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Kapitel 19: Jude und Heide
Kapitel 19: Jude und Heide
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Auf Grundlage von Apostelgeschichte 15,1-35. DAp.124 Teilen

Als Paulus und Barnabas die Stadt Antiochien in Syrien erreichten, von wo aus sie auf ihre Missionsreise geschickt wurden, ergriffen sie sobald wie möglich die Gelegenheit, die Gläubigen zu versammeln und ihnen zu verkünden „wie viel Gott durch sie getan und wie er den Heiden die Tür des Glaubens aufgetan hätte“. Apostelgeschichte 14,27. Die Gemeinde in Antiochien war groß und wuchs ständig. Als Zentrum der Missionstätigkeit war sie eine der wichtigsten Gruppen von Christusgläubigen. Ihre Glieder gehörten den verschiedensten Schichten der Bevölkerung aus Juden und Heiden an. DAp.124.1 Teilen

Während die Apostel sich gemeinsam mit Predigern und Laiengliedern von Antiochien ernstlich bemühten, viele Menschen für Christus zu gewinnen, gelang es gewissen jüdischen Gläubigen aus Judäa, „die zu der Partei der Pharisäer gehört hatten“ (Apostelgeschichte 15,5), eine Frage aufzuwerfen, die bald zu weit verbreiteten Streitigkeiten in der Gemeinde führte und unter den gläubigen Heiden Bestürzung hervorrief. Mit großem Nachdruck behaupteten diese judaisierenden Lehrer, dass man sich beschneiden lassen und das ganze Zeremonialgesetz halten müsse, wenn man selig werden wolle. DAp.124.2 Teilen

Paulus und Barnabas traten dieser falschen Lehre entschieden entgegen und wollten diese Sache nicht vor die Heiden bringen lassen. Andererseits befürworteten viele der gläubigen Juden Antiochiens den Standpunkt der kürzlich aus Judäa gekommenen Brüder. DAp.124.3 Teilen

Die jüdischen Bekehrten waren im Allgemeinen nicht bereit, so schnell voranzugehen, wie Gottes Vorsehung den Weg bereitete. In Anbetracht des Erfolges, den das Wirken der Apostel unter den Heiden hatte, war klar vorauszusehen, dass es bald mehr bekehrte Nichtjuden geben würde als jüdische Bekehrte. Daher befürchteten die Juden, dass ihre nationalen Besonderheiten, die sie bisher deutlich von anderen Völkern unterschieden hatten, völlig verschwänden, wenn die Einschränkungen und Zeremonien ihres Gesetzes den Heiden nicht als Bedingung zur Gemeindemitgliedschaft auferlegt würden.Die Juden hatten sich stets ihrer von Gott verordneten Gottesdienste gerühmt, und viele der zum Glauben an Christus Bekehrten hielten es immer noch für unwahrscheinlich, dass Gott, der einst die hebräische Ordnung des Gottesdienstes vorgeschrieben hatte, jemals eine Abänderung in irgendeiner Seiner Anordnungen gutheißen würde. Sie bestanden darauf, dass die jüdischen Gesetze und Zeremonien in die Bräuche der christlichen Religion übernommen werden müssten. Sie begriffen nur langsam, dass alle Sühnopfer den Tod des Sohnes Gottes vorschatteten, in welchem das Wesen an die Stelle des Vorbilds und Schattens trat und wonach die Verordnungen und Zeremonien des mosaischen Gottesdienstes nicht länger mehr binden waren. DAp.124.4 Teilen

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Vor seiner Bekehrung hatte Paulus sich „im Hinblick auf die Gerechtigkeit im Gesetz [für] untadelig“ gehalten. Philipper 3,6. Aber seit seiner Herzensänderung hatte er eine klare Erkenntnis von der Mission des Heilands als Erlöser des ganzen Menschengeschlechts — der Heiden wie der Juden — bekommen und auch den Unterschied zwischen lebendigem Glauben und totem Formalismus kennen gelernt. Im Lichte des Evangeliums hatten die den Israeliten auferlegten alten Bräuche und Zeremonien eine neue und tiefere Bedeutung bekommen. Was sie bildlich darstellten, hatte sich erfüllt, und so waren alle, die unter dem Evangelium lebten, von der Befolgung dieser Anordnungen befreit. Gottes unveränderliches Gesetz, die Zehn Gebote, jedoch hielt Paulus auch jetzt noch, sowohl dem Geist als auch dem Buchstaben nach. DAp.125.1 Teilen

