Portrait von Ellen White
A-   A+
A-   A+
Bücher
Achtung, noch nicht 100% für das Handy optimiert.
Ich arbeite parallel an der APP.
Kapitel 43: In Rom
Kapitel 43: In Rom
292

Auf Grundlage von Apostelgeschichte 28,11-31; Philemon. DAp.292 Teilen

293

Als dann die Schifffahrt wieder aufgenommen werden konnte, setzten der Hauptmann und die Gefangenen ihre Reise nach Rom fort. Ein Schiff von Alexandrien, das „das Zeichen der Zwillinge führte“ (Apostelgeschichte 28,11) und auf seiner Fahrt nach Westen bei Malta überwintert hatte, nahm die Schiffbrüchigen an Bord. Zwar wurde man verschiedentlich durch widrige Winde aufgehalten; dennoch konnte die Reise sicher beendet werden. Das Schiff ging in dem schönen Hafen von Puteoli an der italienischen Küste vor Anker. DAp.293.1 Teilen

Dort lebten einige Christen, die den Apostel einluden, sieben Tage bei ihnen zu bleiben. Der Hauptmann gewährte ihm diese Vergünstigung. Nachdem die Christen in Italien den Brief des Paulus an die Römer erhalten hatten, sahen sie gespannt seinem Besuch entgegen. Sie hatten nicht erwartet, ihn als Gefangenen zu sehen. Seine Leiden ließen ihre Zuneigung ihm gegenüber jedoch nur noch größer werden. Die Entfernung von Puteoli nach Rom betrug etwa 225 km. Da zwischen dem Seehafen und der Weltstadt eine ständige Verbindung bestand, erfuhren die römischen Christen bald von der Ankunft des Paulus. Daraufhin zogen ihm einige entgegen, um ihn willkommen zu heißen. DAp.293.2 Teilen

Acht Tage nach der Landung brach der Hauptmann mit seinen Gefangenen nach Rom auf. Soweit es in seiner Macht stand, gewährte Julius dem Paulus gern jede Erleichterung. An seiner Situation als Gefangener konnte er dagegen nichts ändern, auch konnte er ihn nicht von den Fesseln befreien, die den Apostel an den wachhabenden Kriegsknecht banden. Schweren Herzens sah Paulus dem langerwarteten Besuch in der Welthauptstadt entgegen. Wie ganz anders hatte er ihn sich vorgestellt! Wie sollte er als Gebundener und Gezeichneter dort das Evangelium verkündigen? Seine Hoffnung, in Rom viele Menschen für die Wahrheit zu gewinnen, schien völlig zum Scheitern verurteilt. DAp.293.3 Teilen

Schließlich erreichten die Reisenden Forum Appii, das nur etwa 60 Kilometer von Rom entfernt lag. Während sie sich ihren Weg durch die Menschenmassen auf der großen Verkehrsstraße bahnten, wurde dem ergrauten Apostel, der mit hartgesottenen Verbrechern zusammengekettet war, manch verächtlicher Blick zugeworfen. Er musste es sich gefallen lassen, Zielscheibe roher Scherze und spöttischer Bemerkungen zu sein. DAp.293.4 Teilen

294

Plötzlich aber konnte man ein Freudenschrei hören. Aus der Schar der Vorüberdrängenden stürzte ein Mann hervor, fiel dem Gefangenen um den Hals und umarmte ihn unter Freudentränen, so wie ein Sohn nach langer Abwesenheit seinen Vater begrüßt. Dies wiederholte sich mehrmals, denn viele erkannten mit dem von freudiger Erwartung geschärften Blick in dem gefesselten Gefangenen den Mann, der ihnen in Korinth, Philippi und Ephesus die Worte des Lebens verkündigt hatte. DAp.294.1 Teilen

