Portrait von Ellen White
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Kapitel 11: Verheiratung und vereintes Wirken
Kapitel 11: Verheiratung und vereintes Wirken
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Am 30. August 1846 wurde ich mit dem Ältesten James White in der Ehe verbunden. Ältester White hatte eine tiefe Erfahrung in der Adventbewegung, und seine Arbeit in der Verkündigung der Wahrheit war von Gott gesegnet worden. Unsere Herzen waren in dem großen Werk vereinigt, und wir reisten und arbeiteten gemeinsam für die Rettung von Seelen. Z1.90.1 Teilen

Wir begannen unser Werk ohne Geld, mit wenigen Freunden und in schwacher Gesundheit. Mein Mann war von starker Konstitution, aber seine Gesundheit hatte sehr durch anstrengendes Studium und durch das Halten von Vorlesungen gelitten. Ich war von Kind an leidend, wie ich berichtet habe. In diesem Zustand, ohne Geld, mit nur sehr wenigen Freunden, die unsere Ansichten teilten, ohne Schriften und ohne Bücher begannen wir unsere Arbeit. Zu der Zeit gab es keine Versammlungshäuser, und die Idee, Zelte zu benutzen, war uns nicht gekommen. Die meisten Versammlungen wurden in Privathäusern abgehalten. Unsere Versammlungen waren klein. Nur selten kam jemand zu unseren Zusammenkünften von außerhalb, es sei denn, sie kamen aus Neugierde, eine Frau sprechen zu hören. Z1.90.2 Teilen

Zuerst unternahm ich die Aufgabe, öffentlich zu sprechen, nur sehr zögerlich. Wenn ich es mir zutraute, dann geschah es nur mit der Hilfe des Heiligen Geistes. Sprach ich mit Freiheit und Kraft, wurde es mir von Gott verliehen. Unsere Versammlungen waren gewöhnlich so organisiert, dass wir uns beide beteiligten. Mein Mann hielt eine Predigt über Glaubenspunkte, und ich schloss mich mit einer Ermahnung in angemessener Länge an, um Zugang zu den Gefühlen der Zuhörer zu gewinnen. So säte mein Mann den Samen, ich begoss die Aussaat der Wahrheit, und Gott gab das Gedeihen. Z1.90.3 Teilen

Im Herbst des Jahres 1846 begannen wir mit der Beobachtung des biblischen Sabbats und fingen an, ihn zu lehren und zu verteidigen. Meine Aufmerksamkeit wurde erstmals auf den Sabbat gelenkt, während ich in New Bedford, Massachusetts, zu Besuch war, etwas früher im gleichen Jahr. Dort wurde ich mit dem Ältesten Joseph Bates bekannt, der schon früh den Adventglauben angenommen hatte und ein aktiver Arbeiter im Werk war. Ältester B. hielt den Sabbat und legte Nachdruck auf seine Wichtigkeit. Ich sah nicht die Bedeutung des Sabbats und glaubte, dass Ältester B. irrte, indem er mehr bei dem vierten Gebot verweilte als bei den übrigen neun. Aber der Herr gestattete mir einen Blick in das himmlische Heiligtum. Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und mir wurde die Bundeslade Gottes, bedeckt mit dem Gnadenstuhl, gezeigt. Zwei Engel standen dort, an jeder Seite einer, die mit ihren Flügeln den Gnadenstuhl überspannten, und ihre Angesichter waren der Lade zugewandt. Mein begleitender Engel informierte mich, dass diese Engel die ganze Engelschar versinnbilden, die mit Ehrfurcht auf das heilige Gesetz blicken, geschrieben mit dem Finger Gottes. Jesus entfernte den Deckel der Lade, und ich sah die Steintafeln, worauf die Zehn Gebote geschrieben waren. Ich war verblüfft, als ich das vierte Gebot im Mittelpunkt der zehn Vorschriften erblickte, umgeben von einem sanften Lichtschein. Der Engel sagte: „Es ist das einzige Gebote unter den Zehn, das den lebendigen Gott herausstellt, der Himmel und Erde und alles, was darin ist, geschaffen hat. Als der Grund der Erde gelegt wurde, wurde auch das Fundament für den Sabbat gelegt.“ Z1.90.4 Teilen