In der Gemeinde von Antiochien löste die Frage der Beschneidung viele Diskussionen und Auseinandersetzungen aus. Weil die Glieder der Gemeinde befürchteten, dass fortgesetzte Diskussionen eine Spaltung in der Gemeinde zur Folge hätte, beschlossen sie, Paulus, Barnabas und einige Verantwortliche der Gemeinde nach Jerusalem zu senden, um die Angelegenheit den Aposteln und Ältesten zu unterbreiten. Dort würden sie mit den Abgeordneten der verschiedenen Gemeinden und auch denen zusammentreffen, die auf das bevorstehende Fest nach Jerusalem gekommen waren. In der Zwischenzeit sollten alle Streitfragen ruhen, bis durch eine allgemeine Beratung eine endgültige Entscheidung getroffen wäre, die dann von den verschiedenen Gemeinden im ganzen Land angenommen werden sollte. DAp.125.2 Teilen

Auf dem Weg nach Jerusalem besuchten die Apostel die Gläubigen in den Städten, die sie durchstreiften, und ermutigten sie durch ihre Erfahrungen im Werk Gottes und über die Bekehrung der Heiden. DAp.125.3 Teilen

In Israel trafen die Abgeordneten von Antiochien mit den Brüdern der verschiedenen Gemeinden zusammen, die sich hier zu einer allgemeinen Versammlung eingefunden hatten, und berichteten ihnen vom Erfolg ihrer Tätigkeit unter den Heiden. Dann schilderten sie ausführlich die Verwirrung, die dadurch entstanden war, dass gewisse bekehrte Pharisäer nach Antiochien kamen und erklärt hatten, dass die bekehrten Heiden beschnitten werden und das Gesetz Moses halten müssten, um selig zu werden. DAp.125.4 Teilen

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Diese Frage wurde in der Versammlung lebhaft diskutiert. Eng verbunden mit dem Thema der Beschneidung gab es noch verschiedene andere Punkte, die sorgfältig abgewägt werden mussten. Einer davon betraf die Stellung, die man gegenüber dem Verzehr von Götzenopferfleisch einnehmen sollte. Viele der bekehrten Heiden lebten unter unwissenden und abergläubischen Menschen, die den Göttern häufig Opfer darbrachten. Die Priester dieses heidnischen Gottesdienstes betrieben einen ausgedehnten Handel mit den Opfergaben, die zu ihnen gebracht wurden. Daher befürchteten die Juden, dass die bekehrten Heiden das Christentum in Verruf bringen könnten, wenn sie das kauften, was den Götzen geopfert worden war, indem sie dadurch gewissermaßen götzendienerische Bräuche gutheißen würden. DAp.126.1 Teilen

Ferner waren die Heiden gewohnt, das Fleisch von Tieren zu essen, die erstickt worden waren, während die Juden von Gott die Anweisung erhalten hatten, beim Töten jener Tiere, die zur Speise dienen sollten, besonders darauf zu achten, dass der Körper ausblutete. Andernfalls durfte das Fleisch nicht als gesund eingestuft werden. Gott hatte den Juden diese Vorschriften zu ihrer Gesunderhaltung gegeben. Den Juden war es überhaupt eine Sünde, Blut als Speise zu verwenden. Sie sagten: Das Blut sei das Leben und Blutvergießen die Folge der Sünde. DAp.126.2 Teilen

