Portrait von Ellen White
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Kapitel 102: Kurze Darstellung der Erfahrungen
Kapitel 102: Kurze Darstellung der Erfahrungen
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Vom 19. Dezember 1866 bis zum 25. April 1867. Nachdem ich völlig davon überzeugt war, dass mein Mann sich nicht von seiner langwierigen Krankheit erholen würde, solange er untätig blieb, und dass es Zeit für mich wurde, dem Volk mein Zeugnis vorzutragen, entschloss ich mich, entgegen dem Urteil und dem Rat der Gemeinde in Battle Creek, der wir als Glieder angehörten, eine Tour ins nördliche Michigan, zusammen mit meinem Mann in seinem extrem schwachen Zustand und zudem bei strengster Kälte im Winter, zu wagen. Es erforderte nicht wenig moralischen Mut und Glauben an Gott, mich zu veranlassen, so viel zu wagen, besonders, weil ich ganz allein stand, da die Gemeinde und die Männer an der Spitze des Werkes in Battle Creek ihren Einfluss gegen mich richteten. Z1.595.1 Teilen

Aber ich wusste, dass ich ein Werk zu tun hatte, und es schien mir, dass Satan entschlossen war, mich davon abzuhalten. Ich hatte lange darauf gewartet, dass unser Gefängnis gewendet würde, befürchtete aber, dass kostbare Seelen verloren gehen könnten, wenn ich länger der Arbeit fernbliebe. Länger vom Arbeitsfeld getrennt zu sein, schien mir schlimmer als der Tod zu sein. Gingen wir aber an die Arbeit, könnten wir nicht mehr als umkommen. So verließen wir am 19. Dezember 1866 in einem Schneesturm Battle Creek, um nach Wright, Ottawa County, im Staate Michigan zu gehen. Mein Mann überstand die lange und schwierige Fahrt von neunzig Meilen besser, als ich befürchtet hatte. Als wir unser altes Heim im Hause von Bruder Root erreichten, schien er sich ebenso gut zu fühlen wie bei unserer Abreise von Battle Creek. Wir wurden von dieser lieben Familie freundlich aufgenommen und es wurde ebenso zärtlich für uns gesorgt, wie christliche Eltern für kranke Kinder sorgen können. Z1.595.2 Teilen

Wir fanden diese Gemeinde in einem sehr schwachen Zustand vor. Bei dem Großteil ihrer Glieder hatte der Samen der Uneinigkeit und Unzufriedenheit untereinander tiefe Wurzeln geschlagen. Ein weltlicher Geist hatte von ihnen Besitz ergriffen. Doch trotz ihres niedrigen Niveaus hatten sie sich selten der Arbeit unserer Prediger erfreuen können, und sie waren ausgehungert nach geistlicher Speise. Hier begann unsere erste wirksame Arbeit nach der Krankheit meines Mannes. Hier begann er zu wirken wie in früheren Jahren, obgleich in großer Schwäche. Er sprach für dreißig bis vierzig Minuten am Vormittag des Sabbats und am ersten Wochentag. Den Rest der Zeit sprach ich, und außerdem sprach ich am Nachmittag jeden Tages eine bis anderthalb Stunden. Alle lauschten mit größter Aufmerksamkeit. Ich sah, dass mein Mann kräftiger wurde und klarer und zusammenhängender zu seinen Themen sprechen konnte. Und als er bei einer Gelegenheit eine ganze Stunde hintereinander mit Klarheit und Kraft, wie früher die Last des Werkes spürend, sprechen konnte, überwältigten mich meine Gefühle der Dankbarkeit. Ich erhob mich in der Versammlung und versuchte beinahe eine halbe Stunde lang ihnen unter Tränen Ausdruck zu verleihen. Die Versammlung zeigte tiefes Mitempfinden. Ich glaubte zuversichtlich, dass dies der Anbruch besserer Tage für uns war. Z1.595.3 Teilen

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Wir blieben sechs Wochen bei diesen Geschwistern. Ich sprach fünfundzwanzig Mal zu ihnen und mein Mann zwölf Mal. Als unsere Arbeit in dieser Gemeinde fortschritt, wurden mir die Fälle Einzelner unter ihnen eröffnet. Ich begann Zeugnisse für sie niederzuschreiben, im ganzen an die hundert Seiten. Dann begannen wir mit persönlicher Arbeit für diese Seelen, wenn sie uns im Haus von Bruder Root, wo wir uns zurzeit aufhielten, besuchten. Andere suchten wir in ihrem Heim auf, aber speziell arbeiteten wir mit ihnen während der Versammlungen im Haus der Anbetung. In dieser Art der Arbeit erwies sich mein Mann besonders hilfreich. Seine lange Erfahrung in dieser Arbeit, da er in der Vergangenheit mit mir zusammengearbeitet hatte, verlieh ihm besondere Fähigkeit dazu. Und als er jetzt wiederum dieses Werk in Angriff nahm, offenbarte er alle Gedankenschärfe, gutes Urteil und Treue im Umgang mit den Irrenden, wie in früheren Tagen. Es ist eine Tatsache, dass nicht zwei unserer Prediger mir die Hilfe hätten bieten können, die er mir bot. Z1.596.1 Teilen

