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Kapitel 16: Jakob und Esau
Kapitel 16: Jakob und Esau
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Auf Grundlage von 1.Mose 25,19-34; 1.Mose 27. DPa.131 Teilen

Jakob und Esau, die Zwillingssöhne Isaaks, waren sehr unterschiedlich in Charakter und Lebensart. Diesen Unterschied hatte der Engel Gottes bereits vor ihrer Geburt vorausgesagt. Als Antwort auf das beunruhigte Gebet der ...Rebekka teilte er ihr mit, dass sie zwei Söhne bekommen würde. Zugleich eröffnete er deren künftiges Geschick: Jeder sollte das Haupt eines mächtigen Volkes werden, aber einer würde größer sein als der andere und der Jüngere den Vorrang haben. DPa.131.1 Teilen

Der heranwachsende Esau liebte die Annehmlichkeiten des Lebens und alle seine Neigungen galten nur der Gegenwart. Jede Einschränkung ließ ihn aufbegehren. Ihm gefiel das ungebundene Umherstreifen, und so wählte er bald das Leben eines Jägers. Er war zudem des Vaters Liebling. Der Wagemut und die Kraft seines ältesten Jungen beeindruckte den ruhigen, friedliebenden Hirten immer wieder. Furchtlos durchstreifte Esau Berge und Wüsten, und stets kehrte er heim mit Wildbret für den Vater und mit spannenden Berichten über sein abenteuerliches Leben. Der besinnliche, fleißige und fürsorgliche Jakob dagegen lebte mit seinen Gedanken mehr für die Zukunft als in Gegenwart und war mit dem häuslichen Leben zufrieden. Er pflegte die Herden und trieb Ackerbau. Seine Ausdauer, Sparsamkeit und Fürsorge schätzte die Mutter an ihm. Seine zurückhaltende, unablässige Aufmerksamkeit trug mehr zu ihrem Glück bei als die gelegentlichen ungestümen Zärtlichkeiten Esaus. Rebekka hatte Jakob lieber. DPa.131.2 Teilen

Die Verheißungen, die Abraham vormals erhalten hatte und die seinem Sohn bestätigt worden waren, bedeuteten für Isaak und Rebekka das große Ziel ihrer Wünsche und Hoffnungen. Auch Jakob und Esau kannten sie gut. Die Eltern sprachen mit ihnen darüber, dass das Erstgeburtsrecht hohe Bedeutung habe, denn es umfasste ja nicht nur die Erbschaft irdischen Reichtums, sondern auch geistlichen Vorrang. Wer es erhielt, sollte der Priester der Familie sein, und aus der Reihe seiner Nachfahren würde der Erlöser der Welt kommen. Andererseits ruhten auf dem Träger des Erbrechts ganz bestimmte Verpflichtungen, denn wer den Segen erbte, musste sein Leben in besonderer Weise dem Dienst Gottes weihen. Wie einst Abraham musste er seinen Geboten gehorchen. Bei der Eheschließung, in allen häuslichen Angelegenheiten und im öffentlichen Leben musste er den Willen Gottes beachten. DPa.131.3 Teilen

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Isaak machte seine Söhne mit diesen Rechten und Bedingungen vertraut und erklärte ihnen ganz deutlich, dass Esau als der Ältere Anspruch auf das Erstgeburtsrecht habe. Aber Esau hatte weder Neigung zur Frömmigkeit noch zum geistlichen Leben. Die mit dem Erstgeburtsrecht verbundenen Bedingungen waren ihm ein lästiger und geradezu verhasster Zwang. Esau empfand Gottes Gesetz, das die Bedingung des göttlichen Bundes mit Abraham gewesen war, als ein Joch. Mit seinem Hang zur Zügellosigkeit begehrte er nichts so sehr wie die Freiheit, tun und lassen zu können, was er wollte. Für ihn waren Macht und Reichtum, Gelage und Lustbarkeiten gleichbedeutend mit einem glücklichen Leben. Rebekka erinnerte sich jetzt an die Worte des Engels, und sie deutete mit größerem Scharfblick als ihr Mann die Charakterzüge ihrer Söhne. Sie kam zu der Überzeugung, dass das Erbe der göttlichen Verheißung Jakob bestimmt war. Deshalb wiederholte sie Isaak die Worte des Engels, aber die Zuneigung des Vaters gehörte nun mal dem älteren Sohn, und er blieb beharrlich bei seiner Absicht. DPa.132.1 Teilen

