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Die Zeit des Verzuges
Die Zeit des Verzuges
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Als das Jahr 1843 vergangen war, ohne dass Jesus kam, gerieten alle, die im Glauben auf seine Erscheinung gewartet hatten, eine Zeitlang in Zweifel und Verwirrung. Doch trotz ihrer Enttäuschung forschten viele auch weiterhin in der Heiligen Schrift, prüften erneut die Grundlagen ihres Glaubens und studierten sorgfältig die Prophezeiungen, um weiteres Licht zu erhalten. Das biblische Zeugnis schien ihren Standpunkt deutlich und entscheidend zu unterstützen. Unmißverständliche Zeichen wiesen auf die nahe Wiederkunft Christi hin. Die Gläubigen fanden keine Erklärung für ihre enttäuschten Hoffnungen; aber dennoch waren sie sich sicher, dass Gott sie in den vergangenen Erfahrungen geführt hatte. GE.353.2 Teilen

Ihr Glaube wurde in hohem Maße gestärkt durch die klaren und überzeugenden Bibeltexte, die von einer Verzögerung sprachen. Schon im Jahre 1842 brachte der Geist Gottes Charles Fitch auf den Gedanken, eine prophetische Karte zu entwerfen, die Adventisten allgemein für die Erfüllung einer Anweisung hielten, die Gott durch den Propheten Habakuk gegeben hatte: „Schreibe das Gesicht auf und grabe es in Tafeln ein“. Doch als diese Prophezeiung ins Blickfeld gebracht wurde, achtete keiner auf eine „Zeit der Verzögerung“. Erst nach der Enttäuschung wurde die volle Bedeutung dieser Schriftstelle erkennbar. Der Prophet sagt: „Schreibe das Gesicht auf und grabe es in Tafeln ein, damit man es geläufig lesen könne; denn das Gesicht geht noch auf die bestimmte Zeit, und es strebt nach dem Ende hin und lügt nicht. Wenn es verzieht, so harre sein; denn kommen wird es, es wird nicht ausbleiben.“ Habakuk 2,2.3. GE.353.3 Teilen

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Die Wartenden freuten sich über diese Worte, dass Gott, der das Ende von Anfang an weiß und die Jahrhunderte überschaut, ihnen diese Worte der Ermutigung und Hoffnung geschenkt hatte, weil er ihre Enttäuschung vorhersah. Hätten diese Schriftstellen nicht klar gezeigt, dass sie auf dem richtigen Weg waren, so hätte ihr Glaube in dieser Prüfungszeit versagt. GE.354.1 Teilen

Durch das Gleichnis von den zehn Jungfrauen aus Matthäus 25 ist die Erfahrung der Adventisten anhand einer morgenländischen Hochzeit veranschaulicht. „Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.“ GE.354.2 Teilen

Die bei der Verkündigung der ersten Engelsbotschaft weitverbreitete Bewegung entspricht dem Hinausgehen der Jungfrauen, während die Zeit des Wartens, der Enttäuschung und der Verzögerung durch den Verzug des Bräutigams dargestellt wird. Nachdem die festgelegte Zeit verstrichen war, glaubten alle wahrhaft Treuen immer noch einmütig, das Ende aller Dinge würde nahe bevorstehen. Doch bald wurde deutlich, dass sie ihren Eifer und ihre Hingabe bis zu einem gewissen Grad verloren hatten und in einen Zustand verfielen, den das Gleichnis wegen des Verzugs des Bräutigams mit „schläfrig“ oder „alle schliefen ein“ bezeichnet. GE.354.3 Teilen

Etwa zu dieser Zeit kam Fanatismus auf. Einige, die angeblich eifrig an die Botschaft glaubten, verwarfen Gottes Wort als unfehlbaren Führer. Sie behaupteten, vom Geist Gottes geleitet zu werden, ließen sich aber von ihren eigenen Gefühlen, Eindrücken und Vorstellungen beherrschen. Etliche legten einen blinden, scheinheiligen Eifer an den Tag und klagten alle an, die ihr Verhalten nicht billigten. Ihre fanatischen Ideen und Handlungen fanden keine Zustimmung bei der großen Mehrheit der Adventisten; und doch brachten sie die Sache der Wahrheit in Verruf. GE.354.4 Teilen

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Die Verkündigung der ersten Engelsbotschaft im Jahre 1843 und des Mitternachtsrufes im Jahre 1844 unterdrückten den Fanatismus und die Meinungsverschiedenheiten. Alle, die sich an dieser feierlichen Bewegung beteiligten, waren gleichgesinnt. Ihre Herzen waren mit Liebe füreinander und für Jesus erfüllt, den sie bald zu sehen hofften. Ein Glaube und eine gesegnete Hoffnung erhoben sie über alle menschlichen Einflüsse und erwiesen sich als Schild gegen die Angriffe Satans. GE.355.1 Teilen

