dass Jesus auferstanden sei, verkündigten die römischen Soldaten jene Lügen, welche die Hohenpriester und Obersten ihnen in den Mund gelegt hatten, dass nämlich die Jünger des Nachts, während sie schliefen, gekommen seien und den Leichnam Jesu gestohlen hätten. Der Satan hatte diese Lüge den Hohenpriestern eingegeben und das Volk war bereit, ihr Wort anzunehmen. Gott hatte aber diese Sache gesichert und diesem wichtigen Ereignis, worauf unsere Seligkeit beruht, jeden Zweifel genommen. So war es den Priestern und Obersten unmöglich, diese Tatsache zu verbergen. Es waren Zeugen von den Toten auferweckt worden, um die Auferstehung Jesu bezeugen zu können. EG.179.1 Teilen

Jesus verweilt bei seinen Jüngern noch 40 Tage und erfüllte sie mit Freude und Hoffnung, indem er ihnen die Wirklichkeit des Reiches Gottes noch völliger erschloß. Er beauftragte sie, von dem, was sie betreffs seiner Leiden, seines Todes und seiner Auferstehung gesehen und gehört hatten, zu zeugen. Sie sollten berichten, dass er ein Opfer für die Sünde gebracht hätte, und dass alle, die wollten, zu ihm kommen und Leben finden könnten. In treuer Liebe sagte er ihnen, dass sie Verfolgung und Trübsal durchzumachen hätten, sie würden jedoch Hilfe finden, wenn sie sich ihrer Erfahrungen und der Worte, die er zu ihnen geredet hatte, erinnern würden. Er sagte ihnen, dass er die Versuchungen Satans überwunden und den Sieg durch Leiden und Trübsal erlangt habe. Satan hätte nicht länger Macht über ihn, er würde sich aber jetzt mit seinen Versuchungen zu ihnen und zu allen nahen, die an seinen Namen glauben würden. Sie würden aber überwinden, gleichwie er überwunden habe. Jesus erteilte seinen Jüngern die Macht, Wunder zu wirken, und sagte ihnen, dass, obgleich sie von bösen Menschen verfolgt werden würden, er von Zeit zu Zeit seine Engel senden wolle sie zu befreien. Ihr Leben könnte nicht eher genommen werden, als bis sie ihre Mission vollendet hätten. Dann aber müßten sie vielleicht mit ihrem Blute das besiegeln, was sie verkündigt hätten. EG.179.2 Teilen

180

Seine eifrigen Nachfolger lauschten gerne seinen Lehren und ergötzten sich an jedem Worte, das von seinen Lippen kam. Jetzt wußten sie es zuversichtlich, dass er der Heiland der Welt sei. Seine Worte faßten in ihren Herzen tiefe Wurzeln, und sie trauerten, dass sie bald von ihrem himmlischen Lehrer sich verabschieden mussten, um nicht mehr die tröstenden, gnadenreichen Worte von seinen Lippen zu vernehmen. Ihre Herzen wurden jedoch aufs neue mit Liebe und großer Freude erfüllt, als Jesus ihnen mitteilte, dass er hingehe, Wohnungen für sie bereit zu machen, und dann wiederkomme um sie zu sich zu nehmen, auf dass sie seien, wo er sei. Er verhieß ihnen auch, den Tröster, den Heiligen Geist, zu senden, welcher sie in aller Wahrheit leiten sollte. „Und er hob die Hände auf und segnete sie.“ EG.180.1 Teilen

Der ganze Himmel erwartete die Stunde des Triumphs, da Jesus zu seinem Vater aufsteigen wollte. Engel kamen, den König der Herrlichkeit in Empfang zu nehmen und ihn mit Jubel nach dem Himmel zu begleiten. Nachdem Jesus seine Jünger gesegnet hatte, wurde er von ihnen genommen und himmelwärts getragen. Als er seinen Flug aufwärts nahm, folgte ihm die Menge der Gefangenen, welche bei seiner Auferstehung auferweckt worden waren. Eine Menge der himmlischen Heerscharen begleitete ihn, während eine unzählige Menge von Engeln sein Kommen im Himmel erwartete. Als sie sich den Toren der Stadt näherten, begrüßten die Engel, welche die Majestät des Himmels begleiteten, die an den Pforten wartenden Engel in jubelnden Tönen: „Erhebet eure Häupter, ihr Tore, und werdet erhöhet, ihr ewigen Pforten, dass der König der Ehren einziehe.“ Die an den Toren wartenden Engel fragten voller Begeisterung: „Wer ist derselbe König der Ehren?“ Mit Triumphgesängen erwiderten freudig die begleitenden Engel: „Es ist der Herr, der Starke und Mächtige, der Herr, der Mächtige im Streit. Erhebet eure Häupter, ihr Tore, und werdet erhöhet, ihr ewigen Pforten, dass der König der Ehren einziehe.“ Wiederum fragten die wartenden Engel: „Wer ist derselbe König der Ehren?“ und die begleitenden Engel antworteten in melodischen Tönen: „Es ist der Herr der Heerscharen, derselbe ist der König der Ehren.“ Dann bewegte sich der himmlische Triumphzug in die Stadt hinein. Alle himmlischen Scharen umgaben ihren majestätischen Gebieter, beugten sich in tiefster Anbetung vor ihm und warfen ihre glänzenden Kronen zu seinen Füßen. Dann rührten sie ihre goldenen Harfen, und süße, melodische Töne erfüllten den ganzen Himmel mit herrlicher Musik und Triumphgesängen zu Ehren des Lammes, das erwürget war, jetzt aber in Herrlichkeit und in der Kraft lebe. EG.180.2 Teilen

181

Als die Jünger traurig himmelwärts schauten, bis der letzte Schimmer ihres aufsteigenden Herrn verschwunden war, standen zwei Engel in weißen Gewändern an ihrer Seite und sagten zu ihnen: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr, und sehet gen Himmel? Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren.“ Die Jünger und die Mutter Jesu, welche Zeugen der Himmelfahrt des Sohnes Gottes gewesen waren, verbrachten die darauffolgende Nacht mit Unterhaltung über die wunderbaren Taten Jesu und die merkwürdigen, herrlichen Ereignisse, die sich in so kurzer Zeit zugetragen hatten. EG.181.1 Teilen

