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Kapitel 45: Der Fall Jerichos
Kapitel 45: Der Fall Jerichos
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Auf Grundlage von Josua 5,13-15; Josua 6; Josua 7. DPa.393 Teilen

Die Hebräer hatten Kanaan zwar betreten, aber es nicht unterworfen. Menschlich betrachtet musste es noch einen langen schweren Kampf um den Besitz des Landes geben. Hier wohnte ein starkes Geschlecht, das bereit war, sich gegen die Eroberung seiner Heimat zu wehren. Aus Furcht vor einer Gefahr, die sie alle bedrohte, verbündeten sich die Stämme untereinander. Mit ihren Pferden und eisernen Kampfwagen, der Kenntnis des Landes und ihrer Kriegserfahrung mussten sie ihnen gegenüber im Vorteil sein. Zudem war das Land durch Festungen geschützt — „große Städte, ummauert bis an den Himmel“. 5.Mose 9,1. Nur wenn sich die Israeliten nicht auf die eigene Kraft verließen, könnten sie in dem bevorstehenden Kampf auf Erfolg hoffen. DPa.393.1 Teilen

Eine der stärksten Festungen des Landes, die große, reiche Stadt Jericho, lag unweit von ihrem Lager bei Gilgal entfernt. Diese stolze Stadt am Rande einer fruchtbaren Ebene mit verschiedenen tropischen Erzeugnissen, trotzte mit ihren Palästen und Tempeln, dem üppigen Luxus und des Lasters, im Vertrauen auf ihre mächtigen Mauern dem Gott Israels. Jericho war eine der Zentren des Götzendienstes, vor allem Astaroth, der Mondgöttin, geweiht. Hier war alles Schlechte und Niedrige der kanaanitischen Religion konzentriert. Das Volk Israel konnte nur mit Abscheu und Entsetzen auf diese heidnische Stadt blicken, denn die schrecklichen Folgen seiner Sünde bei Beth-Peor war ihm noch frisch in der Erinnerung. DPa.393.2 Teilen

Josua sah in der Unterwerfung Jerichos den ersten Schritt zur Eroberung Kanaans. Vor allem aber suchte er die Zusicherung der göttlichen Hilfe, und sie wurde ihm gewährt. Als er sich aus dem Lager zu Andacht und Gebet zurückzog, damit der Gott Israels seinem Volk vorangehen möge, sah er einen hochgewachsenen, bewaffneten Krieger von Achtung gebietendem Aussehen, „ein bloßes Schwert in seiner Hand“. Josua 5,13. Auf Josuas Anruf: „Gehörst du zu uns oder zu unsern Feinden?“ antwortete er: „Ich bin der Fürst über das Heer des Herrn und bin jetzt gekommen.“ Josua 5,13.14. Der gleiche Befehl, wie ihn Mose am Horeb empfing: „Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn die Stätte, darauf du stehst, ist heilig“ (Josua 5,15), offenbarte ihm den wahren Charakter des geheimnisvollen Fremdlings. Es war Christus, der Erhabene, der vor dem Führer Israels stand. Von Ehrfurcht ergriffen, warf sich Josua auf sein Angesicht und betete an. Da hörte er die Zusicherung: „Ich habe Jericho samt seinem König und seinen Kriegsleuten in deine Hand gegeben.“ Josua 6,2. Dann erhielt er Anweisungen für die Einnahme der Stadt. DPa.393.3 Teilen