Im Gegensatz dazu fingen die Heiden das Blut auf, das dem Opfertier entwich, um es bei der Zubereitung von Speisen zu verwenden. Die Juden konnten nicht glauben, dass sie die auf besondere Anweisung Gottes angenommenen Bräuche ändern sollten. Deshalb musste es ihnen Anstoß und Ärgernis sein, wenn sie unter den gegenwärtigen Umständen mit den Heiden an einem Tisch zu essen genötigt wären. DAp.126.3 Teilen

Die Heiden, und besonders die Griechen, waren in hohem Grad ausschweifend, und so lag auch die Gefahr nahe, dass einige, deren Herzen unbekehrt waren, ein Glaubensbekenntnis ablegen könnten, ohne jedoch ihre schlechten Gewohnheiten aufzugeben. Die jüdischen Christen konnten aber die Unsittlichkeit, die von den Heiden nicht einmal als Verbrechen eingestuft wurde, nicht dulden und hielten es deshalb für äußerst angebracht, dass die Beschneidung und die Beachtung des Zeremonialgesetzes den bekehrten Heiden als eine Prüfung für ihre Aufrichtigkeit und Frömmigkeit zur Pflicht gemacht würde. Dadurch glaubten sie verhindern zu können, dass solche der Gemeinde beitraten, die ohne wahre Herzensbekehrung den Glauben annehmen und später der Sache Christi durch Unsittlichkeit und Ausschweifung Schande bereiten würden. Die verschiedenen Punkte, die bei der Lösung der Hauptfrage zu berücksichtigen waren, schienen der beratenden Versammlung unüberwindliche Schwierigkeiten zu bereiten. Der Heilige Geist hatte jedoch die Frage in Wirklichkeit schon entschieden, von deren Regelung das Wohl, wenn nicht gar das Bestehen der christlichen Gemeinde überhaupt, abzuhängen schien. DAp.126.4 Teilen

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„Nachdem aber eine große Auseinandersetzung stattgefunden hatte, stand Petrus auf und sprach zu ihnen: Ihr Männer und Brüder, ihr wisst, dass Gott lange vor diesen Tagen mitten unter uns die Heiden erwählt hat, dass sie durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und zum Glauben kommen sollten.“ Apostelgeschichte 15,7. Er begründete, dass der Heilige Geist die Streitfrage bereits entschieden habe, indem er sowohl auf die unbeschnittenen Heiden als auch auf die beschnittenen Juden mit gleicher Kraft herabgekommen war. Er berichtete erneut über seine Vision, in der Gott ein Tuch mit allerlei vierfüßigen Tieren vor ihm herniederkommen ließ und ihm gebot, zu schlachten und zu essen. Und als er sich dann weigerte, weil er noch niemals so etwas Gemeines oder Unreines gegessen habe, zur Antwort erhielt: „Was Gott gereinigt hat, das halte du nicht für gemein!“ Apostelgeschichte 10,15. DAp.127.1 Teilen

Petrus gab die deutliche Auslegung dieser Worte wieder, die ihm fast unmittelbar darauf durch die Aufforderung erteilt worden sei, zu dem Hauptmann zu gehen und ihn im Glauben Christi zu unterweisen. Diese Botschaft habe gezeigt, dass Gott die Person nicht ansehe, sondern alle annehme und anerkenne, die Ihn fürchten. Petrus erzählte daraufhin von seinem Erstaunen darüber, dass er Augenzeuge wurde, als er den im Haus des Kornelius Versammelten die Wahrheit predigte, wie der Heilige Geist über all seine Zuhörer kam — sowohl Heiden wie Juden. Dasselbe Licht, dieselbe Herrlichkeit, die sich in den beschnittenen Juden widerspiegelte, habe auch die Angesichter der unbeschnittenen Heiden erleuchtet. Dies war Gottes Warnung an ihn gewesen, keinen geringer zu achten als den anderen, weil das Blut Christi von aller Unreinheit reinigen könne. DAp.127.2 Teilen