Der Satan beriet sich aufs neue mit seinen Engeln und, mit bitterem Haß gegen die Regierung Gottes erfüllt, sagte er ihnen, dass indem er noch seine Macht und Autorität über die Erde behalte, ihre Bemühung gegen die Nachfolger Jesu zehnmal vergrößert werden müßte, sie hätten bei Jesu nichts gewonnen, müßten aber seine Nachfolger, wenn möglich, besiegen. In jeder Generation müßten sie danach trachten, diejenigen, die an Jesum glaubten, zu umstricken. Er erzählte seinen Engeln, dass Jesus den Jüngern Macht gegeben habe, sie zu tadeln und auszutreiben und diejenigen, welche sie belästigen würden, zu heilen. Dann gingen die Engel Satans gleich brüllenden Löwen davon, um die Nachfolger zu Fall zu bringen. EG.181.2 Teilen

182

Mit großer Kraft verkündigten die Jünger den gekreuzigten und auferstandenen Heiland. In dem Namen Jesu wurden Zeichen und Wunder durch sie bewirkt; die Kranken wurden durch sie geheilt, ein Mann, der von seiner Geburt an lahm gewesen war, wurde völlig wieder hergestellt und ging mit Petrus und Johannes in den Tempel, wandelte und sprach und lobte Gott. Dies verbreitete sich gar bald, und das Volk versammelte sich um die Jünger. Viele liefen zusammen, indem sie über die Heilung, die dieselben bewirkt hatten, höchst erstaunt waren. EG.182.1 Teilen

Als Jesus starb, meinten die Priester, dass keine Wunder mehr unter ihnen vollbracht werden würden, dass die Bewegung bald gedämpft sei und das Volk sich nach den Aufsätzen der Menschen richten würde. Aber siehe, gerade in ihrer Mitte wirkten die Jünger Wunder, und das Volk wurde voll Wunderns und Entsetzens. Jesus war gekreuzigt worden, und sie wunderten sich, woher seine Nachfolger diese Macht erhalten hätten. Sie meinten, dass er ihnen während seines Lebens Macht mitgeteilt hätte; aber als er starb, erwarteten sie, dass es mit den Wundern aus sei. Petrus verstand ihre Verwirrung und sprach zu ihnen: „Ihr Männer von Israel, was wundert ihr euch darüber? oder was sehet ihr auf uns, als hätten wir diesen Wandel gemacht durch unsere eigene Kraft oder Verdienst? Der Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesum verkläret, welchen ihr überantwortet und verleugnet habt vor Pilatus, da derselbige urteilte, ihn loszulassen. Ihr aber verleugnetet den Heiligen und Gerechten und batet, dass man euch den Mörder schenkte; aber den Fürsten des Lebens habt ihr getötet. Den hat Gott auferwecket von den Toten; des sind wir Zeugen. Und durch den Glauben an seinen Namen hat diesen, den ihr sehet und kennet, sein Name stark gemacht, und der Glaube durch ihn hat diesem gegeben diese Gesundheit vor euren Augen.“ EG.182.2 Teilen

183

Die Priester und Obersten konnten diese Rede nicht vertragen, und auf ihren Befehl wurden Petrus und Johannes ergriffen und ins Gefängnis geworfen. Tausende waren aber durch diese eine Rede der Jünger bekehrt worden, so dass sie an die Auferstehung und Himmelfahrt Christi glaubten. Die Priester und Obersten waren sehr beunruhigt. Sie hatten Jesus gekreuzigt, in der Hoffnung die Gedanken des Volkes wieder auf sich zu richten, aber die Sache wurde schlimmer als zuvor. Sie waren öffentlich von den Jüngern beschuldigt worden, die Mörder des Sohnes Gottes zu sein, und sie wußten nicht, wie weit die Dinge zunehmen und in welches Ansehen sie bei dem Volke kommen würden. Sie hätten Petrus und Johannes gerne das Leben genommen, wagten es aber nicht, aus Furcht vor dem Volke. EG.183.1 Teilen

Am darauffolgenden Tage wurden die Apostel vor den Hohen Rat geführt. Dieselben Männer, die mit solchem Eifer nach dem Blute des Gerechten geschrieen hatten, waren anwesend. Sie hatten vernommen, wie Petrus seinen Herrn mit Schwören und Fluchen verleugnete, als man ihn gefragt hatte, ob er nicht auch einer von den Jüngern sei, und sie hofften wiederum, ihn einzuschüchtern. Aber Petrus hatte sich bekehrt, und jetzt fand er eine Gelegenheit, den Flecken jener feigen, schnell ausgesprochenen Verleugnung zu entfernen und den Namen, welchen er entehrt hatte, zu erhöhen. Mit heiliger Männlichkeit und in der Kraft des Geistes erklärte er ihnen furchtlos: „In dem Namen Jesu Christi von Nazareth, welchen ihr gekreuzigt habt, dem Gott von den Toten auferweckt hat, steht dieser allhier vor euch gesund. Das ist der Stein, von euch Bauleuten verworfen, der zum Eckstein geworden ist; und ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen seelig werden.“ EG.183.2 Teilen

184

Das Volk wunderte sich über den Mut Petrus und Johannes und kannte sie auch wohl, dass sie mit Jesu gewesen waren; denn ihr edles, furchtloses Benehmen glich demjenigen Jesu, als er vor seinen Feinden stand. Jesus tadelte Petrus durch einen Blick des Mitleids und der Trauer, als er ihn verleugnet hatte, und jetzt, als er seinen Herrn mutig bekannte, bekannte der Herr sich zu ihm und segnete ihn. Als Beweis der Anerkennung Jesu wurde er mit dem Heiligen Geiste erfüllt. EG.184.1 Teilen

Die Priester wagten es nicht, den Haß, den sie gegen die Jünger hegten, zu offenbaren. Sie hießen sie hinausgehen aus dem Rat, verhandelten dann miteinander und sprachen: „Was wollen wir diesen Menschen tun? Denn das Zeichen, durch sie geschehen, ist kund, offenbar allen, die zu Jerusalem wohnen, und wir können’s nicht leugnen.“ Sie fürchteten sich, dass der Bericht von dieser guten Tat sich unter dem Volke weiterverbreiten würde. Wenn es allgemein bekannt würde, wußten die Priester, dass sie ihre eigene Macht verlieren und man auf sie als die Mörder Jesu blicken würde. Aber alles, was sie wagten, war, die Apostel zu bedrohen und ihnen zu gebieten, dass sie nicht mehr in dem Namen Jesu lehrten, sonst sollten sie sterben. Petrus jedoch antwortete mutig, dass sie nicht anders könnten, als von dem Reden, was sie gesehen und gehört hätten. EG.184.2 Teilen