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Es wurde mir gezeigt, wenn der wahre Sabbat immer gehalten worden wäre, es niemals einen Ungläubigen oder Atheisten gegeben hätte. Die Beobachtung des Sabbats hätte die Welt vor dem Götzendienst bewahrt. Das vierte Gebot wurde mit Füßen getreten. Deshalb sind wir berufen, die Lücke im Gesetz zu verzäunen und den niedergetretenen Sabbat zu verteidigen. Der Mensch der Sünde, der sich über Gott erhöht und sich unterstanden hat, Zeit und Gesetz zu ändern, hat die Veränderung des Sabbats vom siebenten auf den ersten Tag der Woche vorgenommen. Indem er das tat, hat er eine Lücke im Gesetz Gottes gemacht. Kurz vor dem großen Tag Gottes wird eine Botschaft verkündigt, welche die Menschen warnt, zu ihrer Treue gegenüber Gottes Gesetz zurückzukehren, welches der Antichrist gebrochen hat. Durch Wort und Beispiel muss die Aufmerksamkeit auf die Lücke im Gesetz gelenkt werden. Es wurde mir gezeigt, dass der dritte Engel, der die Gebote Gottes und den Glauben Jesu verkündigt, das Volk darstellt, das diese Botschaft empfängt und seine Stimme erhebt, um die Welt zu warnen, Gottes Gebote wie einen Augapfel zu bewahren, und dass in Beantwortung dieser Warnung viele den Sabbat des Herrn annehmen würden. Z1.91.1 Teilen

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Als wir die Erkenntnis über das vierte Gebot empfingen, gab es ungefähr fünfundzwanzig Adventisten in Maine, die den Sabbat hielten. Aber diese hatten solch unterschiedliche Ansichten über andere Glaubenspunkte und wohnten so weit voneinander entfernt, dass ihr Einfluss nur sehr gering war. In anderen Teilen New Englands gab es ungefähr die gleiche Anzahl von Gläubigen in ähnlichem Zustand. Es schien unsere Pflicht zu sein, diese Seelen häufig in ihrem Heim zu besuchen und sie im Herrn und in seiner Wahrheit zu stärken. Da sie so weit zerstreut wohnten, waren wir einen Großteil der Zeit auf Reisen. Aus Geldmangel wählten wir die billigste Reisemöglichkeit, Zweite-Klasse-Wagen und auf Schiffen das Zwischendeck. In meinem schwachen Zustand fand ich das Reisen mit Privatfuhrwerken noch am bequemsten. Reisten wir in der zweiten Klasse von Zügen, waren wir gewöhnlich von Tabakrauch eingehüllt, was mich oft in Ohnmacht fallen ließ. Befanden wir uns im Zwischendeck auf Schiffen, erduldeten wir das gleiche durch Tabakqualm, neben dem Fluchen und der vulgären Unterhaltung des Schiffspersonals und der Reisenden aus der unteren Gesellschaftsklasse. Zur Nacht mussten wir auf dem harten Boden, auf trockenen Gütern oder Getreidesäcken schlafen, mit Paketen als Kopfkissen und Mänteln und Überwürfen als Decken. Wenn wir unter der Winterkälte litten, begaben wir uns aufs Deck, um uns durch Bewegung warm zu halten. Machte uns die Sommerhitze zu schaffen, gingen wir aufs Oberdeck, um die kühle Nachtluft zu genießen. Dies alles ermüdete mich sehr, besonders wenn ich mit einem Säugling in den Armen reiste. Diese Lebensart hatten wir wirklich nicht selber erwählt. Gott berief uns in unserer Armut und führte uns durch den Feuerofen der Trübsal, um uns eine Erfahrung von großem Wert zu geben, die andern als Beispiel dienen sollte, die sich später in der Arbeit mit uns verbinden würden. Z1.92.1 Teilen

