Portrait von Ellen White
A-   A+
A-   A+
Bücher
Achtung, noch nicht 100% für das Handy optimiert.
Ich arbeite parallel an der APP.
Kapitel 34: Jeremia
Kapitel 34: Jeremia
230

Auch Jeremia gehörte zu denen, die auf eine anhaltende geistliche Wiederbelebung als Ergebnis der Reformbewegung unter Josia gehofft hatten. Gott hatte ihn noch als Jugendlichen im 13. Jahr der Herrschaft Josias ins Prophetenamt berufen. Als Angehöriger der levitischen Priesterschaft war er von Kindheit an für den heiligen Dienst ausgebildet worden. In jenen glücklichen Jahren der Vorbereitung wurde es ihm kaum bewusst, dass er von Geburt an „zum Propheten für die Völker“ ausersehen war. Und als dann Gottes Ruf an ihn erging, überwältigte ihn ein Gefühl seiner Unwürdigkeit. „Ach, Herr Herr“, rief er aus, „ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung.“ Jeremia 1,5f. DKn.230.1 Teilen

In dem jugendlichen Jeremia erkannte Gott einen, der seiner Verpflichtung treu bleiben und trotz großen Widerstandes für das Recht eintreten würde. Bereits in seiner Kindheit hatte Jeremia sich als zuverlässig erwiesen, und nun sollte er als guter Kämpfer des Kreuzes Härte ertragen. „Sage nicht: ‚Ich bin zu jung‘“, gebot der Herr Seinem auserwählten Boten, „sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten ... So gürte nun deine Lenden und mache dich auf und predige ihnen alles, was ich dir gebiete. Erschrick nicht vor ihnen, auf dass ich dich nicht erschrecke vor ihnen, denn ich will dich heute zur festen Stadt, zur eisernen Säule, zur ehernen Mauer machen im ganzen Lande wider die Könige Judas, wider seine Großen, wider seine Priester, wider das Volk des Landes, dass, wenn sie auch wider dich streiten, sie dir dennoch nichts anhaben können; denn ich bin bei dir, spricht der Herr, dass ich dich errette.“ Jeremia 1,7.8.17-19. 40 Jahre lang sollte Jeremia als Zeuge für Wahrheit und Gerechtigkeit vor dem Volk stehen. In einer Zeit des Abfalls ohnegleichen sollte er durch sein Leben und seinen Charakter den einzig wahren Gott beispielhaft verehren. Während der schrecklichen Belagerungen Jerusalems musste er das Sprachrohr Gottes sein. Er musste den Sturz des Hauses David und die Zerstörung des herrlichen, von Salomo erbauten Tempels voraussagen. Und selbst wenn er wegen seiner furchtlosen Äußerungen eingekerkert wurde, sollte er bestimmt und nachdrücklich gegen die Sünden predigen, die an höchsten Stellen begangen wurden. Verachtet, gehasst und von Menschen verworfen, sollte er schließlich die buchstäbliche Erfüllung seiner eigenen Weissagungen über das drohende Gericht miterleben und an dem Schmerz und Weh teilhaben, die der Zerstörung der todgeweihten Stadt folgten. DKn.230.2 Teilen

231

Doch mitten in dem allgemeinen Verderben, das rasch über die Nation kam, durfte Jeremia oft über die betrüblichen Szenen der Gegenwart hinweg die ruhmreichen Bilder der Zukunft erblicken, in der Gottes Volk aus dem Feindesland errettet und wieder in Zion angesiedelt sein würde. Er sah die Zeit voraus, in der Gott Seinen Bund mit den Seinen erneuerte: „Ihre Seele wird sein wie ein gewässerter Garten; sie werden nicht mehr hungern.“ Jeremia 31,12 (Bruns). DKn.231.1 Teilen

Über seine Berufung zum Prophetenamt schrieb Jeremia selbst: „Der Herr streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.“ Jeremia 1,9f. DKn.231.2 Teilen