In herzlicher Liebe scharten sich die Jünger um ihren Vater im Glauben, so dass der ganze Zug zum Stehen gebracht wurde. Zwar wurden die Kriegsknechte wegen der Verzögerung ungeduldig; dennoch brachten sie es nicht über sich, diese freudigen Begegnungen zu unterbrechen, hatten doch auch sie ihren Gefangenen achten und schätzen gelernt. Die Gläubigen sahen in dem abgehärmten, leiddurchfurchten Antlitz den Abglanz des Bildes Christi. Sie versicherten dem Paulus, dass sie nicht aufgehört hätten, ihn zu lieben, dass sie ihn nie vergessen würden und dass sie ihm dankbar seien für die freudige Hoffnung, die ihr Leben durchdringe und ihnen Frieden mit Gott verleihe. Wenn es ihnen gestattet worden wäre, hätten sie Paulus am liebsten auf ihren Schultern bis hin zur Stadt getragen. DAp.294.2 Teilen

Als der Apostel seine Glaubensbrüder sah, „dankte er Gott und gewann Zuversicht“. Apostelgeschichte 28,15. Wenige mögen die Bedeutung dieser Worte ganz ermessen. Inmitten der weinenden, mitfühlenden Gläubigen, die sich seiner Fesseln nicht schämten, pries der Apostel Gott mit lauter Stimme. Die Wolke der Traurigkeit, die sein Gemüt bedrückt hatte, war verschwunden. Wohl war sein Christenleben eine ununterbrochene Folge von Anfechtungen, Leid und Enttäuschungen gewesen, doch in dieser Stunde fühlte er sich für alles reichlich entschädigt. Mit festem Schritt und freudigem Herzen setzte er seinen Weg fort. Er wollte weder über die Vergangenheit klagen noch sich vor der Zukunft fürchten. Gefängnis und Trübsal warteten auf ihn, das wusste er. Doch er wusste auch, dass durch ihn Menschen von einer viel schrecklicheren Knechtschaft befreit worden waren. Deshalb freute er sich seiner Leiden um Christi willen. DAp.294.3 Teilen

In Rom übergab der Hauptmann Julius seine Gefangenen dem Befehlshaber der kaiserlichen Wache. Der gute Bericht, den er über Paulus verfasste, sowie der Brief von Festus bewirkten, dass der Oberhauptmann Paulus wohlwollend beurteilte. Anstatt ihn ins Gefängnis legen zu lassen, erlaubte er ihm, in seinem eigenen Haus zur Miete zu wohnen. Obwohl er weiterhin an einen Kriegsknecht gekettet blieb, durfte er doch jederzeit seine Freunde empfangen und für den Fortgang der Sache Christi wirken. DAp.294.4 Teilen

295

Viele Juden, die einige Jahre zuvor aus Rom verbannt worden waren, hatten die Erlaubnis erhalten, wieder dorthin zurückzukehren und waren nun in großer Zahl dort. Diese wollte Paulus zu allererst über sich und über seine Tätigkeit unterrichten, ehe seine Feinde Gelegenheit hätten, sie gegen ihn aufzuwiegeln. So rief er drei Tage nach seiner Ankunft in Rom die leitenden Männer der Juden zusammen und berichtete ihnen schlicht und sachlich, weshalb er als Gefangener nach Rom gekommen war. DAp.295.1 Teilen

„Ihr Männer, liebe Brüder“, sagte er, „ich habe nichts getan wider unser Volk noch wider väterliche Sitten und bin doch als Gefangener aus Jerusalem übergeben in der Römer Hände, die mich, nachdem sie mich verhört hatten, losgeben wollten, weil nichts an mir war, das den Tod verdient hätte. Da aber die Juden dawider redeten, ward ich genötigt, mich auf den Kaiser zu berufen; nicht, als hätte ich mein Volk um etwas zu verklagen. Um dieser Ursache willen habe ich euch gebeten, dass ich euch sehen und sprechen dürfte; denn um der Hoffnung Israels willen trage ich diese Kette.“ Apostelgeschichte 28,17-20. DAp.295.2 Teilen

Er sagte nichts über die Misshandlungen, die er von den Juden zugefügt bekommen hatte, auch nichts über ihre wiederholten Anschläge gegen ihn. Seine Worte waren dagegen vorsichtig und freundlich. Er wollte nicht die Aufmerksamkeit auf sich lenken oder Mitgefühl erregen, sondern vielmehr die Wahrheit verteidigen und für die Ehre des Evangeliums einstehen. DAp.295.3 Teilen