185

Durch die Kraft Jesu fuhren die Apostel fort, die Kranken zu heilen, die zu ihnen gebracht wurden. Hunderten stellten sich täglich unter das Banner eines gekreuzigten, auferstandenen und gen Himmel fahrenden Heilandes. Die Priester und Obersten sowie diejenigen, die besonders mit ihnen zu tun hatten, waren entsetzt. Aufs neue warfen sie die Jünger ins Gefängnis, indem sie hofften, dass die Aufregung unter dem Volke sich legen würde. Satan und seine Engel frohlockten; aber die Engel Gottes öffneten die Tür des Gefängnisses, und gerade dem Befehle der Priester und Obersten entgegen, sagten sie den Jüngern: „Gehet hin und tretet auf und redet im Tempel alle Worte dieses Lebens.“ EG.185.1 Teilen

Der Hohe Rat versammelte sich und sandte hin zum Gefängnis, sie zu holen. Die Diener schlossen die Tür des Gefängnisses auf, fanden aber diejenigen, die sie suchten, nicht darin. Sie kehrten wieder zu den Priestern und Obersten zurück und sagten: „Das Gefängnis fanden wir verschlossen mit allem Fleiß, und die Hüter außenstehend vor den Türen; aber da wir auftaten, fanden wir niemand drinnen.“ Da kam einer, der verkündigte ihnen: „Siehe, die Männer, die ihr ins Gefängnis geworfen habt, sind im Tempel, stehen und lehren das Volk.“ Da ging hin der Hauptmann mit den Dienern und holten sie, nicht mit Gewalt; denn sie fürchteten sich vor dem Volk, dass sie nicht gesteinigt würden; und als sie sie brachten, stellten sie sie vor den Rat. Und der Hohepriester fragte sie und sprach: „Haben wir euch nicht mit Ernst geboten, dass ihr nicht sollet lehren in diesem Namen? und sehet, ihr habt Jerusalem erfüllt mit eurer Lehre, und wollt dieses Menschen Blut über uns führen.“ EG.185.2 Teilen

Jene jüdischen Leiter waren Heuchler; sie liebten das Lob der Menschen mehr denn Gott. Ihre Herzen waren so verhärtet worden, dass sogar die mächtigsten Werke, die die Apostel wirkten, sie nur in Aufregung versetzten. Sie wußten, dass, wenn die Jünger Jesum, seine Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt predigten, dies nur mehr Schuld auf sie als seine Mörder werfen würde. Sie waren nicht so willig, das Blut Christi auf sich kommen zu lassen, als damals, da sie in ihrem Eifer ausriefen: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder.“ EG.185.3 Teilen

186

Die Apostel erklärten mutig, dass sie Gott mehr gehorchen müßten, denn den Menschen. Petrus sagte: „Der Gott unserer Väter hat Jesum auferweckt, welchen ihr erwürgt habt und an das Holz gehängt. Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöhet zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden. Und wir sind seine Zeugen über diese Worte, und der Heilige Geist, welchen Gott gegeben hat denen, die ihm gehorchen.“ Als jene Mörder diese furchtlos gesprochenen Worte vernahmen, wurden sie zornig und beschlossen, ihre Hände abermals mit Blut zu beflecken und die Apostel zu töten. Dies beratschlagten sie, als ein Engel Gottes auf das Herz Gamaliels einwirkte, den Priestern und Obersten den Rat zu geben: „Lasset ab von diesen Menschen und lasset sie fahren! Ist der Rat oder das Werk aus den Menschen, so wird’s untergehen; ist’s aber aus Gott, so könnet ihr’s nicht dämpfen; auf dass ihr nicht erfunden werdet, als die wider Gott streiten wollen.“ Böse Engel suchten die Obersten und Priester zu bewegen, die Apostel zu töten; aber Gott sandte seinen Engel, dies zu verhindern, indem er unter den jüdischen Anführern selbst eine Stimme erweckte, die zugunsten seiner Knechte redete. Das Werk der Apostel war noch nicht beendet. Sie sollten noch vor Könige gebracht werden, um von dem Namen Jesu und von den Dingen, die sie gesehen und gehört hatten, zu zeugen. EG.186.1 Teilen

Die Priester ließen unwillig ihre Gefangenen wieder gehen, nachdem sie sie gestäubt und ihnen befohlen hatten, nicht mehr in dem Namen Jesu zu reden. „Sie gingen aber fröhlich von des Rats Angesichte, dass sie würdig gewesen waren, um seines Namens willen Schmach zu leiden.“ Also wuchs das Wort Gottes und nahm zu. Die Jünger zeugten mutig von den Dingen, die sie gesehen und gehört hatten, und im Namen Jesu wirkten sie große Wunder. Furchtlos erklärten sie diejenigen des Blutes Jesu schuldig, die so bereit gewesen waren, es auf sich zu nehmen, als sie Gewalt über den Sohn Gottes hatten. EG.186.2 Teilen

187

Ich sah, dass die Engel Gottes beauftragt waren, die heiligen, wichtigen Wahrheiten, welche den Jüngern Christi durch alle Generationen hindurch als Anker dienen sollten, sorgfältig zu bewahren. Der Heilige Geist ruhte in besonderem Maße auf den Jüngern, die Zeugen von der Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn — wichtige Wahrheiten, welche die Hoffnung Israels sein sollten — gewesen waren. Alle sollten auf den Heiland der Welt als ihre einzige Hoffnung blicken und auf dem Wege wandeln, den er durch das Opfer seines eigenen Lebens gebahnt hatte; sie sollten Gottes Gesetz halten und leben. Ich sah die Weisheit und die Güte Jesu, indem er den Jüngern Kraft verlieh, dasselbe Werk fortzusetzen, für welches er von den Juden gehaßt und getötet worden war. In seinem Namen hatten sie Macht über die Werke Satans. Strahlen des Lichts und der Herrlichkeit waren über die Zeit des Todes und der Auferstehung Jesu ausgegossen, wodurch die heilige Wahrheit, dass Jesus der Heiland der Welt ist, verewigt wurde. EG.187.1 Teilen