Gott sei Dank für die Worte „bauen und pflanzen“. Durch sie wurde Jeremia zugesichert, dass Gott wieder aufzurichten und zu heilen beabsichtigte. Hart waren die Botschaften, die in den folgenden Jahren ausgerichtet werden mussten. Prophezeiungen über schnell nahende Strafgerichte sollten furchtlos verkündigt werden. Von den Ebenen Sinears sollte „über alle, die im Lande wohnen“, ein Unheil losbrechen. „Und ich will mein Gericht über sie ergehen lassen um all ihrer Bosheit willen“, verkündete der Herr, „dass sie mich verlassen und andern Göttern opfern und ihrer Hände Werk anbeten.“ Jeremia 1,14-16. Doch diese Botschaften sollte der Prophet mit der Versicherung der Vergebung für alle verbinden, die sich von ihrem bösen Tun abwandten. DKn.231.3 Teilen

Als weiser Baumeister versuchte Jeremia gleich zu Beginn seines Lebenswerkes die Männer von Juda zu ermuntern, durch eine gründliche Bekehrung ein tiefes Fundament ihres geistlichen Lebens zu legen. Lange hatten sie mit einem Material gebaut, das der Apostel Paulus mit Holz, Heu und Stoppeln und Jeremia selbst mit Schlacke verglich. „Darum heißen sie ‚Verworfenes Silber‘“, sagte er über das unbußfertige Volk; „denn der Herr hat sie verworfen.“ Jeremia 6,30. Nun wurde ihnen ans Herz gelegt, klug und für die Ewigkeit zu bauen, den Schutt des Abfalls und Unglaubens zu beseitigen und als Baustoff für das Fundament reines Gold, geläutertes Silber, edle Steine zu verwenden, nämlich Gaube, Gehorsam und gute Werke, die allein vor dem Angesicht Gottes Wert haben. DKn.231.4 Teilen

Das Wort, das der Herr durch Jeremia an Sein Volk richtete, lautete: „Kehre zurück, du abtrünniges Israel ... so will ich nicht zornig auf euch blicken. Denn ich bin gnädig, spricht der Herr, und will nicht ewiglich zürnen. Allein erkenne deine Schuld, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast ... Kehrt um, ihr abtrünnigen Kinder, spricht der Herr, denn ich bin euer Herr!“ Jeremia 3,12-14. „Ich dachte, du würdest mich dann ‚Lieber Vater‘ nennen und nicht von mir weichen ... Kehrt zurück, ihr abtrünnigen Kinder, so will ich euch heilen von eurem Ungehorsam.“ Jeremia 3,19.22. DKn.231.5 Teilen

232

Diesen wunderbaren Bitten fügte der Herr für Sein irrendes Volk sogar noch die Worte hinzu, mit denen sie sich an Ihn wenden konnten: „Siehe, wir kommen zu dir; denn du bist der Herr, unser Gott. Wahrlich, es ist ja nichts als Betrug mit den Hügeln und mit dem Lärm auf den Bergen. Wahrlich, es hat Israel keine andere Hilfe als am Herrn, unserm Gott ... So müssen wir uns betten in unsere Schande, und unsre Schmach soll uns bedecken. Denn wir haben gesündigt wider den Herrn, unsern Gott, wir und unsere Väter, von unsrer Jugend an bis auf den heutigen Tag, und haben nicht gehorcht der Stimme des Herrn, unseres Gottes.“ Jeremia 3,22-25. DKn.232.1 Teilen

Die Reformation unter Josia hatte zwar das Land von den Götzenaltären gereinigt, aber die Herzen der meisten Menschen hatten sich nicht umgewandelt. Die Saat der Wahrheit war aufgetan und hatte eine reichliche Ernte versprochen, aber sie war durch Dornen erstickt worden. Ein weiterer Rückfall dieser Art musste verhängnisvoll sein. Deshalb versuchte der Herr das Volk aufzurütteln, damit es die Gefahr erkannte. Nur wenn es sich Ihm gegenüber als treu erwies, konnte es auf göttliche Gunst und Wohlergehen hoffen. DKn.232.2 Teilen