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Josua befolgte den göttlichen Befehl und ordnete das Heer. Es war kein Angriff geplant. Sie sollten nur mit der Lade Gottes um die Stadt marschieren und die Posaunen blasen. Zuerst kamen Kriegsleute, auserlesene Männer, die aber diesmal nicht durch eigene Geschicklichkeit und Tapferkeit siegen sollten, sondern durch Gehorsam gegen Gottes Befehle. Ihnen folgten sieben Priester mit Posaunen. Dann kam die Bundeslade, von einem Schein göttlicher Herrlichkeit umgeben und von Priestern getragen, deren Kleidung auf ihren heiligen Dienst hinwies. Ihnen folgte das Heer Israels, jeder Stamm unter seinem Banner. So sah der Zug aus, der die zum Untergang verurteilte Stadt umzog. Man hörte keinen Laut außer dem Tritt der riesigen Schar und dem feierlichen Schall der Posaunen, das von den Bergen und in den Straßen Jerichos widerhallte. War der Umzug vollendet, dann kehrte das Heer schweigend zu seinen Zelten zurück und die Bundeslade wurde wieder an ihren Platz in der Stiftshütte zurückgebracht. DPa.394.1 Teilen

Mit Staunen und erhöhter Alarmbereitschaft beobachteten die Wächter der Stadt jede Bewegung und meldeten alles den zuständigen Behörden. Sie verstanden den Sinn dieses Aufwandes nicht. Aber als sie die mächtige Schar jeden Tag einmal mit der heiligen Lade und den begleitenden Priestern um ihre Stadt marschieren sahen, überkam Priester und Volk bei dem geheimnisvollen Geschehen mit Entsetzen. Wieder überprüften sie ihre starken Verteidigungsanlagen und waren sicher, dass sie auch dem stärksten Angriff erfolgreich widerstehen konnten. Viele spöttelten bei dem Gedanken, dass ihnen diese sonderbaren Umzüge irgendwie schaden sollten. Anderen war diese tägliche Prozession um ihre Stadt unheimlich. Sie erinnerten sich daran, dass einmal das Rote Meer vor diesem Volk zurückgewichen war und der Jordan sich gerade erst für seinen Durchzug geöffnet hatte. Sie wussten nicht, welche Wunder Gott wohl noch für Israel tun würde. DPa.394.2 Teilen

Sechs Tage lang zog das Heer Israels um die Stadt. Am siebenten Tag ordnete Josua im ersten Morgengrauen das Heer des Herrn. Jetzt erhielten sie den Befehl, sieben Mal um Jericho zu marschieren und bei einem gewaltigen Posaunenton ein Kriegsgeschrei zu erheben, denn Gott hatte ihnen die Stadt übergeben. DPa.394.3 Teilen

Feierlich zog das gewaltige Heer um die schon dem Untergang geweihten Befestigungen. Alles war still. Man hörte nur den gleichmäßigen Schritt vieler Füße und einen gelegentlichen Ton der Posaune, die die Morgenstille unterbrach. Die massiven Mauern aus schweren Steinen schienen jeder Belagerung durch Menschen zu trotzen. Aber die Wächter auf den Festungswällen sahen mit steigender Furcht, wie dem ersten Umzug ein zweiter folgte, diesem ein dritter, vierter, fünfter und sechster. Was mochte der Zweck dieser geheimnisvollen Bewegungen sein? Welches gewaltige Ereignis stand ihnen bevor? Sie brauchten nicht lange zu warten. Als der siebente Umzug beendet war, stand der lange Zug still. Die Posaunen, die eine Zeitlang geschwiegen hatten, brachen nun mit einem Geschmetter los, dass die Erde erbebte. Da wankten die festen Steinmauern mit ihren schweren Türmen und Zinnen, hoben sich aus ihren Grundfesten und stürzten mit lautem Krachen zusammen. Die Einwohner Jerichos waren vor Schreck wie gelähmt, und die Scharen Israels drangen ein und nahmen die Stadt ein. DPa.394.4 Teilen