Jakob wusste durch seine Mutter von der göttlichen Ankündigung, dass ihm das Erstgeburtsrecht zufallen sollte. Und er wünschte sich so sehr, diese Vorrechte zu erfüllt, die damit verbunden waren. Nicht den Reichtum seines Vaters erstrebte er; das Ziel seiner Sehnsucht galt vielmehr dem geistlichen Erstgeburtsrecht. Mit Gott in der Weise zu verkehren, wie es der gerechte Abraham erlebt hatte, das Versöhnungsopfer für die Familie darzubringen, der Ahnherr des erwählten Volkes und des verheißenen Messias zu sein — das waren Gnadengaben, die er sich so sehr wünschte. Sie schlossen ja das Erbe der unvergänglichen Besitztümer und den Segen des Bundes ein. Seine Gedanken gingen immer wieder in die Zukunft, und er trachtete nach ihren noch verborgenen Segnungen. DPa.132.2 Teilen

Mit heimlichem Verlangen nahm er alles auf, was sein Vater über die geistliche Bedeutung des Erstgeburtsrechts sagte, und genauso sorgfältig hütete er, was er von der Mutter erfuhr. Ständig beschäftigten ihn diese Dinge, so dass sie zum Hauptanliegen seines Lebens wurden. Obwohl er also die ewigen Segnungen den zeitlichen vorzog, hatte er doch noch keine Erfahrung mit dem Gott gemacht, den er verehrte. Ihm fehlte die Herzenserneuerung durch Gottes Gnade. Er war überzeugt, dass sich die ihn betreffende Verheißung nicht erfüllen könne, solange Esau an den Rechten des Erstgeborenen festhielt. So überlegte er hin und her, wie er in den Besitz jener Segnungen kommen könnte, die seinem Bruder so unwichtig, ihm dagegen so wertvoll waren. DPa.132.3 Teilen

Als Esau eines Tages ermattet und müde von der Jagd nach Hause kam, bat er von dem Essen, das Jakob gerade zubereitete. Dieser ergriff die Gelegenheit und erbot sich, den Hunger seines Bruders um den Preis des Erstgeburtsrechtes zu stillen; denn der eine Gedanke bewegte ihn ja immer. „Ich muss ja sowieso einmal sterben“, rief der leichtsinnige, unbeherrschte Jäger, „was nützt mir da mein Erstgeburtsrecht?“ 1.Mose 25,32 (NL). Und für einen Teller Linsensuppe gab er sein Erstgeburtsrecht auf und bekräftigte diesen Handel mit einem Eid. In Kürze hätte er im Zelt des Vaters bestimmt zu essen bekommen. Aber um seinen Hunger im Augenblick zu stillen, verschleuderte er gedankenlos das herrliche Erbe, das Gott den Vätern verheißen hatte. Sein Denken gehörte eben der Gegenwart. So war er bereit, himmlisches Gut für einen augenblicklichen Vorteil einzutauschen. DPa.132.4 Teilen

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Auf diese Weise verachtete Esau seine Erstgeburt. Nachdem er sie veräußert hatte, war er erleichterter. Jetzt hinderte ihn nichts mehr, zu tun und zu lassen, was ihm gefiel. Wie viele verkaufen doch auch heute sozusagen ihr Erstgeburtsrecht, den Anspruch auf ein unvergängliches Erbe im Himmel wegen Vergnügen, die man fälschlich Freiheit nennt! DPa.133.1 Teilen

Weil nur Äußerliches und Irdisches Anziehungskraft auf ihn ausübte, nahm sich Esau zwei Frauen von den Töchtern der Hethiter. Diese verehrten falsche Götter, und ihr Götzendienst machte Isaak und Rebekka bitteren Kummer. Esau hatte damit eine Bedingung des Bundes verletzt, der die Heirat zwischen dem erwählten Volk und den Heiden verbot. Dennoch hielt Isaak unerschütterlich an seinem Entschluss fest, ihm das Erstgeburtsrecht zu übertragen. Weder Rebekkas überzeugende Gründe noch Jakobs starkes Verlangen nach dem Segen, oder gar Esaus Gleichgültigkeit gegen die Verpflichtungen des Erstgeburtsrechts, hatten es geschafft, den Entschluss des Vaters zu ändern. DPa.133.2 Teilen