Jeremia lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit immer wieder auf die Ratschläge im 5. Buch Mose. Mehr als irgendein anderer Prophet betonte er die Lehren des mosaischen Gesetzes und zeigte, wie sie dem Volk und jedem einzelnen Menschen den größten Segen vermitteln konnten. „Fragt nach den Wegen der Vorzeit, welches der gute Weg sei und wandelt darin“, bat er, „so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele!“ Jeremia 6,16. DKn.232.3 Teilen

Bei einer bestimmten Gelegenheit stellte sich der Prophet auf Befehl des Herrn an eines der Haupttore der Stadt und verkündigte dort eindringlich die Wichtigkeit der Sabbatheiligung. Die Einwohner Jerusalems standen in Gefahr, die Heiligkeit des Sabbats aus den Augen zu verlieren. Deshalb wurden sie mit großem Ernst davor gewarnt, weiterhin ihren weltlichen Beschäftigungen an diesem Tag nachzugehen. Unter der Bedingung des Gehorsams wurde ihnen Segen verheißen: „Wenn ihr nun auf mich hören werdet, spricht der Herr, dass ihr am Sabbattag keine Last durch die Tore dieser Stadt tragt, sondern ihn heiligt, dass ihr an diesem Tag keine Arbeit tut, so sollen auch durch die Tore dieser Stadt aus- und eingehen Könige, die auf dem Thron Davids sitzen und die mit Ross und Wagen fahren, sie und ihre Großen samt allen, die in Juda und Jerusalem wohnen; und es soll diese Stadt immerdar bewohnt werden.“ Jeremia 17,24f. Dieser Verheißung des Wohlergehens als Lohn der Treue stand eine Prophezeiung furchtbarer Strafgerichte gegenüber, die die Stadt treffen würde, sollten sich ihre Einwohner gegenüber Gott und seinem Gesetz als untreu erweisen. Die Missachtung der Ermahnungen, dem Herrn und Gott ihrer Väter zu gehorchen und Seinen Sabbat zu heiligen, würde zur Folge haben, dass die Stadt und ihre Paläste durch Feuer völlig zerstört würden. DKn.232.4 Teilen

233

So vertrat der Prophet ganz entschlossen die wahren Grundsätze eines richtigen Lebenswandels, wie sie im Buch des Gesetzes ausgeführt sind. Aber die in Juda herrschenden Verhältnisse waren so schlecht, dass eine Veränderung zum Besseren nur durch wirklich entschiedene Maßnahmen erreicht werden konnte. Deshalb bemühte Jeremia sehr ernstlich um die Unbußfertigen. Er bat sie: „Pflüget ein Neues und säet nicht unter die Dornen!“ „So wasche nun, Jerusalem, dein Herz von der Bosheit, auf dass dir geholfen werde.“ Jeremia 4,3.14. DKn.233.1 Teilen

Aber die große Masse des Volkes beachtete den Ruf zur Buße und Erneuerung nicht. Seit dem Tod des guten Königs Josia hatten sich die Herrscher des Volkes ihrer Verpflichtung gegenüber als untreu erwiesen und viele in die Irre geführt. Auf Joahas, der durch das Eingreifen des Königs von Ägypten abgesetzt worden war, folgte Jojakim, ein älterer Sohn Josias. Schon seit Beginn der Herrschaft Jojakims hegte Jeremia wenig Hoffnung, sein geliebtes Land vor der Zerstörung und das Volk vor der Gefangenschaft bewahren zu können. Doch er durfte nicht schweigen, wo doch völlige Vernichtung das Königreich bedrohte. Die treu zu Gott hielten, mussten in ihrem Handeln ermutigt, die Sünder dagegen zur Abkehr von der Ungerechtigkeit bewegt werden. DKn.233.2 Teilen

Diese Krise erforderte eine öffentliche und weitreichende Anstrengung. Jeremia erhielt vom Herrn den Befehl, sich in den Tempelhof zu stellen und zu allen Leuten von Juda zu sprechen, die dort aus- und eingingen. Die ihm anvertrauten Botschaften durfte er nicht um ein einziges Wort verkürzen, damit die Sünder in Zion unbedingt die bestmögliche Gelegenheit bekämen, aufmerksam zuzuhören und sich von ihren bösen Wegen abzukehren. DKn.233.3 Teilen