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Unser Meister war ein Mann der Sorgen, mit dem Kummer bekannt, und die mit ihm leiden, werden mit ihm herrschen. Als der Herr Saulus bei seiner Bekehrung erschien, hatte er nicht die Absicht, ihm zu zeigen, wie viel Gutes er zu erwarten habe, sondern vielmehr das, was er um seines Namens willen zu leiden haben würde. Angefangen von dem Märtyrer Abel ist Leiden immer das Teil des Volkes Gottes gewesen. Die Patriarchen litten, weil sie Gott treu waren und seinen Geboten gehorchten. Das große Haupt der Gemeinde litt um unsertwillen. Seine ersten Apostel und die Glieder der ersten Gemeinde litten. Die Millionen Märtyrer und die Reformatoren litten. Und weshalb sollten wir, die wir die gesegnete Hoffnung der Unsterblichkeit und der Verwandlung beim baldigen Kommen Christi haben, vor einem Leben des Leidens zurückschrecken? Wenn es möglich wäre, den Lebensbaum in der Mitte des Paradieses Gottes ohne Leiden zu erlangen, könnten wir uns einer so reichen Belohnung gar nicht so erfreuen, für die wir nichts erduldet haben. Wir würden vor der Herrlichkeit zurückschrecken. In der Gegenwart derer, die den guten Kampf ausgefochten und mit Geduld den Lauf vollendet und das Leben ergriffen hatten, würden wir von Scham überwältigt werden. Aber niemand wird dort sein, der nicht wie Mose, erwählt hat, Ungemach mit dem Volke Gottes zu leiden. Hebräer 11,25. Der Prophet Johannes sah die große Schar der Erlösten und fragte, wer sie wären. Prompt kam die Antwort: „Diese sind‘s, die gekommen sind aus großer Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blute des Lammes.“ Offenbarung 7,14. Z1.93.1 Teilen

Als wir begannen, das Licht über die Sabbatfrage zu verkündigen, hatten wir noch keinen klaren Begriff von der dritten Engelsbotschaft in Offenbarung 14,9-12. Die Last unserer Botschaft, wenn wir vor die Leute hintraten, war, dass die große zweite Adventbewegung von Gott war, dass die ersten beiden Engelsbotschaften verkündigt worden waren und dass die dritte zu geben sei. Wir sahen, dass die dritte Botschaft mit den Worten schloss: „Hier ist Geduld der Heiligen; hier sind, die halten die Gebote Gottes und den Glauben Jesu.“ Offenbarung 14,12. Und wir erkannten so deutlich wie wir es heute sehen, dass diese prophetischen Worte eine Sabbatreform andeuteten. Was aber die Anbetung des Tieres, von der in dieser Botschaft die Rede war, und was das Bild und das Malzeichen des Tieres anbetraf, darüber nahmen wir keine endgültige Stellung ein. Z1.93.2 Teilen

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Durch seinen Heiligen Geist ließ Gott Licht auf seine Diener scheinen, und nach und nach wurde ihren Gemütern dieser Gegenstand eröffnet. Es erforderte viel Studium und ängstliche Sorgfalt, die Wahrheit Glied um Glied zu erforschen. Durch Sorgfalt, Mühe und unermüdliche Arbeit bewegte sich das Werk voran, bis die erhabenen Wahrheiten unserer Botschaft — ein klares, miteinander verbundenes, vollkommenes Ganzes — der Welt gegeben werden konnten. Z1.94.1 Teilen

Ich habe bereits von meiner Bekanntschaft mit dem Ältesten Bates gesprochen. Ich fand in ihm einen echten christlichen Edelmann, höflich und freundlich. Er behandelte mich so zartfühlend, als wäre ich sein eigenes Kind. Als er mich zum ersten Mal sprechen hörte, offenbarte er tiefes Interesse. Nachdem ich zu sprechen aufhörte, erhob er sich und sagte: „Ich bin ein ungläubiger Thomas. Ich glaube nicht an Gesichte. Könnte ich aber glauben, dass das Zeugnis, das die Schwester heute Abend berichtete, wirklich Gottes Stimme an uns ist, wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden. Mein Herz ist tief bewegt. Ich glaube an die Aufrichtigkeit der Sprecherin, aber ich kann mir nicht erklären, wie ihr die wunderbaren Dinge gezeigt werden, von denen sie uns berichtet hat.“ Z1.94.2 Teilen

Einige Monate nach meiner Heirat wohnte ich mit meinem Mann einer Konferenz in Topsham, Maine, bei, wo auch Ältester Bates anwesend war. Damals glaubte er noch nicht völlig, dass meine Gesichte von Gott waren. Jene Versammlung war von großem Interesse. Der Geist Gottes ruhte auf mir, und ich wurde im Gesicht zu Gottes Herrlichkeit entrückt. Zum ersten Mal wurde mir ein Gesicht über andere Planeten gegeben. Als ich aus dem Gesicht zu mir kam, berichtete ich, was ich gesehen hatte. Ältester B. fragte mich dann, ob ich Astronomie studiert hätte. Ich sagte, dass ich mich nicht erinnern könne, je einen Blick in ein Buch über Astronomie geworfen zu haben. Er sagte: „Dies ist vom Herrn.“ Nie zuvor hatte ich ihn so freudig und glücklich gesehen. Sein Angesicht erstrahlte von einem himmlischen Licht, und er ermahnte die Gemeinde mit Kraft. Z1.94.3 Teilen