Seine Zuhörer erwiderten, dass weder durch öffentliche noch private Briefe irgendwelche Klagen gegen ihn eingegangen seien und dass ihn keiner der nach Rom gekommenen Juden irgendeines Verbrechens bezichtigt habe. Sie erwähnten aber auch, dass sie sehr gern den Grund für seinen Glauben an Christus erfahren wollten. „Denn von dieser Sekte“, so erklärten sie, „ist uns kund, dass ihr wird an allen Enden widersprochen.“ Apostelgeschichte 28,22. DAp.295.4 Teilen

Da sie es selbst wünschten, vereinbarte Paulus mit ihnen einen Tag, an dem er ihnen die Botschaft des Evangeliums verkündigen könnte. Zur vorgesehenen Zeit „kamen viele zu ihm in die Herberge, welchen er auslegte und bezeugte das Reich Gottes und predigte ihnen von Jesus aus dem Gesetz des Mose und aus den Propheten von frühmorgens an bis an den Abend“. Apostelgeschichte 28,23. Er erzählte seine eigenen Erfahrungen und brachte schlicht und eindringlich die Beweise aus dem Alten Testament vor. DAp.295.5 Teilen

Der Apostel zeigte auf, dass Religion nicht in bloßen Gebräuchen und äußeren Formen, in Glaubensbekenntnissen und Lehrsätzen bestehe. Wäre dies der Fall, dann könnte sie der normale Mensch durch Untersuchungen herausfinden, wie er auch irdische Dinge zu begreifen vermag. Paulus lehrte, dass wahrer Glaube eine wirkende, errettende Kraft ist, die ausschließlich von Gott ausgeht und die der Mensch durch Wiedergeburt und Erneuerung erfährt. DAp.295.6 Teilen

296

Er zeigte, wie schon Mose das Volk Israel auf Christus hingewiesen habe als auf den Propheten, den sie hören sollten, und wie alle Propheten von ihm als Gottes alleiniges Heilmittel gegen die Sünde gezeugt hätten, von dem Einen, der als Schuldloser die Sünde der Schuldigen tragen sollte. Er tadelte sie nicht wegen ihrer Befolgung äußerer Formen und religiöser Bräuche, sondern zeigte ihnen, dass sie, während sie den zeremoniellen Vorschriften mit großer Genauigkeit nachkamen, den verwarfen, auf den alles hinwies. DAp.296.1 Teilen

Paulus erklärte, dass er vor seiner Bekehrung Christus nicht persönlich gekannt habe, sondern sich — wie alle anderen — seine eigene Vorstellung von dem Wesen und Wirken des kommenden Messias gemacht habe. Weil Jesus von Nazareth diesen Vorstellungen nicht entsprach, habe er ihn als einen Betrüger verworfen. Nun aber sei sein Verständnis von Christus und dessen Sendung weit geistlicher und höher, weil er selbst eine Bekehrung erlebt habe. Der Apostel betonte, dass es ihm nicht darum gehe, Christus nach dem Fleisch darzustellen. Wohl hatte Herodes Christus leiblich sehen können, ebenso Hannas, Pilatus, die Priester und Obersten, sowie die römischen Kriegsknechte, aber sie hatten ihn nicht mit den Augen des Glaubens und nicht als den verherrlichten Erlöser gesehen. Christus im Glauben zu erfassen und geistlich mit ihm verbunden zu sein, sei viel bedeutungsvoller, als ihn während seines Erdenlebens persönlich gekannt zu haben. Solche Gemeinschaft mit Christus, die Paulus so froh mache, sei inniger und dauerhafter als jede menschliche Freundschaft auf Erden es sein kann. DAp.296.2 Teilen

Als Paulus nun davon sprach, was er von Jesus von Nazareth als der Hoffnung Israels alles wusste, und von dem Zeugnis gab, was er gesehen hatte, da wurden alle überzeugt, die aufrichtig nach Wahrheit suchten. Auf einige machten seine Worte zumindest einen unauslöschlichen Eindruck. Andere jedoch weigerten sich hartnäckig, das klare Zeugnis der Schrift anzunehmen, obwohl es ihnen von einem gegeben wurde, der vom Heiligen Geist sichtlich erleuchtet war. Sie konnten seine Ausführungen zwar nicht widerlegen, weigerten sich jedoch, entsprechende Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. DAp.296.3 Teilen