Die Zahl der Jünger in Jerusalem wuchs schnell, und viele Priester waren dem Glauben gehorsam. Stephanus, voll Glaubens, tat Wunder und große Zeichen unter dem Volke. Die jüdischen Obersten wurden noch zu größerem Zorne erregt, als sie sahen, wie sogar Priester sich von ihren Satzungen und Opfern wandten und Jesum als das große Opfer annahmen. Mit Kraft von oben tadelte Stephanus die ungläubigen Priester und Ältesten und erhöhte Jesum vor ihnen. Sie konnten der Weisheit und der Kraft, womit er redete, nicht widerstehen, und da sie sahen, dass sie nichts auszurichten vermochten, bestachen sie Männer, fälschlich zu schwören, dass sie ihn Lästerworte hätten reden hören wider Moses und Gott. Sie machten einen Aufruhr unter dem Wolke, nahmen Stephanus gefangen und beschuldigten ihn durch falsche Zeugen, dass er wider die heilige Stätte und das Gesetz geredet hätte. Sie behaupteten, dass sie ihn selber hätten sagen hören, dass dieser Jesus von Nazareth die Sitten ändern würde, die Moses gegeben habe. EG.187.2 Teilen

188

Als Stephanus vor den Richtern stand, ruhte die Herrlichkeit Gottes auf seinem Angesicht. „Und sie sahen auf ihn alle, die im Rat saßen, und sahen sein Angesicht wie eines Engels Angesicht.“ Als man ihn aufforderte, auf die Beschuldigungen, die gegen ihn vorgebracht wurden, zu antworten, fing er bei Mose und den Propheten an, wiederholte die Geschichte der Kinder Israel und das Verfahren Gottes mit ihnen, und zeigte, wie Christus in der Prophezeiung angekündigt worden sei. Er wies auf die Geschichte des Tempels hin und sagte, dass Gott nicht in Tempeln von Händen gemacht wohne. Die Juden verehrten den Tempel und wurden mit größerem Zorne erregt, wenn etwas gegen dies Gebäude gesagt wurde, als wenn gegen Gott geredet wurde. Als Stephanus von Christo sprach und auf den Tempel hinwies, bemerkte er, dass das Volk seine Worte verwarf, und furchtlos tadelte er sie: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herzen und Ohren, ihr widerstrebet allezeit dem heiligen Geist.“ Während sie auf die äußeren Formen ihrer Religion achteten, waren ihre Herzen verderbt und voll tödlichen Übels. Er wies sie auf die Grausamkeit ihrer Väter hin, wie dieselben die Propheten verfolgten, und erklärte, dass diejenigen, die er jetzt anredete, eine noch größere Sünde begangen hätten, indem sie Christum verworfen und gekreuzigt hätten. „Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben getötet, die da zuvor verkündigten die Zukunft dieses Gerechten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid.“ EG.188.1 Teilen

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Als diese deutlichen, schneidenden Wahrheiten gesprochen wurden, wurden die Priester und Ältesten sehr erbost, stürmten auf ihn ein und bissen ihre Zähne zusammen. Aber er sah voll Heiligen Geistes auf gen Himmel und sah die Herrlichkeit Gottes und sagte: „Siehe, ich sehe den Himmel offen und des Menschen Sohn zur Rechten Gottes stehen.“ Das Volk wollte ihn nicht hören. „Sie schrieen aber laut und hielten ihre Ohren zu und stürmten einmütig auf ihn ein, stießen ihn zur Stadt hinaus und steinigten ihn.“ Er aber kniete nieder und schrie laut: „Herr, behalte ihnen diese Sünde nicht.“ EG.189.1 Teilen

Ich sah, dass Stephanus ein mächtiger Mann Gottes war, besonders dazu ausersehen, eine wichtige Stellung in der Gemeinde zu bekleiden. Satan frohlockte über seinen Tod, denn er wußte, dass die Jünger den Verlust schmerzlich empfinden würden. Aber der Triumph Satans war nur kurz, denn in jener Menge, die Zeuge von dem Tode des Stephanus war, befand sich einer, dem Jesus sich selbst offenbaren wollte. Saulus beteiligte sich nicht an der Steinigung des Stephanus, willigte jedoch in seinen Tod ein. Er war eifrig, die Gemeinde Gottes zu verfolgen, indem er sie aufsuchte, sie in ihren Häusern ergriff und denjenigen auslieferte, welche sie töteten. Saulus war ein begabter, talentvoller Mann; durch seinen Eifer auf seine Studien war er bei den Juden hoch angesehen, während er von vielen der Jünger Christi gefürchtet wurde. Seine Gaben wurden von Satan erfolgreich benutzt, seine Empörung gegen den Sohn Gottes und diejenigen, die an ihn glaubten, auszuführen. Aber Gott kann die Kraft des großen Feindes brechen und die von ihm gefangen sind, befreien. Christus hatte Saulus als ein „auserwähltes Rüstzeug“ erwählt, seinen Namen zu predigen, seine Jünger in ihrer Arbeit zu stärken und den Platz des Stephanus völlig auszufüllen. EG.189.2 Teilen

190

Als Saulus sich auf der Reise nach Damaskus befand mit Briefen, die ihm die Macht gaben, Männer und Frauen, die Jesum predigten, gebunden nach Jerusalem zu führen, umgaben ihn frohlockend böse Engel. Aber plötzlich umleuchtete ihn ein Licht vom Himmel, welches die bösen Engel verscheuchte und ihn zur Erde warf. Er hörte eine Stimme, die sagte: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Saul fragte: „Herr, wer bist du?“ Der Herr sprach: „Ich bin Jesus, den du verfolgst. Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken.“ Mit Zittern und Zagen fragte Saul: „Herr, was willst du, das ich tun soll?“ Und der Herr sprach: „Stehe auf und gehe in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst.“ EG.190.1 Teilen

Die Männer, die mit ihm waren, standen und waren erstarrt, denn sie hörten die Stimme und sahen niemand. Als das Licht verschwunden war und Saulus sich von der Erde aufrichtete, fand er, dass er des Augenlichtes ganz beraubt war. Die Herrlichkeit des himmlischen Lichtes hatte ihn geblendet. Sie nahmen ihn bei der Hand und führten ihn gen Damaskus, wo er drei Tage nicht sehend war und weder aß noch trank. Der Herr aber sandte seinen Engel zu einem Manne, den Saulus gerade gefangen nehmen wollte, und sagte ihm in einem Gesichte, dass er in die Gasse gehen sollte, die da heißt, „die gerade“, und in dem Hause des Judas nach einem namens Saul von Tarsus fragen sollte; „denn siehe, er betet, und hat gesehen im Gesicht einen Mann mit Namen Ananias zu ihm hineinkommen und die Hand auf ihn legen, dass er wieder sehend werde“. Ananias fürchtete sich, dass in der Sache etwas verkehrt sei, und fing an, dem Herrn zu erzählen, was er von Saulus gehört habe. Aber der Herr sprach zu Ananias: „Gehe hin, denn dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug, dass er meinen Namen trage vor den Heiden und vor den Königen und vor den Kindern Israel. Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.“ Ananias folgte den Anweisungen des Herrn „und kam in das Haus und legte die Hände auf ihn und sprach: Lieber Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt (der dir erschienen ist auf dem Wege, da du herkamst), dass du wieder sehend und mit dem Heiligen Geiste erfüllt werdest.“ EG.190.2 Teilen