Der Prophet gehorchte; er stand im Tor des Hauses Gottes und erhob seine Stimme zur Warnung und zur dringenden Bitte. Unter der Geistesleitung des Allmächtigen erklärte er: „Höret des Herrn Wort, ihr alle von Juda, die ihr zu diesen Toren eingeht, den Herrn anzubeten! So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels: ‚Bessert euer Leben und euer Tun, so will ich bei euch wohnen an diesem Ort.‘ Verlasst euch nicht auf Lügenworte, wenn sie sagen: Hier ist des Herrn Tempel, hier ist des Herrn Tempel, hier ist des Herrn Tempel! Sondern bessert euer Leben und euer Tun, dass ihr recht handelt einer gegen den andern und keine Gewalt übt gegen Fremdlinge, Waisen und Witwen und nicht unschuldiges Blut vergießt an diesem Ort und nicht anderen Göttern nachlauft zu eurem eigenen Schaden, so will ich immer und ewig bei euch wohnen an diesem Ort, in dem Lande, das ich euren Vätern gegeben habe.“ Jeremia 7,2-7. DKn.233.4 Teilen

234

Hier zeigt sich deutlich, wie ungern der Herr die Menschen straft. Er hält Seine Gerichte zurück, um die Unbußfertigen eindringlich warnen zu können. Er, der „Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden“ (Jeremia 9,23), fühlt sich zu Seinen irrenden Kindern hingezogen. Auf jede nur mögliche Weise sucht er sie den Weg zum ewigen Leben zu lehren. Er hatte die Israeliten aus der Sklaverei befreit, damit sie Ihm, dem einzig wahren und lebendigen Gott, dienten. Obwohl sie lange im Götzendienst irregegangen waren und Seine Warnungen missachtet hatten, erklärte Er doch jetzt Seine Bereitschaft, die Strafe hinauszuschieben und ihnen eine weitere Gelegenheit zur Reue zu geben. Er machte ihnen klar, dass das drohende Verderben nur durch eine gründliche Erneuerung des Herzens abzuwenden war. Sich auf den Tempel und seine Gottesdienste zu verlassen, sei vergeblich. Rituale und Zeremonien könnten die Sünde nicht sühnen. Ungeachtet ihres Anspruchs, das auserwählte Volk Gottes zu sein, könne doch nur eine Umwandlung des Herzens und der Lebensgewohnheiten sie vor den unausweichlichen Folgen fortgesetzter Übertretung erretten. DKn.234.1 Teilen

So lautete nun die Botschaft Jeremias „in den Städten Judas und auf den Gassen Jerusalems ... Hört die Worte dieses Bundes“ — die klaren Vorschriften unseres Gottes, wie sie in der Heiligen Schrift überliefert sind — „und tut danach“! Jeremia 11,6. Diese Botschaft verkündigte er, als er zu Beginn der Herrschaft Jojakims im Vorhof des Tempels stand. DKn.234.2 Teilen

Kurz gefasst gab er einen Überblick über die Erfahrungen der Kinder Israel seit den Tagen des Auszugs aus Ägypten. Gottes Bund mit ihnen hatte in folgendem bestanden: „Gehorcht meinem Wort, so will ich euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein; wandelt ganz auf dem Wege, den ich euch gebiete, auf dass es euch wohlgehe.“ Jeremia 7,23. Dieser Bund war immer wieder schamlos gebrochen worden. Zu Seinem Volk auserwählt, „sind sie [doch] nach den Ratschlägen, nach dem Starrsinn ihres bösen Herzens gewandelt, indem sie mir den Rücken und nicht mehr das Angesicht zukehrten“. Jeremia 7,24 (Menge). DKn.234.3 Teilen

