Portrait von Ellen White
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Das Vorübergehen der Zeit
Das Vorübergehen der Zeit
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Das wartende Volk Gottes näherte sich der Stunde, die sie in froher Hoffnung herbeisehnten, ihre Freude durch das Kommen des Heilandes vollkommen gemacht zu sehen. Aber die Zeit verstrich wiederum, ohne durch die Wiederkunft Christi gekennzeichnet zu sein. Es war eine bittere Enttäuschung, welche die kleine Herde erlebte, deren Glauben so stark und deren Hoffnung so groß gewesen war. Aber es überraschte uns, dass wir uns so frei im Herrn fühlten, und dass wir von seiner Stärke und Gnade so fest gestützt wurden. LW88.52.3 Teilen

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Die Erfahrung von früheren Jahren wiederholte sich jedoch in noch größerem Maße. Eine große Anzahl sagte ihrem Glauben ab. Einige, die sehr zuversichtlich gewesen waren, waren in ihrem Stolz so gekränkt, dass sie gern aus der Welt hätten fliehen mögen. Sie klagten wie Jona über Gott und wollten lieber den Tod als das Leben. Diejenigen, die ihren Glauben auf die Beweisführung anderer und nicht auf das Wort Gottes gebaut hatten, standen nun ebenso bereit, ihre Ansicht von neuem zu ändern. Diese zweite große Prüfung offenbarte eine Masse wertlosen Getriebes, das in den starken Strom des Adventglaubens hineingezogen und eine Zeitlang mit den wahren Gläubigen und ernsten Arbeitern getragen worden war. LW88.53.1 Teilen

Wir waren enttäuscht, aber nicht entmutigt. Wir beschlossen, nicht zu murren über die harte Probe, durch die uns der Herr von den Schlacken reinigte und wie Gold in dem Schmelzofen läuterte; wir waren bereit, uns dem Reinigungsprozeß unterzuordnen, den Gott als notwendig für uns erachtete, und warteten in stiller Hoffnung auf die Hilfe des Heilands, seine getreuen Kinder zu erretten. LW88.53.2 Teilen

Wir waren fest in dem Glauben, dass die Predigt von der bestimmten Zeit von Gott sei. Dies war der Grund, der die Menschen veranlaßte, die Bibel fleißig zu erforschen und Wahrheiten zu entdecken, die sie nie vorher erkannt hatten. Jona wurde von Gott gesandt, auf den Straßen Ninives zu verkünden, dass in vierzig Tagen die Stadt untergehen werde; aber Gott nahm die Demütigung der Bewohner Ninives an und verlängerte ihre Gnadenzeit. Aber die Botschaft, welche Jona brachte, war von Gott gesandt, und Ninive wurde nach seinem Willen geprüft. Die Welt sah unsere Hoffnung als eine Täuschung und unsere Enttäuschung als den aus jener Täuschung resultierenden Fehlschlag an; aber obgleich wir uns in Bezug auf das Ereignis getäuscht hatten, das zu jener Zeit stattfinden sollte, so war doch in Wirklichkeit kein Versehen vorhanden betreffs des Gesichtes, das zu verziehen schien. LW88.53.3 Teilen

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Unsere Enttäuschung war nicht so groß wie die der Jünger. Als der Menschensohn siegreich in Jerusalem einzog, erwarteten sie, dass er als König gekrönt werde. Das Volk scharte sich von allen Seiten zusammen und rief: „Hosianna dem Sohn Davids!“ Und als die Priester und die Obersten Jesum ersuchten, die Menge zum Schweigen zu bringen, erklärte er, dass, wo diese schwiegen, selbst die Steine schreien würden, denn die Prophezeiung müsse erfüllt werden. In ein paar Tagen jedoch sahen dieselben Jünger ihren geliebten Meister, von dem sie glaubten, dass er auf Davids Thron regieren werde, an das grausame Kreuz über den spottenden, höhnenden Pharisäern angeschlagen. Ihre großen Hoffnungen waren zunichte, und die Dunkelheit des Todes umfing sie. Aber Christus blieb seinen Versprechungen treu. Wundervoll war der Trost, den er seinem Volk gab, und groß der Lohn für die Aufrichtigen und die Getreuen. LW88.54.2 Teilen

Herr Miller und diejenigen, die sich mit ihm verbunden hatten, glaubten, die in Daniel 8,14 erwähnte Reinigung oder Weihe des Heiligtums bedeute die Reinigung der Erde durch Feuer, ehe sie als Wohnplatz der Heiligen hergerichtet werden würde. Dies sollte beim zweiten Kommen Christi stattfinden, und deshalb erwarteten wir dieses Ereignis am Ende der 2300 Tage oder Jahre. Aber nach unserer Enttäuschung wurde die Heilige Schrift mit Gebet und ernstem Nachdenken sorgfältig erforscht, und nach einer Zeit der Unschlüssigkeit strömte das Licht in unsere Dunkelheit, und Zweifel und Ungewißheit wurden hinweggefegt. LW88.54.3 Teilen