Schon einmal hatte Petrus mit seinen Brüdern die Bekehrung des Kornelius und seiner Freunde sowie seine Gemeinschaft mit ihnen erörtert. Als er damals erzählte, wie der Heilige Geist auch auf die Heiden kam, hatte er erklärt: „Wenn nun Gott ihnen die gleiche Gabe verliehen hat wie auch uns, nachdem sie an den Herrn Jesus Christus gläubig geworden sind, wer war ich denn, dass ich Gott hätte wehren können?“ Apostelgeschichte 11,17. Jetzt sagte er mit gleichem Eifer und Nachdruck: „Gott, der die Herzen kennt, legte für sie Zeugnis ab, indem er ihnen den Heiligen Geist gab gleichwie uns; und er machte keinen Unterschied zwischen uns und ihnen, nachdem er ihre Herzen durch den Glauben gereinigt hatte. Weshalb versucht ihr denn jetzt Gott, indem ihr ein Joch auf den Nacken der Jünger legt, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten?“ Apostelgeschichte 15,8-10. Dieses Joch war nicht etwa das Gesetz der Zehn Gebote, wie mache behaupten, die die bindenden Forderungen des Gesetzes in Abrede stellen. Petrus bezog sich hier nur auf das Zeremonialgesetz, das durch den Kreuzestod Christi null und nichtig geworden war. DAp.127.3 Teilen

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Die Rede von Petrus brachte die Versammlung dazu, auch Paulus und Barnabas geduldig zuzuhören, die nun ihre Erfahrungen im Wirken für die Heiden berichteten. „Da schwieg die ganze Menge und hörte Barnabas und Paulus zu, die erzählten, wie viele Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte.“ Apostelgeschichte 15,12. DAp.128.1 Teilen

Auch Jakobus legte ein entschiedenes Zeugnis davon ab, dass es Gottes Absicht sei, den Heiden dieselben Vorrechte und Segnungen zu geben, die auch den Juden gewährt wurden. DAp.128.2 Teilen

Der Heilige Geist hielt es für gut, den Bekehrten aus den Heiden nicht das Zeremonialgesetz aufzuerlegen, und die Ansicht der Apostel darüber entsprach auch der des Heiligen Geistes. Jakobus führte bei dieser Beratung den Vorsitz, und seine endgültige Entscheidung war: „Darum meine ich, dass man denen von den Heiden, die sich zu Gott bekehren, nicht Unruhe mache.“ Apostelgeschichte 15,19. DAp.128.3 Teilen

Damit waren alle Diskussionen beendet. Diese Begebenheit widerlegt die von der römisch-katholischen Kirche aufgestellte Lehre, dass Petrus das Haupt der Gemeinde sei. Wer, wie die Päpste, den Anspruch erhebt, dessen Amtsnachfolger zu sein, steht mit dieser Forderung nicht auf biblischem Boden. Nichts im Leben des Petrus rechtfertigt die Behauptung, dass er als Statthalter des Allerhöchsten über seine Brüder erhöht worden sei. Wären alle, die zu Nachfolgern Petri erklärt wurden, seinem Beispiel gefolgt, so wären sie damit zufrieden gewesen, mit ihren Brüdern auf gleicher Stufe zu stehen. DAp.128.4 Teilen

Bei dieser Gelegenheit war wohl Jakobus derjenige gewesen, der den von der Versammlung gefassten Beschluss bekannt gab. Sein Urteil lautete, dass weder das Zeremonialgesetz noch die Beschneidung den Heiden aufgezwungen, ja nicht einmal empfohlen werden sollte. Jakobus versuchte seinen Brüdern begreiflich zu machen, dass man gegenüber den Heiden, die durch ihre Bekehrung zu Gott eine große Veränderung in ihrem Leben vollzogen hatten, große Vorsicht üben und sie nicht mit verwirrenden und strittigen Fragen von untergeordneter Wichtigkeit beunruhigen sollte, damit sie nicht in der Nachfolge Christi entmutigt würden. DAp.128.5 Teilen