Für diese lieben Geschwister wurde ein großes und gutes Werk getan. Verkehrtheiten wurden frei und ausführlich bekannt und die Einigkeit wiederhergestellt. Gottes Segen ruhte auf dem Werk. Mein Mann wirkte, um die systematische Wohltätigkeit auf den hohen Stand zu bringen, der von allen unseren Gemeinden eingenommen werden sollte. Seine Bemühungen hatten zur Folge, dass jene Gemeinde an die dreihundert Dollar zusammenbrachte, die jährlich an die Schatzmeisterei überwiesen wurden. Jene in der Gemeinde, die wegen meiner Zeugnisse in Schwierigkeiten geraten waren, besonders wegen der Kleiderfrage, wurden völlig zufrieden gestellt, als ihnen die Sache erklärt wurde. Die Gesundheits- und Kleiderreform wurde angenommen, und es kam eine große Summe für die Gesundheitsanstalt zusammen. Z1.596.2 Teilen

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An dieser Stelle betrachte ich es als meine Pflicht zu berichten, was geschehen ist, während dieses Werk vor sich ging. Unglücklicherweise besuchte ein wohlhabender Bruder aus dem Staate New York Wright, nachdem er in Battle Creek eine Zwischenstation eingelegt hatte. Dort hörte er, dass wir entgegen der Meinung und dem Rat der Gemeinde und der Leiter des Werkes in Battle Creek abgereist waren. Er erwählte es, meinen Mann, sogar vor solchen, die uns die größte Mühe kosteten, als teilweise wahnsinnig darzustellen, und dass sein Zeugnis aus diesem Grund keinerlei Gewicht habe. Wie Bruder Root, der Älteste der Gemeinde, mir mitteilte, hat sein Einfluss das Werk um mindestens zwei Wochen zurückgeworfen. Ich berichte dies, dass ungeheiligte Personen sich sehr hüten möchten, in einer Stunde einen Einfluss auszuüben, der ermüdeten Dienern des Herrn die Arbeit von Wochen kosten kann, um demselben entgegenzuwirken. Wir arbeiteten mit wohlhabenden Personen, und Satan sah, dass dieser reiche Bruder genau der rechte Mann war, für ihn zu wirken. Möge der Herr ihn zur Einsicht bringen, damit er demütigen Geistes sein Unrecht bekennt. In zwei weiteren Wochen mühevollster und ermüdendster Arbeit waren wir mit Gottes Segen imstande, diesen verkehrten Einfluss zu entfernen und den lieben Geschwistern vollen Beweis zu liefern, dass Gott uns zu ihnen gesandt hatte. Als weiteres Resultat unserer Arbeit konnten bald danach sieben Seelen von Bruder Waggoner getauft werden und im Juli zwei weitere von meinem Mann, als wir zum zweiten Mal jene Gemeinde besuchten. Z1.597.1 Teilen

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Der Bruder von New York kehrte mit seiner Frau und seiner Tochter nach Battle Creek zurück, doch nicht in einer Gemütsverfassung, um einen korrekten Bericht über das gute Werk zu geben, das in Wright getan wurde, oder um die Empfindungen der Gemeinde Battle Creek in rechte Bahnen zu lenken. Was seither ans Licht gekommen ist, zeugt davon, dass er der Gemeinde Schaden zufügte, und dass die Gemeinde ihm schadete, indem sie wechselseitig von Haus zu Haus die ungünstigsten Ansichten über unser Verhalten verbreiteten und dies zum Inhalt ihrer Gespräche machten. Während der Zeit, als dieses grausame Werk vonstatten ging, hatte ich folgenden Traum: Z1.598.1 Teilen

In Begleitung einer Achtung gebietenden Person von würdevoller Haltung besuchte ich Battle Creek. In meinem Traum besuchte ich die Häuser unserer Geschwister. Als wir eintreten wollten, hörten wir Stimmen, die in ernsthafte Unterhaltung vertieft waren. Der Name meines Mannes wurde oft erwähnt. Ich war betrübt und erstaunt zu hören, wie jene, die vorgegeben hatten, unsere treuesten Freunde zu sein, Szenen und Ereignisse berichteten, die sich während der schweren Krankheit meines Mannes zugetragen hatten, als seine geistigen und körperlichen Kräfte zum großen Teil gelähmt waren. Es betrübte mich sehr, die Stimme des bekenntlichen Bruders von New York zu vernehmen, den ich zuvor erwähnte, wie er ernsthaft und in entstelltem Licht Ereignisse darstellte, von denen die Geschwister in Battle Creek nichts wussten, während unsere Freunde in Battle Creek ihrerseits das berichteten, was er nicht wusste. Ich wurde schwach, mein Herz sank, und in meinem Traum schien ich hinzufallen, als die Hand meines Begleiters mich aufrichtete und er zu mir sagte: „Du musst zuhören. Du musst das wissen, auch wenn es schwer zu ertragen ist.“ Z1.598.2 Teilen