„Warum will denn dies Volk zu Jerusalem irregehen für und für?“ (Jeremia 8,5) fragte der Herr. Nach den Worten des Propheten geschah es deshalb, weil das Volk der Stimme des Herrn, seines Gottes, nicht gehorcht und Seine Zurechtweisung abgelehnt hatte. Vgl. Jeremia 5,3. „Die Wahrheit ist dahin ...“, klagte er. Jeremia 7,28. „Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des Herrn nicht wissen.“ Jeremia 8,7. „Sollte ich das nicht heimsuchen an ihnen, spricht der Herr, und sollte ich mich nicht rächen an einem Volk wie diesem?“ Jeremia 9,8. Die Zeit für eine eingehende Prüfung des Herzens war gekommen. Während Josias Herrschaft hatte das Volk einigen Grund zur Hoffnung gehabt. Aber nun konnte er nicht mehr für die Israeliten eintreten, denn er war in der Schlacht gefallen. Die Sünden des Volkes waren derart, dass es für eine vermittelnde Fürsprache fast zu spät war. „Wenn auch Mose und Samuel vor mir stünden“, erklärte der Herr, „so habe ich doch kein Herz für dies Volk. Treibe sie weg von mir, und lass sie weggehen! Und wenn sie zu dir sagen: Wo sollen wir hin?, dann antworte ihnen: So spricht der Herr: Wen der Tod trifft, den treffe er; wen das Schwert trifft, den treffe es; wen der Hunger trifft, den treffe er; wen die Gefangenschaft trifft, den treffe sie!“ Jeremia 15,1f. DKn.234.4 Teilen

235

Falls die unbußfertige Nation Gottes nochmalige gnädige Aufforderung nicht beachtete, würde dies dieselben Strafgerichte zur Folge haben, wie sie das Nordreich Israel ein Jahrhundert früher getroffen hatten. Die Botschaft Gottes an Juda lautete: „Werdet ihr mir nicht gehorchen und nicht nach meinem Gesetz wandeln, das ich euch vorgelegt habe, und nicht hören auf die Worte meiner Knechte, der Propheten, die ich immer wieder zu euch sende und auf die ihr doch nicht hören wollt, so will ich‘s mit diesem Hause machen wie mit Silo und diese Stadt zum Fluchwort für alle Völker auf Erden machen.“ Jeremia 26,4-6. DKn.235.1 Teilen

Wer im Tempelhof stand und Jeremias Predigt hörte, verstand deutlich diesen Hinweis auf Silo und auf die Zeit in den Tagen Elis, als die Philister Israel besiegt und die Bundeslade weggeführt hatten. DKn.235.2 Teilen

Die Sünde Elis hatte darin bestanden, dass er über die schändlichen Taten seiner Söhne, die ein heiliges Amt bekleideten, und über die im ganzen Land herrschenden Sünden leichtfertig hinweggegangen war. Sein Versäumnis, diese Missstände zu beseitigen, stürzte Israel in ein furchtbares Unglück. Seine Söhne fielen in der Schlacht und Eli selbst starb auch. Die Bundeslade wurde aus Israel weggeführt, und 30 000 Mann aus dem Volk wurden erschlagen. All dies geschah, weil man es der Sünde gestattete, sich ungetadelt und ungehemmt auszubreiten. Israel hatte vergeblich geglaubt, dass die bloße Anwesenheit der Bundeslade — ungeachtet der sündigen Gewohnheiten des Volkes — den Sieg über die Philister sichern werde. Genauso waren zu Jeremias Zeiten die Einwohner Judas der Meinung, dass die strikte Einhaltung der von Gott verordneten Tempel-Gottesdienste genüge, sie vor einer gerechten Strafe wegen ihrer schlechten Lebensführung zu bewahren. DKn.235.3 Teilen

Was für eine Lehre enthält dies doch für jene, die heute in der Gemeinde Gottes Verantwortung tragen! Welch ernste Mahnung, gegen unrechte Handlungen, die der Sache der Wahrheit Schande bereiten, gewissenhaft vorzugehen! Wer ein Verwalter des Gesetzes Gottes zu sein beansprucht, darf sich nicht einbilden, eine äußerlich zur Schau getragene Achtung vor den Geboten werde ihn vor dem Walten göttlicher Gerechtigkeit schützen. Keiner lehne es ab, um der Sünde willen getadelt zu werden, und niemand beschuldige die Diener Gottes des Übereifers, wenn sie sich mühen, die Gemeinde vom bösen Tun zu reinigen. Gott, der die Sünde hasst, fordert von denen, die sein Gesetz zu halten behaupten, aller Ungerechtigkeit abzusagen. Unterlassen es Männer und Frauen, ihre Schuld zu bereuen und willig gehorsam zu sein, werden die Folgen heute ebenso ernst sein wie damals für das alte Israel. Der Herr hat eine Grenze gesetzt, über die Seine Strafgerichte nicht hinausgezögert werden können. Die Verwüstung Jerusalems in den Tagen Jeremias ist eine ernste Warnung an das Israel unserer Tage. Die Ermahnungen und Ratschläge Gottes durch auserwählte Werkzeuge können nicht ungestraft missachtet werden. DKn.235.4 Teilen