Die aus den Heiden Bekehrten sollten jedoch alle Bräuche aufgeben, die mit den Grundsätzen des Christentums unvereinbar waren. Deshalb kamen die Apostel und Ältesten überein, die Heidenchristen schriftlich anzuweisen, sich des Götzenopferfleisches, sowie von Blut, von Ersticktem und von Hurerei zu enthalten. Stattdessen sollten sie ermahnt werden, die Gebote zu halten und ein heiliges Leben zu führen. Ihnen wurde außerdem zugesichert, dass keiner derjenigen, die die Beschneidung für bindend erklärt hatten, von den Aposteln hierzu ermächtigt gewesen war. DAp.128.6 Teilen

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Paulus und Barnabas wurden ihnen als Männer empfohlen, die ihr Leben für den Herrn aufs Spiel gesetzt hatten. Judas und Silas wurden mit den Aposteln ausgesandt, um den Heiden mündlich die Entscheidung des Konzils mitzuteilen. „Es hat nämlich dem Heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last aufzuerlegen, außer diesen notwendigen Dingen, dass ihr euch enthaltet von Götzenopfern und von Blut und vom Erstickten und von Unzucht; wenn ihr euch davor bewahrt, so handelt ihr recht.“ Apostelgeschichte 15,28f. DAp.129.1 Teilen

Diese vier Diener Gottes wurden mit dem Brief nach Antiochien gesandt und der Botschaft, allen Streitfragen ein Ende zu machen, denn darin sprach die höchste Autorität auf Erden. DAp.129.2 Teilen

Das Konzil, welches diese Angelegenheit entschied, bestand aus Aposteln und Lehrern, die entscheidend zur Gründung von Christengemeinden aus Juden und Heiden beigetragen hatten und aus Abgeordneten der verschiedensten Gegenden. Somit waren Älteste aus Jerusalem und Gesandte aus Antiochien vertreten, sowie die einflussreichsten Gemeinden. Die Versammlung handelte nach dem Rat eines erleuchteten Gewissens und mit der Würde einer nach göttlichem Willen gegründeten Gemeinde. Ihre Beratungen hatten zur Folge, dass alle einsahen: Gott selbst hatte durch die Ausgießung des Heiligen Geistes auf die Heiden die vorliegende Frage beantwortet. Sie wurden sich darüber klar, dass es nunmehr ihre Pflicht sei, der Leitung des Geistes zu folgen. DAp.129.3 Teilen

Die Christen wurden nicht in ihrer Gesamtheit aufgefordert, über diese Frage abzustimmen. Die „Apostel und Ältesten“, Männer von Einfluss und Urteil, verfassten und erließen den Beschluss, der hinfort allgemein von den Christengemeinden angenommen wurde. Diese Entscheidung gefiel auch nicht allen. Es gab eine Gruppe ehrgeiziger, sich selbst vertrauender Brüder, die nicht damit übereinstimmte. Diese Männer maßten sich an, das Werk auf eigene Verantwortung in die Hand zu nehmen. Sie murrten viel und suchten nach Fehlern, schlugen neue Pläne vor und versuchten das Werk jener Männer niederzureißen, die Gott zur Evangeliumsverkündigung verordnet hatte. Seit Anbeginn hat die Gemeinde mit solchen Hindernissen zu kämpfen gehabt und wird ihnen bis ans Ende der Zeit zu begegnen haben. DAp.129.4 Teilen

Jerusalem war die Hauptstadt der Juden, und dort begegnete man auch der strengsten Absonderung und der meisten Engstirnigkeit. Die Judenchristen, die hier in der Nähe des Tempels lebten, beschäftigten sich in ihren Gedanken oft mit den besonderen Vorrechten der Juden als Nation. Als diese nun sahen, dass die Christengemeinde von den Zeremonien und Traditionen des Judentums abwich und erkannten, dass sie die besondere Heiligkeit, die man den jüdischen Sitten beigelegt hatte, im Lichte des neuen Glaubens bald aus dem Auge verlieren würde, wurden viele verärgert über Paulus als denjenigen, der weitgehend an diesem Richtungswechsel schuld sei. Selbst die Jünger waren nicht alle bereit, die Entscheidung des Konzils bereitwillig anzunehmen. Einige eiferten für das Zeremonialgesetz und sprachen abfällig über Paulus, weil sie meinten, dass seine Auffassung über die Anforderungen des jüdischen Gesetzes zu locker sei. DAp.129.5 Teilen