In allen Häusern, die wir erreichten, war der gleiche Gegenstand Thema der Unterhaltung. Ich war ihre gegenwärtige Wahrheit. Ich sagte: „Oh, davon wusste ich nichts. Ich war unwissend, dass solche Gefühle in den Herzen derer existierten, die wir in Zeiten unseres Wohlergehens als unsere Freunde betrachtet hatten, die auch in Leiden, Anfechtung und Widerstand fest zu uns stehen würden. Wäre mir dies doch nie bekannt geworden! Wir haben diese als unsere besten und treuesten Freunde angesehen.“ Z1.598.3 Teilen

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Mein Begleiter wiederholte diese Worte: „Hätten sie nur ebenso bereitwillig und mit eben solchem Ernst eine Unterhaltung über unseren Erlöser geführt, bei seiner unvergleichlichen Anziehungskraft, bei seiner selbstlosen Wohltätigkeit und seiner gnadenvollen Vergebung, seiner mitfühlenden Zärtlichkeit gegenüber den Leidenden, seiner Nachsicht und seiner unaussprechlichen Liebe verweilt — wie viel köstlicher und wertvoller würden die Früchte sein!“ Z1.599.1 Teilen

Dann sagte ich: „Ich bin bekümmert. Mein Mann hat sich nicht geschont, um Seelen zu retten. Er stand unter schweren Lasten, bis sie ihn erdrückten. Er wurde niedergeworfen, brach körperlich und geistig zusammen. Und nun sammeln sie Worte und Handlungen und benutzen sie, um seinen Einfluss zu vernichten, nachdem Gott seine Hand ausstreckte, um ihn wieder aufzurichten, damit seine Stimme wieder gehört werden kann. Das ist grausam und böse.“ Z1.599.2 Teilen

Mein Begleiter sagte zu mir: „Die Unterhaltung, wo Christus und die Charakterzüge seines Lebens erwähnt werden, besteht aus Themen, die den Geist erquicken, und die Frucht wird zur Heiligkeit und zum ewigem Leben dienen.“ Dann führte er die Worte an: „Weiter, liebe Brüder, was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach!“ Philipper 4,8. Diese Worte beeindruckten mich so, dass ich am folgenden Sabbat darüber sprach. Z1.599.3 Teilen

Meine Arbeit in Wright war sehr ermüdend. Meinen Mann hatte ich am Tag zu pflegen und manchmal auch in der Nacht. Ich gab ihm Wasserbehandlungen, fuhr mit ihm aus, und zweimal am Tag, ob kalt, stürmisch oder angenehm, ging ich mit ihm spazieren. Ich schrieb, während er Berichte für den Review diktierte. Auch schrieb ich viele Briefe, zusätzlich zu den vielen Seiten persönlicher Zeugnisse und das meiste Material für Zeugnis Nr. 11. Nebenbei machte ich Besuche und sprach so oft und so lange, wie berichtet. Bruder und Schwester Root hatten Mitgefühl mit meinen Schwierigkeiten und Arbeiten und wachten mit zärtlichster Fürsorge über uns, um all unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Unsere Gebete hatten oft zum Inhalt, dass Gott sie in irdischen Dingen segnen und ihnen auch Gnade und geistliche Kraft verleihen möge. Ich fühlte, dass ein besonderer Segen auf ihnen ruhen würde. Obgleich ihr Heim seither von Krankheit heimgesucht wurde, höre ich, dass sich Bruder Root jetzt besserer Gesundheit erfreut als zuvor. Und was sein zeitliches Gedeihen anbetrifft, berichtet er, dass seine Weizenfelder siebenundzwanzig bis zu vierzig Scheffel pro Morgen hervorgebracht haben, während die Felder seiner Nachbarn im Durchschnitt nur sieben Scheffel pro Morgen brachten. Z1.599.4 Teilen

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Am 27. Januar 1867 verließen wir Wright und reisten nach Greenville, Montcalm County, eine Entfernung von vierzig Meilen. Es war der kälteste Tag des Winters, und wir waren froh, im Haus von Bruder Maynard Schutz vor der Kälte und dem Sturm zu finden. Diese liebe Familie hieß uns in ihrem Heim von Herzen willkommen. Wir blieben sechs Wochen in dieser Gegend und arbeiteten mit den Gemeinden in Greenville und Orleans. Bruder Maynards gastfreundliches Heim diente uns als Hauptquartier. Z1.600.1 Teilen

Der Herr gab mir Freiheit mit den Geschwistern zu sprechen. Bei jedem Bemühen empfand ich seine unterstützende Macht. Als ich völlig überzeugt war, ein Zeugnis für sie zu haben, das ich in Verbindung mit den Arbeiten meines Mannes vorbrachte, wurde mein Glaube gestärkt, dass er noch völlig gesund werden würde, um wieder völlig annehmbar im Werke Gottes zu wirken. Die Geschwister nahmen seine Arbeit an, und er war mir in meinem Werk eine große Hilfe. Ohne ihn konnte ich nur wenig tun, aber mit seiner Hilfe und in Gottes Kraft konnte ich der Aufgabe nachkommen, die mir aufgetragen war. Der Herr unterstützte ihn in allen Bemühungen, die er unternahm. Als er fortfuhr, auf Gott vertrauend, ungeachtet seiner Schwäche, gewann er Kraft und nahm bei jedem Bemühen zu. Als ich wahrnahm, dass mein Mann körperliche und geistige Stärke zurückgewann, kannte meine Dankbarkeit angesichts der Aussicht keine Grenzen, dass ich wieder ungebunden sein würde, um von neuem und ernstlicher das Werk Gottes in Angriff zu nehmen, und zwar an der Seite meines Mannes. Wieder würden wir gemeinsam im Abschlusswerk für Gottes Volk tätig sein. Vor seinem Zusammenbruch machte seine Stellung in der Zentrale es erforderlich, dass er den größten Teil der Zeit dort verbringen musste. Da ich nicht ohne ihn reisen konnte, wurde ich notwendigerweise einen Großteil der Zeit daheim festgehalten. Ich fühlte, dass Gott ihn jetzt segnen würde, während er am Wort und an der Lehre diente und sich mehr dem Predigtdienst widmete. Andere könnten die Arbeit im Büro verrichten. Wir kamen zu der Überzeugung, dass er nie wieder im Büro eingesperrt sein, sondern frei sein würde, mit mir umherzureisen, so dass wir beide das feierliche Zeugnis verkündigen konnten, das Gott uns für die Übrigen seines Volkes gegeben hatte. Z1.600.2 Teilen