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Nach der Konferenz kehrte ich mit meinem Mann zurück nach Gorham, wo meine Eltern damals wohnten. Hier wurde ich sehr krank und litt furchtbar. Meine Eltern, mein Mann und meine Schwestern vereinigten sich im Gebet für mich; aber ich litt drei Wochen lang. Ich fiel oft in Ohnmacht und war wie tot; aber in Erhörung von Gebeten kam ich wieder zu mir. Meine Qual war so groß, dass ich diejenigen, die um mich waren, bat, nicht für mich zu beten, denn ich dachte, dass ihre Gebete meine Leiden nur verlängerten. Unsere Nachbarn hatten alle Hoffnung aufgegeben, dass ich am Leben bleiben würde. Eine Zeit lang gefiel es dem Herrn, unseren Glauben zu prüfen. Schließlich, als meine Freunde sich abermals im Gebet für mich vereinigten, schien ein anwesender Bruder sehr belastet. Während Gottes Kraft auf ihm ruhte, erhob er sich von seinen Knien, kam quer durchs Zimmer, legte seine Hände auf mein Haupt und sagte: „Schwester Ellen, Jesus Christus macht dich gesund!“ und fiel dann, von der Kraft Gottes überwältigt, zurück. Ich glaubte, dass das Werk von Gott war, die Schmerzen verließen mich. Meine Seele war von Dankbarkeit und Frieden erfüllt. Die Sprache meines Herzens lautete: „Hilfe gibt es nur bei Gott. Wir können nur Frieden haben, wenn wir in ihm ruhen und auf sein Heil harren.“ Z1.95.1 Teilen

Am nächsten Tag erlebten wir einen schweren Sturm. Niemand von den Nachbarn kam in unser Haus. Ich war imstande, mich im Wohnzimmer aufzuhalten. Als einige sahen, dass die Fensterläden in meinem Raum geöffnet waren, nahmen sie an, ich sei gestorben. Sie wussten nicht, dass der Große Arzt gnadenvoll die Wohnung betreten, der Krankheit Einhalt geboten und mich frei gemacht hatte. Am nächsten Tag reisten wir achtunddreißig Meilen bis Topsham. Man fragte meinen Vater, wann die Beerdigung sei. Vater fragte: „Welche Beerdigung?“ „Die Beerdigung von deiner Tochter“, lautete die Antwort. Vater erwiderte: „Sie ist durch das Gebet des Glaubens geheilt worden und auf dem Weg nach Topsham.“ Z1.95.2 Teilen

Ein paar Wochen später bestiegen wir auf unserm Weg nach Boston in Portland den Dampfer. Ein heftiger Sturm erhob sich, und wir waren in großer Gefahr. Das Schiff schwankte furchtbar. Die Wellen zerschlugen die Fenster der Kabinen. In den Frauenkabinen herrschte große Furcht. Viele bekannten ihre Sünden und riefen Gott um Gnade an. Einige beteten zur Jungfrau Maria, sie zu beschützen, während andere Gott feierlich Gelübde ablegten, dass sie ihr Leben seinem Dienst weihen würden, wenn er sie sicher an Land bringen würde. Es war eine Szene von Angst und Verwirrung. Als das Schiff schwankte, wandte sich eine Frau mir zu und sagte: „Fürchten sie sich nicht? Es mag sein, wir werden nie die Küste erreichen.“ Ich sagte ihr, ich hätte Christum zu meiner Zuflucht gemacht. Wenn mein Werk beendet wäre, könnte ich ebenso gut auf dem Meeresboden begraben sein als an jedem andern Ort; wenn meine Arbeit hingegen nicht beendet wäre, könnten mich alle Wasser des Ozeans nicht ersäufen. Ich setzte mein Vertrauen auf Gott, und er würde uns sicher an Land bringen, wenn es zu seiner Verherrlichung gereichte. Z1.95.3 Teilen

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In dieser Zeit schätzte ich die Hoffnung des Christen. Die Szene vor meinen Augen rief mir lebhaft den Tag des grimmigen Zorns des Herrn ins Gedächtnis, wenn der Sturm seines Zorns sich über den armen Sünder ergießen wird. Dann wird es bitteres Geschrei und Tränen geben, Sündenbekenntnisse und Bitten um Gnade; doch dann ist es zu spät. „Weil ich denn rufe, und ihr weigert euch, ich recke meine Hand aus, und niemand achtet darauf, und lasst fahren allen meinen Rat und wollt meine Strafe nicht: so will ich auch lachen in eurem Unglück und euer spotten, wenn da kommt, was ihr fürchtet.“ Sprüche 1,24-26. Z1.96.1 Teilen