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Unter den Bekehrten aus den Heiden erweckte die weitsichtige und weit reichende Entscheidung des allgemeinen Konzils Vertrauen, wodurch Gottes Sache wuchs. Die Gemeinde in Antiochien freute sich darüber hinaus über die Anwesenheit von Judas und Silas — der besonderen Boten, die gleichzeitig mit den Aposteln von der Versammlung in Jerusalem hergekommen waren. Diese gottesfürchtigen Männer, „die selbst auch Propheten waren, ermahnten die Brüder mit vielen Worten und stärkten sie“. Apostelgeschichte 15,32. Sie blieben noch eine Zeitlang in Antiochien. „Paulus und Barnabas hielten sich aber in Antiochia auf und lehrten und verkündigten zusammen mit noch vielen anderen das Wort des Herrn.“ Apostelgeschichte 15,35. DAp.130.1 Teilen

Als Petrus später Antiochien besuchte, gewann er durch sein weises Verhalten gegenüber den aus dem Heidentum Bekehrten das Vertrauen vieler. Eine Zeitlang handelte er auch in Übereinstimmung mit dem ihm vom Himmel verliehenen Licht und überwand sein natürliches Vorurteil so weit, dass er mit den Bekehrten aus den Heiden sogar an einem Tisch aß. Als aber gewisse Juden, die für das Zeremonialgesetz eiferten, von Jerusalem kamen, änderte Petrus unkluger Weise sein Verhalten gegenüber den Bekehrten aus den Heiden. Es heißt, dass noch eine Anzahl Juden „mit ihm heuchelten ... so dass selbst Barnabas verführt wurde, mit ihnen zu heucheln“. Galater 2,13. DAp.130.2 Teilen

Diese Schwächebekundung von denen, die als Leiter geehrt und geliebt worden waren, hinterließ bei den gläubig gewordenen Heiden einen äußerst schmerzlichen Eindruck. Der Gemeinde drohte die Spaltung. Doch Paulus, der erkannte, welch verheerenden Einfluss das der Gemeinde zugefügte Unrecht durch das Doppelspiel von Petrus bewirkte, tadelte diesen öffentlich, weil er seine wahren Gefühle verborgen hielt. In Gegenwart der Gemeinde richtete er an Petrus die Frage: „Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst und nicht jüdisch, was zwingst du die Heiden, jüdisch zu leben?“ Galater 2,13. DAp.130.3 Teilen

Petrus erkannte den Irrtum, den er begangen hatte, und bemühte sich sofort, den angerichteten Schaden möglichst wieder gutzumachen. Gott, der das Ende schon von Anfang weiß, ließ es zu, dass Petrus eine solche Charakterschwäche bekundete, damit der so versuchte Apostel einsähe, dass in ihm nichts sei, dessen er sich rühmen könne. Selbst die besten Menschen werden, sobald sie sich selbst überlassen sind, in ihrem Urteil irren. Gott sah auch die Zeit heranrücken, in der manche sich so verleiten lassen würden, für Petrus und seine vorgeblichen Nachfolger die hohen Vorrechte zu beanspruchen, die nur Gott zukommen. Dieser Bericht über die Schwäche des Apostels sollte deshalb einen bleibenden Beweis für seine Fehlerhaftigkeit bilden und dafür, dass er in keiner Weise über den anderen Apostel stand. DAp.130.4 Teilen