236

Jeremias Botschaft an die Priester und das Volk rief die Feindschaft von vielen hervor. In stürmischer Anklage riefen sie: „Wie kannst du behaupten, im Namen des Herrn zu sprechen, wenn du ankündigst, dass der Tempel genauso zerstört werden soll wie das Heiligtum in Silo? Wie kannst du es wagen, uns anzudrohen, dass Jerusalem vollständig verwüstet werden soll, sodass keiner mehr darin wohnen wird? Und das ganze Volk rottete sich im Tempel des Herrn gegen Jeremia zusammen.“ Jeremia 26,9 (NL). So wurde die Botschaft Gottes verachtet und Seinem Diener mit dem Tod gedroht. DKn.236.1 Teilen

Jeremias Botschaft wurde sofort den Fürsten von Juda überbracht. Sie eilten vom Königspalast zum Tempel, um selbst den wahren Sachverhalt zu erfahren. „Die Priester und Propheten sprachen vor den Oberen und allem Volk: Dieser Mann ist des Todes schuldig; denn er hat geweissagt gegen diese Stadt, wie ihr mit eigenen Ohren gehört habt.“ Jeremia 26,11. Aber Jeremia stand unerschrocken vor den Fürsten und dem Volk und erklärte: „Der Herr hat mich gesandt, dass ich dies alles, was ihr gehört habt, weissagen sollte gegen dies Haus und gegen diese Stadt. So bessert nun eure Wege und euer Tun und gehorcht der Stimme des Herrn, eures Gottes, dann wird den Herrn auch gereuen das Übel, das er gegen euch geredet hat. Siehe, ich bin in euren Händen, ihr könnt mit mir machen, wie es euch recht und gut dünkt. Doch sollt ihr wissen: wenn ihr mich tötet, so werdet ihr unschuldig Blut auf euch laden, auf diese Stadt und ihre Einwohner. Denn wahrlich, der Herr hat mich zu euch gesandt, dass ich dies alles vor euren Ohren reden soll.“ Jeremia 26,12-15. DKn.236.2 Teilen

Hätte sich der Prophet durch die drohende Haltung der hohen Würdenträger einschüchtern lassen, so wäre seine Botschaft wirkungslos geblieben, und er selbst hätte sein Leben verloren. Der Mut jedoch, mit dem er die ernste Warnung vortrug, erzwang ihm die Achtung des Volkes und stimmte die Fürsten ihm günstig. Sie erörterten alles mit den Priestern und falschen Propheten und machten ihnen klar, wie töricht die von ihnen geforderten Maßnahmen seien. Ihre Worte fanden Widerhall beim Volk. So erweckte Gott Verteidiger für seinen Diener. DKn.236.3 Teilen

237

Auch die Ältesten protestierten vereint gegen die Entscheidung der Priester über das Schicksal Jeremias. Sie beriefen sich dabei auf Micha, der Strafgerichte über Jerusalem prophezeit hatte: „Zion wird umgepflügt zu Ackerland, Jerusalem wird zum Trümmerhaufen, der Tempelberg zur überwucherten Höhe.“ Und sie fragten: „Haben ihn etwa Hiskia, der König von Juda, und ganz Juda deshalb hingerichtet? Hat er nicht Gott gefürchtet und den Zorn des Herrn besänftigt, sodass den Herrn das Unheil reute, das er ihnen angedroht hatte? Und wir sollten ein so großes Unrecht tun zu unserem eigenen Schaden?“ Jeremia 26,18f (EÜ). DKn.237.1 Teilen