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Sofort erhielt Saulus das Augenlicht wieder, stand auf und ließ sich taufen. Alsdann predigte er in den Schulen das Christus wahrhaftig Gottes Sohn sei. Alle, die ihn hörten, entsetzten sich und sprachen: „Ist das nicht, der zu Jerusalem verstörte, die diesen Namen anrufen, und darum hergekommen, dass er sie gebunden führe zu den Hohenpriestern?“ Saulus ward aber immer mächtiger und trieb die Juden in die Enge. Jetzt befanden sie sich aufs neue in Schwierigkeiten. Alle wußten, wie sehr Saulus gegen Christum gewesen war und wie eifrig er sich bemüht hatte, alle, die an diesen Namen glaubten, aufzusuchen und sie dem Tode zu überliefern. Seine wunderbare Bekehrung überzeugte viele, dass Jesus der Sohn Gottes war. Saulus berichtete seine Erfahrung in der Kraft des Heiligen Geistes. Er verfolgte zum Tode, und wollte gefangen nehmen, sowohl Männer als auch Frauen, als plötzlich, da er sich auf der Reise nach Damaskus befand, ein himmlisches Licht ihn umleuchtete, und Jesus sich ihm selbst offenbarte und ihm zeigte, dass er der Sohn Gottes sei. EG.191.1 Teilen

Indem Saulus so mutig Jesum predigte, übte er einen mächtigen Einfluß aus. Er kannte die Schrift, und nach seiner Bekehrung fiel ein göttliches Licht auf die Prophezeiungen betreffs Jesu, wodurch er befähigt wurde, die Wahrheit klar und freudig darzustellen und jede Verfälschung der Heiligen Schrift aufzudecken. Da der Geist Gottes auf ihm ruhte, konnte er seine Zuhörer auf eine deutliche und nachdrückliche Weise durch die Prophezeiungen bis zurzeit des ersten Kommens Christi führen und ihnen zeigen, dass die Stellen, die auf seine Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung Bezug nahmen, sich bereits erfüllt hätten. EG.191.2 Teilen

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Als die Hohenpriester und Obersten den Erfolg der Erfahrungen des Paulus wahrnahmen, wurden sie mit Haß gegen ihn erfüllt. Sie bemerkten, dass er mutig Jesum verkündete und in seinem Namen Wunder vollzog; das große Mengen ihn lauschten, sich von ihren Aufsätzen wandten und die jüdischen Obersten als die Mörder des Sohnes Gottes betrachteten. Ihr Ärger wurde aufs höchste erregt, und sie versammelten sich, um zu beraten, was wohl am besten zu tun sei, diese Aufregung unter dem Volke zu dämpfen. Sie kamen dahin überein, dass der sicherste Weg der sei, Paulus zu töten. Aber Gott kannte ihre Absichten, und Engel wurden beauftragt, Paulus zu beschützen, auf dass er leben möchte, um seine Mission zu vollenden. EG.192.1 Teilen

Von Satan dazu angeregt, bewachten die Juden die Tore von Damaskus Tag und Nacht, damit, wenn Paulus passieren würde, sie ihn sofort töten könnten. Aber Paulus war benachrichtigt worden, dass die Juden ihm nach dem Leben trachteten, und die Jünger ließen ihn in einem Korbe des Nachts an der Mauer herunter. Über diesen Fehlschlag ihres Planes waren die Juden beschämt und ungehalten, und Satans Absicht war wieder vereitelt. EG.192.2 Teilen

193

Nach diesem ging Paulus nach Jerusalem, um sich den Jüngern anzuschließen. Sie fürchteten sich aber alle vor ihm und konnten nicht glauben, dass er ein Jünger sei. Die Juden hatten ihm in Damaskus nach dem Leben getrachtet, und seine eigenen Brüder wollten ihn nicht annehmen; aber Barnabas nahm ihn zu sich, führte ihn zu den Aposteln und sagte ihnen, dass er den Herrn auf dem Wege gesehen und dass er mit Eifer den Namen Jesu zu Damaskus gepredigt hätte. EG.193.1 Teilen

Aber der Satan wirkte an den Herzen der Juden, Paulus umzubringen, und Jesus befahl ihm, Jerusalem zu verlassen. In der Begleitung von Barnabas ging er in andere Städte, verkündigte Jesum und wirkte Wunder, und viele bekehrten sich. Als ein Mann geheilt wurde, der immer lahm gewesen war, wollte das Volk, das Götzen anbetete, den Jüngern opfern. Paulus war hierüber betrübt und sagte ihnen, dass er und seine Mitarbeiter nur Menschen seien, und dass der Gott, der den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was darinnen ist, geschaffen habe, allein angebetet werden müsse. Auf diese Weise pries Paulus Gott unter dem Volke; aber er konnte es kaum von seinem Vorhaben abhalten. Der erste Begriff vom Glauben an den wahren Gott und von der Anbetung und Ehre, die ihm gebühren, ging in ihnen auf; aber indem sie Paulus lauschten, wirkte Satan auf ungläubige Juden von anderen Städten ein, dass sie Paulus verfolgten und das gute Werk, welches er ausführte zerstörten. Diese Juden erregten die Gemüter jener Götzendiener durch falsche Gerüchte gegen Paulus. Die Bewunderung der Leute verwandelte sich jetzt in Haß, und diejenigen, die vor kurzem bereit waren, die Jünger anzubeten; steinigten Paulus, schleiften ihn zur Stadt hinaus und meinten, dass er tot sei, aber als die Jünger um Paulus versammelt waren und ihn beklagten, stand er zu ihrer Freude auf und ging mit ihnen in die Stadt. EG.193.2 Teilen