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Die Geschichte über das Abweichen von richtigen Grundsätzen gilt als feierliche Warnung allen Menschen in Vertrauenspositionen, damit diese niemals vom Weg der Rechtschaffenheit abweichen, sondern treu zu den Grundsätzen stehen mögen. Je größer die dem menschlichen Werkzeug auferlegte Verantwortung ist und je umfassender dessen Gelegenheiten sind, um Vorschriften zu machen und zu herrschen, desto mehr darf es sich dessen gewiss sein, dass es Schaden anrichten wird, wenn es nicht sorgfältig den Weg des Herrn folgt und im Einklang mit den Bestimmungen handelt, die von der Gesamtheit der Gläubigen in gemeinsamer Beratung getroffen worden sind. DAp.131.1 Teilen

Ist es denn nicht seltsam, dass Petrus nach allen Niederlagen, nach seinem Fall und seiner Wiederherstellung, nach seiner langen Dienstlaufbahn, seiner innigen Gemeinschaft mit Christus, nach seiner Kenntnis von des Heilands redlicher Befolgung rechtschaffener Grundsätze, nach allen empfangenen Unterweisungen, sowie nach all den Gaben und dem Wissen, die ihm zuteil geworden waren, noch heucheln und aus Menschenfurcht oder um Ansehen zu erlangen, die Grundsätze des Evangeliums verlassen konnte? Ist es nicht seltsam, dass er in seiner Absicht, dem Rechten nachzugehen, wankend werden konnte? Möge Gott einem jeden seine Hilflosigkeit erkennen lassen und ihm helfen, sich seiner Unfähigkeit bewusst zu werden, sein Lebensschiff geradewegs und sicher in den Hafen zu bringen. DAp.131.2 Teilen

Paulus war in seinem Predigtdienst oft gezwungen, allein zu stehen. Er wurde besonders von Gott unterwiesen und wagte es nicht, Zugeständnisse zu machen, die seinen Grundsätzen zuwiderliefen. Manchmal war die Last schwer, doch Paulus stand fest für das Recht ein. Er war sich darüber im klaren, dass die Gemeinde nie der Herrschaft menschlicher Macht unterworfen werden dürfe. Weder dürften die Traditionen und Maximen von Menschen die Stelle geoffenbarter Wahrheit einnehmen, noch dürfen Vorurteile oder die Willkür Einzelner — welche Stellung sie innerhalb der Gemeinde auch einnehmen mögen — den Fortschritt des Evangeliums behindern. DAp.131.3 Teilen

Paulus hatte sich mit all seinen Fähigkeiten dem Dienst Gottes geweiht. Er hatte die Wahrheiten des Evangeliums direkt vom Himmel empfangen unterhielt auch bis ans Ende seines Predigtdienstes eine lebendige Verbindung mit dem Himmel. Er war von Gott über das Auferlegen unnötiger Lasten auf die Heidenchristen belehrt worden und daher, als von judaisierenden Gläubigen in Antiochien die Frage der Beschneidung aufgeworfen wurde, von der Ansicht des Geistes Gottes über diese Lehre unterrichtet und in der Lage, fest und unnachgiebig einen Standpunkt zu vertreten, dessen Annahme den Gemeinden Freiheit von jüdischen Bräuchen und Zeremonien brachte. DAp.131.4 Teilen

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Ungeachtet der Tatsache, dass Paulus persönlich von Gott gelehrt war, überbewertete er nicht seine eigene Verantwortung. Während er um direkte Führung zu Gott aufschaute, war er doch stets bereit, jene Autorität anzuerkennen, mit der die Gesamtheit der christlichen Gläubigen ausgerüstet war. Er empfand, dass er des Rats bedurfte, und wenn bedeutsame Fragen aufkamen, legte er diese gern der Gemeinde vor und vereinte sich im Gebet mit seinen Brüdern, um Gott um Weisheit zu bitten, damit die rechte Entscheidung getroffen werden konnte. Selbst „die Geister der Propheten“ waren nach seiner Aussage „den Propheten untertan. Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, wie in allen Gemeinden der Heiligen.“ 1.Korinther 14,32f. DAp.132.1 Teilen

Mit Petrus lehrte er, dass alle, die der Gemeinde angehören, sich „gegenseitig unterordnen“ sollen. 1.Petrus 5,5. DAp.132.2 Teilen

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