Jahre waren vergangen, bis sich Isaak entschloss, nun alt und blind und in der Erwartung des baldigen Todes, die Segnung seines Ältesten nicht länger hinauszuzögern. Da er aber Rebekkas und Jakobs Widerstand kannte, wollte er dies heimlich vollziehen. Der Gewohnheit entsprechend, dabei ein Festmahl zu veranstalten, gebot er Esau: „Geh aufs Feld und jage mir ein Wildbret und mach mir ein Essen, wie ich’s gern habe ..., auf dass dich meine Seele segne, ehe ich sterbe.“ 1.Mose 27,3.4. DPa.133.3 Teilen

Rebekka ahnte etwas von seiner Absicht; und sie war fest davon überzeugt, dass dies gegen Gottes offenbarten Willen war. Isaak lief Gefahr, sich das göttliche Missfallen zuzuziehen, indem er seinen jüngeren Sohn von der Stellung auszuschließen suchte, zu der Gott ihn berufen hatte. Und weil sie bis dahin Isaak nicht überzeugen konnte, nahm sie Zuflucht zur List. DPa.133.4 Teilen

Kaum war Esau mit seinem Auftrag unterwegs, da machte sich Rebekka daran, ihren Plan umzusetzen. Sie berichtete Jakob, was sich ereignet hatte, und forderte ihn zu sofortigem Handeln auf, um der unwiderruflichen Verleihung des Segens an Esau zuvorzukommen. Sie versicherte ihrem Sohn, er werde den Segen erlangen, wie Gott es verheißen hatte, wenn er nur ihren Anweisungen folge. Aber Jakob war nicht so schnell dazu bereit. Der Gedanke, seinen Vater täuschen zu sollen, bereitete ihm große innere Not. Er hatte schon jetzt das Gefühl, solche Sünde würde eher Fluch als Segen bringen. Doch Rebekka überwand seine Bedenken, und er folgte ihrem Rat. Er hatte es nicht vor, eine direkte Lüge auszusprechen, aber als er dann vor dem Vater stand, schien es ihm, als sei er schon zu weit gegangen, um noch zurück zu können. Und so erlangte er den begehrten Segen durch Betrug. DPa.133.5 Teilen

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Jakob und Rebekka hatten Erfolg mit ihrem Plan, aber sie ernteten nur Kummer und Sorge. Gott hatte gesagt, Jakob solle das Erstgeburtsrecht erhalten. Wenn sie im Vertrauen darauf gewartet hätten, würde sich auch Gottes Wort zu seiner Zeit erfüllt haben. Aber gleich vielen angeblichen Kindern Gottes heutzutage wollten sie ihm die Angelegenheit nicht überlassen. Rebekka bereute den falschen Rat sehr, den sie ihrem Sohn gegeben hatte. Deswegen wurde sie von ihm getrennt und sollte ihn nie wiedersehen. Von dem Moment an, als Jakob das Erstgeburtsrecht empfing, wurde er von Selbstvorwürfen gequält. Er war schuldig geworden an seinem Vater, an seinem Bruder, an sich selbst und hatte sich auch gegen Gott versündigt. In kürzester Zeit hatte er vollbracht, was er lebenslang bereuen sollte. Und wenn ihn in späteren Jahren das gottlose Leben seiner eigenen Söhne bedrückte, stand dieses Ereignis immer lebendig vor ihm. DPa.134.1 Teilen

Jakob hatte kaum das Zelt seines Vaters verlassen, als Esau eintrat. Obwohl er sein Erstgeburtsrecht verkauft und die Übertragung mit einem feierlichen Eid bekräftigt hatte, war er fest entschlossen, sich des Segens ohne Rücksicht auf den Anspruch seines Bruders anzueignen. Mit dem geistlichen Erstgeburtsrecht war das irdische verbunden, das ihm die Würde als Familienoberhaupt und den doppelten Anteil am väterlichen Besitz verlieh. Das waren Dinge, die er zu schätzen wusste. „Richte dich auf, mein Vater“, sagte er, „und iss von dem Wildbret deines Sohnes, dass mich deine Seele segne.“ 1.Mose 27,31. DPa.134.2 Teilen

Zitternd vor Bestürzung und Schmerz erfuhr der alte, blinde Vater den Betrug, den man an ihm verübt hatte. Seine lange gehegten Hoffnungen waren durchkreuzt worden, und bitter empfand er die Enttäuschung, die seinen ältesten Sohn überkommen musste. Doch blitzte die Überzeugung in ihm auf, dass Gottes Vorsehung seine Absicht vereitelt und gerade das zuwege gebracht hatte, was er verhindern wollte. Er erinnerte sich an die Worte des Engels zu Rebekka, und ungeachtet der Sünde, deren sich Jakob schuldig gemacht hatte, sah er nun in ihm denjenigen, der Gottes Absichten erfüllen würde. DPa.134.3 Teilen