Nach der Ankunft des Apostels in Rom vergingen viele Monate, ehe die Juden von Jerusalem eintrafen, um ihre Anklagen gegen den Gefangenen vorzubringen. Wiederholt waren ihre Absichten durchkreuzt worden, und jetzt, da Paulus vor dem höchsten Gerichtshof des Römischen Reiches verhört werden sollte, wollten sie sich keiner weiteren Niederlage aussetzen. Lysias, Felix, Festus und Agrippa hatten gesagt, dass sie von seiner Unschuld überzeugt wären. So konnten seine Feinde nur dann auf Erfolg hoffen, wenn es ihnen gelang, den Kaiser durch Ränkespiele für sich zu gewinnen. Eine Verzögerung konnte ihren Plänen nur weiterhelfen, denn dadurch gewannen sie Zeit, ihre Pläne zu schmieden und auszuführen. Deshalb warteten sie eine Zeitlang, ehe sie ihre Anklagen persönlich gegen den Apostel vorbrachten. DAp.296.4 Teilen

297

Nach Gottes Vorsehung trug diese Verzögerung jedoch zur Förderung des Evangeliums bei. Durch das Entgegenkommen derer, die Paulus in Gewahrsam hatten, durfte er in einem geräumigen Haus wohnen, wo er ohne jede Behinderung mit seinen Freunden zusammenkommen konnte, um täglich denen die Wahrheit auszulegen, die es hören wollten. So konnte er zwei Jahre lang seine Arbeit tun. Er „predigte das Reich Gottes und lehrte von dem Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert“. Apostelgeschichte 28,31. DAp.297.1 Teilen

Während dieser Zeit vergaß er auch nicht die Gemeinden, die er in vielen Ländern gegründet hatte. Er kannte die Gefahren, die den zum neuen Glauben Bekehrten drohten. Deshalb versuchte der Apostel soweit wie möglich durch Briefe, die Mahnungen und praktische Unterweisungen enthielten, auf ihre Nöte und Anliegen einzugehen. Zudem sandte er Gott geweihte Mitarbeiter von Rom aus zum Dienst nicht nur in diese Gemeinde, sondern auch in Gebiete, die er selbst nicht besucht hatte. Diese Mitarbeiter setzten als weise Hirten das von Paulus begonnene Werk erfolgreich fort. Durch die ständige Verbindung mit ihnen war der Apostel über den Stand der Gemeinden, sowie über die ihnen drohenden Gefahren gut unterrichtet, so dass er über alle eine weise Aufsicht ausüben konnte. DAp.297.2 Teilen

Obwohl es schien, als sei Paulus von jeder Möglichkeit zu aktiver Arbeit am Werk Gottes gehindert, war sein Einfluss nun weitreichender und nachhaltiger als in den früheren Jahren, da er die Gemeinden noch persönlich besuchen konnte. Als Gefangener des Herrn waren ihm nun die Brüder mehr zugetan. Die Worte, die er ihnen als ein um Christi willen Gebundener schrieb, fanden mehr Aufmerksamkeit und Beachtung als in jenen Tagen, da er noch persönlich unter ihnen weilte. Erst jetzt, als Paulus ihnen genommen war, erkannten die Gläubigen, wie viel Schweres er um ihretwillen ertragen hatte. Bisher hatten sie sich aller Verantwortung und aller Lasten größtenteils mit der Begründung entzogen, dass ihnen seine Weisheit, sein Anpassungsvermögen und seine unbezwingliche Tatkraft fehlten. Jetzt aber, da sie in ihrer Unerfahrenheit lernen mussten, was sie sonst von sich gewiesen hätten, schätzten sie seine Mahnungen, Ratschläge und Unterweisungen viel mehr als sein vorheriges persönliches Wirken. Als sie von seinem Mut und Glauben während der langen Gefangenschaft vernahmen, wurden sie zu größerer Treue und wachsendem Eifer für die Sache Christi angespornt. DAp.297.3 Teilen