Durch Gottes Barmherzigkeit erreichten wir sicher die Küste. Aber einige der Fahrgäste, die im Sturm solche Furcht bewiesen, erwähnten sie nicht, sondern gingen leichtfertig darüber hinweg. Eine der Frauen, die so feierlich gelobt hatte, eine Christin zu werden, wenn sie sicher an Land käme, rief spöttisch aus, als wir das Schiff verließen: „Gott sei gelobt, ich bin froh, wieder an Land zu sein!“ Ich gemahnte sie, einige Stunden zurückzudenken und sich an ihr Gelübde Gott gegenüber zu erinnern; aber sie wandte sich mit einem Scherz von mir ab. Z1.96.2 Teilen

Ich dachte eindringlich über Reue nach, die viele auf dem Totenbett bekunden. Ihr Leben lang haben sie sich selbst und Satan gedient, und wenn Krankheit sie dann überfällt und ihnen eine schreckliche Ungewissheit bevorsteht, zeigen sie ein bisschen Reue wegen ihrer Sünden. Vielleicht sagen sie, dass sie zum Sterben bereit seien, und ihre Freunde machen sich selbst glauben, sie hätten sich wahrhaft bekehrt und wären geschickt für den Himmel. Würden diese Personen aber wieder gesund, wären sie ebenso empörerisch wie zuvor. Ich denke dabei an die Verse: „Wenn über euch kommt wie ein Sturm, was ihr fürchtet, und euer Unglück als ein Wetter, wenn über euch Angst und Not kommt. Dann werden sie nach mir rufen, aber ich werde nicht antworten; sie werden mich suchen, und nicht finden.“ Sprüche 1,27.28. Z1.96.3 Teilen

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In Gorham, Maine, wurde am 26. August 1847 unser ältester Sohn Henry Nichols White geboren. Im Oktober boten uns Bruder und Schwester Howland von Topsham freundlichst einen Teil ihres Wohnhauses an, was wir freudig annahmen. Mit geliehenen Möbeln richteten wir unseren Haushalt ein. Wir waren arm und hatten schwere Zeiten durchzumachen. Wir hatten uns entschlossen, von niemand abhängig zu sein, sondern uns selbst zu unterhalten und etwas zu haben, womit wir andern helfen konnten. Aber es ging uns nicht gut. Mein Mann arbeitete sehr schwer beim Herbeischaffen von Steinen für die Eisenbahn, aber er konnte den ihm zustehenden Lohn für seine Arbeit nicht bekommen. Die Geschwister Howland teilten das Ihrige freiherzig mit uns, wie es ihnen möglich war, aber sie waren auch arm. Sie glaubten von ganzem Herzen an die erste und zweite Engelsbotschaft und hatten ihre Mittel reichlich zur Förderung des Werkes beigesteuert, bis sie auf ihre tägliche Arbeit angewiesen waren. Z1.97.1 Teilen

Mein Mann verließ die Arbeit bei der Eisenbahn und begab sich mit einer Axt in den Wald, um Klafterholz zu schneiden. Mit einem ständigen Schmerz in der Seite arbeitete er vom frühen Morgen bis zum späten Abend für ungefähr 50 Cent den Tag. Starke Schmerzen hinderten ihn des Nachts am Schlafen. Wir versuchten, unsern Mut zu bewahren und dem Herrn zu vertrauen. Ich murrte nicht. Am Morgen war ich Gott dankbar, dass er uns durch eine andere Nacht gebracht hatte, und am Abend war ich froh, dass er uns durch einen weiteren Tag beschützt hatte. Als eines Tages unser ganzer Speisevorrat erschöpft war, begab sich mein Mann zu seinem Arbeitgeber, um Geld oder Lebensmittel von ihm zu bekommen. Es war ein stürmischer Tag, und im Regen ging er drei Meilen hin und zurück. Auf dem Rücken trug er einen Sack mit Lebensmitteln, unterteilt in verschiedene Fächer. So war er durch das Dorf Brunswick gegangen, wo er oft Vorträge gehalten hatte. Als er, sehr ermüdet, das Haus betrat, sank das Herz in mir. Meine ersten Gefühle waren, dass Gott uns verlassen habe. Ich sagte zu meinem Mann: „Ist es so weit mit uns gekommen? Hat uns der Herr verlassen?“ Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten und weinte laut mehrere Stunden lang, bis ich in Ohnmacht fiel. Es wurde für mich gebetet. Als ich wieder zur Besinnung kam, fühlte ich den tröstenden Einfluss des Geistes Gottes, und ich bereute, dass ich mich der Entmutigung hingegeben hatte. Wir wünschen Christo nachzufolgen und ihm gleich zu sein. Aber manchmal sinken wir unter der Prüfung zusammen und bleiben seiner Nähe fern. Leiden und Prüfungen bringen uns näher zu Jesu. Der Schmelzofen verzehrt die Schlacken und läutert das Gold. Z1.97.2 Teilen

