Portrait von Ellen White
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Kapitel 4: Gefangennahme
Kapitel 4: Gefangennahme
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Die fürchterliche Stunde in Gethsemane ist vorüber. Unser Heiland hat den bitteren Kelch angenommen, um ihn bis auf den letzten Tropfen zu leeren. Er hat in der Stunde der Versuchung zu Gunsten des Menschen überwunden. Auf seinem bleichen und blutbefleckten Angesicht lagerte sich nun Ernst und Ruhe. Er kam zum dritten Mal zu seinen Jüngern und fand sie wieder vom Schlaf übermannt. Voll Teilnahme und Kummer war sein Blick, als er die Worte an sie richtete: „Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird.“Matthäus 26,45. Während er noch diese Worte zu ihnen sprach, hörte er die Fußtritte der Schar, die ausgezogen war, ihn zu suchen. Judas war ihr Führer, dicht hinter ihm folgte der Hohepriester. Der Heiland weckte nun seine Jünger mit folgenden Worten vollends auf: „Steht auf laßt uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.“Matthäus 26,46. Das Antlitz Jesu trug einen Ausdruck ruhiger Würde. Die Spuren der soeben überstandenen furchtbaren Seelenqual waren an ihm nicht länger zu bemerken, als er weiterging, um seinem Verräter zu begegnen. LC.30.1 Teilen

Indem er seinen Jünger voranschritt, fragte er die Mörderschar: „Wen sucht ihr?“ Sie antworteten ihm: „Jesus von Nazareth“. Er spricht zu ihnen: „Ich bin´s.“ Johannes 18,4.5. Auf diese Worte hin wichen sie zurück; Priester, Oberste, Soldaten und sogar Judas fielen machtlos zu Boden. Dies gab dem Heiland reichlich Gelegenheit, ihnen zu entrinnen, wenn er es hätte tun wollen. Er stand aber ruhig inmitten dieser rohen und herzlosen Schar. Als Jesus ihnen erwiderte: „Ich bin‘s!“, trat der Engel Gottes, der ihm in seiner Seelenangst gedient hatte, zwischen ihn und die Mörderschar. Sie sahen, wie ein himmlisches Licht das Angesicht Jesu verklärte und eine taubenähnliche Gestalt ihn überschattete. Ihre verstockten Herzen zitterten vor Schrecken. Unfähig, sich auch nur einen Augenblick in dieser göttlichen Herrlichkeit aufrecht zu erhalten, fielen sie wie tot zu Boden. LC.30.2 Teilen

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Der Engel zog sich zurück; Jesus blieb ruhig und selbstbewußt stehen; die hellen Strahlen des Mondes fielen auf sein blasses Angesicht, und noch immer war er umgeben von niedergesunkenen, hilflosen Menschen, während seine Jünger zu erstaunt waren, um ein Wort äußern zu können. Als der Engel entschwunden war, sprangen die römischen Soldaten auf ihre Füße und scharten sich mit dem Priester und Judas um Jesus, fast beschämt über ihre Schwäche und besorgt, er möchte ihnen noch entrinnen. Wiederum fragte der Erlöser der Welt: „Wen sucht ihr?“ Abermals erwiderten sie: „Jesus von Nazareth!“ Der Heiland antwortete darauf: „Ich habe euch gesagt, dass ich es bin. Sucht ihr mich, so laßt diese gehen!“ Johannes 18,7.8. In dieser Stunde seiner Erniedrigung dachte er nicht an seine Person, sondern an seine Jünger. Er wollte ihnen alle weiteren Prüfungen ihrer Standhaftigkeit ersparen. LC.31.1 Teilen

Judas, der Verräter, vergaß seine Rolle nicht, sondern kam dicht an Jesus heran, erfaßte seine Hand wie die eines vertrauten Freundes und gab ihm den Kuss des Verrates. Darauf sagte der Heiland zu ihm: „Mein Freund, wozu bist du gekommen?“ Matthäus 26,50. Seine Stimme zitterte vor Wehmut, als er diese Worte an den verblendeten Judas richtete: „Judas, verrätst du den Menschensohn mit einem Kuss?“ Lukas 22,48. Diese äußerst gefühlvollen Worte hätten das Gewissen des Verräters aufwecken und sein verstocktes Herz rühren sollen; aber Ehre, Treue und menschliches Zartgefühl waren bei ihm geschwunden. Er stand frech und keck da, ohne jede Spur der Reue. Er hatte sich der Macht Satans hingegeben, um seine Schandtat auszuüben, und es fehlte ihm der Wille, dem Satan zu widerstehen. Jesus widerstrebte nicht, des Verräters Kuss anzunehmen. Darin gab er uns ein Beispiel des Tragens, der Liebe und des Mitleids, desgleichen nirgends zu finden ist. LC.31.2 Teilen

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Obwohl die Schar der Mörder überrascht und voller Schrecken war über das, was sie gesehen und gefühlt hatte, kehrte doch ihre Sicherheit und Verwegenheit zurück, als sie sah, mit welcher Keckheit Judas die Person dessen berührte, den sie soeben verherrlicht gesehen hatte; sie ergriffen nun ohne weiteres Jesus und machten sich daran, jene teuren Hände zu fesseln, die stets nur dem Dienste des Guten gewidmet waren. LC.32.1 Teilen