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Ich fühlte sehr intensiv den niedrigen Stand des Volkes Gottes, und jeden Tag merkte ich, dass ich meine Kraft bis aufs Äußerste eingespannt hatte. Während wir in Wright waren, hatte ich das Manuskript Nr. 11 an den Verlag geschickt, und wenn keine Versammlung war, benutzte ich beinahe jede Minute, um das Material für Nr. 12 zu beenden. Meine Kräfte, sowohl körperlich wie geistig, waren überanstrengt, während wir für die Gemeinde in Wright wirkten. Ich fühlte, dass ich der Ruhe bedurfte, sah aber keine Gelegenheit zur Entspannung. Ich sprach verschiedene Male die Woche zu den Geschwistern und schrieb viele Seiten persönliche Zeugnisse. Die Last von Seelen ruhte auf mir, und die Verantwortung, die ich trug, war so groß, dass ich des Nachts nur wenige Stunden Schlaf fand. Z1.601.1 Teilen

Während ich so mit Sprechen und Schreiben eingespannt war, erhielt ich entmutigende Briefe aus Battle Creek. Als ich sie las, war mein Geist so niedergedrückt und meine Seelenqual so groß, dass meine Lebenskräfte für kurze Zeit gelähmt zu sein schienen. Drei Nächte lang konnte ich kaum etwas schlafen. Meine Gedanken waren verstört und verwirrt. Soweit es mir möglich war, verbarg ich meine Gefühle vor meinem Mann und der mitfühlsamen Familie, die uns beherbergte. Niemand wusste von der großen Bürde, die meine Seele niederdrückte, wenn ich mich am Morgen und am Abend an der Familienandacht beteiligte, wo ich versuchte, meine Last dem großen Lastenträger zu Füßen zu legen. Aber meine Bitten kamen aus einem Herzen voller Pein. Meine Gebete waren gebrochen und ohne Zusammenhang, aus unkontrollierbarem Schmerz. Das Blut rauschte in meinem Gehirn, was mich zum Schwanken und oft beinahe zum Fallen brachte. Oft hatte ich Nasenbluten, besonders, wenn ich zu schreiben versuchte. Ich war gezwungen, das Schreiben aufzugeben, konnte aber nicht die Last der Sorgen und der Verantwortung ablegen, da ich wusste, ich hatte Zeugnisse für andere und war jetzt unfähig, sie ihnen zu übermitteln. Z1.601.2 Teilen

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Ich erhielt noch einen andern Brief, der mich informierte, dass man es für das Beste hielt, den Druck von Zeugnis Nr. 11 aufzuschieben, bis ich alles niederschreiben konnte, was mir betreffs der Gesundheitsanstalt gezeigt worden war. Jene, die dieses Unternehmen leiteten, hatten großen Geldmangel und benötigten den Einfluss meines Zeugnisses, um die Geschwister zum Geben anzuregen. Dann schrieb ich einen Teil dessen nieder, was mir betreffs der Anstalt gezeigt worden war, konnte aber wegen des hohen Blutdrucks den Gegenstand nicht völlig behandeln. Hätte ich gedacht, dass Nr. 12 sich so lange hinauszögern würde, hätte ich auf keinen Fall jenen Teil des Materials geschickt, der in Nr. 11 enthalten ist. Ich hatte gehofft, dass ich nach ein paar Tagen der Ruhe mein Schreiben wiederaufnehmen könnte. Doch zu meinem größten Kummer war mein Gehirn in einem Zustand, der es mir nicht ermöglichte, zu schreiben. Der Gedanke, Zeugnisse zu schreiben, ob allgemein oder persönlich, musste aufgegeben werden, und ich befand mich fortwährend in Bedrängnis, weil ich sie nicht schreiben konnte. Z1.602.1 Teilen