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Zu dieser Zeit wurde mir gezeigt, dass der Herr uns zu unserm Besten geprüft hatte, um uns vorzubereiten, für andere zu wirken. Er hatte unser Nest aufgerührt, damit wir uns nicht in Ruhe und Bequemlichkeit niederließen. Unsere Aufgabe war es, für Seelen zu arbeiten. Wäre es uns wohl gegangen, würde unser Heim uns so angenehm gewesen sein, dass wir nicht bereit gewesen wären, es zu verlassen. So hatte der Herr Prüfungen über uns kommen lassen, um uns für noch schwerere Kämpfe vorzubereiten, denen wir auf unsern Reisen zu begegnen haben würden. Wir erhielten bald Briefe von Brüdern in den verschiedenen Staaten, die uns einluden, sie zu besuchen. Doch es fehlte uns an Geld, den Staat zu verlassen. Unsere Antwort lautete, dass uns der Weg noch nicht geöffnet wäre. Ich hielt es für unmöglich, mit meinem Kind zu reisen. Wir wollten nicht abhängig sein und trugen Sorge, innerhalb unserer Mittel zu leben. Wir waren entschlossen, lieber Not zu leiden, als Schulden zu machen. Ich gestattete mir selbst und dem Kind einen halben Liter Milch pro Tag. Eines Morgens hinterließ mir mein Mann, als er zur Arbeit ging neun Cents, um Milch für drei Tage zu kaufen. Ich überlegte, ob ich die Milch für mich und das Kind kaufen sollte oder ein Hemdchen für das Kind. Ich verzichtete auf die Milch und kaufte das Kleidungsstück, um die nackten Arme meines Säuglings zu bedecken. Z1.98.1 Teilen

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Unser kleiner Henry wurde bald sehr krank. Sein Zustand verschlimmerte sich so rasch, dass wir aufs äußerste beunruhigt wurden. Er war wie betäubt, und sein Atem war kurz und mühsam. Wir gaben ihm Heilmittel, aber ohne Erfolg. Dann riefen wir jemand, der Erfahrung in Krankheiten hatte, aber er sagte, dass des Kindes Genesung zweifelhaft sei. Wir hatten für Henry gebetet, doch es war keine Besserung eingetreten. Wir hatten das Kind als Entschuldigung vorgebracht, dass wir nicht reisten und für das Wohl anderer arbeiteten. Jetzt mussten wir befürchten, dass der Herr im Begriff sei, es von uns zu nehmen. Noch einmal traten wir im Gebet vor den Herrn und baten ihn, sich unser zu erbarmen und das Leben des Kindes zu erhalten. Wir gelobten feierlich, dass wir im Vertrauen auf Gott ausgehen wollten, wohin er uns senden werde. Z1.99.1 Teilen

Wir beteten ernstlich und rangen mit Gott. Im Glauben beanspruchten wir seine Verheißungen und glaubten, dass er unser Schreien hörte. Licht vom Himmel brach durch die Wolken und schien auf uns herab. Unsere Gebete wurden in Gnaden erhört. Von jener Stunde an begann unser Kind zu genesen. Z1.99.2 Teilen