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Anstatt dass die Prophezeiung in Daniel 8,14 sich auf die Reinigung der Erde bezog, war es jetzt klar, dass sie auf das Schlußwerk unseres Hohenpriesters im Himmel hindeutete, auf den Abschluß der Versöhnung und auf die Vorbereitung des Volkes, am Tage seiner Wiederkunft bestehen zu können. LW88.55.1 Teilen

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Nicht lange nach dem Verstreichen der Zeit im Jahre 1844 wurde mir mein erstes Gesicht gegeben. Ich war zu Besuch bei Frau Haines in Portland, einer lieben Schwester in Christo, deren Herz mit dem meinigen verbunden war. Wir waren fünf Frauen, knieten ruhig am Familienaltar, und während wir beteten, kam die Kraft Gottes auf mich, wie ich sie noch nie vorher verspürt hatte. LW88.56.1 Teilen

Ich schien von Licht umgeben zu sein und höher und höher von der Erde aufzusteigen. Ich wandte mich um, um nach dem Adventvolk in der Welt zu schauen, konnte es aber nicht sehen, als eine Stimme zu mir sagte: „Schaue noch einmal, schaue ein wenig höher.“ Bei diesen Worten richtete ich meine Blicke höher und sah einen geraden und schmalen Pfad, hoch über der Welt. Auf diesem Pfad reisten die Adventgläubigen nach der Stadt, die am andern Ende des Pfades lag. Hinter ihnen, am Anfang des Pfades, war ein helles Licht angesteckt worden, welches, wie mir der Engel sagte, der „Mitternachtsruf“ sei. Dieses Licht schien den ganzen Pfad entlang und gab ihren Füßen Licht, damit sie nicht fallen möchten. LW88.56.2 Teilen

Wenn sie ihre Augen auf Jesum, der gerade vor ihnen war und sie nach der Stadt geleitete, gerichtet hielten, so waren sie sicher. Aber bald ermatteten einige und sagten, dass die Stadt noch sehr weit weg sei und dass sie gehofft hätten, sie eher zu betreten. Dann ermutigte sie Jesus, indem er seinen rechten Arm emporhob, und von seinem Arm kam ein Licht, das über die Schar der Adventgläubigen leuchtete, und sie riefen: „Halleluja!“ Andere verwarfen voreilig das Licht hinter ihnen und sagten, dass es nicht Gott sei, der sie so weit geführt habe. Das Licht hinter ihnen erlosch, ihre Füße befanden sich in vollständiger Dunkelheit, und sie strauchelten und verloren das Ziel und Jesum aus den Augen. Sie fielen vom Pfad hinab, hinunter in die dunkle und gottlose Welt unter ihnen. LW88.56.3 Teilen

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Bald hörten wir die Stimme Gottes wie großes Wasserrauschen, die uns den Tag und die Stunde der Wiederkunft Jesu ankündigte. Die lebenden Heiligen, 144.000 an der Zahl, kannten und verstanden die Stimme; aber die Gottlosen hielten sie für Donner und ein Erdbeben. Als Gott die Zeit verkündigte, goß er seinen Heiligen Geist auf uns aus, und unsere Angesichter begannen zu leuchten und von der Herrlichkeit Gottes zu erstrahlen wie das Gesicht Moses, als er vom Berge Sinai herabkam. LW88.57.1 Teilen

Die 144.000 waren alle versiegelt und vollkommen einig. Auf ihren Stirnen stand geschrieben: „Gott, Neues Jerusalem“ und ein herrlicher Stern, der Jesu neuen Namen enthielt. Die Gottlosen wurden über unseren glücklichen, geheiligten Zustand mit Wut erfüllt und stürzten auf uns los, um uns zu ergreifen und in das Gefängnis zu werfen; aber wir streckten im Namen des Herrn die Hand aus, und sie fielen hilflos zu Boden. Da erkannten sie, dass Gott uns geliebt hatte, die wir einer dem andern die Füße waschen und die Brüder mit dem heiligen Kuss grüßen konnten, und sie beteten zu unseren Füßen an. LW88.57.2 Teilen