Weil die Dinge so lagen, wurde beschlossen, dass wir nach Battle Creek zurückkehrten und dort blieben, so lange die Wege schlammig und unbefahrbar waren und dass ich dort Nr. 12 beenden würde. Mein Mann war sehr begierig, seine Brüder in Battle Creek wieder zu sehen, zu ihnen zu sprechen und mit ihnen darüber zu frohlocken, was Gott für ihn in seiner Wiederherstellung vollbrachte. Ich sammelte mein Geschriebenes ein und wir begannen unsere Reise. Unterwegs hielten wir zwei Versammlungen in Orange. Wir hatten den Beweis, dass die Gemeinde dort gesegnet und ermutigt wurde. Wir selbst wurden durch den Geist des Herrn erquickt. In jener Nacht träumte ich, dass ich mich in Battle Creek befand, aus dem Seitenfenster der Tür hinausschaute und eine Kolonne Menschen sah, die zwei und zwei hintereinander auf das Haus zu marschierten. Sie schauten streng und entschlossen drein. Ich kannte sie gut und wandte mich, die Eingangstür zu öffnen, um sie hereinzulassen, dachte aber, ich will noch einmal hinschauen. Die Szene hatte sich verändert. Die Kolonne bot jetzt das Bild einer katholischen Prozession. Einer trug in seiner Hand ein Kreuz, ein anderer einen Rohrstock. Und als sie ans Haus gelangt waren, machte der Mann mit dem Rohrstock einen Kreis um das Haus und sagte dreimal: „Dieses Haus ist mit dem Bann belegt. Die Güter müssen beschlagnahmt werden. Sie haben gegen unsere heilige Ordnung gesprochen.“ Furcht ergriff mich, und ich rannte durchs Haus, verließ es durch die nördliche Tür und fand mich inmitten einer Gruppe wieder, in der ich einige kannte. Ich wagte aber nicht, auch nur ein Wort zu sprechen, aus Furcht, verraten zu werden. Ich versuchte an einen zurückgezogenen Platz zu gelangen, wo ich weinen und beten konnte, ohne überall eifrigen, neugierigen Blicken begegnen zu müssen. Oft wiederholte ich: „Wenn ich all dies nur verstehen könnte! Wenn sie mir nur sagen würden, was ich gesagt oder getan habe!“ Z1.602.2 Teilen

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Ich weinte und betete viel, als ich sah, wie unser Hab und Gut beschlagnahmt wurde. Ich versuchte in den Blicken derer um mich her Mitempfinden oder Mitleid zu entdecken, und sah in die Gesichter von einigen, von denen ich dachte, sie würden zu mir sprechen und mich trösten, wenn sie nicht glaubten, von andern beobachtet zu werden. Ich machte den Versuch, von der Menge zu entrinnen, da ich aber sah, dass ich beobachtet wurde, verbarg ich meine Absichten. Ich fuhr fort, laut zu weinen und zu sagen: „Würden sie mir doch sagen, was ich getan oder gesagt haben soll!“ Mein Mann, der in einem Bett im gleichen Zimmer schlief, hörte mich laut weinen und weckte mich auf. Mein Kopfkissen war nass von Tränen und tiefe Depression lastete auf meinem Gemüt. Z1.603.1 Teilen

Bruder und Schwester Howe begleiteten uns nach West Windsor, wo wir von Geschwister Carman willkommen geheißen wurden. Am Sabbat und am ersten Wochentag kamen wir mit den Geschwistern in der Umgebung zusammen und konnten ihnen frei unser Zeugnis vortragen. Der erquickende Geist des Herrn ruhte auf allen, denen das Werk Gottes besonders am Herzen lag. Unsere Konferenzversammlungen waren gut, und nahezu alle bezeugten, dass sie gestärkt und sehr ermutigt worden waren. Z1.603.2 Teilen

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In wenigen Tagen waren wir wieder in Battle Creek nach einer Abwesenheit von ungefähr drei Monaten. Am Sabbat, den 16. März, hielt mein Mann die Predigt über „Heiligung“, die vom Herausgeber im Review Band 29, Nr. 18 abgedruckt wurde. Er sprach ebenfalls am Nachmittag und am ersten Wochentag nachmittags mit bemerkenswerter Klarheit. Ich trug mein Zeugnis wie gewöhnlich frei vor. Am Sabbat, den 23., sprachen wir zur Gemeinde in Newton und arbeiteten mit der Gemeinde in Convis am folgenden Sabbat und ersten Wochentag. Wir hatten die Absicht, über den Norden zurückzukehren und fuhren dreißig Meilen, waren aber wegen der Wegverhältnisse gezwungen umzukehren. Mein Mann war wegen der kalten Aufnahme in Battle Creek sehr enttäuscht und auch ich war schmerzlich berührt. Wir beschlossen, dieser Gemeinde nicht mehr mit unserem Zeugnis zu dienen, bis sie den Beweis lieferte, dass sie unseren Dienst wünschte. Wir entschieden uns, in Convis und Monterey zu bleiben, bis die Straßen besser wurden. Die beiden folgenden Sabbate verbrachten wir in Convis und erhielten den Beweis, dass ein gutes Werk getan wurde, wie die Früchte jetzt zeigen. Z1.604.1 Teilen