Zu den Gehilfen des Apostels Paulus in Rom gehörten viele seiner früheren Gefährten und Mitarbeiter. Lukas, „der Arzt, der Geliebte“ (Kolosser 4,14) der ihn auf seiner Reise nach Jerusalem begleitet hatte und während der zweijährigen Gefangenschaft in Cäsarea bei ihm gewesen war, und der ihm auch während der gefahrvollen Reise nach Rom treu zur Seite gestanden hatte, war noch immer bei ihm. Auch Timotheus half ihm, seine Last zu tragen. Kolosser 1,1. Auch „Tychikus, der liebe Bruder und getreue Diener und Mitknecht in dem Herrn“ (Kolosser 4,7), stand dem Apostel selbstlos bei. Ferner waren Demas und Markus bei ihm. Kolosser 4,10.14. Aristarchus und Epaphras waren sogar seine Mitgefangenen. Kolosser 4,10.12. DAp.297.4 Teilen

298

Markus hatte im Laufe der Jahre an christlicher Erfahrung zugenommen. Nachdem er sich gründlich mit dem Leben und Sterben Christi befasste, hatte er ein tieferes Verständnis gewonnen für die Sendung des Heilandes sowie für deren Schwierigkeiten und Kämpfe. Als Markus in den Wundmalen in Jesu Händen und Füßen die Zeichen des Dienstes Christi für die Menschheit und seiner unermesslichen Selbstverleugnung zur Rettung der Verlorenen und Untergehenden erkannte, war er bereit geworden, dem Meister auf dem Pfad der Selbstaufopferung zu folgen. Als er nun mit Paulus das Los eines Gefangenen teilte, erkannte er besser als je zuvor, welch unendlicher Gewinn es ist, Christus zu besitzen. Unwiederbringlicher Verlust aber ist es, die Welt zu erwerben und dafür die Seele zu verlieren, für deren Erlösung Christus sein Blut vergossen hat. So blieb Markus standhaft auch angesichts der schwersten Anfechtungen und Widerwärtigkeiten und war ein verständiger und geliebter Helfer des Apostels. DAp.298.1 Teilen

Demas jedoch, der eine gewisse Zeit standhaft gewesen war, gab aber später die Sache Christi auf. Über ihn schrieb Paulus: „Demas hat mich verlassen und diese Welt liebgewonnen.“ 2.Timotheus 4,10. Für weltlichen Gewinn tauschte Demas alles ein, was von hoher und edler Bedeutung war. Wie kurzsichtig war doch dieser Tausch! Trotz des Besitzes irdischen Reichtums und weltlicher Ehre war Demas im Grund genommen doch ein armer Mensch, mochte er auch noch so viel sein eigen nennen. Markus dagegen, der sich entschieden hatte, für Christus zu leiden, besaß unvergänglichen Reichtum und wurde im Himmel als Gottes Erbe und Jesu Miterbe angesehen. DAp.298.2 Teilen

Unter denen, die durch den Dienst des Paulus in Rom ihr Herz Gott übergaben, war Onesimus, ein heidnischer Sklave, der seinem Herrn Philemon, einem Gläubigen in Kolossäa, Schaden zugefügt hatte und nach Rom geflohen war. In seiner Herzensgüte suchte Paulus zunächst die Armut und das Leid dieses unglücklichen Flüchtlings zu lindern, und dann bemühte er sich, seinen verfinsterten Geist mit dem Licht der Wahrheit zu erhellen. Onesimus hörte auf das Wort des Lebens, bekannte seine Sünden und bekehrte sich zum Glauben an Christus. DAp.298.3 Teilen

Durch seine Frömmigkeit und Aufrichtigkeit, durch seine freundliche Fürsorge für Paulus und durch seinen Eifer, das Evangelium zu fördern, erwarb sich Onesimus die Zuneigung des Apostels. Paulus entdeckte in ihm Wesenszüge, die versprachen, dass aus ihm ein nützlicher Helfer in der Missionsarbeit würde. Er riet ihm, ohne zu zögern zu Philemon zurückzukehren, ihn um Verzeihung zu bitten und Pläne für die Zukunft zu legen. Der Apostel versprach ihm auch, für das Geld aufzukommen, das Onesimus dem Philemon genommen hatte. Da er gerade Tychikus mit Briefen zu verschiedenen Gemeinden in Kleinasien senden wollte, schickte er Onesimus mit ihm. Es war eine schwere Probe für den einstigen Sklaven, sich selbst seinem Herrn auszuliefern, dem er Unrecht zugefügt hatte. Doch da er wirklich bekehrt war, entzog er sich nicht dieser Pflicht. DAp.298.4 Teilen