Während nun die Segensworte über seine Lippen geflossen waren, hatte er den Geist der Weissagung auf sich gefühlt. Nun, als er alle Umstände kannte, bestätigte er den Segen, den er zuvor unwissend über Jakob ausgesprochen hatte: „Ich habe ihn gesegnet, und er wird auch gesegnet bleiben.“ 1.Mose 27,33. DPa.134.4 Teilen

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Esau sah den Segen als unwichtig an, solange er ihm erreichbar schien, aber nachdem er ihn für immer verloren hatte, wünschte er ihn unbedingt. Die ganze Kraft seiner impulsiven und leidenschaftlichen Natur wurde wach. Sein Klagen und Zorn waren furchtbar. In maßlosem Jammer schrie er: „Oh mein Vater, segne auch mich! ... Hast du mir denn nicht noch einen Segen für mich?“ 1.Mose 27,34.36 (NL). Aber Isaak konnte die einmal ausgesprochene Verheißung nicht zurücknehmen. Das so sorglos eingetauschte Erstgeburtsrecht ließ sich nicht zurückgewinnen. „Um der einen Speise willen“ (Hebräer 12,16), um den augenblicklichen Hunger zu stillen, den er ja niemals bezähmt hatte, verkaufte Esau sein Erbe. Als er seine Torheit einsah, war es zu spät. „Er fand keinen Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Tränen suchte.“ Hebräer 12,17. Esau besaß durchaus noch die Möglichkeit, seine Tat zu bereuen und Gottes Gnade zu erbitten, aber es gab kein Mittel, das Erstgeburtsrecht wiederzubekommen. Sein Kummer entsprang aber nicht dem Schuldbewusstsein. Er suchte auch keine Versöhnung mit Gott, sondern grämte sich nur über die Folgen seiner Sünde, aber nicht über die Sünde selbst. DPa.135.1 Teilen

Wegen seiner Gleichgültigkeit gegenüber den göttlichen Bedingungen und Segnungen wird Esau in der Heiligen Schrift ein „Gottloser“ (Hebräer 12,16) genannt. Er stellt diejenigen dar, die die Erlösung durch Christus für sich selbst gering schätzen und schnell bereit sind, ihr himmlisches Erbe für die vergänglichen Dinge dieser Welt aufzugeben. Die meisten Menschen leben für den Augenblick, ohne einen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden. Wie Esau rufen sie: „Lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!“ 1.Korinther 15,32. Sie lassen sich nur von ihren Wünschen leiten und wollen auf nichts verzichten — lieber auf die wertvollsten Güter. Werden die Menschen vor die Wahl gestellt, entweder ihre unwürdigen Wünsche zu befriedigen oder aber die himmlischen Segnungen zu erlangen, die nur den Selbstlosen und Gottesfürchtigen verheißen sind, dann hat das selbstsüchtige Verlangen die Oberhand, während Gott praktisch gesehen verachtet wird. Wie viele angebliche Christen halten an Dingen fest, die der Gesundheit schädlich sind und das feine Empfinden abstumpfen! Hält man ihnen die sittliche Pflicht vor Augen, sich von jeder Art Unsauberkeit zu reinigen und sich in der Furcht Gottes zu heiligen, dann sind sie gekränkt. Sie begreifen sehr wohl, dass man diese verderblichen Freuden nicht genießen und dennoch den Himmel gewinnen kann, und so gehen sie schließlich den Weg zum ewigen Leben nicht weiter, weil er ihnen zu schmal erscheint. DPa.135.2 Teilen

Viele Menschen verkaufen ihr Erstgeburtsrecht für sinnliche Freuden. Sie opfern die Gesundheit, sie mindern ihre geistigen Fähigkeiten und verspielen den Himmel, und das alles nur für zeitliche Vergnügen, eine Nachgiebigkeit, die ihren Charakter verdirbt. Wie Esau die Torheit seines übereilten Tausches erst zum Bewusstsein kam, als es zu spät war, so wird es am Tag Gottes jenen gehen, die ihr himmlisches Erbe gegen selbstsüchtige Freuden eingetauscht haben. DPa.135.3 Teilen

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