Als Paulus und Silas wiederum Jesum predigten, folgte ihnen eine gewisse Magd, die einen Wahrsagergeist hatte, schrie und sprach: „Diese Menschen sind Knechte Gottes, des Allerhöchsten, die euch den Weg zur Seligkeit verkündigen.“ So folgte sie den Jüngern mehrere Tage. Es tat aber Paulus weh, denn dies Schreien hinter ihnen lenkte die Gemüter des Volkes von der Wahrheit ab. Der Zweck Satans, indem er sie veranlaßte, dies zu tun, war, einen Widerwillen im Volke zu erreichen und den Einfluß der Jünger zu vernichten. Paulus war sehr betrübt, und er wandte sich um und sprach zu dem Geiste: „Ich gebiete dir in dem Namen Jesu Christi, dass du von ihr ausfahrest.“ Und der böse Geist fuhr aus zu derselben Stunde. EG.193.3 Teilen

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Ihren Herren gefiel es, dass sie den Jüngern nachrief; aber als der böse Geist sie verließ und sie in ihr eine demütige Nachfolgerin Jesu sahen, wurden sie aufgebracht. Sie hatten viel Geld durch ihr Wahrsagen gesammelt, und jetzt war die Hoffnung ihres Gewinnes dahin. Satan hatte seinen Zweck verfehlt; aber seine Diener ergriffen Paulus und Silas, zogen sie auf den Markt vor die Obersten und führten sie zu den Hauptleuten und sprachen: „Diese Menschen machen unsere Stadt irre; sie sind Juden.“ Und das Volk wurde erregt wider sie, und die Hauptleute ließen ihnen die Kleider abreißen und hießen sie stäupen. Nachdem sie sie ordentlich gestäupt hatten, warfen sie sie ins Gefängnis und geboten dem Kerkermeister, dass er sie wohl verwahrte. Dieser, da er ein solches Gebot empfangen hatte, warf sie ins innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Stock. Aber die Engel Gottes begleiteten sie ins Gefängnis und führten es so, dass ihre Gefangenschaft zur Ehre Gottes gereichte und dem Volke zeigte, dass Gott mit dem Werke und seinen auserwählten Dienern war. EG.194.1 Teilen

Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Plötzlich wurde ein großes Erdbeben, das die Grundfesten des Gefängnisses bewegte, und ich sah, dass der Engel Gottes sofort alle Banden löste. Als der Kerkermeister erwachte und die Türen des Gefängnisses aufgetan sah, erschrak er. Er meinte, die Gefangenen seien alle entflohen und er würde jetzt mit dem Tode bestraft werden. Aber als er gerade sein Schwert zog um sich zu erwürgen, rief Paulus mit lauter Stimme: „Tu dir nichts Übles, denn wir sind alle hier.“ EG.194.2 Teilen

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Die offenbarte Kraft Gottes überführte den Kerkermeister. Er forderte ein Licht, sprang hinein, zitterte und fiel Paulus und Silas zu Füßen, führte sie heraus und sprach: „Liebe Herren, was soll ich tun, dass ich selig werde?“ Und sie sagten: „Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du und dein Haus selig.“ Dann versammelte der Kerkermeister sein ganzes Haus und Paulus verkündete ihnen Jesum. Also wurde das Herz des Kerkermeisters mit denen seiner Brüder verbunden, er wusch ihnen die Striemen ab, und er und sein ganzes Haus wurden in jener Nacht getauft. Er gab ihnen alsdann zu essen und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er an Gott gläubig geworden war. EG.195.1 Teilen

Diese wunderbare Nachricht von der Offenbarung der Kraft Gottes, indem die Türen des Gefängnisses geöffnet und der Kerkermeister mit seinem ganzen Hause bekehrt wurde, verbreitete sich schnell. Die Obersten vernahmen es und fürchteten sich; sie sandten zu dem Kerkermeister und befahlen ihm, Paulus und Silas gehen zu lassen. Aber Paulus wollte das Gefängnis nicht heimlich verlassen, er wollte nicht, dass die Offenbarung der Kraft Gottes verborgen bleiben sollte. Er sagte deshalb zu ihnen: „Sie haben uns ohne Recht und Urteil öffentlich gestäupt, die wir doch Römer sind, und in das Gefängnis geworfen, und sollten uns nun heimlich ausstoßen? Nicht also, sondern lasset sie selbst kommen und uns hinausführen.“ Als dies den Hauptleuten angekündigt und es bekannt wurde, dass die Apostel Römer waren, entsetzten sie sich aus Furcht, dass sie bei dem Kaiser ihres ungerechten Verfahrens wegen angeklagt würden. Sie kamen und redeten ihnen zu, führten sie heraus und baten sie, dass sie aus der Stadt auszögen. EG.195.2 Teilen

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Nach seiner Bekehrung besuchte Paulus Jerusalem und predigte dort Jesum und die Wunder seine Gnade. Er erzählte seine wunderbare Bekehrung, was die Priester und Schriftgelehrten so in Zorn versetzte, dass sie ihm nach dem Leben trachteten. Aber Jesus erschien ihm zu seiner Errettung in einem Gesichte, während er betete, und sprach zu ihm: „Eile und mache dich behend von Jerusalem hinaus; denn sie werden nicht aufnehmen dein Zeugnis von mir.“ Paulus antwortete: „Herr, sie wissen selbst, dass ich gefangen legte und stäupte die, so an dich glaubten, in den Schulen hin und wieder; und da das Blut des Stephanus, deines Zeugen, vergossen war, stand ich auch dabei und hatte Wohlgefallen an seinem Tode, und verwahrte denen die Kleider, die ihn töteten.“ Paulus hatte gedacht, dass die Juden zu Jerusalem seinem Zeugnis nicht widerstehen könnten und sie einsehen würden, dass der große Wechsel in ihm nur durch die Macht Gottes hervorgebracht sein könne. Aber die Antwort war noch bestimmter als vorher: „Gehe hin, denn ich will dich ferne unter die Heiden senden.“ Während Pauli Abwesenheit von Jerusalem schrieb er viele Briefe nach verschiedenen Orten, erzählte seine Erfahrungen und legte ein mächtiges Zeugnis ab. Aber manche bestrebten sich, den Einfluß dieser Briefe zu vernichten. Sie mussten zugeben, dass diese Briefe wichtig und kräftig waren, erklärten aber, dass seine leibliche Gegenwart schwach und seine Rede wertlos sei. EG.196.1 Teilen

Die Tatsache war jedoch, dass Paulus ein Mann von großer Gelehrsamkeit war, dass seine Weisheit und sein Benehmen die Hörer entzückten. Gelehrte Männer freuten sich seiner Erkenntis, und viele glaubten an Jesum. Wenn er vor Königen und Versammlungen stand, konnte er eine solche Beredsamkeit entfalten, dass er alle Zuhörer förmlich bezauberte. Dies versetzte die Priester und Obersten in große Wut. Paulus konnte leicht das Volk in die erhabensten Gedanken einführen, ihnen den Reichtum der Gnade Gottes und die beseligende Liebe Christi schildern. Dann konnte er wiederum in aller Einfachheit zu dem Verständnis des gemeinsamen Volkes herabsteigen und in der wirkungsvollsten Weise seine Erfahrung erzählen, was den brennenden Wunsch in ihnen erregte, auch Christi Jünger zu werden. EG.196.2 Teilen