299

Paulus übergab Onesimus einen Brief an Philemon, in dem er sich mit dem ihm eigenen Zartgefühl und Wohlwollen für den reumütigen Sklaven einsetzte und den Wunsch äußerte, Onesimus möge ihm künftig zum Dienst zur Verfügung stehen. Der Brief begann mit einem herzlichen Gruß an Philemon, den Freund und Mitarbeiter: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unsrem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Ich danke meinem Gott allezeit, wenn ich deiner gedenke in meinen Gebeten — denn ich höre von der Liebe und dem Glauben, die du hast an den Herrn Jesus und gegenüber allen Heiligen ?, dass der Glaube, den wir miteinander haben, in dir kräftig werde in Erkenntnis all des Guten, das wir haben, in Christus.“ Philemon 3-6. Der Apostel erinnerte Philemon daran, dass er jeden guten Vorsatz und jede gute Charaktereigenschaft, die er besaß, der Gnade Christi verdanke, und dass dies allein ihn von den verderbten und sündhaften Menschen unterscheide. Dieselbe Gnade könne auch aus einem verkommenen Verbrecher ein Gotteskind und einen nützlichen Arbeiter am Evangelium machen. DAp.299.1 Teilen

Paulus hätte Philemon dazu drängen können, an seine Christenpflicht zu denken, doch er wählte lieber die Sprache des Bittenden: „Ich ... Paulus, ein alter Mann, nun aber auch ein Gefangener Christi Jesu ... ermahne ... dich um meines Sohnes willen, Onesimus, den ich gezeugt habe in der Gefangenschaft, der dir früher unnütz war, jetzt aber dir und mir sehr nützlich ist.“ Philemon 9-11. DAp.299.2 Teilen

Der Apostel bat Philemon, da Onesimus sich bekehrt habe, den reumütigen Sklaven wie sein eigenes Kind anzunehmen und ihm solche Liebe zu erweisen, dass er gern bei seinem ehemaligen Herrn bleibe, „nun nicht mehr wie einen Knecht, sondern mehr als einen Knecht als einen lieben Bruder“. Philemon 16. Er wünschte sich, dass Philemon doch Onesimus zu ihm zurücksenden möge, damit dieser ihm in seiner Gefangenschaft dienen könne, so wie Philemon es selbst gern getan hätte. Er wolle den Dienst von Onesimus aber nur annehmen, wenn Philemon bereit sei, aus eigenem Antrieb den Sklaven freizugeben. DAp.299.3 Teilen

Der Apostel wusste zu gut, mit welcher Strenge die Herren damals ihre Sklaven behandelten und dass auch Philemon über das Verhalten seines Knechtes höchst ungehalten war. Deshalb bemühte er sich, sein Schreiben so abzufassen, dass die tiefsten und zartesten christlichen Empfindungen in ihm wachgerufen würden. Durch die Bekehrung war Onesimus ein Glaubensbruder geworden. Jede Strafe, die man ihm zufügte, musste Paulus als ihm persönlich angetan betrachten. DAp.299.4 Teilen

300

Der Apostel erklärte sich auch dazu bereit, für die Schuld des Onesimus aufzukommen, damit dem einstigen Sklaven die Schande der Bestrafung erspart bliebe und er sich wieder der Vorrechte erfreuen dürfe, die er verwirkt hatte. „Wenn du mich nun“, so schrieb Paulus an Philemon, „für deinen Freund hältst, so wollest du ihn aufnehmen wie mich selbst. Wenn er aber dir Schaden getan hat oder etwas schuldig ist, das rechne mir an. Ich, Paulus, schreibe das mit meiner Hand : Ich will‘s bezahlen.“ Philemon 17-19. DAp.300.1 Teilen

Welch passende Darstellung der Liebe Christi zum reumütigen Sünder! Der Knecht, der seinen Herrn betrogen hatte, besaß nichts, um den Schaden zu ersetzen. Der Sünder, der jahrelang Gott des Dienstes beraubt hat, kann seine Schuld ebenfalls nicht begleichen. Jesus aber tritt zwischen den Sünder und Gott und erklärt: Ich will die Schuld bezahlen. Verschone den Sünder; ich will an seiner Stelle leiden. DAp.300.2 Teilen