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Die Israeliten hatten den Sieg nicht aus eigener Kraft erlangt. Die Eroberung war ausschließlich dem Herrn zu verdanken. Deshalb sollte die Erstlingsfrucht des Landes — nämlich die Stadt — mit allem, was sie enthielt, dem Herrn als Opfer gehören. Es sollte den Israeliten eindrucksvoll eingeprägt werden, dass sie nicht für sich selbst kämpften, sondern einfach als Gottes Werkzeuge seinen Willen auszuführen hatten. Sie sollten auch nicht nach Reichtümern oder Eigenruhm streben, sondern nach der Verherrlichung Jahwes, ihres Königs. Vor der Einnahme ist deshalb der Befehl gegeben worden: „Diese Stadt und alles, was darin ist, soll dem Bann des Herrn verfallen sein ... Hütet euch vor dem Gebannten und lasst euch nicht gelüsten, etwas von dem Gebannten zu nehmen und das Lager Israels in Bann und Unglück zu bringen.“ Josua 6,17.18. DPa.395.1 Teilen

Alle Bewohner der Stadt und alle lebenden Wesen darin, „Mann und Frau, jung und alt, Rinder, Schafe und Esel“ (Josua 6,21), sollten dem Schwert verfallen. Nur die treue Rahab blieb samt ihren Angehörigen nach dem Versprechen der Kundschafter verschont. Die Stadt selbst wurde verbrannt; ihre Paläste und Tempel, die großartigen Wohnhäuser mit allen verschwenderisch ausgestatteten Einrichtungen, die kostbaren Vorhänge und Gewänder wurden den Flammen übergeben. Was jedoch nicht durch das Feuer zerstört war, „alles Silber und Gold samt den kupfernen und eisernen Geräten“ (Josua 6,19) wurde für den Dienst an der Stiftshütte bestimmt. Grund und Boden der Stadt wurden verflucht; Jericho sollte nie wieder als Festung aufgebaut werden. Jedem, der es wagen würde, die Mauern wiederherzustellen, die Gottes Macht niedergeworfen hatte, drohten Strafgerichte. In Gegenwart des ganzen Volkes gab Josua die feierliche Erklärung ab: „Verflucht vor dem Herrn sei der Mann, der sich aufmacht und diese Stadt Jericho wieder aufbaut! Wenn er ihren Grund legt, das koste ihn seinen erstgeborenen Sohn, und wenn er ihre Tore setzt, das koste ihn seinen jüngsten Sohn!“ Josua 6,26. DPa.395.2 Teilen

Die vollständige Vernichtung der Einwohner Jerichos war nur eine Erfüllung des früheren Befehls durch Mose über die Bewohner Kanaans: Du sollst „an ihnen den Bann vollstrecken“. 5.Mose 7,2. — „In den Städten dieser Völker ... sollst du nichts leben lassen, was Odem hat.“ 5.Mose 20,16. Vielen scheinen diese Gebote in Widerspruch zu dem Geist der Liebe und Barmherzigkeit zu stehen, die an anderen Stellen der Bibel zur Pflicht gemacht werden. In Wirklichkeit wurden diese Vorschriften von unendlicher Weisheit und Güte bestimmt. Gott wollte die Israeliten in Kanaan ansiedeln, damit sie dort ein Volk und eine Regierung als Offenbarung seines Reiches auf Erden verkörperten. Sie sollten nicht nur Erben des wahren Glaubens sein, sondern auch seine Grundsätze in der ganzen Welt verbreiten. Die Kanaaniter dagegen hatten sich dem widerwärtigsten, niedrigsten Heidentum ergeben; das Land musste deshalb von allem gereinigt werden, was Gottes gnadenvolle Absichten sicherlich verhindert hätte. DPa.395.3 Teilen

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Die Einwohner Kanaans hatten ausreichend Gelegenheit zur Umkehr gehabt. 40 Jahre zuvor hatte der Durchgang durchs Rote Meer und die Strafgerichte an Ägypten die Macht des Gottes Israels bezeugt. Und es zeigte auch der Untergang der Könige von Midian, Gilead und Basan, dass Jahwe über allen Göttern stand. Die Heiligkeit seines Charakters und seine Abscheu vor Unreinheit sprachen aus den Gerichten, mit denen er Israels Teilnahme an den abscheulichen Bräuchen des Baal-Peor heimsuchte. Alle diese Ereignisse waren den Bewohnern von Jericho bekannt. Es gab viele, die gemeinsam mit Rahab überzeugt waren, dass Jahwe der Gott Israels sei „Gott oben im Himmel und unten auf Erden“ (Jesaja 2,11), wenn sie sich auch weigerten, ihm zu folgen. Wie bei den Menschen vor der Sintflut führte auch das Leben der Kanaaniter nur dazu, dass sie die Erde verdarben und den Himmel lästerten. Deshalb erforderten sowohl Liebe als auch Gerechtigkeit die sofortige Ausrottung dieser Feinde der Menschen und Rebellen gegen Gott. DPa.396.1 Teilen