197

Abermals erschien der Herr dem Paulus und offenbarte ihm, dass er hinauf nach Jerusalem gehen müsse, dass er daselbst gebunden werde und um seines Namens willen leiden würde. Obgleich er lange Zeit hindurch ein Gefangener war, so tat doch der Herr sein besonderes Werk durch ihn. Seine Bande waren das Mittel, die Erkenntnis Christi zu verbreiten und Gott zu verherrlichen. Da er zu seinem Verhör von Stadt zu Stadt gesandt wurde, wurde sein Zeugnis von Jesus und die interessanten Ereignisse seiner eigenen Bekehrung vor Königen und Stadthaltern erzählt, auf dass sie betreffs Jesu ohne Entschuldigung sein möchten. Tausende glaubten an ihn und freuten sich in seinem Namen. Ich sah, dass Gottes besondere Absicht durch die Reise Pauli auf der See erfüllt wurde. Er hatte beabsichtigt, dass die Schiffsmannschaft Zeuge von der Macht Gottes durch Paulus sein sollte, dass die Heiden auf diese Weise von dem Namen Jesu hören und viele durch die Lehren Pauli und durch die Wunder, die er vollbrachte, bekehrt werden sollten. Könige und Stadthalter waren von seinen Vorträgen entzückt, und als er mit Eifer und in der Macht des Heiligen Geistes Jesum predigte und wichtige Begebenheiten seiner Erfahrung erzählte, wurden sie von der Überzeugung erfaßt, dass Jesus der Sohn Gottes sei. Während manche mit Erstaunen den Worten Pauli lauschten, rief einer aus: „Es fehlt nicht viel, du überredest mich, dass ich ein Christ würde.“ Doch die meisten von denen, die ihn hörten, dachten, dass sie späterhin erwägen wollten, was sie gehört hatten. Satan nahm den Vorteil des Aufschubs wahr, und da sie die Gelegenheit versäumten, als ihre Herzen weich waren, war sie für immer dahin. Ihre Herzen wurden wieder verhärtet. EG.197.1 Teilen

198

Es wurde mir gezeigt, dass das Werk Satans erstens darin bestand, die Augen der Juden zu verblenden, damit sie Jesum nicht als ihren Heiland annehmen würden, und dann darin, dass er sie veranlaßte, aus Neid über seine mächtigen Taten sein Leben zu fordern. Satan fuhr in einen von Christi eigenen Nachfolgern und trieb ihn an, Christum in die Hände seiner Feinde zu verraten, damit sie den Herrn des Lebens und der Herrlichkeit kreuzigen möchten. EG.198.1 Teilen

Nachdem Jesus von den Toten auferstanden war, häuften die Juden Sünde auf Sünde, indem sie die römische Wache bestachen, eine Lüge zu verbreiten, um die Tatsache seiner Auferstehung zu verbergen. Aber die Auferstehung Christi ist durch die gleichzeitige Auferstehung einer Menge von Zeugen doppelt sicher. Nach seiner Auferstehung erschien Jesus seinen Jüngern und dann über 500 Brüdern auf einmal, während diejenigen, die er mit sich gebracht hatte, vielen erschienen und es bestätigten, dass Jesus auferstanden war. EG.198.2 Teilen

Satan hatte die Jünger dazu gebracht, sich gegen Gott zu empören, indem sie sich weigerten, seinen Sohn anzunehmen und ihre Hände mit seinem teuren Blute beflecken. Ohne Rücksicht darauf, wie kräftig der Beweis war, der vorgebracht wurde, dass Jesus der Sohn Gottes, der Erlöser der Welt sei, töteten sie ihn und wollten keinen Beweis zu seinem Gunsten annehmen. Ihre einzige Hoffnung und ihr Trost bestanden gleich derjenigen Satans nach seinem Fall darin, dass sie versuchten, über den Sohn Gottes die Oberhand zu gewinnen. Sie setzten deshalb ihre Empörung fort, indem sie die Jünger Christi verfolgten und dem Tode überlieferten. Nichts klang ihren Ohren so hart als der Name Jesu, den sie gekreuzigt hatten; und sie waren nicht zu bewegen, einen Beweis zu seinen Gunsten anzuhören. Als der Heilige Geist durch Stephanus den mächtigen Beweis erbrachte, dass Christus der Sohn Gottes sei, hielten sie ihre Ohren zu, damit sie nicht überzeugt werden möchten. Satan hatte die Mörder Jesu ganz in seiner Gewalt. Durch ihre bösen Werke hatten sie sich selbst zu seinen willigen Werkzeugen gemacht, und er war durch sie an der Arbeit, die an Christum Gläubigen zu beunruhigen und zu plagen. Er hetzte durch die Juden die Heiden gegen Jesum und seine Nachfolger auf. Aber Gott sandte seine Engel, um die Jünger für ihr Werk zu stärken, damit sie von dem, was sie gesehen und gehört hätten, zeugen und zuletzt durch ihre Standhaftigkeit ihr Zeugnis mit ihrem Blute besiegeln könnten. EG.198.3 Teilen

199

Satan freute sich, dass die Juden sicher in seinen Schlingen waren. Sie setzten noch ihre nutzlosen Gebräuche, ihre Opfer und Satzungen fort. Als Jesus am Kreuze hing und ausrief: „Es ist vollbracht“, da riß der Vorhang des Tempels mitten entzwei, um zu zeigen, dass Gott nicht länger mit den Priestern im Tempel sein würde, um ihre Opfer und Verordnungen anzunehmen, und dass die trennende Mauer zwischen Juden und Heiden wieder gerissen sei. Jesus hatte durch sich selbst ein Opfer für beide gebracht, und beide mussten an ihn, als das einzige Opfer für die Sünde, den Heiland der Welt glauben, wenn sie gerettet werden wollten. EG.199.1 Teilen

Als ein Soldat die Seite Jesu öffnete, während er am Kreuze hing, kamen zwei besondere Ströme heraus, der eine von Blut der andere von Wasser. Das Blut sollte die Sünden derjenigen wegwaschen, die an seinen Namen glauben würden, und das Wasser stellte das lebendige Wasser da, welches von Jesu kommt und denen Leben gibt, die an ihn glauben. EG.199.2 Teilen