Bald wurden unsere Blicke nach Osten gelenkt, denn es war eine kleine schwarze Wolke erschienen, ungefähr halb so groß wie eines Mannes Hand. Wir wußten alle, dass dies das Zeichen des Menschensohnes war. Mit feierlicher Stille blickten wir auf die Wolke, als sie sich näherte und heller und herrlicher und immer herrlicher wurde, bis es eine große weiße Wolke war. Der untere Teil sah wie Feuer aus; ein Regenbogen war über der Wolke und zehntausend Engel darum, die ein äußerst liebliches Lied sangen, und auf der Wolke saß des Menschen Sohn. Sein Haar war weiß und lockig und lag auf seinen Schultern, und auf seinem Haupt waren viele Kronen. Seine Füße schienen wie Feuer; in seiner rechten Hand hatte er eine scharfe Sichel, in seiner linken eine silberne Posaune. Seine Augen waren wie eine Feuerflamme, die seine Kinder durch und durch erforschte. Dann wurden alle Angesichter bleich, und diejenigen, die Gott verworfen hatten, erblaßten. Dann riefen wir alle aus: „Wer kann bestehen? Ist mein Kleid fleckenlos?“ Dann hörten die Engel auf zu singen, und es herrschte eine Zeitlang eine furchtbare Stille. Dann sagte Jesus: „Diejenigen, die reine Hände und reine Herzen haben, werden bestehen. Laßt euch an meiner Gnade genügen.“ Bei diesen Worten erhellten sich unsere Angesichter, und jedes Herz wurde mit Freude erfüllt. Die Engel stimmten einen höheren Ton an und sangen von neuem, während die Wolke der Erde immer näher rückte. LW88.57.3 Teilen

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Dann ertönte Jesu Silberposaune, als er, in Feuerflammen gehüllt, auf die Wolke herabstieg. Er schaute auf die Gräber der schlafenden Heiligen, erhob dann seine Augen und seine Hände gen Himmel und rief: „Erwacht! erwacht! erwacht! ihr, die ihr im Staube schlaft, und stehet auf!“ Dann geschah ein gewaltiges Erdbeben. Die Gräber öffneten sich, und die Toten kamen in Unsterblichkeit hervor. Die 144.000 riefen: „Halleluja!“ als sie ihre Freunde erkannten, die ihnen durch den Tod entrissen worden waren, und in demselben Augenblick wurden wir verwandelt und mit ihnen hingerückt dem Herrn entgegen in der Luft. LW88.58.1 Teilen

Wir traten alle zusammen in die Wolke, und wir waren sieben Tage unterwegs nach dem gläsernen Meer, worauf Jesus die Kronen hervorbrachte und sie mit seiner eigenen rechten Hand auf unsere Häupter setzte. Er gab uns goldene Harfen und Siegespalmen. Die 144.000 standen hier am gläsernen Meer in einem vollkommenen Viereck. Einige von ihnen hatten sehr helle Kronen, andere waren nicht so hell. Einige Kronen waren schwer mit Sternen beladen, während andere nur wenige hatten. Alle waren mit ihren Kronen vollkommen zufrieden. Und sie alle waren von ihren Schultern bis zu den Füßen mit einem herrlichen weißen Mantel bekleidet. Engel umgaben uns überall, als wir über das gläserne Meer dem Tor der Stadt zu marschierten. Jesus erhob seinen mächtigen, herrlichen Arm, ergriff das Perlentor, schwang es in seinen glitzernden Angeln zurück und sagte zu uns: „Ihr habt eure Kleider in meinem Blut gewaschen, seid fest für meine Wahrheit eingestanden, tretet ein.“ Wir marschierten alle hinein und fühlten, dass wir ein vollkommenes Recht in der Stadt hatten. LW88.58.2 Teilen

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Hier sahen wir den Baum des Lebens und den Thron Gottes. Aus dem Thron floß ein reiner Wasserstrom, und an jeder Seite des Stromes war der Baum des Lebens. An der einen Seite des Stromes war der Stamm eines Baumes, und an der andern Seite des Stromes ebenso, beide von reinem, durchsichtigem Gold. Zuerst glaubte ich, zwei Bäume zu sehen. Ich schaute noch einmal hin und sah, dass sie oben zu einem Baum vereinigt waren. So war es der Baum des Lebens auf beiden Seiten des Stroms. Seine Zweige neigten sich dem Platz zu, wo wir standen, und die Frucht war herrlich; sie sah aus wie Gold, vermischt mit Silber. LW88.59.1 Teilen

Wir traten alle unter den Baum und setzten uns nieder, um uns die Herrlichkeit des Platzes anzusehen, als die Brüder Fitch und Stockman, die das Evangelium vom Reich gepredigt hatten, und die Gott in das Grab gelegt hatte, um sie zu erretten, an uns herantraten und uns fragten, was wir erlebt hätten, während sie schliefen. Wir versuchten, uns unserer schwersten Prüfungen zu erinnern, aber sie schienen so gering im Vergleich zu der ewigen und über alle Maßen großen Herrlichkeit, die uns umgab, dass wir nicht darüber sprechen konnten, und wir riefen alle aus: „Halleluja, der Himmel ist billig genug!“ und dann berührten wir unsere herrlichen Harfen, so dass das Himmelsgewölbe erklang. LW88.59.2 Teilen