Als die Jünger die Schar der gefühllosen Männer hilflos auf der Erde liegen sahen, dachten sie, ihr Meister würde sicherlich nicht dulden, von ihnen gefangen genommen zu werden. Dieselbe Macht, die die Söldnerschar niederwarf, hätte sie auch in diesem hilflosen Zustand lassen können, bis Jesus unangetastet sich aus ihrem Bereiche entfernt hätte. Da sie aber nun sahen, wie die Stricke hervorgeholt wurden, um die Hände dessen, den sie so innig liebten, zu fesseln, waren sie enttäuscht und entrüstet. Petrus zog in heftigem Zorn sein Schwert und hieb dem Knecht des Hohenpriesters ein Ohr ab. LC.32.2 Teilen

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Als nun Jesus sah, was Petrus getan hatte, befreite er seine Hände, obwohl die römischen Soldaten sie bereits festhielten, und indem er bemerkte: „Laßt ab! Nicht weiter!“ (Lukas 22,51), berührte er das Ohr des verwundeten Knechts, und es ward augenblicklich geheilt. Zu Petrus aber sprach er: „Stecke dein Schwert an seinen Ort! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es so geschehen muss?“ Matthäus 26,52-54. „Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?“ Johannes 18,11. Zu dem Hohenpriester aber und zu den Obersten des Tempels, die sich diesem Mörderhaufen angeschlossen hatten, sprach er: „Ihr seid ausgezogen wie gegen einen Räuber mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fangen. Habe ich doch täglich im Tempel gesessen und gelehrt, und ihr habt mich nicht ergriffen. Aber das ist alles geschehen, damit erfüllt würden die Schriften der Propheten.“ Matthäus 26,55.56. LC.33.1 Teilen

Als nun die Jünger wahrnahmen, dass Jesus sich nicht aus den Händen seiner Feinde befreite, sondern zuließ, dass sie ihn ergriffen und banden, wandten sie sich von ihm, flohen und ließen ihren Meister allein. Der Heiland hatte vorausgesehen, dass sie ihn verlassen würden, und hatte es ihnen im Saale oben gesagt, ehe es geschah: „Siehe, es kommt die Stunde und ist schon gekommen, dass ihr zerstreut werdet, ein jeder in das Seine, und mich allein laßt. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.“ Johannes 16,32. LC.33.2 Teilen

Der Erlöser der Welt wurde in die Gerichtshalle eines irdischen Richters geführt, um dort von sündigen Menschen verhöhnt und zum Tode verurteilt zu werden. Dort wurde der glorreiche Sohn des Allerhöchsten „um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen“. Jesaja 53,5. Er ertrug Hohn, Spott und die schimpfliche Behandlung, bis seine Gestalt häßlicher war, „als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder“. Jesaja 52,14. LC.33.3 Teilen

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Wer kann die hierin gezeigte Liebe verstehen? Die Engelscharen sahen ihn, der als Majestät des Himmels die Krone der Herrlichkeit getragen hatte, verwundert und mit Schmerzen an, als er nunmehr die Dornenkrone trug und wie ein blutendes Opfer der von Satan angestachelten Menge ausgeliefert war. Betrachtet den geduldig Leidenden: auf seinem Kopf lag die Dornenkrone und aus jeder verwundeten Vene floß Blut! Nichts hätte Jesus veranlassen können, seine Ehre und seine Majestät im Himmel aufzugeben und auf diese sündige Welt zu kommen, um von denen abgelehnt, verspottet und verworfen zu werden, zu deren Erlösung er gekommen war und für die er letztendlich am Kreuz gelitten hat — außer diese ewige, erlösende Liebe, die immer ein Geheimnis bleiben wird. LC.34.1 Teilen

Wundert euch, ihr Himmel, und erstaune, oh Erde! Sieh den Unterdrücker und den Unterdrückten! Eine große Menge umgab den Heiland der Welt. Spott und Schmach mischten sich mit Verwünschungen, Flüchen und Gotteslästerungen. LC.34.2 Teilen

Seine geringe Geburt und sein demütiges Leben wurden von dem gefühllosen Haufen verhöhnt. Sein Anspruch, Gottes Sohn zu sein, wurde von dem Hohenpriester und den Obersten ins Lächerliche gezogen, und gemeine Späße und beleidigende Spottreden gingen von Mund zu Mund. Satan hatte vollkommene Gewalt über die Gemüter seiner Sklaven. Um dieselbe wirksamer auszubeuten, begann er mit den Obersten der Juden und stachelte sie zu religiöser Verfolgungswut auf. Diese übertrugen dieselbe auf den rohen und ungebildeten Pöbelhaufen, bis schließlich in allen Gemütern von den heuchlerischen Priestern und Obersten bis herab zu den Gemeinsten und Verworfensten der Menge — eine verderbliche Übereinstimmung herrschte. Christus, der Sohn Gottes, wurde weggeführt, und das Kreuz wurde auf seine Schultern gelegt. Bei jedem Schritt verlor er Blut, das aus seinen Wunden tropfte. Bedrängt von einer großen Menge von Feinden und gefühllosen Zuschauern wurde er zur Kreuzigung weggeführt. „Als er gemartet ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.“ Jesaja 53,7. LC.34.3 Teilen

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