Wie leicht stürzten durch himmlische Heere Jerichos Mauern ein! Den ungläubigen Kundschaftern hatten die Bollwerke dieser stolzen Stadt vor 40 Jahren noch solchen Schrecken eingejagt! Der Mächtige in Israel hatte gesagt: „Ich habe Jericho ... in deine Hand gegeben.“ Josua 6,2. Gegen jenes Wort war menschliche Kraft machtlos. DPa.396.2 Teilen

„Durch den Glauben fielen die Mauern Jerichos.“ Hebräer 11,30. Der Fürst über das Heer Gottes trat nur mit Josua in Verbindung. Er offenbarte sich nicht der ganzen Gemeinde und ihr blieb es überlassen, Josuas Worten zu glauben oder sie zu bezweifeln, den im Namen des Herrn gegebenen Befehlen zu gehorchen oder seine Autorität zu ignorieren. Die Israeliten konnten die Schar der Engel nicht sehen, welche sie unter der Führung des Sohnes Gottes begleiteten. Sie hätten einwenden können: „Was sind das für sinnlose Bewegungen, wie lächerlich, täglich um die Stadtmauern zu marschieren und mit Posaunen aus Widderhörnern zu blasen! Das kann doch keine Wirkung auf die gewaltigen Befestigungen haben.“ Aber gerade durch die über längere Zeit bis zum Einsturz durchgeführte Zeremonie bot sich für die Israeliten die Möglichkeit, in ihrem Glauben voranzukommen. Es sollte sich ihnen tief einprägen, dass ihre Kraft nicht in menschlicher Weisheit oder Macht bestand, sondern allein in dem Gott ihres Heils. Auf diese Weise würde es ihnen zur Gewohnheit werden, sich ganz auf den göttlichen Führer zu verlassen. DPa.396.3 Teilen

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Er will Großes an denen tun, die ihm vertrauen. Wenn das Volk, das ihn bekennt, keine größere Stärke aufweist, dann deshalb, weil so viele auf ihre eigene Weisheit bauen und dem Herrn keine Gelegenheit geben, ihnen seine Macht zu offenbaren. Er will seinen Kindern in allen Schwierigkeiten helfen, wenn sie nur ihr ganzes Vertrauen auf ihn setzen und ihm treu gehorchen. DPa.397.1 Teilen

Bald nach dem Fall Jerichos beschloss Josua, Ai anzugreifen, eine kleine Stadt in den Bergschluchten, die sich wenige Kilometer westlich des Jordantals erstreckt. Dorthin entsandte Kundschafter brachten die Nachricht, sie habe nur wenige Einwohner, deshalb genüge zu ihrer Eroberung eine kleine Streitmacht. Der große Sieg, den Gott für sie gewonnen hatte, hob das Selbstvertrauen der Israeliten. Er hatte ihnen Kanaan verheißen, also fühlten sie sich sicher und vergaßen darüber immer wieder, dass allein Gottes Hilfe ihnen Erfolg schenken konnte. Selbst Josua legte seine Pläne zur Eroberung von Ai, ohne bei Gott Rat zu suchen. DPa.397.2 Teilen