Auf die Fürsprache dieser einflussreichen Männer hin wurde das Leben des Propheten verschont. Viele Priester und falsche Propheten, die die strafenden Wahrheiten aus seinem Mund nicht ertragen konnten, hätten es trotzdem lieber gesehen, wenn er unter der Anklage des Aufruhrs hingerichtet worden wäre. DKn.237.2 Teilen

Vom Tag seiner Berufung bis zum Abschluss seines Dienstes stand Jeremia vor Juda wie „eine feste, eherne Mauer“, gegen die menschlicher Zorn nichts ausrichten konnte. „Wenn sie auch wider dich streiten, sollen sie dir doch nichts anhaben“, hatte der Herr seinem Diener angekündigt; „denn ich bin bei dir, dass ich dir helfe und dich errette, spricht der Herr, und ich will dich erretten aus der Hand der Bösen und erlösen aus der Hand der Tyrannen.“ Jeremia 15,20f. DKn.237.3 Teilen

Von Natur aus furchtsam und scheu, sehnte sich Jeremia nach dem Frieden und der Ruhe eines zurückgezogenen Lebens, wo er nicht Zeuge der dauernden Verstocktheit seines geliebten Volkes sein musste. Sein Herz litt schrecklich unter dem Verderben, das die Sünde verursacht hatte. „Ach dass ich Wasser genug hätte in meinem Haupte und meine Augen Tränenquellen wären“, klagte er, „dass ich Tag und Nacht beweinen könnte die Erschlagenen meines Volks!“ Jeremia 8,23. „Ach dass ich eine Herberge hätte in der Wüste, so wollte ich mein Volk verlassen und von ihnen ziehen!“ Jeremia 9,1. DKn.237.4 Teilen

Grausam war das Gespött, das er zu ertragen hatte. In sein empfindsames Gemüt drangen tief die Pfeile des Spottes jener Menschen, die seine Botschaften verachteten und seine Bürde, die er für ihre Bekehrung trug, leichtfertig abtaten. „Ich bin ein Hohn für mein ganzes Volk“, klagte er, „und täglich ihr Spottlied.“ Klagelieder 3,14. „Ich bin darüber zum Spott geworden täglich, und jedermann verlacht mich ... Alle meine Freunde und Gesellen lauern, ob ich nicht falle: ‚Vielleicht lässt er sich überlisten, dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.‘“ Jeremia 20,7.10. DKn.237.5 Teilen

Der treue Prophet wurde täglich gestärkt, so dass er durchhalten konnte. „Der Herr ist bei mir wie ein starker Held“, bekannte er vertrauensvoll, „darum werden meine Verfolger fallen und nicht gewinnen. Sie müssen ganz zuschanden werden, weil es ihnen nicht gelingt. Ewig wird ihre Schande sein und nie vergessen werden ... Singet dem Herrn, rühmet den Herrn, der des Armen Leben aus den Händen der Boshaften errettet!“ Jeremia 20,11.13. DKn.237.6 Teilen

238

Die Erfahrungen, die Jeremia in seiner Jugend wie auch in den späteren Jahren seines Dienstes durchlebte, lehrten ihn, „dass des Menschen Tun nicht in seiner Gewalt steht, und es liegt in niemandes Macht, wie er wandle oder seinen Gang richte“. Und er lernte beten: „Züchtige mich, Herr, doch mit Maßen und nicht in deinem Grimm, auf dass du mich nicht ganz zunichte machst.“ Jeremia 10,23f. Wenn es galt, vom Kelch der Trübsal und des Leides zu trinken und wenn er in seinem Elend zu klagen versucht war: „Mein Ruhm und meine Hoffnung auf den Herrn sind dahin“ (Klagelieder 3,22-26) da erinnerte er sich an die Fürsorge Gottes in seinem Leben und rief triumphierend aus: „‚Die Güte des Herrn ist‘s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.‘ Denn der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. ‚Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des Herrn hoffen.‘“ Klagelieder 3,22-26. DKn.238.1 Teilen

7035
27750
Weiter zu "Kapitel 35: Das Gericht naht"
Stichwörter