Ich kam nach Hause nach Battle Creek wie ein müdes Kind, das trostreiche Worte und Ermutigung benötigte. Es ist mir schmerzlich hier berichten zu müssen, dass unsere Geschwister uns mit großer Kälte empfingen, von denen ich mich vor drei Monaten in vollkommener Harmonie verabschiedet hatte, ausgenommen bezüglich unserer Abreise. In der ersten Nacht, die ich in Battle Creek zubrachte, träumte ich, dass ich sehr schwer gearbeitet hatte und gereist war, um einer großen Versammlung beizuwohnen, und dass ich sehr erschöpft war. Schwestern waren damit beschäftigt, meine Haare zu kämmen und meine Kleider in Ordnung zu bringen, worüber ich einschlief. Als ich erwachte, war ich erstaunt und ungehalten zu sehen, dass meine Kleider verschwunden waren. Man hatte mich in alte Lumpen gehüllt, in Stücke von Bettdecken, zusammengeknotet und -genäht. Ich sagte: „Was habt ihr mit mir gemacht? Wer hat dieses schandbare Werk getan, meine Kleider weggenommen und sie gegen Bettlerlumpen eingetauscht?“ Ich nahm die Lumpen und warf sie von mir. Ich war gekränkt, und in Seelenpein rief ich aus: „Bringt mir meine Kleider zurück, die ich seit dreiundzwanzig Jahren getragen und nicht ein einziges Mal entehrt habe. Wenn ihr mir die Kleider nicht zurückgebt, werde ich mich an das Volk wenden, die werden helfen und mir meine eigenen Kleider zurückgeben, die ich seit dreiundzwanzig Jahren getragen habe.“ Z1.604.2 Teilen

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Ich habe die Erfüllung dieses Traumes gesehen. In Battle Creek begegneten wir Berichten, die in Umlauf gesetzt worden waren, um uns zu schaden und die absolut nicht der Wahrheit entsprachen. Einige, die zeitweilig in der Gesundheitsanstalt gewesen waren und andere, die in Battle Creek wohnten, hatten Briefe an Gemeinden in Michigan und andere Staaten geschrieben, die Befürchtungen, Zweifel und Einflüsterungen gegen uns zum Ausdruck brachten. Ich war mit Schmerz erfüllt, als ich der Anklage eines Mitarbeiters zuhörte, den ich geschätzt hatte, dass sie von überall hören würden, ich hätte gegen die Gemeinde in Battle Creek gesprochen. Ich war so betrübt, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Wir fanden einen strengen, anklagenden Geist gegen uns vor. Als wir uns völlig der gegen uns bestehenden Gefühle bewusst wurden, empfanden wir Heimweh. Wir waren so enttäuscht und unglücklich, dass ich zu zwei von unseren leitenden Brüdern sagte, dass ich mich nicht daheim fühlen könne, da uns Misstrauen und entschiedene Kälte anstatt ein Willkommen und Ermutigung entgegengebracht würden, und dass ich noch lernen müsste, dass man so diejenigen behandelte, die unter ihnen durch Überarbeitung und Hingabe an Gottes Werk zusammengebrochen waren. Dann sagte ich, dass wir am besten von Battle Creek wegziehen und uns ein Heim in Zurückgezogenheit suchen sollten. Z1.605.1 Teilen

Über alle Maßen verletzt, blieb ich daheim. Ich fürchtete mich, irgendwo unter Geschwister zu gehen, aus Angst, ich würde wieder verwundet. Schließlich, als niemand sich bemühte, mich zu entlasten, sah ich es als meine Pflicht an, eine Anzahl erfahrene Brüder und Schwestern zusammenzurufen, um den Berichten zu begegnen, die über uns verbreitet wurden. Niedergebeugt von Gram und Seelenpein, gab ich Antwort auf die gegen mich vorgebrachten Anklagen. Ich gab auch einen Bericht über meine Reise in den Osten vor einem Jahr und den schmerzlichen Umständen, die jene Reise begleiteten. Z1.605.2 Teilen

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Ich appellierte an meine Zuhörer, selbst darüber zu urteilen, ob meine Verbindung zum Werke Gottes mich veranlassen könnte, nachteilig über die Gemeinde in Battle Creek zu sprechen, von der ich mich nicht in geringster Weise getrennt fühlte. War nicht mein Interesse am Werke Gottes ebenso groß wie das ihre? Meine ganze Erfahrung, ja mein Leben, war damit verwoben. Ich hatte keinerlei Interessen neben dem Werk. Ich hatte alles in diesem Werk investiert und hatte kein Opfer für zu groß erachtet, um dasselbe zu fördern. Ich hatte nicht gestattet, dass die Zuneigung zu meinen geliebten Kindern mich von der Erfüllung meiner Pflicht abhielt, die Gottes Werk erforderlich machte. Mütterliche Liebe erfüllte mein Herz ebenso wie das einer jeden anderen Mutter. Und doch hatte ich mich von meinen Säuglingen getrennt und anderen gestattet, meine Stelle einzunehmen und ihnen Mutter zu sein. Ich hatte unmissverständliche Beweise meines Interesses und meiner Hingabe an Gottes Werk geliefert. Ich habe durch meine Werke gezeigt, wie teuer es mir war. Könnte irgendjemand stärkere Beweise liefern, als ich es getan habe? Waren sie eifrig im Werk der Wahrheit? Ich war es mehr. Waren sie ihm hingegeben? Ich könnte von größerer Hingabe sprechen als jeder andere, der im Werk angestellt ist. Haben sie um der Wahrheit willen gelitten? Ich habe mehr erduldet. Ich habe mein Leben nicht als zu teuer erachtet. Ich habe nicht vor Tadel, Leiden und Entbehrungen zurückgeschreckt. Wenn Freunde und Verwandte um mein Leben fürchteten, weil mich Krankheit niederwarf, nahm mein Mann mich in seine Arme und trug mich aufs Schiff oder zum Wagen. Einmal, als wir bis Mitternacht durchfuhren, kamen wir in der Stadt Boston an ohne Geld. Bei zwei oder drei Anlässen gingen wir im Glauben sieben Meilen zu Fuß. Wir gingen so weit wie meine Kräfte es erlaubten, und dann knieten wir auf der Erde nieder und beteten um Kraft, weitergehen zu können. Kraft wurde gegeben, und wir waren imstande, ernstlich für das Heil von Seelen zu wirken. Wir gestatteten keinem Widerstand, uns von der Pflicht abzuhalten oder von dem Werk zu trennen. Z1.606.1 Teilen