Die Israeliten hatten angefangen, sich ihrer Stärke zu rühmen und geringschätzig auf die Feinde zu sehen. Man rechnete mit einem leichten Sieg und hielt 3000 Mann für ausreichend, die Stadt einzunehmen. Ohne die Gewissheit, dass Gott bei ihnen sei, stürmten sie zum Angriff. Doch schon am Stadttor stießen sie auf entschlossenen Widerstand. Über die Anzahl und die gründliche Vorbereitung ihrer Feinde in Panik geraten, flohen sie verwirrt den steilen Abhang hinab, ungestüm verfolgt von den Kanaanitern. „Sie hatten sie nämlich von dem Tor ... gejagt und am Abhang erschlagen.“ Josua 7,5. Wenn der zahlenmäßige Verlust auch gering war — nur 36 Mann wurden getötet —, war die Niederlage entmutigend für die ganze Gemeinde. „Da verzagte das Herz des Volks und ward zu Wasser.“ Josua 7,5. Dies war das erste Mal, dass sie im offenen Kampf auf die Kanaaniter gestoßen waren. Wenn die Verteidiger dieser kleinen Stadt sie schon in die Flucht schlugen, was sollte dann in den größeren Kämpfen werden, die ihnen noch bevorstanden? Josua sah in ihrem Misserfolg den Ausdruck göttlichen Unwillens, und voll Schmerz und Furcht „zerriss er seine Kleider und fiel auf sein Angesicht zur Erde vor der Lade des Herrn bis zum Abend samt den Ältesten Israels, und sie warfen Staub auf ihr Haupt“. Josua 7,6. DPa.397.3 Teilen

„Ach, Herr Herr“, rief er, „warum hast du dies Volk über den Jordan geführt und gibst uns in die Hände der Amoriter, um uns umzubringen ...? Ach, Herr, was soll ich sagen, nachdem Israel seinen Feinden den Rücken gekehrt hat? Wenn das die Kanaaniter und alle Bewohner des Landes hören, so werden sie uns umringen und unsern Namen ausrotten von der Erde. Was willst du dann für deinen großen Namen tun?“ DPa.397.4 Teilen

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Jahwe antwortete: „Steh auf! Warum liegst du da auf deinem Angesicht? Israel hat sich versündigt, sie haben meinen Bund übertreten, den ich ihnen geboten habe.“ Josua 7,7-11. Jetzt war die Stunde zu schnellem, entschiedenem Handeln und nicht zur Verzweiflung und Klage gekommen. Es gab im Lager eine geheime Sünde, die es zu erforschen und zu beseitigen galt, ehe Gottes Gegenwart und Segen wieder bei seinem Volk sein konnte. „Ich werde hinfort nicht mit euch sein, wenn ihr nicht das Gebannte aus eurer Mitte tilgt.“ Josua 7,12. DPa.398.1 Teilen

Einer von denen, die Gottes Gericht vollstrecken sollten, hatte des Herrn Gebot missachtet. Und für seine Schuld wurde das ganze Volk verantwortlich gemacht: „Sie haben von dem Gebannten genommen und gestohlen und haben’s verheimlicht.“ Josua 7,11. Josua erhielt Anweisung, wie der Schuldige aufzufinden und zu bestrafen war: das Los sollte ihn ermitteln. Der Sünder wurde also keineswegs sofort benannt, die Angelegenheit blieb vielmehr eine Weile in der Schwebe, damit jeder seine Verantwortlichkeit für die Sünden unter ihnen spüren und dadurch zu Herzensprüfung und Demut vor Gott kommen sollte. DPa.398.2 Teilen

Früh am Morgen versammelte Josua das Volk nach ihren Stämmen, und die ernste, eindrucksvolle Handlung begann. Schritt für Schritt ging die Untersuchung voran. Immer näher kam dem Schuldigen das furchtbare Urteil. Erst wurde der Stamm, dann das Geschlecht, die Familie und schließlich der Mann selbst getroffen. Achan, Karmis Sohn, aus dem Stamm Juda wurde von Gottes Finger als derjenige bezeichnet, der Israel Verderben brachte. DPa.398.3 Teilen

