Portrait von Ellen White
A-   A+
A-   A+
Bücher
Achtung, noch nicht 100% für das Handy optimiert.
Ich arbeite parallel an der APP.
Luther vor dem Reichstag
Luther vor dem Reichstag
334

Endlich stand Luther vor dem Reichstag. Der Kaiser saß auf dem Thron, umgeben von erlauchten Persönlichkeiten des Kaiserreichs. Nie zuvor war ein Mensch vor einer eindrucksvolleren Versammlung erschienen als Martin Luther, um seinen Glauben zu verantworten. GE.334.1 Teilen

Allein sein Erscheinen war ein Zeichen des Sieges für die Wahrheit. Die Tatsache, dass über einen Mann, der vom Papst verurteilt worden war, jetzt vor einem anderen Gericht Recht gesprochen werden sollte, war praktisch eine Ablehnung der höchsten Autorität des Papstes. Man hatte dem Reformator, über den vom Papst der Bann ausgesprochen und der aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen worden war, Schutz und Anhörung vor den höchsten Würdenträgern der Nation zugesichert. Rom hatte ihn zum Schweigen verurteilt, doch jetzt sollte er vor Tausenden aus allen Landen der Christenheit reden. Ruhig und friedevoll, dennoch mutig und edel stand er als Zeuge Gottes unter den Großen der Erde. Ohne Heftigkeit oder leidenschaftliche Erregung gab er in unterwürfigem, demütigem Ton seine Antworten. Luthers Benehmen war äußerst bescheiden und respektvoll; dennoch war eine Zuversicht und Freudigkeit erkennbar, die die Versammlung überraschte. GE.334.2 Teilen

Alle, die ihre Augen hartnäckig vor dem Licht verschlossen und sich von der Wahrheit nicht überzeugen lassen wollten, gerieten durch die Gewalt seiner Worte in Wut. Als er seine Rede beendet hatte, sagte der Wortführer des Reichstags voller Ärger: „Ihr habt nicht zur Sache geantwortet. ... Von Euch wird verlangt, eine klare, deutliche Antwort zu geben. ... Wollt Ihr widerrufen oder nicht?“ GE.334.3 Teilen

Der Reformator antwortete: „Weil Eure Majestät und die hohen Herrschaften eine einfache, klare und präzise Antwort von mir verlangen, will ich eine geben: Ich kann meinen Glauben weder dem Papst noch dem Reichstag unterwerfen; denn es ist klar wie der Tag, dass sie sich oft geirrt und selbst widersprochen haben. Werde ich nicht durch das Zeugnis der Heiligen Schrift oder klare Beweisgründe oder die von mir zitierten Schriftabschnitte überwunden, ist mein Gewissen durch Gottes Wort gebunden. Widerrufen kann und will ich nicht; denn für einen Christen ist es gefährlich, gegen das eigene Gewissen zu handeln. Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen.“ GE.334.4 Teilen

335

Dieser rechtschaffene Mann stand auf dem sicheren Grund des Wortes Gottes. Himmlisches Licht erleuchtete sein Angesicht. Seine Größe, die Reinheit seines Charakters, der Friede und die Freude seines Herzens wurden allen erkennbar, als er die Macht des Irrtums bloßstellte und die Überlegenheit eines Glaubens bezeugte, der die Welt überwindet. GE.335.1 Teilen

Luther stand fest wie ein Fels, während die heftigsten Waffen weltlicher Macht ohne Wirkung gegen ihn brandeten. Die einfache Kraft seiner Worte, seine Furchtlosigkeit, seine Ruhe, seine sprechenden Augen und die unveränderliche Entschlossenheit jedes Wortes und jeder Handlung machte einen tiefen Eindruck auf die Versammlung. Es wurde deutlich erkennbar, dass weder Versprechungen noch Drohungen ihn veranlassen konnten, sich Roms Befehlen zu unterwerfen. GE.335.2 Teilen