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Der Geist, der sich in dieser Versammlung bekundete, verursachte mir großes Herzeleid. Ich kehrte nach Hause zurück, immer noch belastet, weil jene, die zugegen waren, nichts unternahmen, mich zu entlasten, indem sie anerkannt hätten, dass sie überzeugt wären, mich falsch beurteilt zu haben und dass ihr Misstrauen und ihre Anklagen gegen mich ungerecht gewesen waren. Sie konnten mich nicht verurteilen noch machten sie die geringste Anstrengung mich zu entlasten. Z1.607.1 Teilen

Vor fünfzehn Monaten war mein Mann so schwach gewesen, dass er weder Uhr noch Geldbörse bei sich trug noch die Zügel führte, wenn er ausfuhr. Aber in diesem Jahr hatte er sowohl seine Uhr bei sich als auch seine Geldbörse, die allerdings wegen unserer vielen Ausgaben leer war, und nun hielt er die Zügel beim Ausfahren in seiner Hand. Während seiner Krankheit hatte er sich etliche Male geweigert, von seinen Brüdern Geld anzunehmen, das sich zusammen auf etwa tausend Dollar belief. Er hatte ihnen gesagt, wenn er in Not geriete, würde er es sie wissen lassen. Zuletzt gerieten wir in Not. Mein Mann sah es als seine Pflicht an, zuerst zu verkaufen, was wir entbehren konnten, ehe er in Abhängigkeit geriete. Er hatte einige Dinge in der Zentrale in Battle Creek, andere zerstreut unter den Geschwistern, von wenig Wert, die er einsammelte und verkaufte. Wir trennten uns von Möbelstücken um etwa einhundertfünfzig Dollar. Mein Mann versuchte, unser Sofa an das Versammlungshaus zu verkaufen, mit dem Angebot, es um zehn Dollar unter seinem wirklichen Wert herzugeben, konnte es aber nicht. Um diese Zeit verendete unsere einzige sehr wertvolle Kuh. Jetzt empfand mein Mann es zum ersten Mal, dass er Hilfe brauchen würde. Er sandte eine Notiz an einen Bruder, in welcher er darlegte, dass er es schätzen würde und wenn die Gemeinde es gerne tun würde, ihm den Verlust der Kuh zu ersetzen. Aber nichts geschah, nur dass mein Mann beschuldigt wurde, unsinnig auf Geld aus zu sein. Die Brüder kannten ihn gut genug, um zu wissen, dass er niemals um Hilfe bitten würde, wenn nicht äußerste Not ihn dazu trieb. Und nun, als er es getan hatte, richteten sie seine und meine Gefühle, nahmen keine Notiz davon, außer die Gelegenheit zu benutzen, um uns in unserer Not und argen Bedrängnis zu verletzen. Z1.607.2 Teilen

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Anlässlich dieser Versammlung bekannte mein Mann demütig, dass er, was sein Temperament anbetraf, in verschiedenen Dingen gefehlt hatte. Dies hätte er nie tun sollen und hätte es auch nicht getan, wäre es nicht aus Furcht vor seinen Brüdern und dem Wunsch geschehen, ja alles recht zu machen und in Einigkeit mit der Gemeinde zu sein. Dies verleitete diejenigen, die ihm Schaden zufügten, dazu, ihn offensichtlich zu verachten. Wir waren in den Staub gedemütigt und über alle Maßen bekümmert. In dieser Geistesverfassung begaben wir uns nach Monterey, wo wir eine Verabredung hatten. Auf der Reise litt ich unter der größten Seelenpein. Ich versuchte mir selbst zu erklären, warum unsere Brüder unser Werk nicht verstehen konnten. Ich hatte es für selbstverständlich angesehen, dass sie wissen würden, von welchem Geist wir geleitet wurden, wenn wir mit ihnen zusammenkämen, und dass der Geist Gottes in ihnen, demselben in uns, seinen demütigen Werkzeugen, entgegenkommen würde. Dann gäbe es Einssein in den Gefühlen und der Gesinnung. Stattdessen wurde uns misstraut, und wir wurden eifersüchtig überwacht, was mir die größte Verwirrung verursachte, die ich je erfahren hatte. Als ich darüber nachdachte, kam mir wie der Blitz ein Teil meines Gesichtes, das mir am 25. Dezember 1865 in Rochester gegeben worden war, ins Gedächtnis zurück, und sofort erzählte ich es meinem Mann. Z1.608.1 Teilen