Während wir uns in Topsham aufhielten, bekamen wir einen Brief von Bruder Chamberlain in Connecticut, in dem er uns dringend ersuchte, einer Konferenz in jenem Staat im April 1848 beizuwohnen. Wir beschlossen zu gehen, falls wir die Mittel dafür erhalten würden. Mein Mann rechnete mit seinem Arbeitgeber ab und fand, dass ihm zehn Dollar zustanden. Mit fünf Dollar kaufte ich Kleidung für uns, die wir sehr benötigten. Dann flickte ich den Mantel meines Mannes, der schon so viel Flicken an den Ärmeln hatte, dass man den ursprünglichen Stoff nicht mehr sah. Mit den restlichen fünf Dollar reisten wir nach Dorchester, Massachusetts. Unser Koffer enthielt fast alles, was wir auf Erden besaßen; aber wir hatten Frieden im Herzen und ein reines Gewissen, was wir über alle irdischen Bequemlichkeiten schätzten. In Dorchester suchten wir das Haus von Bruder Nichols auf. Als wir es verließen, überreichte Schwester N. meinem Mann fünf Dollar, die unsere Reise nach Middletown, Connecticut finanzierte. Wir waren fremd in jener Stadt und hatten nie einen der Brüder in jenem Staat gesehen. Von unserm Geld waren uns nur fünfzig Cents geblieben. Mein Mann wagte es nicht, diese für ein Gefährt auszugeben. So warf er den Koffer auf einen hohen Bretterhaufen, und wir gingen weiter, auf der Suche nach jemand unseres Glaubens. Bald fanden wir Bruder C., der uns zu sich nach seinem Hause nahm. Z1.99.3 Teilen

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Die Konferenz wurde in Rocky Hill, in einem großen, unvollendeten Zimmer im Hause von Bruder Belden abgehalten. Die Geschwister kamen, bis wir ca. fünfzig zählten. Aber diese waren nicht völlig in der Wahrheit. Unsere Versammlung war von Interesse. Bruder Bates führte die Gebote in einem klaren Licht vor, und ihre Wichtigkeit wurde durch machtvolle Zeugnisse betont. Das Wort hatte Erfolg, um jene zu stärken, die bereits in der Wahrheit gegründet waren, und um solche zu erwecken, die sich noch nicht völlig entschieden hatten. Z1.100.1 Teilen

Wir wurden eingeladen, im folgenden Sommer mit unsern Brüdern im Staate New York zusammenzutreffen. Die Geschwister waren arm und konnten nicht versprechen, viel zu unsern Unkosten beizutragen. Wir hatten kein Geld zum Reisen. Mein Mann war bei schwacher Gesundheit; aber ein Weg öffnete sich für ihn, Gras zu mähen. Er entschloss sich, diese Arbeit zu übernehmen. Es schien uns, dass wir im Glauben vorangehen müssten. Wenn wir am Morgen aufstanden, knieten wir uns am Bett nieder und baten Gott, uns Kraft für die Arbeit während des Tages zu geben. Wir gaben uns nicht zufrieden, bis wir die Zusicherung hatten, dass der Herr unsere Gebete hörte. Mein Mann ging dann hinaus, die Sense zu schwingen, nicht in seiner eigenen Stärke, sondern in der Kraft des Herrn. Wenn er am Abend heimkehrte, baten wir Gott wieder um Kraft, Mittel zu erwerben, um seine Wahrheit zu verbreiten. Oft wurden wir reich gesegnet. In einem Brief an Bruder Howland schrieb mein Mann im Juli 1848: „Gott gibt mir die Kraft, jeden Tag schwer zu arbeiten. Preis sei seinem Namen! Ich hoffe ein paar Dollars zu verdienen, um sein Werk zu fördern. Wir haben unter Arbeit, Strapazen, Schmerzen, Hunger, Kälte und Hitze gelitten, während wir uns bemühten, unsern Geschwistern Gutes zu tun, und wir sind bereit, mehr zu leiden, wenn Gott es fordert. Ich freue mich heute, dass Bequemlichkeit, Vergnügen und der Komfort des Lebens ein Opfer auf dem Altar meines Glaubens und meiner Hoffnung sind. Wenn unser Glück darin besteht, andere glücklich zu machen, sind wir in der Tat glückliche Menschen. Der wahre Jünger wird nicht leben, um sein geliebtes Ich zu befriedigen, sondern er wird für Christum und für das Wohlergehen seiner Geringen leben. Er muss seine Bequemlichkeit, sein Vergnügen, seinen Komfort, sein Wohlergehen, seinen Willen und all seine selbstsüchtigen Wünsche opfern für Christi Sache, oder er wird nie mit ihm herrschen auf seinem Thron.“ Z1.100.2 Teilen