Durch Luther hatte Christus mit einer Macht und Größe gesprochen, die Freund und Feind mit Ehrfurcht und Staunen erfüllte. Gottes Geist war bei diesem Reichstag gegenwärtig und hatte die Herzen der Großen des Kaiserreichs beeindruckt. Mehrere Fürsten erkannten öffentlich die Gerechtigkeit der Sache Luthers an. Viele waren von der Wahrheit überzeugt, doch bei einigen hielt dies nicht lange an. Andere hielten mit ihrer Meinung zurück, setzten sich aber später, nachdem sie selbst in der Heiligen Schrift geforscht hatten, mit großem Mut für die Reformation ein. GE.335.3 Teilen

336

Friedrich, der Kurfürst von Sachsen, hatte Luthers Erscheinen vor dem Reichstag mit großer Sorge entgegengesehen und tief bewegt seiner Rede zugehört. Er freute sich über den Mut, die Standhaftigkeit und Selbstbeherrschung des Doktors und war stolz, sein Beschützer zu sein. Er verglich die streitenden Parteien und erkannte, dass die Klugheit der Päpste, Königen und Prälaten durch die Macht der Wahrheit zunichte gemacht worden war. Das Papsttum hatte eine Niederlage erlitten, die unter allen Nationen und zu allen Zeiten spürbar werden sollte. GE.336.1 Teilen

Hätte der Reformator in einem einzigen Punkt nachgegeben, hätten Satan und seine Heerscharen den Sieg davongetragen. Doch seine unerschütterliche Standhaftigkeit war das Mittel zur Befreiung der Gemeinde und der Anfang eines neuen, besseren Zeitalters. Der Einfluß dieses einen Mannes, der es wagte, in religiösen Angelegenheiten selbstständig zu denken und zu handeln, bewegte nicht nur die Kirche und die ganze Welt in der damaligen Zeit, sondern auch in allen nachfolgenden Generationen. Seine Standhaftigkeit und seine Treue sollten bis ans Ende der Zeit alle stärken, die durch ähnliche Erfahrungen hindurchgehen würden. Erhaben über dem Rat der Menschen und der gewaltigen Macht Satans standen Gottes Macht und Majestät. GE.336.2 Teilen

Ich sah, dass Luther mit brennendem Herzen, eifrig, furchtlos und mutig die Sünden tadelte und die Wahrheit verteidigte. Er kümmerte sich nicht um böse Menschen oder Teufel, denn er wußte, dass ein Mächtigerer als alle anderen mit ihm war. Da Luther Eifer, Mut und Tapferkeit besaß, bestand manchmal die Gefahr, dass er über das Ziel hinausschoß. Aber Gott erweckte Melanchthon, dessen Charakter genau entgegengesetzt war, um Luther bei der Fortführung der Reformation zu helfen. Melanchthon war zurückhaltend, ängstlich, vorsichtig und sehr geduldig. Gott liebte ihn sehr. Seine Kenntnis in der Heiligen Schrift war hervorragend, er besaß ein gutes Urteilsvermögen und überragende Weisheit. Seine Liebe für die Sache Gottes war genauso groß wie die von Luther. Der Herr knüpfte die Herzen dieser beiden Männer zusammen. Sie wurden unzertrennliche Freunde. Luther war eine große Hilfe für Melanchthon, wenn er zu ängstlich und zaghaft war. Melanchthon dagegen half Luther, wenn er in Gefahr stand, zu schnell voranzustürmen. GE.336.3 Teilen

337

Seine weit vorausschauenden Vorsichtsmaßnahmen verhüteten oft Schwierigkeiten, die sich ergeben hätten, wäre das Werk Luther allein überlassen worden. Hätte es nur von Melanchthon abgehangen, wäre es häufig nicht vorangegangen. Die Wahl dieser beiden Männer zur Fortführung des Reformationswerkes zeigte die Weisheit Gottes. GE.337.1 Teilen

12219
54466
Weiter zu "Die Erleuchtung Englands und Schottlands"
Stichwörter