200

Ich wurde in die Zeit versetzt, wo heidnische Götzendiener die Christen grausam verfolgten und töteten. Das Blut floß in Strömen. Die Edlen, die Gelehrten und das gewöhnliche Volk wurden ohne Gnade erschlagen. Reiche Familien wurden arm gemacht, weil sie ihre Religion nicht aufgeben wollten. Aber trotz der Verfolgungen und der Leiden, welche die Christen erduldeten, wollten sie ihren Standpunkt nicht aufgeben. Sie hielten ihre Religion rein. Ich sah, dass Satan über ihre Leiden triumphierte. Aber Gott schaute mit großem Beifall auf seine treuen Märtyrer. Die Christen, welche in dieser gefahrvollen Zeit lebten, liebte er sehr, weil sie willig waren, um seinetwillen zu leiden. Jedes Leid, das sie erduldeten, vermehrte ihren Lohn im Himmel. EG.200.1 Teilen

Aber obgleich Satan sich über die Leiden der Heiligen freute, war er doch nicht zufrieden. Er wollte ebenso sehr den Verstand wie auch den Körper beherrschen. Die Leiden, welche sie erduldeten, trieben sie nur näher zu dem Herrn, führten sie dazu, sich untereinander zu lieben und bewirkten, dass sie sich mehr denn je fürchteten, den Herrn zu betrüben. Satan wollte gerne, dass sie sich das Mißfallen Gottes zuziehen sollten; dann würden sie ihre Stärke, ihren Mut und ihre Festigkeit verlieren. Obgleich Tausende erschlagen wurden, so standen andere auf, um ihre Stelle einzunehmen. Satan sah, dass er seine Untertanen verlor, denn obgleich sie Verfolgung und Tod erlitten, so hatten sie doch die Versicherung Jesu Christi, dass sie Untertanen seines Reiches seien. Satan legte deshalb seine Pläne, um erfolgreicher gegen die Herrschaft Gottes zu wirken und die Gemeinde zu überwinden. Er veranlaßte die heidnischen Götzendiener, einen Teil des christlichen Glaubens anzunehmen. Sie bekannten, an die Kreuzigung und Auferstehung Christi zu glauben, und beabsichtigten, sich mit den Nachfolgern Jesu ohne Veränderung des Herzens zu vereinigen. O, welch schreckliche Gefahr für die Gemeinde! Es war eine Zeit geistiger Angst. Manche dachten, wenn sie nachgeben und sich mit diesen Götzendienern, die einen Teil des christlichen Glaubens angenommen hatten, vereinigen würden, so könnte dies das Mittel zu ihrer völligen Bekehrung werden. Satan suchte die Lehren der Bibel zu verdrehen. EG.200.2 Teilen

201

Ich sah, dass schließlich der christliche Standpunkt erniedrigt wurde und die Heiden sich mit den Christen vereinigten. Obgleich diese Götzenanbeter vorgaben, bekehrt zu sein, so brachten sie doch ihren Götzendienst mit in die Gemeinde, sie änderten nur die Gegenstände ihrer Anbetung in Bilder der Heiligen, ja, selbst in solche von Jesu und Maria, seiner Mutter, um. In dem Maße, wie sich die Nachfolger Christi mit ihnen vereinigten, wurde die christliche Religion verderbt, und die Gemeinde verlor ihre Reinheit und Kraft. Manche weigerten sich, sich mit ihnen zu vereinigen; diese bewahrten ihre Reinheit und dienten Gott allein. Sie wollten sich nicht vor irgendeinem Bilde beugen, weder das in dem Himmel oben, noch auf der Erde unten war. EG.201.1 Teilen

Satan frohlockte über den Fall so vieler; dann reizte er die gefallene Kirche auf, diejenigen, welche die Reinheit ihrer Religion bewahren wollten, zu zwingen, entweder ihre Zeremonien anzunehmen und die Bilder anzubeten, oder getötet zu werden. Das Feuer der Verfolgung war wieder gegen die wahre Gemeinde Christi entzündet, und Millionen wurden ohne Gnade geschlachtet. EG.201.2 Teilen

Dies wurde mir in folgender Weise vorgeführt: Eine große Schar heidnischer Götzendiener trug ein schwarzes Banner, auf welchem Bilder der Sonne, des Mondes und der Sterne waren. Diese Schar schien sehr heftig und zornig zu sein. Dann wurde mir eine andere Schar gezeigt, welche ein reines weißes Banner trug, auf welchem geschrieben stand: „Reinheit und Heiligkeit dem Herrn!“ Ihre Angesichter trugen den Ausdruck der Festigkeit und himmlischer Ergebung. Ich sah die heidnischen Götzendiener sich ihnen nähern, und es fand ein großes Blutvergießen statt. Die Christen schmolzen vor ihnen zusammen; doch schloß die Christenschar desto dichter zusammen und hielt das Banner nur fester. So viele auch fielen, es sammelten sich andere um das Banner und füllten ihre Plätze aus. EG.201.3 Teilen

202

Ich sah die Schar der Götzendiener sich zusammen beraten. Da sie die Christen nicht unterwerfen konnten, verabredeten sie einen Platz. Ich sah, dass sie ihr Banner niederließen und sich dann der festgeschlossenen Christenschar näherten und ihnen Vorschläge machten. Zuerst wurden ihre Vorschläge gänzlich abgelehnt, dann sah ich die Christenschar sich zusammen beraten. Manche sagten, dass sie ihr Banner auch niederlassen, die Vorschläge annehmen und ihr Leben retten wollten; schließlich könnten sie wieder Kraft erlangen und ihr Banner unter den Heiden hochheben. Einige indessen wollten diesem Plan nicht zustimmen, sondern waren fest entschlossen, lieber zu sterben und ihr Banner hochzuhalten, als es zu senken. Dann sah ich viele ihr Banner niederlassen und sich mit den Heiden vereinigen; aber die Festen und Standhaften ergriffen es wieder und hielten es hoch. Ich sah, dass fortwährend einzelne die Schar derjenigen verließen, die das weiße Banner trugen und sich mit den Götzendienern unter dem schwarzen Banner vereinigten, um diejenigen zu verfolgen, die das weiße trugen. Viele wurden erschlagen; doch wurde das weiße Banner hochgehalten, und es standen immer einzelne auf, die sich darum sammelten. EG.202.1 Teilen

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