Um keinen Zweifel an seiner Schuld aufkommen zu lassen und keinen Anlass zu dem Vorwurf zu geben, er sei zu Unrecht verurteilt worden, beschwor Josua Achan feierlich, die Wahrheit zu sagen. Darauf legte der Unglückliche ein umfassendes Geständnis ab: „Wahrlich, ich habe mich versündigt an dem Herrn, dem Gott Israels ... Ich sah unter der Beute einen kostbaren babylonischen Mantel und zweihundert Lot Silber und eine Stange von Gold, fünfzig Lot schwer; danach gelüstete mich, und ich nahm es. Und siehe, es ist verscharrt in der Erde in meinem Zelt.“ Josua 7,20.21. Sofort wurden Boten dorthin geschickt, die an der bezeichneten Stelle die Erde aufgruben, „und siehe, es war verscharrt in seinem Zelt und das Silber darunter. Und sie nahmen’s aus dem Zelt und brachten’s zu Josua ... und legten’s nieder vor dem Herrn“. Josua 7,22.23. DPa.398.4 Teilen

Das Urteil wurde gesprochen und sofort vollstreckt. „Weil du uns betrübt hast“, sagte Josua, „so betrübe dich der Herr an diesem Tage.“ Josua 7,25. Da das Volk für Achans Sünde mit verantwortlich gemacht worden war und unter ihren Folgen gelitten hatte, sollte es auch an der Bestrafung teilhaben. „Ganz Israel steinigte ihn.“ Josua 7,25. DPa.398.5 Teilen

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Dann wurde ein großer Steinhaufen über ihm aufgerichtet — zum Zeugnis für seine Sünde und ihre Bestrafung. „Daher nennt man diesen Ort ‚Tal Achor‘“ (Josua 7,26), das heißt „Unglück“. Im Buch Chronik steht der Vermerk: „Achan, der Israel ins Unglück brachte“. 1.Chronik 2,7. DPa.399.1 Teilen

Achan versündigte sich, weil er die ausdrücklichen, ernsten Warnungen Gottes und dessen überaus machtvolle Offenbarungen missachtete. „Hütet euch vor dem Gebannten und lasst euch nicht gelüsten, etwas von dem Gebannten zu nehmen und das Lager Israels in Bann und Unglück zu bringen“ (Josua 6,17.18), das war an alle Israeliten bekanntgemacht worden. Dieser Befehl wurde unmittelbar nach dem wunderbaren Durchgang durch den Jordan gegeben. Sie hatten den Bund mit Gott durch die Beschneidung erneuert, Passa gefeiert und von der Erscheinung des Engels, des Fürsten über das Heer des Herrn, erfahren. Dem folgte die Einnahme Jerichos, die zeigte, dass alle Übertreter des göttlichen Gesetzes sicher vernichtet werden. Die Tatsache, dass allein die Kraft Gottes Israel den Sieg geschenkt hatte, sie sich Jericho also nicht aus eigener Kraft bemächtigen konnten, machte den Befehl, sich der Beute zu enthalten, so bedeutsam. Gott hatte diese Festung durch die Macht seines Wortes gestürzt. Die Eroberung war sein Werk, deshalb musste die Stadt mit allem, was darin war, ihm allein überlassen werden. DPa.399.2 Teilen

Unter den Millionen Israeliten gab es nur einen Mann, der es in jener feierlichen Stunde des Sieges und Gerichtes wagte, Gottes Gebot zu übertreten. Das köstliche Gewand aus Sinear hatte Achans Habsucht erregt. Sogar im Angesicht des Todes nannte er ihn noch einen „kostbaren babylonischen Mantel“. Josua 7,21. Eine Sünde hatte dann zu weiteren geführt. Er eignete sich auch Gold und Silber an, das für die Schatzkammer des Herrn bestimmt war und hat so Gott die Erstlingsfrucht aus Kanaan geraubt. DPa.399.3 Teilen