Nachdem ich aus dem Gesicht kam, schien alles verändert; Düsternis war über alles gebreitet, das ich ansah. O wie dunkel erschien mir diese Welt! Ich weinte, als ich merkte, dass ich hier war, und hatte Heimweh. Ich hatte eine bessere Welt gesehen, und sie hatte mir diese verleidet. LW88.59.3 Teilen

Ich erzählte dieses Gesicht den Gläubigen in Portland, die fest davon überzeugt waren, dass es von Gott sei. Sie alle glaubten, dass nach der großen Enttäuschung im Oktober Gott diesen Weg gewählt habe, um sein Volk zu trösten und zu stärken. Der Geist des Herrn begleitete das Zeugnis, und der Ernst der Ewigkeit ruhte auf uns. Eine unaussprechliche heilige Scheu erfüllte mich bei dem Gedanken, dass ich, so jung und schwach, als das Werkzeug gewählt werden sollte, durch welches Gott seinem Volk Licht schenken wollte. Während die Kraft Gottes auf mir ruhte, war ich mit Freude erfüllt und schien von heiligen Engeln in den herrlichen Himmelshöfen umgeben zu sein, wo alles Friede und Freude ist; und es war ein trauriger und bitterer Wechsel, zu den Wirklichkeiten des sterblichen Lebens erweckt zu werden. LW88.59.4 Teilen

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In meinem zweiten Gesicht, das ich ungefähr eine Woche nach dem ersten hatte, zeigte mir der Herr die Prüfungen, die ich durchzumachen haben würde, und er sagte mir, dass ich gehen und erzählen müsse, was er mir gezeigt hatte. Es wurde mir gezeigt, dass meine Arbeiten großem Widerstand begegnen würden und dass mein Herz von Schmerz zerrissen werde, aber dass die Gnade Gottes ausreichend sein werde, mich durch alles hindurchzutragen. LW88.61.1 Teilen

Nachdem ich aus diesem Gesicht gekommen war, fühlte ich mich außerordentlich beunruhigt, denn es zeigte mir meine Pflicht, unter die Leute zu gehen und die Wahrheit zu verkündigen. Meine Gesundheit war so schwach, dass ich körperlich ständig litt und allem Anschein nach nur noch eine kurze Zeit zu leben hatte. Ich war nur siebzehn Jahre alt, klein und schwächlich, die Gesellschaft nicht gewohnt und von Natur so ängstlich und zurückgezogen, dass es mir Schmerz bereitete, Fremden zu begegnen. LW88.61.2 Teilen

Bis dahin hatte ich mich, als der Geist Gottes mich zur Pflicht nötigte, über mich selbst gehoben und alle Furcht und Ängstlichkeit in dem Gedanken an Jesu Liebe und an das wundervolle Werk, das er für mich getan hatte, vergessen. LW88.61.4 Teilen

Aber nun schien es mir unmöglich, dieses mir jetzt vorgehaltene Werk zu verrichten; es zu unternehmen, schien wie sicherer Mißerfolg. Die damit verbundenen Prüfungen erschienen mir größer als ich ertragen konnte. Wie konnte ich, fast noch ein Kind, von Ort zu Ort gehen und den Leuten die heiligen Wahrheiten Gottes mitteilen? Mit Entsetzen wandte sich mein Herz von dem Gedanken ab. Mein Bruder Robert, der nur zwei Jahre älter als ich war, konnte mich nicht begleiten, denn seine Gesundheit war schwach, und seine Schüchternheit war größer als die meinige; nichts hätte ihn bewegen können, einen solchen Schritt zu unternehmen. Mein Vater hatte seine Familie zu versorgen und konnte sein Geschäft nicht aufgeben; aber wiederholt gab er mir die Versicherung, dass, wenn Gott mich berufen habe, an anderen Plätzen zu arbeiten, er nicht verfehlen werde, mir den Weg zu öffnen. Aber diese ermutigenden Worte brachten meinem verzagten Herzen wenig Trost; der vor mir liegende Pfad schien mit Schwierigkeiten gepflastert zu sein, die ich nicht überwinden konnte. LW88.61.5 Teilen

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Ich wünschte den Tod herbei, um von den sich mir aufdrängenden Verantwortlichkeiten befreit zu sein. Schließlich verließ mich der wunderbare Friede, dessen ich mich so lange erfreut hatte, und Verzweiflung erfüllte von neuem meine Seele. LW88.62.1 Teilen

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