Nachdem Paulus sich angeboten hatte, die Schuld des Onesimus zu begleichen, erinnerte er Philemon daran, wie viel dieser selbst ihm verpflichtet sei. Er verdankte ihm sein eigenes Selbst, seit Gott durch Paulus seine Bekehrung bewirkt hatte. Alsdann bat er Philemon feinfühlend und ernsthaft, er möge, so wie er durch seine Freigebigkeit die Heiligen erquickt habe, nun auch das Herz des Apostels erquicken und ihm diese Freude gewähren. „Ich habe“, fügte er hinzu, „im Vertrauen auf deinen Gehorsam dir geschrieben; und ich weiß, du wirst mehr tun, als ich sage.“ Philemon 21. DAp.300.3 Teilen

Der Brief des Apostels an Philemon zeigt die Wirkung des Evangeliums auf das Verhältnis zwischen Herren und Knechten. Sklaverei war im Römischen Reich eine anerkannte Einrichtung, und zu den meisten Gemeinden, in denen Paulus wirkte, gehörten Herren und auch Sklaven. In den Städten, wo es oft mehr Sklaven als freie Bürger gab, waren äußerst harte Gesetze erlassen worden, um die Sklaven unterwürfig zu halten. Einem wohlhabenden Römer gehörten mitunter Hunderte von Sklaven aus den verschiedensten Ständen, Völkern und Berufen. Da er volle Gewalt über Leib und Leben dieser Hilflosen besaß, konnte er ihnen willkürlich irgendwelche Strafen auferlegen. Wagte es nun einer von ihnen, aus Wiedervergeltung oder in Notwehr die Hand gegen seinen Besitzer zu erheben, so konnte es geschehen, dass die ganze Familie des Missetäters unmenschlich dafür büßen musste. Schon geringe Versehen, Unfälle oder Unachtsamkeiten wurden oft unbarmherzig bestraft. DAp.300.4 Teilen

Es gab aber auch Herren, die menschlicher empfanden und ihre Sklaven freundlich behandelten. Doch die meisten Wohlhabenden und Reichen frönten uneingeschränkt ihren Leidenschaften und Begierden und erniedrigten ihre Sklaven zu bedauernswerten Opfern ihrer Launen und ihrer Tyrannei. Eine solche Gesellschaftsordnung konnte nur zu hoffnungslosem Niedergang führen. DAp.300.5 Teilen

301

Es war nicht die Aufgabe des Apostels, eigenmächtig oder vorschnell die bestehende gesellschaftliche Ordnung zu stürzen. Ein solcher Versuch hätte den Fortgang der Evangeliumsverkündigung in Frage gestellt. Er lehrte aber Grundsätze, durch die die Sklaverei an der Wurzel getroffen wurde. Wo man dann diese Lehren ernst nahm, musste die ganze Gesellschaftsordnung erschüttert werden. „Wo ... der Geist des Herrn ist; da ist Freiheit“ (2.Korinther 3,17), erklärte er. Durch seine Bekehrung wurde der Sklave ein Glied am Leibe Christi. Als solches musste er wie ein Bruder geliebt und behandelt werden. Wie sein Herr, so war auch er Miterbe der Segnungen Gottes und der Gnadengaben des Evangeliums. Andererseits sollten die Sklaven ihren Pflichten nachkommen, „nicht mit Dienst allein vor Augen, um den Menschen zu gefallen, sondern als Knechte Christi, die den Willen Gottes tun von Herzen.“ Epheser 6,6. DAp.301.1 Teilen

So wurde durch das Christentum ein starkes Band der Gemeinschaft geknüpft zwischen Herren und Sklaven, Königen und Untertanen, zwischen dem Diener des Evangeliums und dem tief gefallenen Sünder, der durch Christus die Reinigung von aller Sünde erhalten hat. Alle sind in dem gleichen Blut gewaschen, vom gleichen Geist belebt und eins in Christus Jesus. DAp.301.2 Teilen

6400
20717
Weiter zu "Kapitel 44: Aus dem Haus des Kaisers"
Stichwörter