Achans todbringende Sünde hatte ihre Wurzel in der Habsucht, eins der häufigsten und doch für unbedeutend gehaltenen Vergehen. Während andere Verstöße aufgedeckt und bestraft werden, wie selten rügt man dagegen die Übertretung des zehnten Gebotes. Die Lehre aus Achans Geschichte ist, dass ein solches Unrecht frevelhaft ist und schreckliche Folgen hat. DPa.399.4 Teilen

Habsucht ist ein Übel, das sich allmählich entwickelt. Achan hatte die Gewinnsucht so lange genährt, bis sie zu einer Gewohnheit wurde, aus deren Fesseln er einfach nicht mehr loskam. Solange diese Sünde ihn noch nicht ganz durchdrang, wäre er bei dem Gedanken zutiefst erschrocken, er könnte Unheil über Israel bringen. Nun aber war für dieses Gefühl unempfindlich. Als die Versuchung dann kam, wurde er ihre leichte Beute. DPa.399.5 Teilen

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Werden nicht trotz aller ernsten, ausdrücklichen Warnungen immer noch ähnliche Sünden begangen? Es ist uns genauso untersagt, Habsucht zu dulden, wie es Achan verboten war, sich Beute aus Jericho anzueignen. Gott hat das Abgötterei genannt. „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Matthäus 6,24), werden wir gemahnt. „Seht zu und hütet euch vor aller Habgier.“ Lukas 12,15. — „Habsucht lasset nicht von euch gesagt werden.“ Epheser 5,3. Vor unseren Augen steht das furchtbare Schicksal Achans und des Judas sowie das des Ananias und der Saphira. Im Hintergrund aber steht das Geschick Luzifers, „schöner Morgenstern“ (Jesaja 14,12) genannt, der den Glanz und die Seligkeit des Himmels für immer verwirkte, als er eine höhere Stellung begehrte. Und doch breitet sich trotz dieser Warnungen die Habgier weiter aus. DPa.400.1 Teilen

Überall trifft man auf dieses schleichende Übel. Es schafft Unzufriedenheit und Streit in den Familien; es erregt Neid und Hass bei den Armen gegen die Reichen und führt zur drückenden Härte der Reichen gegen die Armen. Und das gibt es nicht nur in der Welt, sondern auch in den Gemeinden. Wie häufig gibt es sogar hier Selbstsucht, Geiz, Übervorteilung, Nachlässigkeit in Liebeswerken und Beraubung Gottes am Zehnten und an der Opfergabe. Vgl. Maleachi 3,8. DPa.400.2 Teilen

Auch unter den Gemeindegliedern in guten, geordneten Verhältnissen gibt es leider noch viele Achans. Mancher von ihnen kommt regelmäßig zur Gemeinde und sitzt am Tisch des Herrn, obwohl er manches unrechtmäßig Erworbene besitzt, Dinge, die Gott verflucht hat. Für einen kostbaren babylonischen Mantel opfern viele ihr gutes Gewissen und die Hoffnung auf den Himmel. Viele tauschen ihre Redlichkeit und ihre guten Fähigkeiten schon gegen einen Beutel Silber ein. Darüber bleiben dann die Rufe der notleidenden Armen unbeachtet, und die Verkündigung des Evangeliums wird aufgehalten. Solches Tun erregt außerdem den Spott der Weltmenschen, weil es das christliche Bekenntnis Lügen straft. Dennoch hört der habgierige Glaubensbekenner nicht damit auf, Schätze anzuhäufen. „Ist’s recht, dass ein Mensch Gott betrügt, wie ihr mich betrügt!“ (Maleachi 3,8), fragt der Herr. DPa.400.3 Teilen

Achans Sünde brachte Unglück über das ganze Volk. Wegen eines Menschen Schuld kann Gottes Missfallen so lange auf seiner Gemeinde ruhen, bis das Unrecht herausgefunden und beseitigt ist. Was die Gemeinde am meisten fürchten sollte, sind nicht die offenen Gegner, die Ungläubigen und Spötter, sondern der Einfluss unaufrichtiger Bekenner Christi. Sie sind es, die Gottes Segen zurückhalten und seine Nachfolger schwächen. DPa.400.4 Teilen