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Das Geld, das mein Mann bei der Heuernte verdiente, reichte aus, um unsere gegenwärtigen Bedürfnisse zu befriedigen und unsere Auslagen auf unserer Reise zum westlichen New York und zurück zu bestreiten. Z1.101.1 Teilen

Unsere erste Konferenz in New York wurde in Volney, in der Scheune eines Bruders abgehalten. Ungefähr fünfunddreißig Personen waren anwesend, — alle, die in jenem Teil des Staates zusammengerufen werden konnten. Aber unter ihnen waren kaum zwei zu finden, die miteinander übereinstimmten. Einige hielten an ernstlichen Irrtümern fest, und ein jeder bestand eifrig auf seinen Ansichten und erklärte dieselben für schriftgemäß. Z1.101.2 Teilen

Diese seltsamen Meinungsverschiedenheiten belasteten mich sehr. Es schien mir, als ob Gott verunehrt wurde; und ich wurde ohnmächtig unter der Last. Einige befürchteten, dass ich im Sterben lag. Aber der Herr erhörte die Gebete seiner Diener. Ich kam wieder zu mir. Das Licht des Himmels ruhte auf mir, und ich wurde bald aller irdischen Dinge entrückt. Mein begleitender Engel führte mir einige der Irrtümer derer vor, die anwesend waren, sowie auch die Wahrheit im Gegensatz zu ihren Irrtümern. Diese widersprüchlichen Ansichten, die sie als mit der Heiligen Schrift übereinstimmend hinstellten, entsprachen lediglich ihrer Meinung über die Bibel. Sie mussten ihre Irrtümer aufgeben und sich auf dem Fundament der dritten Engelsbotschaft vereinigen. Unsere Versammlung schloss siegreich. Die Wahrheit errang den Sieg. Die Brüder entsagten ihren Irrtümern und stimmten der dritten Engelsbotschaft zu. Gott segnete sie reichlich und fügte ihnen viele Seelen hinzu. Z1.101.3 Teilen

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Von Volney gingen wir nach Port Gibson, um eine Versammlung in der Scheune von Bruder Edson beizuwohnen. Die dort anwesend waren, liebten die Wahrheit, lauschten aber Irrtümern und hingen ihnen an. Vor Abschluss der Versammlung wirkte der Herr machtvoll für uns. Wiederum wurde mir im Gesicht gezeigt, wie wichtig es für die Brüder im westlichen New York war, ihre Unterschiede beiseite zu legen und sich auf der biblischen Wahrheit zu vereinigen. Z1.102.1 Teilen

Wir kehrten nach Middletown zurück, wo wir unser Kind für die Zeit unserer Reise im Westen zurückgelassen hatten. Jetzt präsentierte sich eine schmerzliche Pflicht. Zum Wohle von Seelen wurde uns klar, dass wir auf die Begleitung unseres kleinen Henry verzichten müssten, wenn wir uns selbst rückhaltlos dem Werk hingeben wollten. Ich war bei schwacher Gesundheit, und es war klar, dass er einen Großteil meiner Zeit in Anspruch nehmen würde. Es war eine schwere Prüfung für mich, aber ich wagte nicht, zuzulassen, dass mein Kind mich an meiner Pflichterfüllung hinderte. Ich glaubte, dass der Herr ihn uns erhalten hatte, als er sehr krank war, und dass Gott ihn uns nehmen würde, wenn ich zuließe, dass er mich daran hinderte, meiner Pflicht nachzukommen. Allein vor dem Herrn, mit schmerzlichsten Gefühlen und vielen Tränen brachte ich das Opfer und übergab mein einziges Kind, damals ein Jahr alt, der Pflege einer anderen, die ihm nun die Gefühle einer Mutter entgegenbringen würde. Wir ließen ihn in Bruder Howlands Familie, zu der wir größtes Vertrauen hatten. Sie waren bereit, Lasten auf sich zu nehmen, um uns so frei wie möglich zu lassen, im Werke Gottes zu arbeiten. Wir wussten, dass sie besser für Henry sorgen konnten als wir, wenn wir auf Reisen waren, und dass es zu seinem Besten war, ein ständiges Heim und gute Erziehung zu haben. Es fiel mir sehr schwer, mich von meinem Kind zu trennen. Tag und Nacht stand mir sein kleines trauriges Gesicht vor Augen, als ich ihn verließ; aber in der Kraft des Herrn verbannte ich ihn aus meinen Gedanken und versuchte andern Gutes zu tun. Bruder Howlands Familie sorgte fünf Jahre lang für Henry. Z1.102.2 Teilen

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