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Im Sommer 1844 entdeckten die Adventisten den Fehler in ihren Berechnungen der prophetischen Zeitperioden und korrigierten ihren Standpunkt. Das Ende der 2300 Tage in Daniel 8,14, das sich — wie alle glaubten — bis zum zweiten Kommen Christi hinzog, lag nach ihrer Annahme im Frühling 1844. Doch jetzt erkannte man, dass diese Periode erst im Herbst des gleichen Jahres endete, und alle Adventisten richteten ihren Blick auf diesen Zeitpunkt für das Kommen des Herrn. Die Verkündigung dieser Zeit war eine weitere Erfüllung des Gleichnisses von der Hochzeit, deren Übertragung auf die Erfahrung der Adventisten bereits klar erkannt worden war. GE.356.2 Teilen

So wie sich im Gleichnis um Mitternacht ein Schrei erhob und die Ankunft des Bräutigams ankündigte, erfüllte sich dies auch genau in der Mitte zwischen dem Frühling des Jahres 1844, den man zuerst für das Ende der 2300 Tage gehalten hatte, und dem Herbst desselben Jahres, in dem, wie man später erst herausfand, diese Zeit tatsächlich enden sollte. Es war der gleiche Ruf wie in dem Gleichnis zu hören: „Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm zu begegnen!“ GE.356.3 Teilen

Wie eine Flutwelle ergoß sich die Bewegung über das Land. Sie ging von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf bis in die entlegensten Orte, bis das wartende Volk Gottes völlig aufgeweckt war. Diese Verkündigung ließ den Fanatismus verschwinden wie die Sonne den Frühreif. Die Gläubigen fanden ihren Standpunkt wieder, und neue Hoffnung und neuer Mut belebte ihre Herzen. GE.356.4 Teilen

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Das Werk war frei von allen Übertreibungen, die sich immer zeigen, wenn menschliche Erregung nicht vom Einfluß des Wortes und Geistes Gottes beherrscht wird. Es glich den Zeiten der Demütigung und Umkehr zum Herrn, die im alten Israel den Botschaften des Tadels durch seine Diener folgten. Es trug die Merkmale, die Gottes Werk in jedem Zeitalter gekennzeichnet haben. Überschwengliche Freude war nur wenig vorhanden. Stattdessen wurden die Herzen gründlich erforscht, Sünden bekannt und der Welt entsagt. Die Sorge der kämpfenden Gläubigen lag darin, für die Begegnung mit dem Herrn vorbereitet zu sein. Mit anhaltendem Gebet und ungeteilter Hingabe weihten sie sich Gott. GE.357.1 Teilen

Der Mitternachtsruf war nicht so sehr eine Sache der Beweisführung, obwohl der Schriftbeweis deutlich und überzeugend war. Er wurde von einer vorwärtstreibenden Macht begleitet, die die Seele bewegte. Es gab keinen Zweifel und keine Fragen. Bei dem triumphalen Einzug Christi in Jerusalem strömte das Volk, das sich aus allen Teilen des Landes zum Fest versammelt hatte, zum Ölberg und schloß sich der Menge an, die Jesus begleitete. Die Begeisterung der Stunde erfaßte sie, und alle stimmten in den Ruf ein: „Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Matthäus 21,9. In gleicher Weise spürten die Ungläubigen, die zu den Versammlungen der Adventisten strömten, — einige aus Neugier, andere nur um zu spotten, — die überzeugende Kraft, die die Botschaft „Siehe, der Bräutigam kommt!“ begleitete. GE.357.2 Teilen

Zu jener Zeit herrschte ein Glaube, der Gebetserhörungen zur Folge hatte; ein Glaube, der die Belohnung sicher in sich birgt. Wie Regenschauer auf die durstige Erde fiel der Geist der Gnade auf die ernsthaft Suchenden. Diejenigen, die erwarteten, bald von Angesicht zu Angesicht vor ihrem Erlöser zu stehen, empfanden eine feierliche, unaussprechliche Freude. Die besänftigende, mäßigende Kraft des Heiligen Geistes taute die Herzen auf, als die Gnadenschauer der Herrlichkeit Gottes auf die treuen Gläubigen fielen. GE.357.3 Teilen

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Alle, die die Botschaft angenommen hatten, näherten sich bedachtsam und feierlich dem Zeitpunkt, an dem sie ihrem Herrn zu begegnen hofften. Jeden Morgen hielten sie es für ihre erste Pflicht, sich ihrer Annahme bei Gott zu vergewissern. Ihre Herzen waren innig vereint, und sie beteten viel miteinander und füreinander. Oft kamen sie an abgelegenen Orten zusammen, um Zwiesprache mit Gott zu halten. Ihre Fürbitte stieg von Feldern und Hainen zum Himmel empor. Die Gewißheit ihrer Annahme war ihnen wichtiger als die tägliche Nahrung. Wenn eine Wolke ihr Gemüt verfinsterte, ruhten sie nicht eher, als bis sie beseitigt war. Wenn sie die vergebende Gnade spürten, sehnten sie sich danach, den zu sehen, den sie liebten. GE.358.1 Teilen

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