Wenn die Gemeinde in Schwierigkeiten steckt, wenn man in ihr Kälte und geistlichen Verfall feststellt, wodurch die Feinde Gottes Grund zum Triumph erhalten, dann lasst die Gemeindeglieder nachforschen, ob nicht ein Achan im Lager ist, statt die Hände in den Schoß zu legen und den betrüblichen Zustand zu beklagen. Jeder suche in Demut und eingehender Selbstprüfung nach verborgenen Sünden, die Gottes Gegenwart verhindern. DPa.400.5 Teilen

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Achan gestand seine Schuld zwar ein, aber erst, als es für ihn zu einem Bekenntnis zu spät war. Er hatte Israels Kämpfer geschlagen und entmutigt von Ai zurückkommen sehen, doch trat er nicht vor, um seine Sünde zu bekennen. Er sah Josua und die Ältesten sich in unaussprechlichem Schmerz zur Erde beugen. Hätte er zu der Zeit sein Bekenntnis abgelegt, wäre das wenigstens ein Beweis von Reue gewesen. Aber er schwieg weiter. Er hörte die öffentliche Bekanntgabe, dass jemand schweres Unrecht begangen habe, und vernahm sogar klar, worum es sich handelte. Aber er sagte nichts. Dann folgte die ernste Untersuchung. Wie mag er vor Angst gezittert haben, als sein Stamm getroffen wurde, dann sein Geschlecht und schließlich seine Familie! Aber er legte noch immer kein Geständnis ab, bis Gottes Finger auf ihn wies. Erst jetzt, als er seine Sünde nicht länger verheimlichen konnte, gab er die Wahrheit zu. Wie oft werden ähnliche Bekenntnisse abgelegt. Es ist ein großer Unterschied, ob man Tatsachen zugibt, die einem bewiesen wurden, oder ob man Sünden bekennt, die nur Gott und uns bekannt sind. Achan hätte vielleicht immer noch nichts gestanden, wenn er nicht doch gehofft hätte, den Folgen seines Verbrechens zu entgehen. Nun aber dienten sein Bekenntnis nur dazu, seine Bestrafung zu rechtfertigen. Das war keine echte Reue, keine Sinnesänderung, kein Abscheu vor dem Bösen. DPa.401.1 Teilen

In gleicher Weise werden schuldig Gewordene einmal Bekenntnisse ablegen, wenn sie vor Gottes Richterstuhl stehen, nachdem jeder Fall über Leben und Tod entschieden ist. Die Folgen, die jeder zu erleiden hat, ergeben sich aus dem Zugeständnis seiner Sünde. Es wird dem Menschen abgenötigt durch das schreckliche Bewusstsein der Verdammnis und die furchtbare Erwartung des Urteils. Aber solche Bekenntnisse können den Sünder nicht mehr retten. DPa.401.2 Teilen

Wie Achan fühlen sich viele sicher, solange sie ihre Verfehlungen vor den Mitmenschen verheimlichen können. Sie leben in der falschen Hoffnung, Gott nehme es nicht so genau mit ihren Fehlern. Viel zu spät werden sie ihre Sünden an jenem Tag finden, an dem sie weder durch Opfer noch durch Gaben gerechtfertigt werden können. Werden einmal die Bücher des Himmels aufgetan, wird der Richter dem Menschen seine Schuld nicht mit Worten bezeichnen, sondern ihn mit durchdringendem Blick verurteilend anschauen und damit dem Übeltäter sein lebenslanges Verhalten vor Augen führen. Niemand braucht wie in Josuas Tagen aus Stamm und Geschlecht aufgespürt zu werden; er wird seine Schande selbst bekennen. Die den Menschen bis dahin verborgenen Sünden werden dann vor aller Welt offen ausgesprochen. DPa.401.3 Teilen

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