Es wurde mir eine Anzahl von Bäumen gezeigt, die in einem Kreis nahe beieinander standen. Über diesen Bäumen erhob sich ein Weinstock, dessen Reben ihre Kronen bedeckten und eine Laube bildeten. Bald sah ich die Bäume wie von einem starken Wind sich hin und her bewegen. Eine Weinranke nach der andern wurde von ihrem Halt getrennt und von den Bäumen abgeschüttelt, bis nur ein paar Ranken an den unteren Zweigen hingen. Dann kam eine Person, die die restlichen Ranken von den Zweigen trennte und der Weinstock ausgebreitet am Boden lag. Z1.608.2 Teilen

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Meine Qual und Seelenpein war nicht zu beschreiben, als ich sah, wie der Weinstock völlig am Boden lag. Viele gingen vorüber und betrachteten ihn mitleidig. Ich wartete ängstlich darauf, dass eine freundliche Hand ihn aufrichten würde; aber niemand half. Ich fragte, warum niemand dem Weinstock aufhalf. Bald darauf sah ich einen Engel zu dem scheinbar verlassenen Weinstock kommen. Er breitete seine Arme unter seine Ranken aus und hob sie empor, so dass sie aufrecht standen, indem er sagte: „Strebe himmelwärts. Lass deine Ranken sich um Gott schlingen. Du bist von menschlichem Halt abgeschüttelt. Du kannst in Gottes Kraft stehen und kannst gedeihen ohne Hilfe von Menschen. Stütze dich allein auf Gott, und du wirst es nie umsonst tun noch abgeschüttelt werden.“ Ich fühlte mich unaussprechlich getröstet und hoch erfreut, als ich sah, wie dem vernachlässigten Weinstock geholfen wurde. Ich wandte mich an den Engel und fragte, was diese Dinge zu bedeuten hätten. Er antwortete: „Du bist der Weinstock. All das wirst du erleben. Und wenn es geschieht, wirst du völlig verstehen, was dieses Sinnbild bedeutet. Gott wird dir in der Zeit der Not eine gegenwärtige Hilfe sein.“ Von dieser Zeit an war ich in meiner Pflicht gefestigt und freier als je zuvor, dem Volk mein Zeugnis vorzutragen. Wenn ich je empfand, dass der Herr mich aufrechterhielt, dann war es in jener Versammlung. Auch mein Mann war frei und unbeschwert in seiner Predigt, und das Zeugnis aller lautete: Wir haben eine hervorragende Versammlung gehabt. Z1.609.1 Teilen

Nachdem wir von Monterey zurückgekehrt waren, sah ich es als meine Pflicht an, eine weitere Versammlung anzuberaumen, da meine Geschwister nichts unternahmen, mich zu entlasten. Ich war entschlossen, in der Kraft Gottes voranzugehen, erneut über meine Gefühle zu sprechen und mich von dem Argwohn und den üblen Berichten zu befreien, die zu unserem Schaden in Umlauf waren. Ich trug mein Zeugnis vor und berichtete Dinge, die mir über die Vergangenheit einiger der Anwesenden gezeigt worden waren. Ich warnte sie vor ihrer Gefahr und tadelte ihr verkehrtes Verhalten. Ich erklärte, dass ich in äußerst unangenehme Lagen versetzt worden war. Wenn Familien oder Einzelpersonen mir im Gesicht vorgeführt wurden, war es oft der Fall, dass das, was mir von ihnen gezeigt wurde, privater Natur war und geheime Sünden betraf. Mit manchen habe ich monatelang wegen ihrer Verkehrtheiten gearbeitet, von denen andere nichts wussten. Wenn meine Brüder diese Personen traurig sehen und sie Zweifel betreffs ihrer Annahme bei Gott äußern hören und ebenso Verzagtheit, dann haben sie Tadel auf mich gehäuft, als trüge ich die Schuld für ihre Schwierigkeiten. Diejenigen, die mich auf diese Weise beschuldigten, wussten nicht, wovon sie sprachen. Ich protestierte gegen Personen, die sich anmaßten, über meine Handlungsweise Untersuchungen anzustellen. Mir ist die undankbare Aufgabe übertragen worden, private Sünden zu rügen. Müsste ich, um Argwohn und Eifersucht aus dem Weg zu gehen, eine volle Erklärung meiner Handlungsweise abgeben und veröffentlichen, was privat bleiben sollte, dann würde ich gegen Gott sündigen und den Betreffenden Unrecht zufügen. Ich habe private Rügen und private Verkehrtheiten für mich zu behalten, verschlossen in meiner Brust. Sollen andere über mich urteilen, wie sie wollen, ich werde niemals das Vertrauen verraten, das die Irrenden oder Reumütigen in mich setzen oder vor andern offenbaren, was nur mit den Schuldigen besprochen werden sollte. Ich sagte den Versammelten, sie sollten ihre Hände zurückziehen und mich frei gehen lassen, in der Furcht Gottes zu handeln. Von einer großen Last befreit, verließ ich die Versammlung. Z1.609.2 Teilen

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